Marketing-Trends 2024 – Keine Panik!

Markus Lempa 1.1.2024

Wir zeigen Euch, welche Marketing-Trends 2024 auf Euch zukommen

Inhalt
  1. Die Prophezeiung der digitalen Marketing-Trends 2024
  2. Marketing-Trends 2024 - Expect the Unexpected
  3. Point of no return – Blick in den Rückspiegel
  4. Wenn die Musik auf der Titanic langsam verstummt
  5. Fazit

Was erwartet uns im kommenden Jahr? Wir alle ahnen es: 2024 wird eine wilde Achterbahnfahrt. Kriege, Krisen und Konflikte machen strategische Marketingpläne schnell zur Makulatur. Die Empfehlung auf Sicht zu fahren, verhindert jedoch nicht, dass sich die Welt schneller verändert, als Ihr diesen OMR-Gastartikel lesen könnt. Auf welche Marketing-Trends im Jahr 2024 können wir uns wohl trotzdem sehr wahrscheinlich verlassen? Und wo sollten wir unser Handeln grundsätzlich überdenken? Diese Fragen und noch etwas mehr versucht der Gastautor und Unternehmensberater Markus Lempa im Folgenden aus seiner Sichtweise zu beantworten.

Pünktlich zum Spätsommer melden sich weltweit Marketing-Gurus zu Wort, um uns die digitalen Marketing-Trends für das kommende Jahr zu prophezeien. Abgesehen von kreativen Wortschöpfungen lösen die meisten aktuellen Voraussagen der Expert*innen überraschenderweise eher ein Déjà-vu aus: KI, Blockchain, Marketing-Automation, SEO, Social Selling, Social Gaming, Influencer Marketing, Augmented Reality und interaktiver Content klingen nach Dauerbaustellen und ähneln den Social-Media-Trends aus 2022 doch sehr. Vielleicht ist das Vertrauen in altbekannte und liebgewonnene Dinge auch ein Ausdruck für die große Verunsicherung, die unseren Zeitgeist prägt

Nur wenige Super-Forecaster*innen haben die Systemumbrüche für das laufende Jahr vorausgesehen, die uns nun chronische Kopfschmerzen bereiten. Putins Angriff gegen die Ukraine erschien ihnen genauso unwahrscheinlich wie eine Hyperinflation bei den Energie- und Lebensmittelpreisen. Oder auch 40 Grad Celsius in „Good old Germany“ und das Austrocknen des Rheins. Während dieser Artikel entsteht, droht neben einem epischen Börsencrash, Blackouts der Energienetze auch noch eine europäische Atomkatastrophe. Worauf sollen wir also vertrauen, wenn nicht auf das, was wir bereits kennen? 

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Das Fahren auf Sicht und das Festhalten an alten Lösungsansätzen in Krisenzeiten ist menschlich. Aber ist diese Strategie auch alternativlos? Wenn Marketeers eins in den vergangenen Jahren gelernt haben, dann sind es die unkontrollierten und größtenteils nicht mehr umkehrbaren Veränderungen der Märkte. Ziel dieses Gastartikels ist es, OMR-Leser*innen einen Kompass an die Hand zu geben, mit dem diese Trends auch in unsicheren Zeiten selbstständig erkennen und bewerten können.

Point of no return – Blick in den Rückspiegel

Ausgangspunkt unserer Expedition zu den Marketing-Trends 2024 sind daher zuerst einmal eine Reihe systemrelevanter Transformationen. Von ihnen geht bereits jetzt ein nachhaltiger Impact auf unsere konventionelle Art des Lebens aus. Die Corona-Krise hat uns z.B. nicht nur Remote Work beschert, sondern auch die Verletzbarkeit globaler Wertschöpfungsketten vor Augen geführt.

Neben der Abhängigkeit von russischem Erdgas haben wir in den letzten Jahren gelernt, welche Folgen verzögerte Lieferungen u.a. von Rohstoffen und Vorprodukten aus China haben können. Branchenübergreifend wird es bis weit in das Jahr 2024 hinein an Halbleitern, seltenen Erden, Aluminium und sogar Holz fehlen. Wassermangel durch immer neue Hitzerekorde oder die verzögerten Weizenlieferungen aus der ukrainischen Kornkammer erzeugen ein permanentes Gefühl von Knappheit. Ein Phänomen, das wir bislang nur aus Zeiten der sozialistischen Planwirtschaft kannten.

Versicherungen sind immer weniger bereit, innovative, aber riskante Unternehmungen zu begleiten. Digitale Geschäftsmodelle werden zunehmend von Cyberkriminellen bedroht. Und jetzt fehlt es auch noch an Facharbeitern und Azubis. Im Maschinenraum der Wirtschaft laufen die Räder nicht nur langsamer. Es knirscht an allen Ecken und Enden. 

Wenn die Musik auf der Titanic langsam verstummt

Das Positive zuerst. Knappheit zwingt Menschen zu mehr Kreativität. Und trotzdem spüren wir, dass trotz aller Bemühungen um technischen Fortschritt das Narrativ vom endlosen Wirtschaftswachstum, wie wir es kannten, vorbei ist. 2024 erwarten immer mehr Expert*innen eine weltweite Rezession. Die Wirtschaft befindet sich im Würgegriff der Inflation und drohender Insolvenzen. 

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Wenn selbst erfolgsverwöhnte Giganten wie Meta, Alphabet oder HUAWEI ihre Mitarbeiter*innen auf einen jahrelangen Winter einstimmen, dann sollten wir alle frühzeitig über Kurskorrekturen nachdenken, statt fremden Trends blind hinterherzulaufen: Wo also können wir selbst zum Trendsetter werden, statt auf dem Sonnendeck der Titanic munter weiter die Marketing-Liegestühle von links nach rechts zu verrücken? 


Ausgangspunkt für unsere Trendreise durch das Jahr 2024 ist daher eine Standortbestimmung für uns und unsere Kund*innen.


Marketing-Trend 1: Spatial-Loyalty-Marketing und räumliche Kundenbindung

Natürlich können wir weiter versuchen, unserer Konkurrenz die Kunden mittels Preisdumping wegzuschnappen. Allerdings wird sich der Wettbewerb für dieses Nullsummenspiel garantiert in Echtzeit revanchieren. In Zeiten sinkender Wachstumsraten sollte die Erhaltung bestehender Geschäftsbeziehungen oberste Priorität haben. Dafür eignen sich insbesondere einfache, überraschende Lösungen oder Premiumangebote. Und nicht zu vergessen ein professioneller Service! Einmalige Rabatt- und Promo-Aktionen wirken demgegenüber kontraproduktiv. Wo genau müssen wir hierfür den Hebel ansetzen?


Mindestens 80 % aller menschlichen Entscheidungen haben einen räumlichen Bezug. So fragen wir am Telefon häufig zuerst: „Wo bist Du?“ Und in Krisenzeiten sehnen wir uns nach einem sicheren Standort.  Eine individuelle, örtliche Kundenansprache mittels Local SEO und Geomarketing kann daher gezielt helfen, um sich spürbar von der Konkurrenz zu unterscheiden. Wie also wollt Ihr Euch als lokale, vertraute Nachbarn bzw. Problemlöser*innen positionieren? 


Für das internationale Marketing wird es zudem immer wichtiger, die räumliche Verbundenheit mit dem avisierten Zielmarkt zu demonstrieren. Dazu zählen vermehrt die Schaffung lokaler Arbeitsplätze, die Unterstützung von Lieferanten und ein gesellschaftliches Engagement vor Ort. Damit können sich Marken auf die langfristig erwartete Spaltung der Weltmärkte in ein westliches und ein von China, Russland und Indien dominiertes Wirtschaftssystem vorbereiten, ohne sich für eine Seite final entscheiden zu müssen. Klassische Exportmodelle werden demgegenüber das Nachsehen haben. Auch hier geht es nicht um kurzfristige Trends, sondern das frühzeitige Erkennen von Chancen und das aktive Gestalten von Systemumbrüchen.


Tipp: Euer CRM sagt Euch, wo Eure Kund*innen herkommen. Wenn Ihr hieraus räumliche Cluster bildet, welches regionale Thema könnte dann diese Kund*innen miteinander verbinden? Wo gibt es räumliche Muster? Und was wäre dabei Eure lokale Rolle bzw. die Eures Produktes?


Nach dieser ersten Standortbestimmung können wir mögliche Strömungen im Marketing ausloten, die wir für unsere Reise nutzen können. 


Marketing-Trend 2: Digitales versus analoges Employer Branding 

Unternehmen und Führungskräfte haben immer die Mitarbeiter*innen, die sie verdienen. Wer in Zeiten steigender Lebenshaltungskosten keine angemessenen Reallohnerhöhungen anbieten kann, wird vermutlich zunächst sein Glück in der Automatisierung oder in der Zusammenarbeit mit Freelancer*innen suchen. 


Die HR-Trends 2023 und HR-Trendentwicklungen für 2024, sehen zusätzlich E-Learning, People Analytics und eine weitere Digitalisierung der Personalprozesse voraus. Bei all diesen technischen Veränderungen ist es wichtig, dass wir das Wir-Gefühl der Belegschaft nicht vergessen. Nur so lassen sich Corporate-Influencer bzw. Markenbotschafter finden und langfristig motivieren. 


Alternativ könnten Unternehmen aber auch über kreative, nicht monetäre Anreize nachdenken, um bestehende Talente zu behalten und neue zu finden. Dazu zählt 2024 vor allem die Schaffung einer angstfreien, diversen Arbeitsumgebung, in der jeder flexibel die Möglichkeit hat, eine Remote-Arbeit, Team-Events, bezahlte Trainings sowie vor allem eine sinnvolle Tätigkeit erhält. 


Tipp: Das Recruitment sollte nicht allein der KI überlassen werden. Wer Generationen übergreifend nach Talenten sucht, sollte auch an stille Arbeitsmarktreserven z.B. der Generationen X und Y denken, die für einen Jobwechsel das persönliche Gespräch mit einem Menschen präferieren.

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Marketing-Trend 3: Investor Relations für nicht-börsennotierte KMUs

Für unsere Trendreise müssen wir auch über Geld sprechen. Die Kommunikation mit dem Finanzmarkt wird in Zukunft nicht nur eine Herausforderung für börsennotierte Unternehmen sein. Da eine knappe Liquidität schnell zum Exitus führen kann, müssen auch KMUs verstärkt erklären, warum sie trotz sinkender Wachstumsraten ein lohnendes Investment darstellen. 


Warum verdient ausgerechnet Eure Firma eine Finanzspritze? Kann das Gründerteam bzw. Management z.B. glaubhaft einen zweistelligen Preisaufschlag am Markt durchsetzen, um so zukünftig kostendeckend zu wirtschaften? Wessen Marketing dabei nur von sich behaupten kann, ein tolles oder preiswertes Produkt anzubieten, wird es schwer haben, die eigen Zukunftsfähigkeit finanziert zu bekommen.


Tipp: Für Eure Equity-Story werden in Zukunft die Aspekte CSR (Corporate Social Responsibility) und ESG (Environmental, Social and Governance) immer wichtiger werden. Überhaupt sollten integrierte Marketingkampagnen verstärkt auf den Aspekt „Solidarität“ achten. Damit begründen wir unsere eigene Systemrelevanz bzw. „gesellschaftliche Existenzberechtigung“. Dies kann insbesondere bei der Beantragung öffentlicher Fördermittel entscheidend sein.


Marketing-Trend 4: Branded Search – „Eine Marke Du musst sein!“

Bereits im Jahr 2017 warnte SEO-Experte Rand Fishkin davor, dass Google immer häufiger die Fragen der Suchenden über seine SERPs (Search-Engine-Results-Pages) in Eigenregie beantworten könnte. Bislang versuchen sich viele mit diesem systemischen Problem zu arrangieren. Und so werden als SEO-Trends für das Jahr 2024 u.a. Mobile-First-Indexing, Voice und Visual Search und wieder einmal künstliche Intelligenz genannt. Überhaupt werden die Anwender*innen im kommenden Jahr bereits genug damit zu tun haben, wenn Google sein Universal Analytics zum 1. Juli endgültig mit Google Analytics 4 ersetzt. Die Vor- und Nachteile von Universal Analytics und Google Analytics haben wir Euch bereits aufgelistet. Im Gegensatz zu Hiobsbotschaften aus vergangenen Jahren scheint SEO somit im Jahr 2024 alles andere als tot, sondern quicklebendig zu sein. 


Und trotzdem! Neben der operativen Notwendigkeit, sich mithilfe des Nachfolgemodells Google Analytics 4 und den sich hieraus ergebenden Möglichkeiten für plattformübergreifendes Tracking auseinanderzusetzen, wird es immer wichtiger, sich nach einer Exit-Strategie oder zumindest nach einem Plan B für dieses nicht zu gewinnende „SEO Rat Race“ umzuschauen.


SEO lebt davon, dass unverwechselbare Schlüsselelemente gefunden werden, mit denen wir uns in das Langzeitgedächtnis unserer Kundschaft brennen. Klingt simpel, scheitert aber häufig im allgemeinen Verdrängungswettbewerb. Alternativ bzw. ergänzend dazu lohnt es sich, 2024 verstärkt in das eigene Brand-Marketing und die Markenbekanntheit zu investieren. So können wir unabhängig von Google & Co. eine originäre Nachfrage generieren. Nur wie schafft man es, dass die Anwender auch nach unserem Brand suchen? 


Tipp: Statt allein in Keywords zu denken, muss zuerst der Markenkern mit all seinen Werten exakt beschrieben werden. Diese Werte sollten nicht auf kurzfristigen Trends aufbauen. Je individueller Eure Marke ist, desto größer ist die Chance, sich von der Konkurrenz zu differenzieren und echte Insights zu finden. Zweitens muss für ein Branded-Search eine kritische Masse an Brand-Communication geschaffen werden, womit wir direkt zum nächsten Trend kommen. 


Marketing-Trend 5: Organic Marketing-Mix

Wer sich von Google oder Apple unabhängiger machen will, muss selbst aktiv werden und eigene Maßstäbe setzen. Soziale Netzwerke und Bewertungsplattformen werden dabei immer wichtiger. Mit deren Hilfe können wir uns als Expert*in bzw. Marktführer*in positionieren und werden von anderen erfolgreich weiterempfohlen. 


Während XING mit der Abschaltung der eigenen Gruppen ab Januar 2024 vermutlich ein kolossales Eigentor geschossen hat, wird LinkedIn gerade für das B2B-Marketing existenziell bedeutend. Aber auch Meta, TikTok und Instagram bieten noch immer Chancen, um für die eigene Marke ein eigenes Keyword-Universum aufzubauen und sich als Meinungsführer ins Gespräch zu bringen. Welchen Effekt zahlungspflichtige Premium-Angebote von sozialen Netzwerken zukünftig haben werden, bleibt zunächst abzuwarten.


Entscheidend ist, dass Brands rechtzeitig über ihre Unabhängigkeit generell nachdenken. In welcher von uns selbst erschaffenen Zukunft wollen wir den Rest unseres Lebens verbringen? Die Antwort auf diese Zukunftsfrage ist ein „Sowohl als Auch“: Ohne SEO wäre das Marketing operativ kurzsichtig; ohne organische Instrumente bleibt das Marketing aber langfristig sinnlos.


Tipp: Viele organische Marketing-Instrumente sind bereits in den Firmen vorhanden, werden aber nur als einmalige Aktion und nicht im Sinne eines strategischen Brand-Buildings genutzt. Virtuelle Events und originäre Messeformate, kreative Challenges, Podcasts, Corporate Influencer, Webinare, Google-My-Business oder die Nutzung etablierter Markenmultiplikatoren wie OMR Reviews bieten noch immer ungenutzte Freiheiten. Vom 9. bis 10. Mai 2023 findet übrigens das nächste OMR-Festival statt. Wie könnt Ihr Euch als Original und nicht als Klon positionieren?


Marketing-Trend 6: Faktencheck und Crowd-Taskforce

Kritische Stakeholder gab es schon immer. Zu den originären Aufgaben des Marketings und der PR gehörte daher immer auch die Suche nach klugen Antworten auf mögliche Einwände. Inzwischen haben sich Verschwörungstheorien, Fake News und Hassbotschaften bis hin zu Morddrohungen im Netz immer weiter verselbständigt. Aus ihrer Echokammer senden Hater toxische Botschaften an ihre „Targets“. Zukünftig dürften die Vorwarnzeiten für einen künstlichen Shitstorm immer kürzer werden. Falschdarstellungen Dritter müssen daher schneller als bisher durch eine redaktionelle Taskforce geprüft und bei Bedarf korrigiert werden; andernfalls droht ein nachhaltiger Reputationsschaden. Umso wichtiger werden Investitionen in das Content-Management und die Krisenkommunikation.


Da für 2024 eine neue Qualität öffentlicher Proteste auf der Straße wie im Netz zu erwarten ist, sollten Markenunternehmen frühzeitig nach Unterstützern suchen. OMR Reviews empfiehlt z.B. als Tool conversario, um Hater und Spam in Communities automatisch herauszufiltern. Falls aber das Faktenchecker-Team doch einmal feststellt, dass Euer Unternehmen Bullshit produziert hat, sollte jemand persönlich den Fehler eingestehen und Verantwortung übernehmen. Die eigene Glaubwürdigkeit ist und bleibt die wirksamste Gegenmaßnahme, um Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen.


Tipp: Ähnlich wie bei HateAid für den Schutz von Einzelpersonen können auch Firmen ein Netzwerk aus externen Unterstützer*innen, Belegschaftsangehörigen, Alumnis und professionellen Troubleshootern um sich scharen. Mit diesem erweiterten Team im Sinne einer Crowd Taskforce kann sich eine Marke mutig jedem unberechtigten Shitstorm entgegenwerfen oder den Hass in einen kollektiven Candystorm verwandeln. 


Marketing-Trend 7: Ehrliche Nachhaltigkeit statt Green Washing

Die Erhitzung der Gemüter kommt aber nicht nur durch Hater. Auch das Marketing selbst hat einen spürbaren Einfluss auf den globalen Temperaturanstieg, an dessen Ende Menschen irrational und klimaschädlich handeln. Beispiel „Marketing-Automation“: Wer nicht selbst beim Sammeln von Kundendaten mitspielt, überlässt dem Wettbewerb einen uneinholbaren Vorsprung! So lautet das Mantra derjenigen Expert*innen, für die Marketing-Automation alternativlos ist. Aber muss für alltägliche Prozesse in Marketing, Vertrieb und Service wirklich immer auf KI zurückgegriffen werden? 


Bereits in einer amerikanischen Studie aus dem Jahr 2019 wurde aufgezeigt, dass das Training einer KI-Lösung bis zu fünfmal so viel Kohlendioxid produzieren kann wie ein Auto. Wer in Zukunft so gedankenlos handelt, verhält sich genauso, als würde er bzw. sie die Sonntagsbrötchen bei der Bäckerei um die Ecke mit dem SUV kaufen. 


Klima-Expert*innen melden aktuell, dass wir immer wahrscheinlicher das 1,5-Gradziel überschreiten werden. Und wenn bereits die "heute-show" die Klimaschädlichkeit des Internets aufs Korn nimmt, sollten spätestens jetzt Marketeers gut gemeinte, aber klimaschädliche Marketingideen und damit das eigene Nachhaltigkeitsmanagement überdenken. 


Wie groß ist z.B. der CO₂-Fußabdruck Eurer CRM-Software oder Eurer Marketingkampagne? Welche ökologischen Ausgleichsmaßnahmen wie etwa Baumpatenschaften habt Ihr ergriffen? Wie kann anstelle von Alibi-Projekten bzw. eines Green Washings eine echte, messbare Nachhaltigkeit erzielt werden? Wem diese ketzerischen Überlegungen utopisch oder einfach nur unbequem erscheinen, darf sich nicht wundern, wenn andere Anbieter mit einer besseren Marketing-Öko-Bilanz zukünftig die Nase im Wettbewerb vorn haben werden. 


Tipp: Je dringender das Thema Nachhaltigkeit wird, desto mehr sollten wir uns beruflich wie privat überlegen, welche Konsequenzen unser persönliches Handeln hat. Der Kauf eines NFT wie auch die bequeme Bestellung über smarte Sprachassistenten oder die Erstellung von Texten mithilfe von KI haben nicht nur monetäre Auswirkungen, sondern tangieren auch unser gemeinsames Klima. 


Marketing-Trend 8: Interne Kommunikation im Dauerkrisenmodus

Reisen machen hungrig und durstig. Je dringender wir auf die Einhaltung von KPIs und Vertriebszielen schauen, desto weniger achten wir auf die Betreuung des eigenen Teams. Das Team, welches all diese Veränderungen schultern soll. Nicht erst durch Corona arbeiten Belegschaften seit Jahren in einem Dauerkrisenmodus. Und nun droht eventuell auch noch ein Downsizing. Redaktionsteams und Servicemitarbeiter*innen beklagen, dass sie mit einer Vielzahl neuer Probleme und im Umgang mit toxischen Beschwerden allein gelassen werden. 


Tipp: Wer eine Kernschmelze der eigenen Unternehmenskultur vermeiden will, sollte noch vor 2024 mit dem Umparken im Kopf anfangen. Leistungen des eigenen Teams sind keine Selbstverständlichkeit, nur weil jemand dafür bezahlt wurde. Andernfalls droht ein personeller Exodus wie in der Gastronomie und dem Flugsicherheitspersonal. Coaching, virtuelle Belegschaftsversammlungen, Rundschreiben, Feedbackgespräche oder Neurofeedback. Es gibt viele Instrumente für die interne Kommunikation; man muss sie aber auch konsequent anwenden und das Gesagte vorleben.


Marketing-Trend 9: Nostalgie

Nach den zuletzt genannten Krisenentwicklungen dürfen wir auf unserer Trendtour 2024 erst einmal durchatmen. „Es gibt sie noch, die guten alten Dinge.“ So lautet etwa das Firmenmotto des Einzelhändlers Manufactum. Hochwertige, langlebige und traditionell hergestellte Haushalts-, Garten- und Bürowaren werden mit liebevoll getexteten Geschichten beworben. Für Digitalprofis mag Retro-Revolution als Marketingtrend aus 2022 wie ein anachronistisches Geschäftsmodell erscheinen. Den Wunsch nach Beständigkeit in unserer kurzlebigen Welt erfüllt sie trotzdem. Gerade in Krisenzeiten sehnen wir uns nach dieser Zeitlosigkeit und sicheren Ankerplätzen. Aus diesen Gründen dürften auch andere Unternehmen gerade im Jahr 2024 mit nostalgischen Marketingansätzen Erfolg haben. 


Einschränkend muss an dieser Stelle gesagt werden, dass unser Vergangenheitsdrang auch eine dunkle Seite haben kann. In ökonomisch angespannten Situationen, wie wir sie auch für 2024 erwarten müssen, geben Gegentrends wie Konformität, Konservatismus, Standardisierung, Zentralisierung und Stromlinienförmigkeit den Ton an. Kunden greifen vermehrt auf bekannte Marken und klassische Zielgruppen zurück; nicht wettbewerbsfähige Anbieter verschwinden vom Markt. Auch Experimentierfreuden nehmen in Krisenzeiten regelmäßig ab. Und wenn neun von zehn Start-ups bzw. innovativen Produkten floppen, dann wird in Krisenzeiten das Risiko für Neues noch schärfer bewertet. Diesen Aspekt sollten wir nicht vergessen.


Tipp: Fundgruben für nostalgisches Marketing sind u.a. Unternehmensgeschichten des Gründerteams oder Anekdoten erfahrener Kolleg*innen: Welche Ideen schlummern schon länger in Eurer Schublade? Und warum könnte jetzt der richtige Augenblick für ein Revival sein? Am 29.05. feiert übrigens die Welt die Erstbesteigung des Mount Everest vor 70 Jahren. Wie könntet Ihr dieses bekannte Ereignis mit Eurer Marke verknüpfen?


Marketing-Trend 10: Hybride Marketinglösungen

2024 wird die Diskussion über Remote-Arbeitsplätze und Präsenzpflichten weitergehen. Die Lösung kann – Spoiler-Alarm! – nur eine hybride Arbeitsweise sein. Zu stark sind die für Unternehmen und Mitarbeiter*innen gleichermaßen spürbaren Vorteile aus der Kombination beider Welten.  


Treiber dieser Entwicklung ist der hybride Vertrieb mit seinem Mix aus digitalen Kontaktmöglichkeiten und dem persönlichen Verkaufsgespräch. Gerade in der Coronazeit hat sich das „BOPIS-Prinzip“ (Buy-Online-Pick-up-In-Store) bewährt. Und nach quälend langen Corona-Monaten sehnen wir uns im Jahr 2024 nach Live-Events mit echten Menschen. Dieser Wunsch nach „realer Befreiung“ wird im kommenden Jahr noch stärker als Leitthema zu spüren sein.


Tipp: Aber auch bei Marketing- bzw. Newsletter-Kampagnen kann das Zusammenspiel analoger und digitaler Welten zu glücklichen Kund*innen-Erlebnissen in 2024 führen. Überrascht doch mal Eure Klientel statt mit einer klassischen E-Mail-Marketing-Kampagne einfach mal mit einer haptischen Postkarte, z.B. von Echtpost, die Ihr zuvor am Computer geschrieben und gestaltet habt. Falls Ihr trotzdem Best-Practice Tipps für erfolgreiches E-Mail-Marketing braucht, findet Ihr diese auch bei uns.



Fazit

Normalerweise bieten Trendartikel eine Short-List innovativer Tools an, in denen die KI als wichtigste Zutat nicht fehlen darf. 2024 wird ein forderndes Jahr für das Marketing. Wer über Marketing-Trends nachdenkt, sollte daher zuerst den Zeitgeist besser verstehen und dem Hintergrundrauschen laufender Veränderungen lauschen. Hierbei können die zehn genannten Marketing-Trends für das Jahr 2024 nützliche Orientierungspunkte sein. Darauf aufbauend können wir dann viel leichter die für uns relevanten Trends erkennen und ein eigenes Drehbuch für die Zukunft entwickeln. Und nicht vergessen: wo andere sich beklagen, ergeben sich für Euch neue Chancen.


Eine Vorhersage für 2024 steht auf jeden Fall fest. Weitermachen wie bislang oder darauf warten, dass ein Elon Musk die Welt für uns rettet, sind gefährliche Denkfehler. Vielleicht erinnern wir uns sogar eines Tages an die Worte des Schauspielers Sir Peter Ustinov: "Jetzt sind die guten alten Zeiten, nach denen wir uns in zehn Jahren zurücksehnen." 


Damit wir in 2024 eine gute Zeit haben werden, müssen wir jetzt unsere Hausaufgaben machen. Wo also sind die Points of no Return in Eurem eigenen Geschäftsmodell und wie könnt Ihr die Klippen für Euer Marketing frühzeitig umschiffen? Ich wünsche all denjenigen viel Erfolg, die die Zukunft selber designen, statt Trends hinterherzulaufen. Keine Panik! Macht 2024 zu Eurem Jahr! 

Markus Lempa
Autor*In
Markus Lempa

Markus Lempa ist Unternehmens- und Kommunikationsberater. 2002 gründete er MEMOCINE Future Engineers. Er ist Dozent für Markenentwicklung und Markenwerte. Als Technologie-Transferpartner von Forschungsinstituten liegt seine Passion in der Transformation von Ideen und Trends in marktreife Produkte mit einer passenden Brand Story.

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