„Viel Marketing-Blabla und wenig Substanz“: Paul Stro von plstr. über den Agenturmarkt und erfolgreiche Marketing-Strategien
Was der Agenturgründer von klassischen Marketing-Agenturen hält und wie er sich von ihnen abhebt
Paul Stro wurde in der Ukraine geboren und ist in Deutschland aufgewachsen. Seine Kindheit und Jugend waren von finanziellen Herausforderungen geprägt. Lange lag der Hauptfokus des Unternehmers auf Fußball – verbunden mit einem hohen Erfolgsdruck. Auf durchwachsene Erfahrungen in unterschiedlichen Nebenjobs folgte Paul Stros Einstieg ins Performance-Marketing. 2016 schloss er sein duales Studium in diesem Bereich ab und arbeitete als Freelancer für verschiedene Unternehmen. 2020 folgte die Gründung von plstr. und somit der entscheidende Schritt vom einfachen Performance-Marketing-Dienstleister zur spezialisierten Digitalagentur mit Marketing- und Sales-Fokus. Mit dem Launch von carmar, einer Marketing-Agentur für Autohäuser, möchte Paul Stro diese Spezialisierung auch 2025 weiter vorantreiben – und Unternehmen einen individuellen Fokus auf B2B-Marketing und die Digitalisierung von Marketing- und Vertriebsprozessen ermöglichen.
Im Interview spricht Paul Stro mit uns über den Agenturmarkt, über die Relevanz von klaren Datenstrategien fürs Marketing und erklärt, warum Spezialisierung in einigen Bereichen besonders wichtig ist.
- Paul Stro will sich mit plstr. von klassischen Agenturen abheben und Marketing als Wachstumsmotor etablieren.
- Er kritisiert die Branche für oberflächliche Lösungen und setzt stattdessen auf datengetriebene Strategien.
- Die Zukunft des Marketings sieht er in KI-gestützten Automationen und dem Aufbau starker Personal Brands im B2B-Bereich.
Deine Eltern sind wichtige Vorbilder für dich. Welche Rolle spielt Familie bei der erfolgreichen Unternehmensentwicklung?
Paul Stro: Meine Eltern waren 18, als ich geboren wurde. Sie sind damals aus der heutigen Ukraine nach Deutschland ausgewandert und haben über Quereinstiege ins Arbeitsleben gefunden. Diesen Schritt zu wagen und eine Familie in so jungem Alter zusammenzuhalten, fand ich schon immer bewundernswert. Beide haben sich wirklich durchgekämpft. Von meinem Vater habe ich viel über Disziplin und Arbeitsethik gelernt und meine Mutter hat mir früh gezeigt, wie wichtig Zusammenhalt und Verantwortung sind.
Familiäre Werte wie Vertrauen, Teamwork und Verlässlichkeit lassen sich auch auf Unternehmen übertragen: Ein erfolgreicher Betrieb braucht starke Beziehungen, nicht nur Zahlen.
Du sagst, du „hasst den Agenturmarkt“. Was genau stört dich an der Branche, aber auch am schlechten Ruf von Marketingagenturen, und wie möchtest du mit deinen Agenturen einen Unterschied machen?
Paul Stro: Es klingt immer alles so einfach, wenn es um Marketingprobleme geht. Viele Agenturen verkaufen Marketing als „einfache Lösung“ für komplexe Probleme – hier eine Ad, dort ein bisschen Kosmetik. Am Ende treten KMU dann aber auf der Stelle, weil genau diese Spezialisten einfach ihre standardisierten Leistungen umsetzen.
Dabei fehlt dann der Fokus auf echte Performance und Businessziele – es gibt einfach zu viel Blabla und zu wenig Substanz. Nicht selten hört man von Interessenten Sätze wie: „Wir haben uns da schon einmal verbrannt und sind deswegen besonders vorsichtig.“
Bei plstr. setzen wir deshalb auf Growth Partnerships: Mithilfe von Förderungen und Erfolgsgarantien möchten wir gemeinsam mit dem Kundenerfolg wachsen. Wir wollen Marketing zum Wachstumsmotor für Unternehmen machen – und nicht nur zum „bunten Werbekanal“.
plstr. hat sich in den letzten sechs Monaten stark entwickelt und ein Rebranding vorgenommen. Warum war dir dieser Schritt so wichtig?
Paul Stro: Die Investitionsbereitschaft am Markt nimmt ab. Das macht eine klare Positionierung in Richtung unserer Growth Partner umso wichtiger, weshalb wir unser Agenturmodell geändert haben. Vom einfachen Dienstleister sind wir zum strategischen Partner geworden. Wir wollen uns darüber im Klaren sein, mit wem wir zusammenarbeiten möchten und wer mit uns arbeiten will. Deshalb haben wir eine Warteliste eingeführt, um die Qualität unserer Projekte hochzuhalten.
Im besten Fall sollten wir dem Markt außerdem um sechs Monate voraus sein. Dafür muss das Skill-Set unseres Teams mit unserem Service-Angebot in Einklang stehen – nicht zuletzt, weil wir in Zukunft neue SaaS-Ansätze etablieren wollen; mit einer KI-Marketing-Plattform als Ziel.
Du hast mit carmar zusätzlich eine Autohaus-Marketing-Agentur gegründet. Welche Vorteile bietet eine solche Spezialagentur im Vergleich zum Generalisten?
Paul Stro: Die Autohaus-Branche hat spezielle Anforderungen an Digitalisierung, Kundenbindung und Effizienzsteigerung. Unsere Spezialist*innen arbeiten schon seit Jahren in der Branche und bieten viel Expertise und gezielte Lösungen für den Autohandel. Wir kennen die Menschen in diesem Bereich, wir verstehen, wie Autohäuser funktionieren und wie die Systeme im Hintergrund ineinandergreifen. Mit dem Joint Venture von aubex und plstr. konnten wir Autohaus-Spezialisierung und die Erfahrung aus agnostischen Ansätzen bei plstr. unter dem Dach von carmar gezielt kombinieren.
Was hat dich dazu bewegt, VSOP-Anteile an dein Team zu vergeben und wie hat sich dieser Schritt auf die Unternehmenskultur ausgewirkt?
Paul Stro: Beteiligung schafft Ownership und unternehmerisches Denken im Team. Mit den Anteilen wollte ich meinen Mitarbeitenden aber vor allem langfristig etwas zurückgeben, für das, was sie hier tagtäglich gemeinsam leisten. Diese Form von Ownership sorgt neben einer stärkeren Mitarbeiterbindung dafür, dass das Team nicht nur „Operations“ denkt, sondern „Produkt und Wachstum“ berücksichtigt. Die Motivation ist größer, das Geschäft mitzugestalten und mehr Verantwortung zu übernehmen. Das führt letztlich zu einer besseren Kundenbeziehung und trägt zu einer nachhaltigen Unternehmensentwicklung bei.
Deine Mitarbeitenden sollen sich zu Produktmanager*innen entwickeln. Inwieweit unterscheidet sie das von klassischen Agentur-Mitarbeitenden?
Paul Stro: Klassische Agenturen arbeiten projektgetrieben und agieren sehr kurzfristig und operativ. Der Produktmanager-Ansatz vereint Strategie und Proaktivität mit Produkt- und Businessverständnis. Wir arbeiten also stärker am gesamten Marketing-System und an dessen strategischer Optimierung, statt Dinge „einfach so zu machen, weil es auf diese Weise schon immer funktioniert hat“. Unser Fokus liegt auf Skalierung und nachhaltigen Lösungen für unsere Kund*innen, nicht auf dem schnellen Löschen von Bränden. Unsere Marketing-Teams müssen dementsprechend nicht nur kreativ sein, sondern auch einen starken Business-Fokus mitbringen.
Paul Stro wurde in der Ukraine geboren. Aufgewachsen ist er in Deutschland, wo seine Jugend von Leistungsdruck im Fußball und fordernden Nebenjobs geprägt war. Heute ist Paul Stro Geschäftsführer von zwei Marketing-Agenturen.
Du hast über 20 CEOs, CMOs und CSOs gecoacht. Was hast du aus diesen Erfahrungen gelernt?
Paul Stro: Das C-Level braucht datengetriebene Marketingstrategien statt Kreativ-Floskeln. Deshalb muss Marketing in Unternehmen als Teil von Sales und Product gedacht werden. Wir können ein geiles Projekt umsetzen und dennoch bleiben die Leads aus. Dann war es kein guter ROMI (Return on Marketing Invest). Aber darauf kommt es heute an. Am Ende zählt nur der Impact. Den erreichen Unternehmen, wenn sie Bereiche wie Sales, Produkt und Marketing im C-Level nicht länger isoliert betrachten.
Ich habe aber auch oft festgestellt, dass die Strategie vieler Unternehmen grundsätzlich nicht falsch ist. Allerdings scheitert es dann meistens an der Ausführung. Wichtig ist, dass wir die Dinge zu Ende bringen, die wir anfangen.
Warum ist Marketing deiner Meinung nach aus dem C-Level nicht mehr wegzudenken?
Paul Stro: Grundlegend sind hier Themen wie Markenaufbau: Branding verschafft Unternehmen einen zentralen Wettbewerbsvorteil. Das Verständnis dafür muss auch im C-Level verankert sein, damit Chancen nicht ungenutzt bleiben. Vor allem im B2B-Bereich ist Differenzierung heutzutage entscheidender denn je.
Und, wie gesagt: Vertrieb und Marketing sind keine getrennten Disziplinen mehr. Sales muss die Leads, die mit gutem Marketing generiert wurden, im nächsten Schritt angehen.
Allerdings hat das C-Level in vielen Betrieben oft noch eine veraltete Wahrnehmung von Marketing und von dessen Relevanz, weshalb Prozesse hier oft nicht richtig ineinandergreifen – und Leads im Zweifelsfall fallen gelassen oder mit den falschen Botschaften kontaktiert werden. Wer außerdem die datengetriebene Entscheidungsfindung ignoriert, egal, in welchem Bereich, verschenkt wichtiges Wachstumspotenzial. Solche Entscheidungen müssen auch das Marketing betreffen. Dafür muss im C-Level einfach klares Verständnis herrschen.
Wie sollte sich die Rolle eines CMOs in modernen Unternehmen verändern?
Paul Stro: MarTech und Daten sind die Basis für Relevanz. Die Zeiten, in denen Bauchgefühl ausreichte, sind vorbei. Eine sinnvolle Nutzung von Daten entscheidet heute über den Erfolg einer Kampagne – denn Zielgruppen erwarten präzise, personalisierte Botschaften und kein generisches Marketing. Der CMO fungiert hier als Gatekeeper für Customer Insights: Die Marketingabteilung sitzt auf einem Datenschatz, der weit über klassische Kampagnen hinausgeht. Diese Insights sind Gold wert. Aber nur, wenn sie mit Vertrieb und Customer Service geteilt werden.
Gleichzeitig erzwingen Budgetkürzungen mehr Effizienz. Jeder investierte Euro muss einen deutlichen ROI liefern. Die Wirtschaftskrise erfordert also klare Datenstrategien und eine enge Verzahnung mit Sales. Hier liegt der wichtigste Zuständigkeitsbereich von CMOs, der in Zeiten von Wirtschaftskrisen neben Kreativität und Strategie einen noch sorgfältigeren Blick auf Zahlen und Daten beinhaltet.
Welche Trends werden in den kommenden Jahren entscheidend für den Erfolg von Marketing- und Vertriebsstrategien sein? Wie können Agenturen hier am Ball bleiben?
Paul Stro: Ich sehe vor allem zwei zentrale Entwicklungen, die wir auf dem Schirm haben sollten. Erstens werden künstliche Intelligenz und Automation rund 80 Prozent unserer bisherigen Arbeit ersetzen. Das klingt erstmal nach sehr viel, ist in meinen Augen aber ein wichtiger Wachstumstreiber. Zweitens wird der Aufbau von Personal Brands immer relevanter. Hier müssen auch B2B-Unternehmen früher oder später anfangen, starke Persönlichkeiten aufzubauen – ein bisschen auf LinkedIn posten, reicht da allerdings nicht mehr aus.
Damit Agenturen auch in Zukunft mithalten können, müssen sie erfolgversprechende Marketing-Systeme nutzen und diese bestmöglich in den eigenen Tech Stack integrieren. Wer das Daten-Game in seinem eigenen Kosmos beherrscht und gewinnt, hat einen extremen Wettbewerbsvorteil – und zwar auf mehreren Ebenen.