Fünf Learnings aus 18 Jahren Community Management bei gutefrage.net

Sven Winter 24.7.2024

In diesem Artikel erfährst du, wie wichtig gutes Community Management für den Erfolg einer Plattform ist, welche Strategien und Tools dabei zum Einsatz kommen und welche Erfahrungen gutefrage.net in den letzten 18 Jahren gesammelt hat

Inhalt
  1. Was ist Community Management überhaupt?
  2. 5 Learnings aus 18 Jahren Community Management bei gutefrage.net
  3. Hilfreiche Tools im Community Management
  4. Community Management: Das Herzstück jeder Plattform
  5. Meine Tipps für dich als zukünftige*r Community Manager*in

Bestimmt hast du schon von gutefrage.net gehört, hast dort eine Frage gestellt, kommentiert, beantwortet oder einfach nur gelesen. Bei uns trudeln tagtäglich unzählige Beiträge ein – im Durchschnitt werden etwa 70.000 Content-Elemente pro Tag gepostet. Es gibt uns seit über 18 Jahren und das hat einen guten Grund! Kleiner Teaser: Das Community Management spielt dabei eine große Rolle. In diesem Beitrag möchte ich dir gern zeigen, was gutes Community Management ausmacht, was wir in den letzten 18 Jahren auf gutefrage.net alles erlebt und gelernt haben und wie du dieses Wissen für dich nutzen kannst.

Was ist Community Management überhaupt?

Community Management (CM) ist eine recht junge Disziplin. Das CM umfasst die Konzeption, den Aufbau, die Leitung, den Betrieb, die Betreuung und die Optimierung von virtuellen Gemeinschaften außerhalb des virtuellen Raumes – so viel zum fachlichen Jargon. Einfacher gesagt sind Community Manager*innen Lehrer*innen, Freund*innen und (Schieds-)Richter*innen für die User*innen der betreuten Community.

Recht nah am Community Management ist das Social Media Management angesiedelt. Wie häufig bei jungen Disziplinen gibt es zwischen CM und Social Media Management viele Schnittstellen, aber auch Unterschiede. Während das CM sehr eng an der eigenen Community arbeitet und die Community von innen heraus steuert, versucht der*die Social Media Manager*in im Rahmen seiner*ihrer Strategie und Redaktionspläne Menschen mit selbst kreierten Inhalten zu erreichen. Falls du dazu noch mehr wissen möchtest, kannst du dir mal die verschiedenen Social Media Marketing Tools anschauen, die im Social Media Bereich eingesetzt werden.

Must-have statt Nice-to-have

Ein gut durchdachtes und engagiertes Community Management ist ein Must-have für jede Plattform. Fällt es weg oder scheitert es, führt dies schnell zu einem Imageverlust. Die Konsequenz: Nutzer*innen suchen sich Alternativen. Beispiele sind die Online-Jugendcommunity „Knuddels“, auf der jahrelang nicht konsequent gegen Cybergrooming vorgegangen wurde – oder auch X (ehemals Twitter), wo nach der Übernahme durch Elon Musk große Teile des CMs eingespart wurden. Die Folge: rechtsradikale Tweets, sinkende Nutzerzahlen und die Distanzierung von Werbepartner*innen. Erst nach Umsatzeinbußen in dieser Krisensituation folgte eine leichte Wende und es wurde mehr in das CM investiert. Du merkst bestimmt schon: CM ist kein Nice-to-have – es ist elementarer Bestandteil erfolgreicher Communities.

Ein starkes Community Management sorgt dafür, dass sich die User*innen in der Community wohlfühlen, aktiv bleiben und die Plattform regelmäßig nutzen. Es verringert auch das Risiko, dass sie die Plattform wechseln, und ermöglicht es uns als Community Manager*innen, kritische Situationen frühzeitig zu erkennen und zu entschärfen. Wir bei gutefrage setzen das CM ein, um Nutzerfeedback einzuholen, Features gemeinsam mit den Nutzer*innen zu testen, Neuigkeiten zu kommunizieren und in Krisensituationen schnell reagieren zu können. Gleichzeitig verstehen wir uns als Schnittstelle zwischen der Plattform als Unternehmen und den User*innen.  

Falls du noch mitten im Aufbau deiner Community stehst und ab und zu mit Herausforderungen konfrontiert bist, mach dir keine Sorgen. In den Anfangsjahren von gutefrage.net war uns noch gar nicht so richtig klar, welche Richtung die Plattform nehmen würde. Entwickelt sich gutefrage zur Wissensplattform? Werden Tipps für den Alltag gesucht? Geht es mehr um das Verständnis für zwischenmenschliche Probleme oder entwickelt sich gutefrage zum sozialen Netzwerk? Gibt es Nutzer*innen, die treue Follower*innen oder gar Markenbotschafter*innen werden? Niemand konnte das prognostizieren – wir konnten lediglich Features entwickeln, um eine erste Richtung einzuschlagen, und von Seiten des CMs natürlich den "Tone of Voice" setzen: Wie kommunizieren wir mit Nutzer*innen und wie binden wir sie eng in die Produkt- und Weiterentwicklung der Plattform ein? Wir haben uns damals für eine sehr enge Nutzerkommunikation entschieden: sehr persönliche Ansprache, keine Templates und enge Einbeziehung in Entscheidungsprozesse. Auch die Durchführung von Nutzerbefragungen und Nutzertests (vor Ort und remote) führten zu einer stärkeren Markenbindung und Gruppenzugehörigkeit. So konnten wir eine Plattform schaffen, die die aktuellen Bedürfnisse der Nutzer*innen optimal abdeckt.

Ich will dir natürlich nicht verheimlichen, dass auch wir im Laufe der Jahre auf einige Herausforderungen gestoßen sind. Decken sich Nutzermeinung und Unternehmensvision nicht, kann es schnell zu Konflikten führen. Zudem neigen sehr engagierte Nutzer*innen verstärkt dazu, eher weniger aufgeschlossen für Neuerungen und Innovationen auf einer Plattform zu sein. Nahe Nutzerbindung ist zentral, kann aber auch zu Enttäuschungen führen. So stand vor Jahren ein Nutzer plötzlich bei uns im Büro und wollte selbst direkt mitarbeiten, um seine Ideen umzusetzen. Das ist natürlich löblich, aber so direkt und angemeldet funktioniert die Einbeziehung der Community natürlich nicht. Du siehst, eine gute Balance zwischen Einbeziehung der User*innen und eigenhändiger Entscheidungen ist der Schlüssel zum Erfolg.

5 Learnings aus 18 Jahren Community Management bei gutefrage.net

In den vergangenen 18 Jahren konnten wir eigene Erfahrungen sammeln, die unser Community Management erfolgreich gemacht haben. Diese möchte ich gerne mit dir teilen:

1. Versetze dich in die Rolle der User*innen: Das Verständnis für die Bedürfnisse und Perspektiven deiner User*innen ist essenziell. Frage dich immer, warum ein*e User*in auf der Plattform unterwegs sein sollte. Was erwarten sie? Wieso ist vielleicht der gewünschte Weg deiner Plattform nicht der Weg, den der*die User*in gehen würde? Führe Nutzertests durch. Such den direkten Kontakt und telefoniere ab und zu auch mal mit ihnen. Lies aufmerksam das Feedback der User*innen und clustere es. So kannst du deine Plattform stetig weiterentwickeln und an die Bedürfnisse und Wünsche deiner Nutzer*innen anpassen.  

2. Arbeite mit KPIs, um den Gesundheitszustand deiner Community zu erkennen: Einige der wichtigsten Kennzahlen im Community Management sind die Anzahl der erstellten Content-Elemente, das Verhältnis von Page Impressions zu Besuchen (PI/Visit Ratio), die Abwanderungsrate (Churn Rate), die Überlebensrate (Survival Rate) und die täglichen Neuregistrierungen. Zur Auswertung und Analyse dieser Metriken empfehle ich dir die Nutzung von Tools wie Streamlit und Tableau (dazu später mehr). Diese Tools helfen dir dabei, Daten effizient zu visualisieren und tiefere Einblicke in die Performance deiner Community zu gewinnen.

3. Beobachte die Konkurrenz: Hab immer die Konkurrenz im Auge. Welche neuen Formate haben vergleichbare Plattformen eingeführt? Wie entwickelt sich die Zahl der User*innen dort? Wenn du dich mit diesen Fragen beschäftigst, kannst du Trends frühzeitig erkennen und deine eigenen Strategien entsprechend anpassen. Wir schauen uns zum Beispiel immer an, was Reddit und andere Fachforen machen.

4. Zeige klare Kante gegen Hate Speech: Der Großteil der Nutzer*innen wünscht sich eine gewaltfreie und respektvolle Kommunikation. Hate Speech schadet allen: Nutzer*innen, Communitys und Plattformen gleichermaßen. Mach dir Technologien wie KI zunutze, um problematische Inhalte, die gegen deine Guidelines verstoßen, automatisiert zu identifizieren und zu entfernen. Erstelle ein klares Regelwerk und geh konsequent gegen Verstöße vor.

5. Sei authentisch und nahbar, wahre aber die Distanz zu deinen Nutzer*innen: Authentizität und Nahbarkeit schaffen Vertrauen, aber es ist ebenso wichtig, professionelle Distanz zu wahren. Versuche hier, einen guten Mittelweg zu finden. Ich bin selbst als User auf gutefrage.net unterwegs. Wie ich dort heiße, weiß aber niemand. Wie wäre es mit einem regelmäßigen Nutzer*innen-Treffen? Einmal im Jahr bietest du deinen Nutzer*innen die Möglichkeit, sich vor Ort im „realen“ Leben zu treffen. Wir machen das schon seit einigen Jahren, und unsere Open House Days sind immer gut besucht und für viele User*innen ein echtes Highlight.

Hilfreiche Tools im Community Management

Es gibt unzählige Community Management Tools, die man nutzen kann, um das Community Management zu vereinfachen und zu optimieren. Wir nutzen bei gutefrage.net folgende Tools:

  • Jira hilft uns als Projektmanagement-Tool, um Aufgaben im Team zu verfolgen und zu priorisieren. So können wir den Fortschritt von Projekten überwachen und sichergehen, dass wir nichts übersehen.
  • Streamlit ermöglicht es uns als Community Manager*innen, benutzerdefinierte Daten-Apps in Python zu erstellen. Es hilft dabei, komplexe Datenanalysen und Dashboards zu entwickeln und zu teilen. Dadurch werden unsere Community-Daten transparent und zugänglich gemacht.
  • Zoho Desk ist ein Kundenservice-Tool, das speziell für das CM konzipiert wurde. Es bietet Funktionen, die dabei helfen, Ticketverwaltung, Automatisierung und Benutzeranfragen effizient zu bearbeiten. 
  • LamaPoll nutzen wir, um Umfragen durchzuführen und so wertvolle Einblicke in die Meinungen und Bedürfnisse unserer Community zu gewinnen. Dadurch sammeln wir Feedback und sind in der Lage, Trends frühzeitig zu erkennen.
  • Tableau ist ein Datenvisualisierungstool, das es Community Manager*innen ermöglicht, komplexe Daten in verständliche und interaktive Dashboards umzuwandeln. Dadurch können wir Trends und Muster in der Community-Aktivität erkennen und datenbasierte Entscheidungen treffen.

Jedes dieser Tools hat seine eigenen Vor- und Nachteile, aber sie alle tragen dazu bei, das Community Management ein bisschen transparenter und einfacher zu gestalten.

Community Management: Das Herzstück jeder Plattform

Eines würde ich dir gerne noch mit auf den Weg geben: Ohne Community Management wirst du keine erfolgreiche Plattform auf die Beine stellen können. Nur durch die enge Bindung unserer User*innen und die kontinuierliche Anpassung und Entwicklung konnten wir gutefrage.net als führende Q&A-Plattform im DACH-Raum etablieren. Die richtigen Tools und Strategien, kombiniert mit einer authentischen und respektvollen Kommunikation, sind entscheidend für den langfristigen Erfolg. Technologien spielen in puncto Weiterentwicklung natürlich eine große Rolle. Insbesondere KI kann die Effizienz und Effektivität des Community Managements enorm steigern.

Meine Tipps für dich als zukünftige*r Community Manager*in

Auch wenn es eine beliebte Floskel ist, ist es dennoch wahr: Bleib am Puls der Zeit und versuche, dich, dein Team und deine Plattform kontinuierlich weiterzuentwickeln. Wenn du dazu noch die Grundvoraussetzungen – Leidenschaft und Engagement – erfüllst, bist du bestens vorbereitet, ein*e erfolgreiche*r Community Manager*in zu werden.

Für mich ist Community Management Herzblut. Im Wort steckt beides: Freude und Liebe für die Aufgabe sowie Schweiß und Arbeit für die Disziplin. Ein gutes Community Management ist kein Garant für den Erfolg, aber ohne ein starkes CM besteht kaum eine Chance auf nachhaltigen Erfolg. Sieh das Community Management als zentralen Bestandteil erfolgreicher Online-Plattformen, der gleichermaßen für Nutzer*innen und Unternehmen essenziell ist.

Sven Winter
Autor*In
Sven Winter

Sven Winter ist der Chief Community Officer (CCO) bei der Q&A-Plattform gutefrage.net. Seine Karriere bei gutefrage.net begann vor knapp zehn Jahren, als er dort als Volontär einstieg. Mit einem akademischen Hintergrund in Kommunikations- und Politikwissenschaften sowie einer intensiven Nutzung sozialer Medien hat sich Sven darauf spezialisiert, die gutefrage-Community weiterzuentwickeln und das Engagement der Nutzerinnen zu erhöhen. In seiner jetzigen Rolle leitet er das Community Management, schult über 90 Moderatorinnen und fungiert als wichtige Schnittstelle zwischen den Nutzer*innen und der Produktentwicklung.

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