Mehr als Telefonie: Worauf es bei Callcenter Software ankommt und was Roboter nicht damit zu tun haben
Markus Lehmann von telegra im Interview über KI-Unterstützung im Callcenter, die Wahl der passenden Lösung und effizienten Kundenservice
Bei telegra verantwortet Markus Lehmann die Bereiche Sales und Marketing. Foto: telegra/ Markus Lehmann
Ein großer Raum, viele klingelnde Telefone, Stimmengewirr – so sehen Callcenter längst nicht mehr aus. Wo sich Mitarbeitende um die Anliegen von Kund*innen kümmern, kommen stattdessen Callcenter Softwares wie telegra zum Einsatz. Mit innovativen Lösungen für effizienten Kundenservice helfen die Software-Anbieter Unternehmen dabei, ihre Kundenzufriedenheit zu steigern und ihre Geschäftsabläufe zu optimieren.
Was in diesem Zusammenhang wichtig ist, wie KI in Callcentern unterstützt (ohne Jobs zu kosten) und was Unternehmen bei der Auswahl einer passenden Callcenter Software beachten sollten, verrät Markus Lehmann von telegra im Interview. Er verantwortet die Bereiche Sales und Marketing des Software-Anbieters, der mit seinem VoiceBot zu den Pionieren in der Sprachautomatisierung zählt.
Ursprünglich kommt ihr aus dem Bereich Telefonie. Kann man telegra als eine Art Helpdesk-Lösung wie zum Beispiel Zendesk verstehen?
Markus: Ganz klares Nein an dieser Stelle. Wir konzentrieren uns auf den Transport und die effiziente Bearbeitung der Kundenkommunikation im Bereich der Serviceprozesse. Mal ein Beispiel: Wenn man bei einem großen Vergleichsportal im Bereich Reisen – aber auch vielen anderen Teilbereichen dieses Konzerns – anruft, dann sorgt unsere Lösung erstmal für den Transport der Sprache. Die Agent*innen im Servicecenter arbeiten auf unseren Oberflächen, um die Anrufe entgegenzunehmen und die Anliegen zu bearbeiten. An dieser Stelle verbindet sich unsere Software mit Drittsystemen, wie zum Beispiel CRM- oder Ticketsystemen und stellt den Agent*innen bei Anrufannahme alle relevanten Kundendaten zur Verfügung. Für das Beispiel Zendesk (aber auch für Salesforce, MS Dynamics oder SAP) bieten wir fertige Plugins, die unser System nahtlos in die vorhandene Oberfläche integrieren. Und: Historisch kommen wir zwar aus der Telefonie, haben mittlerweile aber auch Kanäle wie E-Mail oder Chat in unsere Callcenter Software integriert.
Also ist eure Callcenter Software ein Telefonie-Tool für Servicecenter?
Markus: Wenn man so will, ja. Man hat natürlich darüber hinaus auch die Möglichkeit, zum Beispiel einen E-Mail-Kanal miteinzubeziehen. Und klassische Funktionen einer ACD (Automatic Call Distribution), IVR (Interactive Voice Response), Ansagen- und Warteschleifenmanagement bis hin zu komplexen Routings und umfangreiche Statistikabfragen sind im Hintergrund natürlich auch dabei. Also kurzum: Jede Serviceorganisation mit mehr als zehn Mitarbeitenden kann mit unserer Lösung für effizienteres Arbeiten und bessere Serviceerlebnisse sorgen.
Telefonie ist jetzt nicht gerade die Technologie, an die man bei Innovation in der Servicekommunikation denkt.
Markus: Ja, das mag auch auf den ersten Blick so aussehen. Man muss aber eine Sache klar vor Augen haben: Der Sprachkanal ist bei vielen Firmen immer noch der Kommunikationskanal mit dem größten Anteil – sehr oft mit mehr als 50 Prozent. Ich habe an dieser Stelle also ein enormes Potenzial, wenn ich an Effizienzsteigerungen denke. Und noch etwas hat den Bereich Telefonie, also Sprache, in den letzten zwei bis drei Jahren wieder stark in den Fokus gerückt: KI und die rasante Entwicklung der Fähigkeit von Maschinen, natürliche Dialoge mit Menschen zu führen.
Sprechen wir also in Zukunft nur noch mit Maschinen?
Markus: Nein, das glaube ich nicht. Wir haben mittlerweile viel Erfahrung in dem Thema und beobachten in unseren Projekten vor allem Folgendes: Firmen haben mit dem Problem zu kämpfen, dass auf der einen Seite die Anforderungen der Kund*innen an die Serviceangebote immer größer werden und auf der anderen Seite neue Mitarbeitende kaum zu finden sind. Wenn ich dann als Unternehmen auch noch wachse, muss ich mir also sehr genau überlegen, in welcher Form und an welcher Stelle ich Menschen einsetze und wo ich Prozesse automatisieren kann. Unser VoiceBot hat also noch nie dafür gesorgt, dass weniger Menschen in einem Callcenter arbeiten.
Die Selfservice-Strategien vieler Anbieter sind technisch allerdings oft ausgereizt. Da gibt es nicht mehr viel zu holen, was Effizienzsteigerungen angeht. Wie schon erwähnt: Oftmals landen trotz Selfservice-Angeboten mehr als 50 Prozent der Kontaktanfragen in einer Hotline. Wenn ich es schaffe, genau an dieser Stelle – zum Beispiel durch den Einsatz eines VoiceBot –, den Automatisierungsgrad zu erhöhen, dann habe ich da einen sehr großen Hebel in der Hand.
Das klingt jetzt aber doch nach Gesprächen mit einem Roboter.
Markus: Nein. Gespräche mit dem VoiceBot gibt’s immer dann, wenn Standardfragen einfach und schnell durch die Maschine gelöst werden können. Dazu gehören zum Beispiel FAQs oder Statusabfragen. Menschen sind dann dran, wenn sie wirklich benötigt werden. Ein VoiceBot ist schon heute sehr gut darin, diese Standardanfragen zu händeln. Er kann aber zum Beispiel bei einer Reklamation einen verärgerten Kunden nicht wieder einfangen. Das ist einfach Psychologie. Menschen wollen nicht mit einer Maschine sprechen, wenn sie verärgert sind. So einfach ist das.
Ich bin also fest davon überzeugt, dass es in Zukunft genauso viele Menschen in Callcentern geben wird, die dort Kundenanfragen beantworten, wie heutzutage. Sie werden es nur an weniger Stellen tun. Aber mit mehr Zeit und Ruhe für die Anrufenden. Und mit besserer Unterstützung durch die KI in der Callcenter Software.
Wie kann so eine KI-Unterstützung in Callcenter Software aussehen?
Markus: Bei telegra sprechen wir von einem Agent Assist System. Es ist für uns neben der VoiceBot-Technologie ein ganz wichtiger Aspekt im Hinblick auf Künstliche Intelligenz und Automatisierungstechnologien in Callcentern. Hierbei handelt es sich um einen technologischen Ansatz, Agent*innen bei der Erfüllung ihrer Aufgaben zu unterstützen – zum Beispiel durch die Bereitstellung relevanter Informationen oder durch die Automatisierung von Routinearbeiten.
Unsere Lösung soll Agent*innen dabei helfen, schneller und effektiver auf Kundenanfragen zu reagieren, indem sie ihnen zum einen passende Antwortvorschläge zur Verfügung stellt, die sie direkt an die Kund*innen weitergeben können – alles in Echtzeit und genau zu dem Zeitpunkt, zu dem die Agent*innen die Informationen benötigen. Zum anderen übernimmt das System bestimmte administrative Aufgaben, wie das Anlegen neuer Tickets oder das Hinzufügen von Kommentaren zu bestehenden Vorgängen. Ein großes Thema ist da die Gesprächszusammenfassung, die mithilfe der KI per Mausklick erledigt sein könnte. Alles Punkte, die letztlich dazu beitragen, dass Serviceprozesse insgesamt enorm beschleunigt werden.
telegra soll Callcenter-Mitarbeitenden den Arbeitsalltag erleichtern – auch mithilfe von KI. Foto: telegra
Siehst du bei Callcenter Software weitere Trends im Bereich KI?
Markus: Ganz klar die KI-gesteuerte Analyse von Gesprächen. In Zukunft kann Sprachanalyse auch zur Qualitätssicherung eingesetzt werden. So lässt sich mithilfe der Callcenter Software zum Beispiel überprüfen, ob Agent*innen im Callcenter tatsächlich alle relevanten Informationen an die Kund*innen weitergegeben oder ob sie bestimmte Verhaltensweisen wie etwa Empathie oder Freundlichkeit an den Tag gelegt haben. Bisher mussten für die Qualitätssicherung einzelne Gespräche wirklich angehört werden. Und davon ganz viele, um die relevanten Gespräche zu finden.
User von telegra können Gesprächsinhalte heute schon mithilfe von Prompts KI-gestützt analysieren. Das System liefert zum Beispiel per Knopfdruck alle Anrufe, die im Gespräch fallabschließend gelöst wurden – ein enorm wichtiger Wert, um die Arbeit eines Callcenters zu beurteilen.
Diese Möglichkeiten haben eine große Bedeutung, nicht nur für die Qualitätssicherung, sondern auch für die Verbesserung von Serviceprozessen. Bisher war der Sprachkanal auf der Ebene der inhaltlichen Analyse eine Blackbox. Mit KI machen wir in diesem Bereich das erste Mal wirklich Licht an.
Klingt nach einem großen Potenzial für Callcenter und Customer Service. Damit Unternehmen dieses Potenzial ausschöpfen können: Hast du abschließend ein paar Tipps für die Auswahl einer passenden Callcenter Software?
Markus: Vielleicht der wichtigste Tipp zuerst: Ziele und Anforderungen klar definieren. Bevor du dich für eine bestimmte Callcenter Software entscheidest, solltest du wissen, welche Ziele du mit der Tool-Implementierung verfolgst und welche Anforderungen deine Mitarbeitenden an das System haben. Nur so kannst du sicher sein, dass die ausgewählte Lösung auch tatsächlich zu deinen Bedürfnissen passt.
Was außerdem wichtig ist:
- Stelle Benutzerfreundlichkeit in den Fokus: Achte darauf, dass die gewählte Callcenter Software intuitiv bedienbar ist. Denn nur dann werden deine Mitarbeitenden bereitwillig auf das neue System umsteigen und es effektiv nutzen.
- Berücksichtige Skalierbarkeit: Wachstum ist ein wichtiger Faktor im Geschäftsleben, deshalb solltest du darauf achten, dass du die Software auch in Zukunft noch erweitern kannst. Und vor allem, dass das System auch technische Lasten und Peaks locker abfedern kann.
- Prüfe die Integration in die bestehende ITK-Infrastruktur: Du musst sicherstellen, dass du deine gewählte Lösung auch problemlos in die bestehende ITK-Infrastruktur integrieren kannst – zum Beispiel über Plugins, APIs oder Schnittstellen zu anderen Tools wie CRM-Systemen oder ERP-Lösungen. Nur so kannst du Synergien zwischen verschiedenen Systemen nutzen, Datensilos aufbrechen und effiziente Arbeitsabläufe gewährleisten.
- Checke den Datenstandort: Wo wird das (Cloud-)System gehostet? Das ist ein wichtiger Punkt. Wenn du in Sachen DSGVO auf Nummer sicher gehen willst, sollten die Server mindestens in der EU, idealerweise aber in Deutschland stehen.
- Wie ist der Support gestaltet? Idealerweise hast du Ansprechpartner*innen, die deine Sprache sprechen und in Deutschland sitzen. Ist deine Hotline down und dein Support-Ticket wird irgendwann mal irgendwo auf der Welt geöffnet, hast du ein Problem. Schnelle, fachkundige und direkte Hilfe würde bei mir also ganz oben auf der Prio-Liste stehen.
- Zu guter Letzt: Plane unbedingt eine Testphase ein. Bevor die neue Callcenter Software endgültig implementiert wird, solltest du sie testen – am besten zusammen mit ein paar Kolleg*innen, etwa aus dem Servicebereich oder dem Qualitätsmanagement. So kannst du mögliche Fehlerquellen früh identifizieren und beheben.
Beachtest du diese Punkte bei der Auswahl deiner Callcenter Software, bist du für deinen Customer Service optimal aufgestellt.
Seit mehr als 15 Jahren befasst sich Markus beruflich mit dem Thema Kundenservice am Telefon und betreut seit 2014 die Bereiche Marketing und Vertrieb bei telegra. Gleichzeitig treibt er mit viel Herzblut die Themen KI und Automatisierung in der Branche voran. Mit einem KI-basierten Voicebot war telegra vor mehr als fünf Jahren einer der absoluten Pioniere im Bereich KI-basierter Software – und Markus von der ersten Sekunde an mit dabei.