Das 1-Milliarde-Marketing-Einhorn, von dem Du noch nie etwas gehört hast

Martin Gardt26.5.2015
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Inhalt
  1. Die Content-Empfehlungs-Plattform Taboola sammelt 117 Millionen US-Dollar ein – und in Deutschland kennt sie niemand.
  2. Content-Recommendation, zugeschnitten auf die Nutzer
  3. Große Partner in Großbritannien und den USA – in Deutschland unbekannt
  4. Personalisieren bis ins letzte Detail
  5. Erst China und dann der Rest der Welt?

Die Content-Empfehlungs-Plattform Taboola sammelt 117 Millionen US-Dollar ein – und in Deutschland kennt sie niemand.

Taboola-Gründer und CEO Adam Singolda (Quelle: Taboola)

Taboola-Gründer und CEO Adam Singolda (Quelle: Taboola)

Eine Internet-Firma, die hochgerechnet mehr als eine Milliarde US-Dollar wert ist und in den USA mehr Internetnutzer erreicht als Facebook, müsste doch allgemein bekannt sein – sollte man meinen. Doch abgesehen von Online-Marketing-Insidern dürften nur wenige den Namen Taboola schon einmal gehört haben. Dabei sollte jeder, der schon einmal auf US-Websites unterwegs war, bereits mit der Technologie des israelischen Unternehmens in Berührung gekommen sein. Wir lüften für Euch das Geheimnis hinter einem der spannendsten Adtech-Unternehmen der Gegenwart. Wer oder was ist also Taboola? Was macht sie so besonders? Und wann werden die Kollegen auch in Deutschland ein bekannter Name? Taboola wurde 2007 von Adam Singolda in Israel gegründet. Er und seine Freunde waren frustriert über das schlechte TV-Angebot und wollten einen Service für Video-Empfehlungen entwickeln. Heute nennt er das „umgedrehte Google-Suche“, weil Nutzer durch Taboola & Co. Inhalte finden, von denen sie gar nicht wussten, dass sie sie suchen. Mittlerweile arbeiten bei Taboola 270 Angestellte auf der ganzen Welt, die Run Rate (hochgerechneter Jahresumsatz) stieg laut Business Insider auf 300 Millionen US-Dollar. Insgesamt liefert Taboola nach eigenen Angaben über 200 Milliarden Content-Empfehlungen an über 550 Millionen Nutzer im Monat. Damit liegt das US-Unternehmen etwa auf dem Niveau von Outbrain (190 Milliarden Empfehlungen an 560 Millionen Nutzer). Beide kämpfen derzeit um die weltweite Marktführerschaft in Sachen Content-Empfehlung. Im Februar sammelte Taboola 117 Millionen US-Dollar bei einer Series-E-Investitionsrunde ein, kurze Zeit später steckte das chinesische Unternehmen Baidu noch einmal einen nicht genau bezifferten Millionenbetrag in das Unternehmen.

Empfehlungen von Taboola unter einem Text von Business Insider

Empfehlungen von Taboola unter einem Text von Business Insider

Content-Recommendation, zugeschnitten auf die Nutzer

Taboola und die Konkurrenten wie Outbrain, Plista, Ligatus und Veeseo liefern Boxen mit weiterführenden Leseempfehlungen unter redaktionellen Beiträgen. Neben Artikelempfehlungen zum Thema finden sich hier oft als journalistische Beiträge getarnte native Werbeformate oder „Branded Content“. Die Bereitschaft der Leser am Ende eines gelesenen Artikels auf eine anderen, neuen „Artikel“ zu klicken ist hoch. Damit ist die Werbefläche unter einem Beitrag spannender, als man zunächst meinen könnte. Taboola verdient Geld über den Verkauf der „Werbe- bzw. Artikelflächen“ in den Boxen. Meistens teilt es sich die Einnahmen mit den Webseiten-Betreibern, wobei auch hier der Kampf zwischen den Anbietern so stark geworden ist, dass Branchen-Insider von hohen Garantie-Zahlungen sprechen, die reichweitenstarke Websites von Firmen wie Taboola für Flächen unter Artikeln fordern können. Abgerechnet werden die Platzierungen in der Box mit den dort werbenden Brands und Publishern häufig über Cost per Click.

Experten sprechen bei der Verteilung von Artikeln über Taboola & Co. nicht über Content Marketing, sondern über Content Promotion. Taboola spielt also in einem globalen Spiel, welches das Geschäft vieler Publisher komplett verändert. Während vor einiger Zeit das Haupt-Augenmerk der meisten Publisher auf der Verteilung von eigenem Content über gutes SEO lag, verschiebt sich die Aufmerksamkeit immer mehr in Richtung Promotion, um seine Inhalte sichtbar zu machen. Noch wichtiger als Taboola ist da sicher Facebook mit seinen „promoted posts“ und auch in Deutschland gibt es mit Plista, Outbrain und Ligatus schon andere Firmen, die den Markt, den Facebook übrig lässt, besetzen wollen. Taboola ist hierzulande noch gar nicht am Start.

Marktanteile von Content-Discovery-Plattformen weltweit (Foto: Datanyze.com)

Marktanteile von Content-Discovery-Plattformen weltweit (Foto: Datanyze.com)

Große Partner in Großbritannien und den USA – in Deutschland unbekannt

Laut ComScore erreichte Taboola im vergangenen Jahr in den USA mehr Internetnutzer als Facebook, Yahoo und AOL. Durch Partnerschaften mit USA Today, NBC, Fox Sports und vielen anderen kamen 86 Prozent der amerikanischen Nutzer mit Taboola in Kontakt. Nach Unternehmensangaben sieht der typische US-Amerikaner 60 Taboola-Empfehlungen im Monat. Auch in Großbritannien, Japan und Frankreich setzen etwa Daily Mail, Yahoo und L’Express auf die Integration der Content-Empfehlungs-Boxen von Taboola auf ihren Websites. Brands wie Netflix, Ben & Jerrys und GE kaufen viel Traffic über Platzierungen in den Boxen – „promoted“ werden dabei zum Beispiel der eigene Corporate-Blog oder branded Content auf den Seiten der Brands. Brands sind also letztlich auch nur Publisher aus Sicht von Taboola und aus Sicht der Nutzer.

In Deutschland war Taboola bisher scheinbar nur in kleinem Maße aktiv. In Zusammenarbeit mit dem Vermarkter OMS wurde 2012 ein Testballon mit Taboola gestartet – offenbar ohne Erfolg. Heute nutzt OMS augenscheinlich Empfehlungsboxen vom Gruner und Jahr–Unternehmen Veeseo und vom Taboola-Konkurrenten Plista. Der damals zuständige Gesamtleiter Video von OMS Kim Kriegers sagt aber gegenüber Online Marketing Rockstars: „Man kann von den ausbleibenden Erfolgen in Deutschland nicht auf das Produkt schließen. Taboola hat einen Deutschland-Start nie forciert und kein Budget für den hiesigen Markt.“ Schon 2012 habe sich das Unternehmen lieber auf Großbritannien und Frankreich konzentriert, da in Deutschland mit lokalen Unternehmen wie Plista, Ligatus und Veeseo, sowie dem israelischen Konkurrenten Outbrain ein hoher Konkurrenzdruck herrscht. Außerdem rivalisieren Firmen wie Performance Advertising oder andere Anbieter von Text-Bild-Werbung, um die begehrten Werbeplätze am Ende eines Artikels.

Personalisieren bis ins letzte Detail

Allerdings muss sich Taboola vielleicht bald mit ganz anderen Gegnern herumschlagen. Google und Yahoo planen ebenfalls Native-Advertising-Lösungen und Content-Empfehlungen. Das Unternehmen muss sich rüsten und setzt sich neue Ziele: CEO Singolda will die „nächste Generation der Personalisierung“ einläuten. Ganze Content-Seiten sollen mit Taboola auf bestimmte Nutzer zugeschnitten werden, abhängig von Lesegewohnheiten und anderen Daten, die Taboola sammelt. Leser könnten so individuell bestimmen, wie Inhalte gewichtet und platziert werden. Außerdem baut Singolda mit seinem Team gerade ein Produkt für Webseiten-Betreiber, mit dem sie verschiedene Homepage-Layouts auf CTR testen können, je nachdem, wo Artikel platziert sind. Kurzfristig wolle man als Content-Empfehlungs-Plattform in Sachen Targeting auf ein neues Level springen. Empfehlungen sollen in Zukunft auch in Abhängigkeit von Gerät und Ort des Nutzers ausgeliefert werden.

Taboola-Gründer und CEO Adam Singolda (Foto: Taboola)

Taboola-Gründer und CEO Adam Singolda (Foto: Taboola)

Taboola steht wie seine Konkurrenten vor großen Herausforderungen. „Vor sieben Jahren wurde das Web von Suche und großen Bildschirmen bestimmt“, sagte Gründer Singolda gegenüber Techcrunch. „Heute kann Traffic von Facebook, Apps, Tablets und Smartphones kommen.“ Taboola wolle die Informationen über die Nutzer und den Kontext einordnen und den Publishern so bessere Möglichkeiten zu bieten.Die größten Probleme hat Taboola (wie die Konkurrenz auch) mit der Qualität der empfohlenen Inhalte. Viele Geschichten sind klassischer Clickbait oder – noch schlimmer – Spam. Digiday analysierte bereits, dass Content Promotion ein Qualitätsproblem habe (siehe Screenshot). Ein Grund allerdings für unpassende Inhalte ist erstaunlich, so werden halbseidene Teaser-Texte einfach gut geklickt. Laut Singolda sind die Themen, bei denen Content Promotion besonders gut funktioniert, Finanzen und Fitness. Im deutschen Markt sind nach Informationen von Online Marketing Rockstars hier Klickpreise deutlich unter 0,10 € möglich.

Nicht gerade interessante Taboola-Empfehlungen unter einem Daily Mail Artikel

Nicht gerade interessante Taboola-Empfehlungen unter einem Daily Mail Artikel

Erst China und dann der Rest der Welt?

Trotz der Probleme investiert nun also Baidu in Taboola. Das Google Chinas liegt laut Alexa auf Platz 5 der meistbesuchten Webseiten weltweit. 75 Prozent der Chinesen nutzen Baidu für die Suche. Durch die Investition bietet sich Taboola die Möglichkeit, den chinesischen Markt mit einem starken Partner zu erschließen. Die Empfehlungs-Technologie soll jetzt in den Content-Arm von Baidu intergriert werden, um die Monetarisierung zu beschleunigen und Publisher und Marketer an Bord zu holen. Taboola muss seine Technologie aber erst einmal auf den neuen Markt einstellen: „Wir verbringen die nächsten Monate mit der Planung für die Strategie in China“, sagt Singolda. Die Publisher bekommen mit Taboola ein Tool an die Hand, um die Inhalte zu optimieren. A/B-Tests für Überschriften, Real-Time-Analyse und Ad-Block-Reporting. Das alles gibt es für Webseiten-Betreiber kostenlos. Allerdings bieten die Konkurrenten wie Outbrain und Plista ähnliche Analysen, beim Kampf um den Empfehlungsmarkt muss jeder Service mit Klicks überzeugen. Mit dem China-Start im Rücken könnte Taboola im nächsten Jahr auch in Deutschland starten. Bisher setzte das Unternehmen auf langsame Expansion und solide Ergebnisse auf allen Märkten. Wenn der Angriff auf die deutschen Konkurrenten kommt, wird er planvoll – und gefährlich.

AdtechTaboola
MG
Autor*In
Martin Gardt

Martin kümmert sich vor allem um neue Artikel für OMR.com und den Social-Media-Auftritt. Nach dem Studium der Kommunikations- und Medienwissenschaft ging er zur Axel Springer Akademie, der Journalistenschule des Axel Springer Verlags. Danach arbeitete er bei der COMPUTER BILD mit Fokus auf News aus der digitalen Welt und Start-ups. Am Wochenende findet Ihr ihn auf der Gegengerade im Millerntor.

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