„Schlechte digitale Experience kostet Talente“ – wie Moritz Kothe die Zukunft der Talent-Suche sieht

Der CEO von Tellent über die Macht datengestützter Personalentscheidungen und warum Deutschland beim Abbruch von Bewerbungen an der Spitze liegt

Seit 2024 ist Moritz Kothe CEO von Tellent, einer Plattform für bessere Personalentscheidungen. Sein Weg ins Unternehmen? „Gleichermaßen ungewöhnlich, natürlich und logisch“, sagt er. Natürlich und logisch, weil Moritz Kothe sich keinen Job vorstellen kann, der besser zu seiner Historie passt: Fünf Jahre war er als CEO bei Kununu tätig und weiß, dass bessere Personalentscheidungen nicht nur für zufriedene Menschen, sondern auch für erfolgreiche Betriebe sorgen. Ungewöhnlich, weil er gerade beschlossen hatte, sich neu auszurichten – da war Tellent auch schon auf der Suche nach einem CEO. Und weil das kein Zufall sein konnte, „kam schnell eins zum anderen“.

Mit uns hat Moritz Kothe über deutsche Bewerbungsverfahren, seine Pläne für Tellent und die Zukunft der Jobsuche gesprochen.

Das Wichtigste in Kürze
  • Die DACH-Region liegt bei abgebrochenen Bewerbungen an der Spitze, was Moritz Kothe auf zu komplexe Prozesse, fehlende Transparenz und eine schlechte digitale Experience zurückführt.
  • Einfache Schritte wie mobil-optimierte Karriereseiten, transparente Gehaltsangaben und schnelle, respektvolle Prozesse können die Abbruchrate deutlich senken.
  • Moderne Lösungen wie WhatsApp Hiring minimieren Barrieren, machen Bewerbungen direkter und können durch KI-gestützte Dialoge Prozesse automatisieren und beschleunigen.

Tellent ist aus dem Zusammenschluss von drei Unternehmen entstanden und vereint sich nun in „One Tellent“. Was ist die Idee hinter dieser Vision?

Moritz Kothe: Personalentscheidungen richtig zu treffen, ist entscheidend für den Erfolg von Unternehmen. Personalkosten sind vermutlich die Kosten, die am wenigsten strategisch ausgestaltet und optimiert werden. Das fängt bei der Einstellung an und setzt sich dann über die Verwaltung und Weiterentwicklung fort. Werden diese Elemente einer Employee Journey aus einer Hand gestaltet und Wissen und Erfahrungen ganzheitlich genutzt, dann können Unternehmen bessere, datengestützte Entscheidungen treffen.

Selbst heute entscheiden viele Betriebe allerdings noch aufgrund ihrer subjektiven Wahrnehmung oder komplett aus dem Bauch heraus. In Deutschland nutzt rund die Hälfte der Betriebe keine passende HR-Software, und die andere Hälfte setzt auf Insellösungen, die nicht miteinander kommunizieren.

Dank der Zusammenführung von drei Plattformen kann Tellent – als Produkt und als Marke – bessere Personalentscheidungen unterstützen. Ganzheitliche Software-Lösungen wie unsere helfen, Prozesse deutlich effizienter zu gestalten und somit Zeit für die relevante Personalarbeit freizusetzen. Getreu unserem Motto: „Unleash the power of talent.“

Highlight Box
Über Tellent

Tellent unterstützt Organisationen dabei, erfolgreiche Teams aufzubauen. Das Software-Unternehmen ist aus der Zusammenführung von drei HR-Tech-Lösungen entstanden und kombiniert Recruiting, HR-Management und Performance-Management-Lösungen. So will Tellent Personalarbeit vereinfachen und optimieren. Zu den Produkten gehören das Bewerbermanagementsystem Tellent Recruitee und Tellent HR, eine ganzheitliche Personalplattform für Kernprozesse und Performance Management.

Wie groß war die Challenge, drei verschiedene Produkte und Marken zu einer Gesamtlösung zu entwickeln?

Moritz Kothe: Es war ein großer Kraftakt, an dem das gesamte Team tatkräftig gearbeitet hat. Unser Vorteil war und ist, dass wir ein klares Zielbild vor Augen haben. Das setzt Energie frei und schafft Orientierung. Bei uns steht das Produkt für die Nutzenden im Mittelpunkt, und dieser Logik sind wir auch hier gefolgt: An erster Stelle stehen unsere Kund*innen und danach reihen sich alle anderen Dinge ein. Neben den drei Produkten und Marken mussten wir aber vor allem drei Firmenkulturen zu einer vereinen und als One Tellent neu gestalten. Für unseren Erfolg war es entscheidend, diese Mammutaufgabe in lösbare Teilschritte herunterzubrechen.

Vor deiner offiziellen Übernahme hast du bei Tellent einen Monat als „CEO-Praktikant“ verbracht. Warum würdest du das auch anderen Führungskräften empfehlen?

Moritz Kothe: Dass das Thema „CEO-Praktikant“ so verfängt und Aufmerksamkeit erregt, hat mich ehrlich gesagt überrascht. Es steht mir nicht zu, Dinge zu empfehlen. Ich kann aber verraten, warum ich es wieder so machen würde: Tellent ist meine dritte CEO-Position und ich versuche kontinuierlich zu lernen und Dinge zu verbessern, so eben auch hier. Der Titel „CEO Intern“ signalisiert etwas sehr klar: Ich bin da, um zu lernen. Zwar bringe ich Vorwissen und Erfahrungen mit, ich bin aber noch nicht der CEO und somit treffe ich auch noch keine Entscheidungen.

Das hilft in alle Himmelsrichtungen: in Richtung Mitarbeitende, in Richtung Kundschaft, in Richtung Kollegium und auch in Richtung Shareholder*innen. Ich habe während meines „Praktikums“ super wertvolle Gespräche geführt und es wurden viele Erfahrungen mit mir geteilt. So konnte ich mit Vollgas in meine Rolle als CEO starten.

Im internationalen Vergleich liegt DACH bei den Abbruchraten von Bewerbenden an der Spitze, so geht’s aus eurem jüngsten „State of Hiring“-Report hervor. Woran liegt das?

Moritz Kothe: Auch bei anderen Themen der Digitalisierung nehmen wir in DACH ja nicht immer die Poleposition ein. Meine Beobachtung ist, dass wir noch in tradierten Mustern der aktuellen Realität hinterherhinken und uns typischerweise ein bisschen mehr Zeit als andere Länder oder Märkte nehmen, bis wir umdenken.

Aber zum Kern der Frage: Mit 45 Prozent liegt die DACH-Region international an der Spitze, wenn es um abgebrochene Bewerbungen geht. Das ist ein hausgemachtes Problem: zu komplexe Prozesse, fehlende Gehaltstransparenz, unklare Erwartungen und eine schlechte digitale Experience. Bewerber*innen wollen heute vor allem Klarheit, Geschwindigkeit und Wertschätzung. Viele Unternehmen liefern genau das nicht.

Dabei machen schon kleine Schritte einen großen Unterschied, etwa mobil-optimierte Karriereseiten, prägnante Stellenanzeigen mit transparenten Infos zu Gehalt und Arbeitsmodellen sowie ein respektvoller, schneller Umgang im Bewerbungsprozess. Auch moderne Lösungen für Bewerbungen, wie beispielsweise WhatsApp Hiring, haben hier einen riesigen Impact, weil sie unnötige Hindernisse entfernen und die Bewerbung barrierefreier und direkter machen.

Stattdessen stecken Unternehmen heutzutage aber viel Aufmerksamkeit und Geld in Top-of-Funnel-Themen wie Firmenprofile und generische Jobanzeigen. Es fehlt dann die Liebe zum Detail, um die Bewerber*innen auch angemessen bis zur Bewerbung zu führen.

Mein Tipp: Einfach mal beim eigenen Unternehmen bewerben. Am besten startet man auf einem externen Jobportal. So sieht man den Bewerbungsprozess aus einer anderen Perspektive und kann besser nachvollziehen, an welcher Stelle es hakt.

Highlight Box
Darum geht's bei einer guten Candidate Experience: Warum positive Erlebnisse in Bewerbungsprozessen so wichtig sind, erfährst du in unserem kostenlosen Whitepaper über den wahren ROI deiner Candidate Experience.

Welche Rolle spielt WhatsApp Hiring also im Hinblick auf die Verbesserung von Bewerbungsraten?

Moritz Kothe: Für viele Rollen ist es überhaupt nicht angemessen, was im Prozess erwartet wird. Eine E-Mail mit einem CV, mit Anschreiben und weiteren Dokumenten, Referenzen … you name it. Bei einem so engen Arbeitsmarkt, wie wir ihn in vielen Bereichen heute haben, schießt so etwas über das Ziel hinaus.

Pizzabäcker*in, Lagerist*in, Verkäufer*in … für solche Jobs braucht es im ersten Moment vielleicht gar nicht zwingend ein komplexes Formular mit Motivationsschreiben. Stattdessen kann man neue Wege ausprobieren. WhatsApp ist ein Kanal, der gelernt ist. Damit erreicht man Menschen, wo sie sich befinden und es gewohnt sind, Konversationen (zu Ende) zu führen. Dank der künstlichen Intelligenz im Backend kann der Dialog nahezu automatisch ablaufen. So werden auch außerhalb der Kernzeiten Dialoge mit Bewerbenden geführt, relevante Anforderungen abgefragt und abgeglichen und somit die Besetzung von offenen Stellen vorangetrieben. Da wir mit ehemals Funnelbridge (heute: WhatsApp Hiring) ein Unternehmen gekauft haben, das genau solche Benefits anbietet, sind dieser Kanal und die Technologie dahinter nun nativ in Tellent Recruitee integriert.

Mit Tellent sollen Führungskräfte bessere Personalentscheidungen treffen. Wie werdet ihr diese Mission in Zukunft verfolgen und auf welche Veränderungen können sich HRler*innen in den nächsten Jahren freuen?

Moritz Kothe: Mehr Objektivität durch datengetriebene Entscheidungen. Wir wollen beratend zur Seite stehen und Chancen und Risiken aufzeigen. Auf der Produkt- und Technologie-Ebene werden dann viele Wege zum Ziel führen. HRler*innen können sich auf mehr Zeit für ihre Kernaufgaben freuen – insbesondere die Arbeit mit Talenten – und auf mehr Zeit für bessere Entscheidungen, die das Unternehmen nachhaltig erfolgreich machen.

Tellent Unleash Teamfoto_06-02-2025_HR_Melanie Lemahieu.jpg

Tellent ist aus der Zusammenführung mehrerer Unternehmen entstanden. Heute arbeitet das Team gemeinsam für die Verbesserung von HR-Prozessen in Unternehmen. Foto: Tellent/Melanie Lemahieu

Empfehlenswerte HR Tools & Softwarelösungen

Weitere empfehlenswerte HR-Software-Anbieter kannst du auf unserer Vergleichsplattform OMR Reviews finden. Dort haben wir über 500 HR-Softwares für kleine und mittlere Unternehmen, Start-Ups und Großkonzerne gelistet, die dich in allen Bereiche des Human Resource Managements unterstützen. Also schau vorbei und vergleiche die Softwares mithilfe der authentischen und verifizierten Nutzerbewertungen:

Abschließend ein Blick in die Glaskugel: Was können wir in den nächsten Jahren von der Jobsuche erwarten? Welche Rolle wird KI spielen?

Moritz Kothe: Menschen und Jobs werden auf neuen Wegen zueinanderfinden. Jobs und Rollen werden weiterhin strukturiert beschrieben, allerdings wird sich die Interaktion stark verändern.

Ich bin außerdem davon überzeugt, dass relevante Jobs und Kandidat*innen sich automatisch finden werden. Auf Job Boards gucken war gestern, in CV-Datenbanken recherchieren war gestern, Anschreiben und Lebensläufe formulieren … „If a job is relevant, it will find me“ und auf der anderen Seite wird gelten: „If a candidate is relevant, he*she will find me.“

Chantal Seiter
Autor*In
Chantal Seiter

Chantal ist Redakteurin bei OMR Reviews. Wenn sie gerade mal nicht in die Tasten haut, betreibt sie Café Hopping oder erkundet neue Städte. Am liebsten beides zusammen. Vor ihrem Start bei OMR Reviews hat die Eigentlich-Kielerin in Kreativagenturen und als Freelancerin gearbeitet. 2022 hat sie außerdem eine Weiterbildung zur Fashion Stylistin abgeschlossen.

Alle Artikel von Chantal Seiter

Im Artikel erwähnte Softwares

Im Artikel erwähnte Software- oder Service-Kategorien

Ähnliche Artikel

Komm in die OMR Reviews Community & verpasse keine Neuigkeiten & Aktionen rund um die Software-Landschaft mehr.