Was die Zukunft bringt - KI und ERP-Systeme im Handel
Wir zeigen dir, welche KI-Tools dir die manuelle Datenpflege ersparen und deinen Onlinehandel erleichtern können
- Welche KI-Lösungen werden im Online-Handel bereits eingesetzt?
- Welche Rolle kann KI in Bezug auf Straffung, Erleichterung, Betriebswirtschaftlichkeit, Skalierung oder reduzierte Fehlerhäufigkeit in innerbetrieblichen Prozessen, z. B. durch eine Integration in ERP-Systeme spielen?
- Aktuelles Anwendungsbeispiel zur Nutzung von LLM / ChatGPT4 im Bereich des operativen Handels
- Fazit
KI hat in den letzten Jahren verstärkt Einzug in kundenrelevante Anwendungen gehalten. Intelligentes Preismanagement, individualisierte Ansprache mit Angeboten und Services oder Kundenkommunikation via ChatBot. Im Kern handelt es sich dabei um große Rechenmodelle, die anhand von Parametern bestimmte Wahrscheinlichkeiten berechnen und dann „handeln“ bzw. Ergebnisse auswerfen.
Welche KI-Lösungen werden im Online-Handel bereits eingesetzt?
Der Einsatz von KI in der Kundeninteraktion hat immer das Ziel, noch schneller, noch effizienter und noch passgenauer auf die einzelnen Kund*innen zu reagieren oder entsprechende Prozesse im Unternehmen zu automatisieren. Ein aktuelles Beispiel ist sicherlich der „Sidekick“ von Shopify, ein in die Shopsoftware integriertes KI-Tool, das die Arbeitsabläufe „Onsite“ enorm vereinfachen soll. So kann das Tool sehr selbstständig ein Sorting & Ranking der im Onlineshop gelisteten Produkte nach Rentabilitätskriterien vornehmen oder ganze Sortimente können bei Saisonwechsel deaktiviert und neu angelegt werden. Das spart Zeit und Nerven.
Auch der Shop-Anbieter shopware integriert mit dem „AI Copilot“ KI-Anwendungen direkt in die Software und ermöglicht ein effizientes Onsite-Management durch z.B. AI-Content-Erstellung oder AI-Übersetzungen und vieles mehr.
So gibt es bereits heute zahlreiche Beispiele für KI-Lösungen im „Frontend“, also in Systemen/Tools, die für die Interaktion mit den Kund*innen gedacht sind. Handel ist aber noch viel mehr: Waren müssen eingekauft werden, Artikelstammdaten müssen angelegt und gepflegt werden, Lieferantenstammdaten müssen gepflegt werden, Buchungen, Warenbewegungen oder Skonti müssen durchgeführt werden. Natürlich muss die Ware auch verpackt und versendet werden und eine Retoure muss bearbeitet und abgewickelt werden. Diese Aspekte des „Backend“ im (digitalen) Handel sind noch relativ KI-arm. Hier wird viel manuell und nicht immer effizient gearbeitet. Das liegt daran, dass hier komplexer im Sinne von involvierten Abteilungen, Partnerunternehmen und beteiligten Systemen gearbeitet wird. Wir sprechen von vielen Einzelprozessen, die in der Summe eine Wertschöpfung ergeben.
Das zentrale System, in dem viele Kernprozesse bzw. große Teile der Wertschöpfung im Backend stattfinden, ist das ERP-System. Auch bei ERP-Systemen gibt es KI-Lösungen, wie Haufe X360
. Insofern ist es in seiner Rolle im gesamten Backend sicherlich vergleichbar mit der Rolle des Online-Shop-Systems im Frontend. Nur stehen hier zunächst nicht die Kundenbedürfnisse im unmittelbaren Fokus (diese werden natürlich mit Hilfe des ERP-Systems erfüllt), sondern die Interaktionen der Nutzer*innen und/oder die internen Geschäftsprozesse in Zusammenarbeit mit Partnern wie z.B. Lieferanten oder Logistikdienstleistern.Welche Rolle kann KI in Bezug auf Straffung, Erleichterung, Betriebswirtschaftlichkeit, Skalierung oder reduzierte Fehlerhäufigkeit in innerbetrieblichen Prozessen, z. B. durch eine Integration in ERP-Systeme spielen?
Keine Frage, der Handel mit Waren ist komplex, und die Tendenz ist eindeutig steigend. KI kann helfen, diese Komplexität zu beherrschen, hier einige Ideen, wie KI in ERP-Systemen im Handel helfen könnte:
Prognosen: Die integrierte KI lernt aus internen und externen Daten, um bessere Prognosen über Abverkäufe oder Nachschub auf Detailebene zu erhalten.
Beispiel: Anhand interner und externer Parameter zu einer Kundenbestellung wird die Wahrscheinlichkeit einer Rücksendung zum Zeitpunkt der Bestellung berechnet. Die „Maschine“ lernt dann, mit jeder Bestellung und mit dem Auftreten der tatsächlichen Retoure immer besser zu prognostizieren. Interne Daten können alle Daten über die Kund*innen, das bestellte Produkt, die Zahlungsart, den Wochentag, die Uhrzeit, das bisherige Such-/Klickverhalten der Kund*innen usw. sein. Externe Daten können Preisvergleiche für gekaufte Waren bei anderen Anbietern oder Wettervorhersagen für die Region der Kund*innen sein. Da KI-Modelle in der Lage sind, sehr schnell, sehr große Datenmengen zu analysieren, um Muster und Trends zu erkennen, können Prognosen immer genauer werden.
Retourenprognosen haben aus meiner Sicht zwei Anwendungen:
- Kapazitätsplanung im operativen Bereich (Lager, Kundenservice)
- und - das ist spannender - direkten Einfluss auf die Nachbestellung der Ware beim Lieferanten im Rahmen der Reichweiten-Planung. Denn was mit hoher Wahrscheinlichkeit von der Kundschaft zurückkommt, muss nicht nachbestellt werden. Vielleicht organisiert dann das KI-ERP der Zukunft die Wiederbeschaffung ganz autonom ohne menschlichen Eingriff und sendet mengen-optimierte Bestellungen an die Lieferanten raus.
Analytics: Die eingebettete KI verknüpft komplexe Kennzahlen und KPIs und die Darstellung von Wahrscheinlichkeiten, um bessere Managemententscheidungen treffen zu können.
Beispiel: Schon heute werden in den BI-Systemen von Handelsunternehmen komplexe Wenn-Dann-Beziehungen hergestellt, um ein effizientes Bestandsmanagement zu betreiben. Warenbestände sind immer gebundenes Kapital und Waren müssen umgeschlagen werden. Viele Handelsunternehmen sind entweder digital auf vielen Kanälen unterwegs oder bestücken zusätzlich eigene/fremde Filialen mit Ware.
Die richtige Ware zur richtigen Zeit am richtigen Ort mit der höchsten Vollpreis-Abverkaufswahrscheinlichkeit ist für jeden Händler ein sehr wünschenswerter Zustand. KI-Anwendungen können lernen, unter welchen KPI-Bedingungen welche Ware an welchem Ort am besten aufgehoben ist. KPIs können die Lagerumschlagshäufigkeit in Relation zum Verkaufskanal sein oder die Sammlung weiterer Datenpunkte zum Kauf/Conversion und diese dann in Relation zum Deckungsbeitrag des Warenkorbs. Auf diese Weise kann die KI lernen und analysieren, wie die beste Bestandsallokation in Bezug auf Rentabilität durchgeführt werden sollte.
Das Schöne daran ist, dass die KI dies sehr schnell und sehr präzise tun wird. So werden ERP-Systeme in Zukunft selbstständig und dynamisch Waren auf die wirtschaftlichsten „Lagerplätze“ allokieren.
Process Mining: Durch eine zentrale KI-Anwendung können Medienbrüche überwunden und die Erstellung integrativer Sichten auf Prozesse verbessert werden, um Fehleranfälligkeiten genauer zu erkennen und gezielte Maßnahmen ergreifen zu können
Beispiel: Im Wertstrom Purchase2Pay durchläuft der Datensatz „Artikelstammdaten“ mehrere Workflows, im Zweifelsfall mehrere Abteilungen, wird prozessual mehrfach evolviert, muss über Schnittstellen durch mehrere Systeme/Tools laufen, bis der Datensatz für die interne und externe Nutzung angereichert ist. Mit Hilfe von Process Mining kann ein idealer Ablauf der Datensatzevolution modelliert werden.
Die KI kann dann bei der Neuanlage oder Überarbeitung des Artikelstammdatensatzes im ERP-System einen Abgleich mit dem Standardablauf durchführen und Inkonsistenzen sofort erkennen. Zum Beispiel, wenn eine Produktkategorie nicht zu einer Hauptkategorie passt (Produkt ist ein Rock mit der Hauptkategorie Herren Oberbekleidung = passt nicht).
Die KI kann auch erkennen, ob es sich um wiederkehrende Fehler handelt, z.B. immer dann, wenn der Artikelstammdatensatz per Schnittstelle vom ERP ins PIM übertragen wird. Eine Fehleranalyse wird dadurch einfacher und ggf. kann das ERP-System zukünftig selbstständig Process Mining durchführen und die Daten autonom optimieren oder korrigieren.
Automatisierung: Lernende Systeme können wiederkehrende, stupide Tätigkeiten mit hoher Wahrscheinlichkeit besser und fehlerfreier erledigen als Menschen.
Beispiel: Die lernende Maschine kann selbstständig den Abgleich offener Lieferanten-Bestellungen im ERP-System mit gelieferten Wareneingängen vornehmen. Bei Unterlieferung kann autonom durch das ERP-System eine mögliche Mahnung der Nachlieferung an den Lieferanten anhand von definierten Parametern wie Abverkauf, Saisonverlauf, vereinbarter Liefertermin und/oder aktueller Lagerbestand versendet werden bzw. keine Mahnung, wenn die Ware nicht benötigt wird.
Dies sind lediglich Ideen, wie KI in ERP-Systemen im Handel zum Einsatz kommen kann und ganz konkret das Leben der Anwender*innen erleichtern wird. Diese möglichen Anwendungsfälle unterscheiden sich von den Anwendungsfällen im „Frontend“ und gehen weit über LLM hinaus.
Ein Punkt ist mir noch wichtig: Die Basis von allem ist die Dokumentation. Die KI braucht Futter und das Futter ist die Dokumentation von Arbeitsabläufen, Geschäftsregeln, Prozessen, Daten, Schnittstellenbeschreibungen und vieles mehr. In diesem Sinne: Wer schreibt, der bleibt.
Zum Abschluss gebe ich dir noch ein konkretes, reales Anwendungsbeispiel zur Nutzung von LLM/ChatGPT4 in Bezug auf den Wechsel eines ERP-Systems und notwendige Artikelstammdatenbereiniung mit.
Aktuelles Anwendungsbeispiel zur Nutzung von LLM / ChatGPT4 im Bereich des operativen Handels
Ausgangssituation: Ein Handelsunternehmen muss ein neues ERP-System einführen. Eine Teilaufgabe ist die Migration der Artikelstammdaten aus dem Altsystem in das neue System. Im Altsystem waren die Möglichkeiten der Artikelstammdatenpflege eingeschränkt und in einem Feld „Information“ wurden auf einer Zeichenlänge von 60 Zeichen (alphanumerisch) viele Informationen in schriftlicher Form gepflegt, für die im neuen System nun entsprechende Felder zur Verfügung stehen.
Aufgabe: Die Artikelstammdaten aus dem Altsystem müssen so aufbereitet werden, dass sie möglichst ohne Informationsverlust in das neue System übernommen werden können. Da aber das Feld „Information“ im Altsystem über Jahre sehr wild und freihändig von den Mitarbeitenden gepflegt wurde (ohne konkrete Nomenklatur), ist ein Auslesen und Abgleichen dieser Daten für das neue System nahezu unmöglich. Beispiel:
Artikel | Feld „Information“ (bis zu 60 Zeichen alphanumerisch) im Altsystem |
10001 | für Jungen, kurz, blau, mit Print |
10002 | im Set zu 5 Stück, lila ohne Streifen |
10003 | Nachfolge zu #100012, Achtung andere Farbe |
10004 | Bezug aus Kunstleder |
10005 | Notizbuch DIN-A7-Linien Kladden, rosa, mit Applikation |
10006 | fsc mix, hellgelb in Umverpackung |
10007 | Dekoration, Holzimitat, Eiche Natur |
Lösung mit Hilfe von ChatGPT4:
Im ersten Schritt wurde die zweidimensionale Tabelle in ChatGPT4 geladen und die KI per Prompt aufgefordert, das Vorkommen von Wörtern, Zahlenkombinationen, alphanumerischen Zeichenfolgen zu zählen. Ziel dieser Aktion war es, ein Gefühl dafür zu bekommen, was alles unter „Information“ eingegeben wurde. Anhand der gezählten Vorkommnisse wurden Parameter wie: Geschlecht, Farbe, Kategorie, Größe, Volumen, Material etc. als Inhalte identifiziert. Im zweiten Schritt wurde ChatGPT angewiesen, die Spalte „Information“ auf das Vorkommen dieser Parameter zu überprüfen und, falls ein Wert erkannt wurde, diesen in eine neue Spalte mit der entsprechenden Parameterüberschrift zu schreiben.
Ergebnis
Das Ergebnis ist eine neue Tabelle mit sortierten Werten, die in wenigen Sekunden erzeugt wurde. Diese Tabelle hat eine Qualität von ca. 80/20, d.h. 80 % sind gut und richtig sortiert, die restlichen 20 % müssen nachbearbeitet werden.
Fazit
Ohne Hilfe der IT-Abteilung oder aufwendige Programmierung und ohne genaue Kenntnis darüber, welche Werte im Feld „Information“ über viele Jahre bei mehr als 100 Tsd. Artikel gepflegt wurden, kann eine Aufbereitung der Artikelstammdaten aus dem Altsystem in guter Qualität erfolgen. Natürlich sind weitere manuelle Nacharbeiten erforderlich. Aber insgesamt wird gegenüber der manuellen Datenpflege viel Zeit eingespart und mögliche menschliche Fehler werden reduziert (die bei der Menge der Daten einfach passieren). Anmerkung: Das Beispiel ist real, aber anonymisiert und stark vereinfacht.
Disclaimer: Zu keinem Zeitpunkt wurden unternehmenskritische Daten mit ChatGPT4 geteilt. Wenn du ähnliche Anwendungsfälle realisieren/ausprobieren möchtest, empfehle ich dir, vorher zu prüfen, ob und wie du Daten mit ChatGPT4 teilen darfst.
Ausblick: In diesem Beispiel arbeiten wir mit Medienbrüchen, d.h. wir ziehen Daten aus einem alten ERP-System in Excel. Wir bearbeiten die Daten mit einem externen System, hier ChatGPT4, und laden sie wieder in ein neues Excel. Schließlich laden wir sie in das neue ERP-System hoch. Dieser Workflow ist natürlich fehlerbehaftet, eben durch die Medienbrüche. Eine Integration von ChatGPT in Excel ist derzeit nur über kostenpflichtige APIs möglich. Microsoft plant jedoch, ChatGPT in alle Office-Anwendungen zu integrieren. Dies wird nach derzeitigem Kenntnisstand voraussichtlich im November 2023 der Fall sein.
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