Screenreader: Tools und Tipps für barrierefreies Surfen im Internet

Jan Kus 27.3.2025

So wird das Internet für alle zugänglich

Inhalt
  1. Was ist ein Screenreader? 
  2. Die Geschichte der Screenreader 
  3. So arbeiten Screenreader
  4. Wie funktioniert ein Screenreader 
  5. Arten von Screenreadern 
  6. Einige der beliebtesten Screenreader sind 
  7. Vorteile von Screenreadern
  8. Herausforderungen und Grenzen von Screenreadern 
  9. 10 Tipps für barrierefreies Surfen im Internet mit Screenreadern
  10. Barrierefreiheit von Webseiten 
  11. Tools zur Prüfung und Umsetzung von Barrierefreiheit
  12. Fazit

Das Wichtigste in Kürze

Screenreader sind spezielle Programme für Menschen mit Sehbehinderungen oder anderen Einschränkungen, die das Lesen erschweren. Diese Software wandelt Bildschirminhalte in synthetische Sprache oder Braille-Schrift um. Sie helfen, digitale Inhalte zugänglich zu machen und erleichtern die Bedienung von Computern, Smartphones und anderen technischen Geräten. Screenreader können sowohl systemintegriert als auch als Software von Drittanbietern erhältlich sein und bieten eine Vielzahl von Funktionen, die das Surfen und Arbeiten erleichtern. Dieser Artikel soll einen Überblick geben.

 
 

Man stelle sich eine Welt vor, in der das geschriebene Wort nicht nur auf Seiten existiert, sondern für jeden fühl- und hörbar wird - unabhängig von Seh- oder Lesefähigkeit. Screenreader ermöglichen genau das: Sie öffnen blinden und sehbehinderten Menschen, aber auch allen anderen, die aus unterschiedlichen Gründen auf vorgelesene Inhalte angewiesen sind, digitale Türen.

Mit ihrer Hilfe werden Buchstaben zu gesprochenen Worten, Bilder zu beschreibbaren Elementen und komplexe Webseiten zu erfahrbaren Welten.

Doch wie genau funktionieren die digitalen Helfer, welche Technologien stecken dahinter und worauf kommt es an, um das Internet wirklich für alle zugänglich zu machen? Dieser Artikel taucht tief in die Welt der Screenreader ein, beleuchtet ihre Geschichte, ihre Funktionsweise und ihre immense Bedeutung für eine inklusive digitale Zukunft. 

Lesetipp

Was ist ein Screenreader? 

Stell dir vor, du sitzt vor deinem Computer oder Smartphone, aber die Buchstaben verschwimmen vor deinen Augen oder du kannst sie gar nicht sehen. Wie kommst du dann an die Informationen, die im Internet auf dich warten? Die Antwort lautet: mit einem Bildschirmleseprogramm. Screenreader sind aus dem Alltag von Millionen sehbehinderter Menschen nicht mehr wegzudenken. Sie ermöglichen es ihnen, das Internet zu nutzen, E-Mails zu schreiben, soziale Medien zu bedienen und vieles mehr. 

Ein Screenreader ist eine Software, die Bildschirminhalte von Computern oder mobilen Geräten in eine für Sehbehinderte zugängliche Form umwandelt. Screenreader wandeln Bildschirminhalte in Sprache oder Braille-Schrift um. Dabei analysiert die Software den Quellcode einer Webseite oder Anwendung und gibt den Inhalt strukturiert wieder.  

Moderne Screenreader sind hochentwickelte Programme, die weit mehr können als nur Texte vorlesen. Sie können Bilder, Grafiken, Tabellen, Formulare, Links usw. erkennen und in verständliche Informationen umwandeln. Dabei berücksichtigen sie die Struktur und den Kontext der jeweiligen Webseite oder Anwendung. 

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Die Geschichte der Screenreader 

Die ersten Screenreader wurden in den 1980er Jahren entwickelt, um blinden Menschen die Nutzung von Computern zu ermöglichen. Die ersten Versionen waren rudimentär und arbeiteten ausschließlich mit textbasierten Betriebssystemen wie MS-DOS. Erst mit der Verbreitung grafischer Benutzeroberflächen in den 1990er Jahren wurden Screenreader weiterentwickelt, um auch visuelle Elemente verarbeiten zu können. Heute sind Screenreader tief in moderne Betriebssysteme integriert und bieten vielfältige Anpassungsmöglichkeiten an unterschiedliche Nutzerbedürfnisse. 

So arbeiten Screenreader

Screenreader nutzen semantische Informationen aus dem HTML-Code von Webseiten oder der Struktur von Betriebssystemen, um Elemente wie Überschriften, Links oder Formulare vorzulesen. Die Navigation erfolgt in der Regel über Tastenkombinationen oder Touch-Gesten: 

  • Windows: JAWS/NVDA verwenden die Tastatur (z. B. TAB zum Navigieren, Enter zur Bestätigung)
  • macOS/iOS: VoiceOver funktioniert mit speziellen Gesten auf Touchscreens
  • Android: TalkBack nutzt ebenfalls Gestensteuerung 

Viele Screenreader-Nutzer*innen erhöhen die Vorlesegeschwindigkeit auf bis zu 300 Wörter pro Minute. Fortgeschrittene Nutzer*innen verwenden Tastaturkürzel, um effizient durch lange Dokumente oder Webseiten zu navigieren, ohne sich unnötige Inhalte anhören zu müssen. Darüber hinaus ermöglichen moderne Screenreader eine effiziente Interaktion mit Software und Apps, indem sie Benutzeroberflächen interpretieren und gesprochene Anweisungen in Steuerbefehle umwandeln. 

Wie funktioniert ein Screenreader 

  1. Texterkennung (OCR): Screenreader nutzen OCR-Technologie (Optical Character Recognition), um Texte auf dem Bildschirm zu erkennen, selbst wenn sie nicht als Text dargestellt werden (z. B. in Bildern). 
  2. Sprachausgabe (TTS): Die meisten Screenreader verfügen über eine hochwertige Sprachausgabe (Text-to-Speech), die Texte klar und verständlich vorlesen kann. 
  3. Braille-Zeile: Für Menschen, die blind sind oder eine sehr starke Sehbehinderung haben, gibt es spezielle Ausgabegeräte, die Braille-Zeilen genannt werden. Diese Geräte können die Bildschirminhalte in Braille-Schrift taktil darstellen. 
  4. Navigation: Screenreader bieten verschiedene Navigationshilfen, um sich auf Webseiten und in Anwendungen zurechtzufinden. Dazu gehören z. B. das Springen zwischen Überschriften, Absätzen, Links und anderen Elementen.
  5. Interaktion: Screenreader ermöglichen es Nutzer*innen, mit Webseiten und Anwendungen zu interagieren, z. B. Formulare auszufüllen, Schaltflächen zu betätigen oder Links zu folgen. 

Die Funktion der Braillezeile

Die Braillezeile ist ein Ausgabegerät, das von Screenreadern in Verbindung mit der Brailleschrift verwendet wird. Sie ermöglicht sehbehinderten Menschen einen taktilen Zugang zu Bildschirminhalten. Braillezeilen eignen sich besonders für die Texteingabe und Navigation in komplexen Anwendungen. 

Arten von Screenreadern 

Es gibt verschiedene Arten von Screenreadern, die sich in ihrer Funktionalität, Bedienung und Zielgruppe unterscheiden: 

  • Desktop-Screenreader: Diese Screenreader werden auf Computern mit Windows, macOS oder Linux installiert und ermöglichen die Nutzung des gesamten Systems. 
  • Mobile Screenreader: Diese Screenreader sind in Smartphones und Tablets mit Android oder iOS integriert und ermöglichen die Nutzung der Geräte und Apps. 
  • Browser-Erweiterungen: Diese Screenreader sind als Erweiterungen für Webbrowser verfügbar und ermöglichen das Vorlesen von Webseiteninhalten.
  • Cloud-basierte Screenreader: Diese Screenreader werden in der Cloud ausgeführt und ermöglichen den Zugriff auf Screenreader-Funktionen über verschiedene Geräte. 

Einige der beliebtesten Screenreader sind 

  • NVDA (Windows): Ein kostenloser und Open-Source-Screenreader für Windows, der sich besonders gut für Einsteiger eignet. 
  • JAWS (Windows): Ein kostenpflichtiger Screenreader für Windows mit vielen Funktionen, der vor allem von professionellen Nutzer*innen eingesetzt wird. 
  • VoiceOver (macOS, iOS, iPadOS): Der in Apple-Geräte integrierte Screenreader, der eine gute Balance zwischen Funktionalität und einfacher Bedienung bietet. 
  • TalkBack (Android): Der in Android-Geräte integrierte Screenreader, der eine ähnliche Funktionalität wie VoiceOver bietet. 

Weitere Screenreader 

  • ChromeVox (Chrome OS): Ein in Chrome OS integrierter Screenreader für Chromebooks. 
  • Narrator (Windows): Ein in Windows integrierter Screenreader, der jedoch nicht so viele Funktionen wie NVDA oder JAWS bietet. 
  • Orca (Linux): Ein kostenloser und Open-Source-Screenreader für Linux. 

Vorteile von Screenreadern

  • Ermöglicht genauere Kontrolle, z. B. beim Lesen von Quellcode oder detaillierten Texten. 
  • Hilft bei juristischen oder wissenschaftlichen Texten, die komplexe Informationen enthalten. 
  • Bietet die Möglichkeit zum Nachlesen, im Gegensatz zur vergänglichen Sprachausgabe. 

Moderne Braillezeilen sind oft drahtlos mit Computern oder Smartphones verbunden und ermöglichen ein nahtloses Arbeiten auf verschiedenen Plattformen. Es gibt verschiedene Arten von Braillezeilen mit unterschiedlicher Anzahl von Zeichenzeilen. Ein weiteres wichtiges Merkmal ist die Möglichkeit, mit Braille-Notetaker-Geräten direkt Dokumente zu erstellen oder zu bearbeiten. 

Herausforderungen und Grenzen von Screenreadern 

Obwohl Screenreader eine enorme Hilfe darstellen, gibt es auch einige Herausforderungen, mit denen die Nutzer*innen konfrontiert werden: 

  • Schlechte Webseitenstruktur: Ohne korrekte semantische Auszeichnung sind Screenreader ineffektiv. 
  • Unübersichtliche Navigation: Wenn eine Webseite keine sinnvolle Struktur besitzt, kann der Nutzer nur schwer relevante Informationen finden. 
  • Komplexe interaktive Inhalte: Webseiten mit interaktiven Elementen wie Drag and-Drop-Funktionen oder dynamisch aktualisierten Inhalten sind oft schwer zugänglich. 
  • Kompatibilitätsprobleme: Einige Screenreader arbeiten besser mit  bestimmten Betriebssystemen oder Programmen als mit anderen. 

10 Tipps für barrierefreies Surfen im Internet mit Screenreadern

  1. Aktualität: Verwende immer die neueste Version deines Screenreaders, um von den aktuellsten Funktionen und Fehlerbehebungen zu profitieren. 
  2. Übung: Nimm dir Zeit, um die Bedienung deines Screenreaders zu erlernen. Die meisten Programme bieten Tutorials und Übungen an. 
  3. Einstellungen: Passe die Einstellungen des Screenreaders an deine individuellen Bedürfnisse an (z. B. Lesegeschwindigkeit, Lautstärke, Stimme).
  4. Tastenkombinationen: Mache dich mit den wichtigsten Tastenkombinationen deines Screenreaders vertraut, um die Bedienung zu beschleunigen. 
  5. Webseiten-Struktur: Achte auf eine gute Strukturierung von Webseiten mit klaren Überschriften, Absätzen und Listen. 
  6. Alt-Texte für Bilder: Stelle sicher, dass alle Bilder auf Webseiten mit aussagekräftigen Alternativtexten versehen sind. 
  7. Barrierefreie Formulare: Achte darauf, dass Formulare auf Webseiten barrierefrei gestaltet sind und über korrekte Beschriftungen verfügen. 
  8. Usability: Nutze Webseiten und Anwendungen, die benutzerfreundlich und einfach zu bedienen sind. 
  9. Feedback: Gib Feedback an Webseitenbetreiber, wenn du auf Barrieren stößt. 
  10. Community: Suche den Austausch mit anderen Screenreader-Nutzer*innen, um von ihren Erfahrungen zu lernen. 

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Barrierefreiheit von Webseiten 

Die Zugänglichkeit von Webseiten ist ein wichtiges Thema, das nicht nur Menschen mit Sehbehinderungen betrifft. Barrierefreie Webseiten sind für alle Nutzer*innen einfacher zu bedienen und bieten ein besseres Nutzererlebnis. 

Grundlagen der Barrierefreiheit 

  • Semantische Auszeichnung: Webseiten sollten semantisch korrekt ausgezeichnet sein, d. h. die verschiedenen Elemente sollten ihre Bedeutung haben (z. B. Überschriften, Absätze, Listen). 
  • Alternative Texte: Bilder und andere nicht-textliche Inhalte sollten mit Alternativtexten versehen sein, die den Inhalt beschreiben. 
  • Tastaturbedienung: Webseiten sollten vollständig über die Tastatur bedienbar sein. 
  • Kontraste: Text und andere Elemente sollten ausreichend Kontrast zum Hintergrund haben. 
  • Skalierbarkeit: Webseiten sollten skalierbar sein, d. h. die Schriftgröße sollte bei Bedarf vergrößert werden können. 
  • Komplexe Animationen und Pop-ups solltest du vermeiden, da sie den Screenreader blockieren. 
  • Links und Buttons sollten sprechende Namen haben, sodass sie auch ohne visuelle Unterstützung verständlich sind. 

Richtlinien für Barrierefreiheit 

Es gibt verschiedene Richtlinien zur Barrierefreiheit, die Webseitenbetreiber bei der Gestaltung ihrer Webseiten berücksichtigen sollten. Die wichtigsten sind 

  • WCAG: Die Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) sind ein internationaler Standard für Barrierefreiheit im Web. 
  • BITV: Die Barrierefreie Informationstechnik-Verordnung (BITV) ist eine deutsche Verordnung, die die Barrierefreiheit von Webseiten und anderen digitalen Angeboten regelt. 

Im Netz gibt es übrigens viele Tools die dabei Unterstützen Webseiten Barrierefrei zu machen, dazu gehören auch so genannte Barrierefreiheitschecker.

Tools zur Prüfung und Umsetzung von Barrierefreiheit

Beispielhafte Tools, die dir dabei helfen können, die Barrierefreiheit deiner Website zu analysieren und zu verbessern, sind etwa: Siteimprove, Eye-Able, AccessGO, sitebrunch oder auch Test-Umgebungen wie BrowserStack, die prüfen, wie Webseiten in verschiedenen Screenreadern und auf unterschiedlichen Endgeräten dargestellt werden. Ein weiteres hilfreiches Tool ist CAAT, das speziell bei der systematischen Prüfung von Webseiten und mobilen Apps auf Barrierefreiheit eingesetzt werden kann.

Diese Tools unterstützen Entwickler*innen, UX-Designer und Content-Ersteller*innen dabei, digitale Inhalte inklusiv und zugänglich zu gestalten - ein wichtiger Schritt hin zu einem Internet für alle.

Auf OMR Reviews findest du einen Überblick über weitere Barrierefreiheit-Tools.

Fazit

Screenreader sind mehr als nur technische Hilfsmittel - sie sind Brückenbauer in eine barrierefreie und inklusive digitale Welt. Sie geben Menschen, die sonst vom geschriebenen Wort ausgeschlossen wären, eine Stimme und ermöglichen ihnen, sich souverän im digitalen Raum zu bewegen. Doch Barrierefreiheit ist kein Selbstläufer: Sie erfordert Bewusstsein und die aktive Gestaltung von Webseiten, Apps und digitalen Inhalten, damit Screenreader ihr volles Potenzial entfalten können. Ein barrierefreies Internet ist nicht nur eine Vision, sondern auch eine Verantwortung. Und je mehr Menschen sich dieser Aufgabe stellen, desto näher rückt eine Zukunft, in der Informationen für alle zugänglich sind - unabhängig von physischen Barrieren. 

Jan Kus
Autor*In
Jan Kus

Jan Kus ist ein vielseitiger Unternehmer und Innovator, der sich als Co-Founder und CEO von Railslove, einer Kölner Agentur für Web-Anwendungen und digitale Produkte, einen Namen gemacht hat. Seine Expertise erstreckt sich über die Bereiche Finanztechnologie und Open Banking, wo er als Berater für Gründer, Startups und etablierte Unternehmen tätig ist. Ein besonderer Fokus seiner Arbeit liegt auf Barrierefreiheit in digitalen Lösungen. Jan begleitet aktiv Projekte und analysiert deren Business-Impact im Kontext von Inklusion und digitaler Zugänglichkeit. Er versteht Barrierefreiheit nicht nur als ethische Verpflichtung, sondern auch als strategischen Wettbewerbsvorteil für Unternehmen.

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