Zeit für Zeiterfassung: Was du aus unserem Tool Talk mitnehmen kannst

Chantal Seiter 27.3.2023

Die wichtigsten Tipps aus unserem Tool Talk rund um Zeiterfassung und die Aufzeichnung für alle, die ihn verpasst haben

Lange war es ruhig um das “Stechuhr-Urteil” des EuGH. Und in Deutschland steht eine gesetzliche Grundlage noch immer aus. Seit 2022 ist aber klar: Arbeitgeber sind auch hier dazu verpflichtet, die Arbeitszeit ihrer Mitarbeitenden zu erfassen. Wer das bisher aufgeschoben hat, konnte aus unserem kostenlosen Tool Talk die wichtigsten Infos rund um Zeiterfassung und praktische Tool-Tipps mitnehmen. Den Recap und Antworten auf die brennendsten Fragen gibt’s hier. Dafür haben wir auch im Nachgang nochmal mit unserem Host Guido Zander gesprochen.

 

Das Ende der Vertrauensarbeitszeit?

Schon im Mai 2019 entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH): Unternehmen in der EU müssen die Arbeitszeit ihrer Mitarbeitenden protokollieren. Eine gesetzliche Grundlage dafür lässt in Deutschland aber noch immer auf sich warten. Was es stattdessen gibt? Viel Interpretationsspielraum und einige Grauzonen. Im September 2022 bestätigte ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) immerhin, dass die Verpflichtung zur Arbeitszeiterfassung selbstverständlich auch für deutsche Unternehmen gilt (BAG - 1 ABR 22/21). Den entsprechenden Gesetzesentwurf wird Bundesarbeitsminister Hubertus Heil aber wahrscheinlich noch diesen Frühling vorlegen.

Vor allem in Zeiten von Homeoffice und flexibler Arbeit sorgen solche Entscheidungen regelmäßig für Furore: Läuten sie das Ende der Vertrauensarbeitszeit ein? Der Wunsch nach möglichst selbstbestimmtem Arbeiten trifft hier auf mindestens ebenso wichtigen Arbeitsschutz. Jetzt sind Unternehmen dran, für Lösungen zu sorgen, die beides vereinen. Rechtliche Unklarheiten machen das natürlich nicht unbedingt leichter. Die wichtigste Vorgabe besteht aber und wir erklären dir, wie dein Unternehmen sie umsetzen kann.

Was Zeiterfassung bedeutet – und was nicht

Kein Tool Talk ohne Tools: Bei unserem Online-Seminar waren gleich drei Softwareanbieter am Start, um ihre wirklich unterschiedlichen Lösungen für Zeiterfassung vorzustellen. Crewmeister, ZMI und ZEP setzen mit ihren Angeboten verschiedene Schwerpunkte und eignen sich so für individuelle Anforderungen. Gemeinsam mit unserem Host Guido Zander, Experte für Arbeitszeit und Workforce, haben sie die brennendsten Fragen rund um die EuGH- und BAG-Urteile geklärt.

Das Wichtigste zum Einstieg: Was heißt Zeiterfassung überhaupt? Seit dem Urteil des EuGH sprechen alle über die Pflicht zur Zeiterfassung. Dabei müssen Mitarbeitende ihre Arbeitszeiten lediglich dokumentieren. Guido hat die Unterschiede erklärt:

Zeiterfassung

  • erfolgt mit Stempeluhr
  • ist in der Regel manipulationssicher
  • kann kontrolliert werden
  • bietet Transparenz über Arbeitszeitverstöße
  • ist meist Grundlage für automatisierte Zuschlagsermittlung und Arbeitszeitkonten
  • ist nicht das, was der EuGH fordert

Zeitdokumentation

  • Zeiten werden von Mitarbeitenden selbst aufgeschrieben
  • ist nicht zwingend manipulationssicher
  • kaum Kontrolle möglich (Mitarbeitende können ihre Arbeitszeiten frei aufschreiben, die können von den tatsächlichen Zeiten abweichen)
  • bietet Transparenz über Arbeitszeitverstöße
  • normalerweise keine Basis für Zuschlagsermittlung und Arbeitszeitkonten
  • ist das, was der EuGH fordert

Um hier richtig zu handeln, müssen Mitarbeitende ihre tatsächliche Arbeitszeit dokumentieren, um den Überblick über Ruhezeiten zu behalten. Das Ganze muss außerdem zeitnah erfolgen. Also lieber nicht erst am Monatsende die Zeiten vom Monatsanfang aufschreiben. Dass alles richtig läuft, müssen Arbeitgeber im Blick behalten und Behörden die Aufzeichnungen bei Kontrollen zur Verfügung stellen. Ob das ein großer Stapel Papier ist oder riesige Exceltabellen, ist übrigens egal.

Tools für Zeiterfassung sind so individuell wie die Anforderungen an sie

Am einfachsten ist die Erfassung von Arbeitszeiten aber mithilfe von Zeiterfassungstools. So behalten alle Beteiligten den Überblick und die Softwares nehmen viele Arbeitsschritte ab. Das Tool-Angebot ist riesig und ihre unterschiedlichen Funktionen eignen sich für verschiedenste Anforderungen. Bevor du dich also für ein Tool entscheidest, solltest du dich mit ein paar Fragen beschäftigen. Zum Beispiel:

  • Welche Features benötigst du? Reicht einfache Zeitdokumentation oder soll das Tool noch mehr können?
  • Wie groß ist dein Unternehmen?
  • In welcher Branche bist du unterwegs?
  • Muss das Tool mit einem Terminal verbunden werden?

Es gibt Zeiterfassungstools, die auf bestimmte Branchen spezialisiert sind oder welche, die ganz generellen Anforderungen genügen. Für unseren Tool Talk hatten wir drei Allrounder im Gepäck, die trotzdem unterschiedlicher kaum sein könnten:

Crewmeister

Crewmeister ist eine cloudbasierte Zeiterfassungssoftware für kleine und mittelständische Unternehmen. Das Tool konzentriert sich auf die wichtigsten Funktionen, was eine schnelle Einführung ermöglicht. Mitarbeitende können ihre Arbeitszeit auf unterschiedliche Weise dokumentieren und über eine App auch mobil auf Crewmeister zugreifen. Mittels DATEV-Schnittstelle kannst du beispielsweise HR- und Buchhaltungssoftwares mit dem Tool verknüpfen.

ZMI

Die Zeiterfassungssoftware von ZMI kommt ohne Branchenfokus daher. Die umfangreiche Lösung eignet sich für Unternehmen von KMU bis zum großen Konzern und kann sowohl cloudbasiert als auch on-premise eingesetzt werden. Schnittstellen zu HR- und ERP-Tools sind genauso möglich wie die direkte Erledigung von HR-Tasks direkt in der Software. Darüber hinaus lässt sich ZMI mit Stempeluhren und anderer Zeiterfassungs-Hardware verknüpfen und auch mobil nutzen.

ZEP

ZEP bietet dir Zeiterfassung nach dem Baukastenprinzip: Die Software lässt sich mithilfe von standardisierten Schnittstellen zu anderen Tools oder via API beliebig erweitern. Drei Produktlinien richten sich dabei nach unterschiedlichen Anforderungen. So kannst du beispielsweise einfach nur Zeiten tracken oder bekommst Lösungen fürs Projektgeschäft bis hin zu Controlling und Rechnungsstellung. ZEP eignet sich für alle möglichen Unternehmensgrößen und wird sowohl von Freelancern als auch von Unternehmen mit mehreren Tausend Mitarbeitenden eingesetzt.

Welches Tool für Zeiterfassung das richtige für dein Unternehmen ist, hängt vor allem von deinen Anforderungen ab. Alle drei Anbieter aus unserem Tool Talk ermöglichen dir neben zahlreichen Schnittstellen und Integrationen übrigens auch die Einbindung von Freelancern für einen guten Überblick über dein Projektgeschäft. In welchem Umfang und welche Funktionen die drei außerdem in petto haben, guckst du dir am besten in der Aufzeichnung unseres Tool Talks an. Wie du an die kommst, verraten wir dir später.

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Noch Zeit für Fragen? Wir haben Guido Zander die wichtigsten gestellt

Zeiterfassung, Zeitdokumentation, Kontrolle: Wer bisher sämtliche Vorzüge von Vertrauensarbeitszeit genossen hat, denkt wahrscheinlich nur ungern über das Urteil des Europäischen Gerichtshofs nach. Guido weiß aber: Hierbei geht es vor allem um Arbeitsschutz und der ist wichtig. Mit dem Urteil werden Unternehmen in die Pflicht genommen, Rücksicht auf ihre Mitarbeitenden zu nehmen. Deswegen müssen auch alle ihre Arbeitszeiten erfassen. Ausgenommen sind in der Regel nur geschäftsführende Gesellschafter und leitende Angestellte.

Wir haben Guido gefragt, worauf es bei Zeiterfassung noch ankommt. Außerdem hat er ein paar Tipps für dich, wie du deine Mitarbeitenden auf die Umstellung einstimmen kannst.

Muss die Zeitdokumentation durch die Mitarbeitenden selbst erfolgen oder kann das auch ein*e direkte*r Vorgesetzte*r übernehmen?

Guido Zander: Hier kommen wir etwas in die Graubereiche der juristischen Auslegung und ich bin kein Jurist. Daher kann ich hier nur eine subjektive Meinung äußern.

Der EuGH hat festgelegt, dass die Arbeitgeber eine objektive, verlässliche und zugängliche Form der Arbeitszeiterfassung zur Verfügung stellen müssen. Die Erfassung selbst darf auf die Mitarbeitenden delegiert werden. Eine Erfassung über die Vorgesetzten wäre meines Erachtens nur dann möglich, wenn der Arbeitgeber sicherstellt, dass die Arbeitnehmer*innen jederzeit Transparenz über die erfassten Zeiten haben und diese gegebenenfalls auch bestätigen. Dann wäre es wieder objektiv und auch manipulationssicher und meines Erachtens auch möglich.

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Was muss eigentlich genau erfasst bzw. dokumentiert werden?

Guido Zander: Die Erfassung muss ermöglichen, dass die Eckpunkte des Arbeitszeitgesetzes auf Einhaltung überprüft werden können. Das wären die Ruhezeit von elf Stunden, die maximale Arbeitszeit und die Einhaltung der gesetzlichen Pause.

Wenn man also den ersten Beginn und das letzte Ende eines Arbeitstages samt der gearbeiteten Dauer erfasst, kann man überprüfen, ob zwischen dem aktuellen Tag und dem Vortag mindestens elf Stunden Ruhezeit liegen. Zum Beispiel bei 8,5 Stunden Arbeitszeit zwischen neun und 19 Uhr: Die 8,5 Stunden sind weniger als die maximale Arbeitsdauer von zehn Stunden. Die Differenz aus zehn Stunden maximaler Arbeitszeit zwischen neun und 19 Uhr und der tatsächlichen Arbeitszeit von 8,5 Stunden ist außerdem größer als 30 Minuten. Insofern darf man auch davon ausgehen, dass es eine gesetzeskonforme Pause gegeben hat.

Vorbehaltlich der tatsächlichen Umsetzung in deutsches Recht haben mir Juristen bestätigt, dass diese Art der Erfassung EuGH-konform ist.

Müssen die dokumentierten Arbeitszeiten an eine externe Stelle übermittelt werden oder reicht es, wenn sie für eventuelle Kontrollen im Unternehmen vorliegen?

Guido Zander: Es reicht, wenn diese im Unternehmen vorliegen und für Betriebsräte und externe Stellen zugänglich sind.

Was bedeutet “nicht manipulierbar”? Wenn Mitarbeiter*innen ihre Arbeitszeiten selbst dokumentieren sollen, können sie ihre Einträge ja theoretisch verfälschen …

Guido Zander: Das ist das Wesen der Vertrauensarbeitszeit und dieses Risiko wird eingegangen, da die Erfassung an die Mitarbeitenden delegiert werden kann. Der EuGH geht aber eher von der Schutzbedürftigkeit der Mitarbeitenden aus. Daher ist hier mit Manipulationssicherheit gemeint, dass die Arbeitgeberseite die erfassten Zeiten nicht manipulieren können soll.

Wie können Unternehmen ihren Mitarbeitenden die Zeitdokumentation pitchen? Wer bisher vollumfängliche Vertrauensarbeitszeit genossen hat, ist bestimmt erstmal genervt von der Umstellung. Kannst du unseren Leser*innen ein paar Vorteile mit auf den Weg geben?

Guido Zander: Das ist eine gute, aber auch schwierige Frage, vor der wir selbst gestanden haben. Letztlich gibt es ohnehin keine Wahlmöglichkeit, weil man sich an Gesetze halten muss. Der Mehraufwand erscheint jetzt subjektiv so hoch, weil man sich in der Regel schon an das bestehende Arbeitszeitgesetz nicht gehalten hat. Denn die aktuelle Rechtsprechung besagt, dass man jede Abweichung von acht Stunden dokumentieren muss.

Ich gehe davon aus, dass in einer Vertrauensarbeitszeit selten genau acht Stunden gearbeitet wird. Das heißt, auch heute müsste man vermutlich an nicht wenigen Arbeitstagen diese Abweichung erfassen. Es gibt aber offensichtlich einen Konsens, dass es niemand getan hat und es auch nicht wirklich überprüft wurde. Ich fürchte daher: wenn jemand aktuell sehr zufrieden ist, wird man ihm oder ihr die Mehraufwände nur schwer schmackhaft machen können.

Der folgende Gedanke könnte dennoch hilfreich sein: Grundsätzlich kann die Erfassung dazu führen, dass Überlastungssituationen transparent werden. So erkennt man Selbstausbeutung schneller und kann eventuell durch gemeinsame Priorisierung zwischen Mitarbeitenden und Führungskräften eine dauerhafte Überlastung verhindern. Außerdem können dokumentierte Arbeitszeiten mehr Transparenz über den Personalbedarf geben, sodass zum Beispiel Unterbesetzung und damit ebenfalls Überlastungen besser vermieden oder auch Kapazitäten realistischer geplant werden können.

Arbeitszeiten am besten gestern erfassen

Seit dem “Stechuhr-Urteil” des EuGH ist viel Zeit vergangen. Spätestens das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom vergangenen September sollte aber als Startschuss verstanden werden, Arbeitszeiten korrekt zu erfassen. Zwar steht eine gesetzliche Grundlage noch aus. Das Urteil des BAG besagt allerdings, dass die Zeiterfassung ab sofort erfolgen muss. Und liegt das Gesetz erstmal vor, kann es auch direkt durchgesetzt werden.

Für die Zeiterfassung musst du zwar nicht zwingend Software einsetzen, hilfreich ist sie aber allemal. In unserem Software Guide für Zeiterfassung stellen wir dir dafür die besten Tools neben Crewmeister, ZMI und ZEP vor.

Du hattest keine Zeit für unseren Tool Talk? Wie gut, dass wir ihn hier für dich aufgezeichnet haben. Viel Spaß!

Empfehlenswerte Zeiterfassungssoftware-Anbieter

Empfehlenswerte Zeiterfassungssoftware-Anbieter kannst du auf unserer Software-Vergleichsplattform OMR Reviews finden. Dort haben wir über 150 Zeiterfassungssoftwares gelistet, mit denen du deine Arbeitszeiten erfassen kannst. Also schau vorbei und vergleiche die Softwares mithilfe der authentischen und verifizierten Nutzerbewertungen:

Chantal Seiter
Autor*In
Chantal Seiter

Chantal ist Redakteurin bei OMR Reviews. Wenn sie gerade mal nicht in die Tasten haut, betreibt sie Café Hopping oder erkundet neue Städte. Am liebsten beides zusammen. Vor ihrem Start bei OMR Reviews hat die Eigentlich-Kielerin in Kreativagenturen und als Freelancerin gearbeitet. 2022 hat sie außerdem eine Weiterbildung zur Fashion Stylistin abgeschlossen.

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