WCAG Accessibility: Der Schlüssel zur digitalen Barrierefreiheit

Marc Gummlich 15.10.2024

In diesem Artikel geht es um die Bedeutung der digitalen Barrierefreiheit und wie die WCAG-Richtlinien dazu beitragen, Webinhalte für alle Nutzer*innen zugänglich zu machen

Inhalt
  1. Was sind die WCAG?
  2. Wie hängen digitale Barrierefreiheit und WCAG zusammen?
  3. Wie sehen die rechtlichen Rahmenbedingungen aus?
  4. Wie sieht die Struktur der WCAG aus?
  5. Was sind die WCAG 2.0?
  6. Was ist die WCAG 2.1?
  7. Welche Tools unterstützen dich bei der digitalen Barrierefreiheit?
  8. Fazit: WCAG Accessibility ist wichtig für Inklusion
  9. FAQ – Häufig gestellte Fragen

Stell dir vor, du möchtest eine neue Reise planen und besuchst eine beliebte Reise-Website, die dir tolle Angebote und Ideen präsentiert. Die Seite spricht dich sofort an, zeigt dir tolle Bilder und attraktive Vorschläge für deinen Urlaub. Doch nach wenigen Klicks stellst du fest, dass wesentliche Informationen für dich nicht zugänglich sind: Die farbliche Gestaltung der Texte macht sie schwierig zu lesen, da die Schriftfarbe kaum von dem Hintergrund zu unterscheiden ist. Die Bilder verschwimmen vor deinen Augen und es gibt keine Beschreibungen, die dir eine Vorstellung davon vermitteln, was sie zeigen. Die Navigation verwirrt dich. Du versuchst, dir interaktive Elemente vorlesen zu lassen, doch der Screenreader gibt sie nicht wieder… Was als inspirierendes Erlebnis begann, verwandelt sich in eine frustrierende Situation. Du hast das Gefühl, ausgeschlossen zu sein. 

Dieses Szenario illustriert die alltäglichen Herausforderungen, mit denen Millionen von Menschen, einschließlich Nutzer*innen mit Behinderungen, konfrontiert sind. Hier kommen die WCAG (Web Content Accessibility Guidelines) ins Spiel, die als Leitfaden für digitale Barrierefreiheit dienen.

Die digitale Welt ist ein wichtiger Teil unseres Lebens geworden, und es ist entscheidend, dass alle Nutzer*innen, unabhängig von ihren Fähigkeiten, Zugang zu Informationen und Dienstleistungen haben. Die Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) sind ein international anerkanntes Regelwerk zur Verbesserung der Zugänglichkeit von Webinhalten. In den folgenden Abschnitten werden wir genauer beleuchten, was die WCAG sind, wie sie mit digitaler Barrierefreiheit zusammenhängen und welche spezifischen Maßnahmen notwendig sind, um digitale Inhalte für alle zugänglich zu machen.

Was sind die WCAG?

Die Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) sind eine Reihe von Richtlinien, die vom World Wide Web Consortium (W3C) in Zusammenarbeit mit der Web Accessibility Initiative (WAI) entwickelt wurden. Diese Richtlinien bieten Vorgaben, die sicherstellen sollen, dass Webinhalte für alle Nutzer*innen, einschließlich Menschen mit Behinderungen, zugänglich sind. Die WCAG legen besonderen Fokus auf vier zentrale Prinzipien: Wahrnehmbarkeit, Bedienbarkeit, Verständlichkeit und Robustheit.

Wie hängen digitale Barrierefreiheit und WCAG zusammen?

Digitale Barrierefreiheit bedeutet, dass Webinhalte von allen Menschen genutzt werden können, unabhängig von ihren individuellen Fähigkeiten oder Einschränkungen, wie zum Beispiel Sehbehinderungen, Hörbehinderungen oder motorischen Einschränkungen. Die WCAG-Richtlinien bieten eine klare Struktur, die es Webentwickler*innen ermöglicht, Barrieren zu identifizieren und zu beseitigen, damit die Gestaltung von Webseiten eine effektive Nutzung durch alle gewährleisten kann.

Wie sehen die rechtlichen Rahmenbedingungen aus?

In vielen Ländern gibt es gesetzliche Bestimmungen zur digitalen Barrierefreiheit. In der Europäischen Union beispielsweise verpflichtet die EU-Richtlinie 2016/2102 alle Mitgliedstaaten, sicherzustellen, dass Websites und mobile Anwendungen von öffentlichen Sektoren barrierefrei sind. Auch in Deutschland sind die Anforderungen im Behindertengleichstellungsgesetz und im Barrierefreie-Webseiten-Gesetz verankert. Unternehmen und Organisationen müssen sicherstellen, dass ihre Websites die Anforderungen der WCAG erfüllen, um rechtlichen Konsequenzen und Sanktionen zu entgehen.

Wie sieht die Struktur der WCAG aus?

Die WCAG haben verschiedene Versionen durchlaufen, wobei die aktuelle Version WCAG 2.1 ist. In dieser Struktur sind die Richtlinien in drei Stufen kategorisiert: A, AA und AAA. Die WCAG-Stufen A, AA und AAA bauen umfassend aufeinander auf. Stufe A legt die fundamentalen Mindestanforderungen, wie zum Beispiel Textalternativen für Bilder fest, während Stufe AA einen größeren Fokus auf Benutzerfreundlichkeit und Lesbarkeit hat. Die meisten Organisationen streben die Erfüllung dieser Stufe an.   

Die Stufe AAA setzt die höchsten Standards, die ein umfassendes Nutzererlebnis für alle ermöglichen sollen, auch wenn dies in der Praxis oft herausfordernd zu erreichen ist. Triff daher innerhalb deiner Zielgruppe eine informierte Auswahl, welche Stufen du anstreben möchtest, basierend auf den Bedürfnissen deiner Benutzer*innen und den Rahmenbedingungen deiner Website oder Anwendung.

Was sind die WCAG 2.0?

Die WCAG 2.0, die im Dezember 2008 veröffentlicht wurden, bilden die Grundlage für die Barrierefreiheit im Internet. Diese Version ist nach wie vor relevant und wird von vielen Organisationen als Mindeststandard verwendet, um digitale Barrierefreiheit zu gewährleisten.

Die WCAG 2.0 enthält 12 Richtlinien, die auf die vier Hauptprinzipien aufbauen: 

  • Wahrnehmbarkeit: Informationen und Benutzeroberflächen müssen so präsentiert werden, dass sie für alle Nutzer*innen wahrnehmbar sind. Dies umfasst Texte, Bilder, Audio und Video.
  • Bedienbarkeit: Benutzeroberflächen müssen so gestaltet sein, dass sie einfach zu bedienen sind. Benutzer*innen sollten mit der Website interagieren können, auch wenn sie Assistive Technologien verwenden.
  • Verständlichkeit: Inhalte und die Benutzeroberfläche müssen verständlich sein. Dies bedeutet, dass Texte klar und einfach formuliert sein sollten und dass eine einfache Navigation bereitgestellt werden muss.
  • Robustheit: Inhalte müssen so gestaltet sein, dass sie von einer Vielzahl von Benutzer*innen und Technologien interpretiert werden können. Dies soll sicherstellen, dass Inhalte auch in Zukunft zugänglich sind.

Was ist die WCAG 2.1?

Die WCAG 2.1 wurden im Juni 2018 veröffentlicht und bauen auf WCAG 2.0 auf. Diese Version ergänzt die bestehenden Richtlinien um neue Anforderungen insbesondere in Bezug auf mobile Geräte.

Zu den neuen Themen in WCAG 2.1 gehören unter anderem:

  • die Berücksichtigung von Sehbehinderungen und Mobilitätseinschränkungen,
  • bessere Unterstützung für Nutzer*innen von Touchscreens und
  • die Einführung von Kriterien zur Förderung einer besseren Lesbarkeit von Texten.

Die WCAG 2.1 stellen sicher, dass auch neue Technologien und Trends im Web berücksichtigt werden, um eine umfassende Digitalisierung für alle zu ermöglichen.

Welche Tools unterstützen dich bei der digitalen Barrierefreiheit?

Es gibt eine Vielzahl von Tools und Ressourcen, die Website-Betreibenden helfen können, die WCAG-Richtlinien umzusetzen und die digitale Barrierefreiheit zu verbessern. OMR Reviews bietet einen Vergleich vieler Software-Lösungen & Tools für Digitale Barrierefreiheit.

Hier sind einige der wichtigsten Kategorien:

Tools für automatisierte Barrierefreiheit

Diese Tools nehmen automatisch Anpassungen vor, die den Richtlinien der Barrierefreiheit, wie den WCAG, entsprechen. Sie arbeiten in der Regel durch die Implementierung von Skripten oder Widgets, die Anpassungsmöglichkeiten bieten oder automatisch Barrieren beseitigen.

Beispiele hierfür sind accessiBe, das durch Automatisierung eine vollständige Barrierefreiheit für Webseiten anstrebt, und UserWay, das ein Accessibility-Widget bereitstellt, mit dem Nutzer*innen die Darstellung der Seite anpassen können. EqualWeb bietet ähnliche Funktionen, indem es Webseiten automatisch anpasst, um gängige Barrieren zu reduzieren. AudioEye, ein weiteres Beispiel, identifiziert automatisch Probleme und fügt Lösungen hinzu, um die Nutzererfahrung zu verbessern. Ergänzend dazu bietet Siteimprove ein Tool, das digitale Inhalte auf Barrierefreiheit prüft und Verbesserungsvorschläge macht. Diese Tools ermöglichen es Website-Betreibern, die Barrierefreiheit ihrer Inhalte erheblich zu steigern und somit ein inkludierendes Online-Erlebnis zu schaffen.

Tools für automatisierte Zugänglichkeitstests

Diese Tools analysieren Webseiten automatisch und identifizieren potenzielle Barrieren, die gegen die WCAG-Richtlinien verstoßen. Sie bieten häufig Berichte, die anzeigen, welche Bereiche verbessert werden müssen. Beispiele hierfür sind WAVE, ein Web Accessibility Evaluation Tool, das visuell aufzeigt, wo Probleme bestehen, sowie Lighthouse, ein Google-Tool, das Zugänglichkeitstests für Webseiten durchführt.

Design-, Entwicklungs- und Testing-Tools

Diese Tools unterstützen Designer und Entwickler bei der Erstellung barrierefreier Interfaces und Inhalte. Sie bieten Funktionen, die die WCAG-Anforderungen direkt in den Design- und Entwicklungsprozess integrieren. Figma ist zum Beispiel ein weit verbreitetes Design-Tool, das in den Entwicklungsprozess integriert wird, um barrierefreie Designs zu erstellen.

Erweiterungen und Plugins

Browser-Erweiterungen und Plugins können Entwickler*innen und Nutzer*innen helfen, Zugänglichkeitstests durchzuführen oder Einstellungen zur Barrierefreiheit zu verbessern. "Accessibility Insights" zum Beispiel ist ein kostenloses Tool von Microsoft, das als Chrome- und Edge-Erweiterung verfügbar ist und Entwicklern hilft, Barrieren zu identifizieren und zu beseitigen. "High Contrast" ist eine Browsererweiterung, die Webseiten in verschiedenen Kontraststufen anzeigt, um die Lesbarkeit zu verbessern.

Benutzer-Feedback-Tools

Diese Werkzeuge sammeln Daten von realen Nutzer*innen, insbesondere von Menschen mit Behinderungen, um Einblicke in die Benutzererfahrung zu gewinnen und Verbesserungsmöglichkeiten zu identifizieren. Hotjar ist beispielsweise ein Tool, das durch Heatmaps, Umfragen und Benutzeraufzeichnungen Feedback sammelt, um die Barrierefreiheit zu verbessern.

Durch die Kombination dieser Tools können Organisationen sicherstellen, dass sie umfassende Schritte zur Verbesserung der digitalen Barrierefreiheit unternehmen. Es ist wichtig, dass sowohl automatisierte als auch manuelle Ansätze verfolgt werden, um die Zugänglichkeit für alle Nutzer*innen zu gewährleisten und eine integrative digitale Umgebung zu schaffen.

Fazit: WCAG Accessibility ist wichtig für Inklusion

Die digitale Barrierefreiheit ist eine essenzielle Voraussetzung für eine inklusive Gesellschaft. Die Umsetzung der WCAG hilft nicht nur dabei, gesetzliche Anforderungen zu erfüllen, sondern auch die Nutzererfahrung zu verbessern, und eine breitere Zielgruppe zu erreichen. Unternehmen, Organisationen und Entwickler sollten die WCAG-Richtlinien ernst nehmen und in ihre Webdesign- und Entwicklungsstrategien integrieren, um sicherzustellen, dass ihre Inhalte für alle zugänglich sind.

Informiere dich! Im OMR Reviews ContentHub findest du weiterführende Informationen über digitale Barrierefreiheit mit Beispielen und Best Practices.

FAQ – Häufig gestellte Fragen

Was sind die rechtlichen Anforderungen in Bezug auf digitale Barrierefreiheit?

In der Europäischen Union verpflichtet die Richtlinie 2016/2102 alle Mitgliedstaaten, sicherzustellen, dass öffentliche Sektor-Websites und -Anwendungen barrierefrei sind. In Deutschland sind die Aspekte der Barrierefreiheit im Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) und in der Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV 2.0) verankert. Diese verlangen von öffentlichen Stellen, dass ihre digitalen Angebote den WCAG-Bestimmungen entsprechen.

Für detaillierte Informationen zu den rechtlichen Rahmenbedingungen kannst du die Website des Beauftragten der Bundesregierung für Informationstechnik besuchen.

Wie stelle ich Barrierefreiheit auf Social Media sicher?

Lass dich inspirieren von diesem Beitrag auf OMR Reviews: Barrierefreies Posten auf Social Media.

Wo kann ich die Details der WCAG 2.1 nachlesen?

Ein guter Start ist diese deutsche Übersetzung der WCAG 2.1.

Welche Tipps gibt es für barrierefreies Webdesign?

Der Artikel Barrierefreies Webdesign: Das Web für alle nutzbar machen auf OMR Reviews zeigt dir inklusive einer Checkliste, wie du deine Webseite barrierefrei gestalten kannst.

Ein weiterer relevanter Beitrag ist Vorteile und Tipps für barrierefreies Webdesign von unserem Thorit-Experten Jan Meboldt.

Marc Gummlich
Autor*In
Marc Gummlich

Marc Gummlich ist Head of Technology & Design bei der Thorit GmbH. In seiner Rolle verantwortet er die strategische Weiterentwicklung technologischer Lösungen und sorgt dafür, dass Design und Funktionalität optimal ineinandergreifen. Mit einem Blick für innovative Trends und einer klaren Vision gestalten sein Team und er digitale Erlebnisse, die sowohl nutzerfreundlich als auch technisch präzise sind.

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