Was kommt nach dem Ende der Whatsapp-Newsletter? Etabliert sich Telegram als Alternative?

Die Download-Zahlen von Telegram sind zuletzt gestiegen

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Inhalt
  1. Unternehmensnachrichten können künftig bis zu 8 Cent kosten
  2. Whatsapp wird zum kostenpflichtigen Eins-zu-eins-Dialog-Tool
  3. Telegram wächst schneller denn je
  4. Hat Telegram 280 Millionen monatlich aktive Nutzer?
  5. Eine Youtube-Serie mit 10.000 Abonnenten auf Telegram
  6. Haben die Alternativen ihre Grenzen?
  7. Sollte Unternehmen lieber andere Kanäle stärken?
  8. Apple Business Chat bietet auch Notifications
  9. Notify, die Endverbraucher-App von Messenger People

Welche Messaging-App lässt sich in Zukunft noch zur Traffic-Generierung nutzen? Diese Frage beschäftigt aktuell viele in der Medien- und Online-Marketing-Branche. Seitdem Facebook angekündigt hat, den Versand von Newslettern über Whatsapp bald rigoros zu unterbinden, stehen Unternehmen vor der Frage, wie sie ihren auf der Plattform aufgebauten Abonnentenstamm weiter erreichen. OMR hat sich in der Branche umgehört und fasst die jüngsten Entwicklungen zusammen.

Gegen Ende des Jahres soll Schluss sein: Wie Spiegel-Redakteur Ole Reissmann im Juni auf Twitter erstmals berichtete, hat Facebook (erstaunlicherweise im Rahmen einer von Google veranstalteten Konferenz) bekannt gegeben, den Versand von Newslettern von Dezember an unterbinden zu wollen. Massenversand und automatisierter Nachrichtenaustausch hätten bereits zuvor gegen die Nutzungsbedingungen von Whatsapp verstoßen, hieß es bald darauf in einer Klarstellung im FAQ-Bereich auf der Whatsapp-Website. Ab dem 7. Dezember wolle Facebook gegen jene, die gegen diese Bedingungen verstoßen, rechtliche Schritte einleiten.

Unternehmensnachrichten können künftig bis zu 8 Cent kosten

Mit dem Schritt will Facebook offensichtlich wieder stärker die Hoheit darüber gewinnen, wie Medien und Unternehmen Whatsapp nutzen. Schon seit längerer Zeit zeichnet sich ab, dass Facebook Whatsapp im Unternehmenskontext eher als Werkzeug zur Kundenkommunikation und CRM-Tool etablieren und die Plattform auf diese Weise letztlich auch monetarisieren will.

Mit so genannten Notifications über die WhatsApp API können Unternehmen, die innerhalb von Whatsapp ein Business-Profil betreiben, Push-Nachrichten schicken. Dabei sind nur bestimmte Nachrichtentypen erlaubt: Updates zum Status einer Bestellung, Lieferung oder Buchung oder Zahlungsaufforderungen beispielsweise. Wenn der Nutzer die Kommunikation startet, kann das Unternehmen innerhalb von 24 Stunden kostenfrei antworten. Danach müssen die Unternehmen für den Versand bezahlen. In Deutschland kosten die Notifications laut Facebook derzeit je nach Volumen zwischen 6 und knapp 8 Cent pro Notification.

Whatsapp wird zum kostenpflichtigen Eins-zu-eins-Dialog-Tool

Gibt es andere Messaging-Plattformen, über die Unternehmen (so wie es aktuell noch über Whatsapp möglich ist) Newsletter verschicken und darüber eine relevante Zahl von Nutzern erreichen können? Eine naheliegende Alternative stammt ebenfalls aus dem Hause Facebook: der Facebook Messenger. 1,3 Milliarden Menschen nutzen den Messenger mindestens einmal im Monat, vermeldete Facebook bereits im September 2017.

Doch auch bei dieser Plattform will Facebook die Nutzung durch Unternehmen stärker reglementieren: Von Januar 2020 an wird der Versand von Newslettern über den Messenger künftig alleine Medien vorbehalten sein, deren Facebook-Seite als Nachrichtenseite registriert ist. Die Nachrichten dürfen keine Werbung enthalten; Unternehmen bleiben außen vor.

Telegram wächst schneller denn je

Mehrere Publisher testen aktuell Telegram als Alternative zu Whatsapp. Pavel Durov, der aus Russland stammende Gründer von Telegram, buhlt vor allem mit dem Versprechen, dass seine Plattform Sicherheit vor dem Zugriff Dritter biete und hohe Datenschutzstandards einhalte, um potenzielle Nutzer. Whatsapp demgegenüber werde niemals sicher sein, so Durov im Mai 2019 in einem Blog-Eintrag. Datenschützer sind angesichts des undurchsichtigen Firmengeflechts hinter Telegram skeptisch gegenüber Telegrams Selbstdarstellung als sicherer Plattform.

Die Entwicklung der Download-Zahlen der Android-Version von Telegram. Deutlich erkennbar ist die Zunahme seit dem Anfang des Jahres. Die Spitzen im März und im Juli dieses Jahres sind auf technische Pannen bei Whatsapp zurückzuführen. Weil Whatsapp an diesen Tagen nicht nutzbar war, haben viele User Telegram als Alternative heruntergeladen. Laut Gründer Pavel Durov soll Telegram bei der Whatsapp-Downtime im März in nur 24 Stunden drei Millionen neue Nutzer gewonnen haben.

Die Beliebtheit von Telegram hat zuletzt offenbar merklich zugenommen: Laut Schätzungen des Berliner App-Analytics-Tools Priori Data ist die Zahl der Downloads von Telegram betriebssystemübergreifend in den vergangenen zwölf Monaten (Oktober 2018 bis einschließlich September 2019) um 37,4 Prozent auf insgesamt 106,2 Millionen Downloads weltweit gestiegen. Das komplette Wachstum geht dabei auf das Konto der Android-Version von Telegram; die iOS-Download-Zahlen sind stabil geblieben.

Hat Telegram 280 Millionen monatlich aktive Nutzer?

Die Zahl der Whatsapp-Downloads ist laut Priori Data im selben Zeitraum um lediglich 1,8 Prozent gestiegen. Mit 926,2 Millionen Downloads spielt Whatsapp trotzdem noch in einer komplett anderen Liga. Im Januar 2018 hatte Mark Zuckerberg im Rahmen eines Earnings Calls verkündet, dass Whatsapp 1,5 Milliarden monatlich aktive Nutzer verzeichne. In Deutschland wird Whatsapp laut Facebook täglich (!) angeblich von beachtlichen 58 Millionen Menschen genutzt.

Die jüngsten offiziellen Angaben von Telegram zu Nutzerzahlen stammen aus dem März 2018. Damals verkündete das Unternehmen das Erreichen der Marke von 200 Millionen Nutzern. Ex-Hedgefonds-Manager und -Goldman-Sachs-Partner Mike Novogratz erklärte kürzlich in einem Podcast von Telegram wegen eines Investments kontaktiert worden zu sein und bezifferte die Zahl der Telegram-Nutzer auf 280 Millionen.

Eine Youtube-Serie mit 10.000 Abonnenten auf Telegram

Angesichts des drohenden Endes der Whatsapp-Newsletter setzen mangels Alternativen trotzdem viele Publisher und Marketingmacher auf Telegram und Facebook Messenger. Die Tagesschau beispielsweise hat im August auf diesen beiden Plattformen einen eigenen Messenger-Newsletter gestartet und in einer Pressemitteilung dazu ausdrücklich bedauert, dass Facebook in Zukunft keinen Newsletter-Versand mehr über Whatsapp erlaubt. Wie ein Sprecher des NDR gegenüber OMR erklärte, hat der Messenger-Newsletter der Tagesschau seit dem Start vor rund sechs Wochen 33.000 Abonnenten angesammelt, „davon etwa zwei Drittel bei Telegram“.

Viele andere Publisher, die schon länger einen Whatsapp-Newsletter anbieten, versuchen derzeit, ihre Abonnenten zum Umzug auf andere Plattformen zu bewegen. Das öffentlich-rechtliche Content-Netzwerk funk beispielsweise: „Unser Whatsapp-Newsletter für unsere Youtube-Serie ‚Druck‘ hatte, bevor wir ihn eingestellt haben, circa 50.000 Abonnenten. Wir sind nun vor einigen Wochen zu Telegram gewechselt und verzeichnen dort bislang bereits circa 10.000 Abonnenten“, so der verantwortliche Produktmanager Maximilian Fränkel gegenüber OMR. Aktuell teste funk auch, wie Newsletter über Facebook Messenger angenommen werden.

Haben die Alternativen ihre Grenzen?

„Es ist sehr mühsam, die Nutzer zum Umziehen zu bewegen“, sagt auch Inga Buller, Head of Social bei Chip Online. Die Tech-Medienmarke habe auf Whatsapp 35.000 Abonnenten angesammelt. Bisher hätten sie nur einen geringen Teil davon auf andere Plattformen migrieren können.

Die Schnäppchen-Plattform mydealz soll mit ihrem Whatsapp-Newsletter sogar mehr als eine Million Abonnenten generiert haben können. „Um Whatsapp weiterhin so zu nutzen wie wir es bisher getan haben, hätten wir statt der bisherigen mittleren fünfstelligen Summe mehrere Millionen Euro pro Monat investieren müssen“, so Mydealz-CEO Fabian Spielberger. Bei den Whatsapp-Alternativen sieht Spielberger aber deutliche Grenzen: „Telegram ist zu nischig und Facebook Messenger erlaubt kein Broadcasting. Zudem ist die Regel, laut der Unternehmen über Facebook Messenger den Usern nur im Zeitraum von 24 Stunden nach dem ersten Kontakt kostenlos Nachrichten schicken können, ein großes Hindernis.“

Sollte Unternehmen lieber andere Kanäle stärken?

Mydealz setzt deswegen auf eine andere Strategie: „Wir bauen deswegen die Push-Funktion unseres Whatsapp-Newsletters in unsere App ein. Laut einer Umfrage unter unseren Whatsapp-Abonnenten haben zwei Drittel bereits jetzt unsere App installiert, bevorzugen aber Whatsapp.“ Nun versuche das Unternehmen die Funktion des Whatsapp-Newsletter eins zu eins in der App nachzubilden. „Damit werden wir den Verlust nicht ganz auffangen können. Wir gehen aber davon aus, dass dadurch die generelle Interaktionsrate unsere App-Nutzer steigen wird“, so Spielberger.

In eine ähnliche Richtung will auch Focus Online gehen: „Wir haben früh verstanden, dass die Erwartungen der Branche an WhatsApp als Distributions-Kanal überzogen waren. Deshalb waren wir bei WhatsApp bald nur noch wenig aktiv“, so Chefredakteur Florian Festl. „Für uns sind eigene Vertriebswege wie Newsletter oder eigene Push Services weit wichtiger – diese wollen wir unseren etwa 15.000 WhatsApp-Abonnenten als Alternative anbieten.“

Apple Business Chat bietet auch Notifications

„Es gibt keine Alternative zu Whatsapp, die genauso gut ist“, so Matthias Mehner, Marketingchef von Messenger People, gegenüber OMR. „Meiner Ansicht nach ist es trotzdem falsch, bereits auf Whatsapp aufgebaute Reichweiten einfach verkümmern zu lassen.“ Messenger People ist ein Messenger-Marketing-Dienstleister, dessen Software-Lösung für Whatsapp-Newsletter in Deutschland wohl am meisten verbreitet ist. Das Tool ermöglicht nicht nur den Versand über Whatsapp (noch), sondern auch über alternative Plattformen. „Je nach Zielgruppe kann man versuchen, die Nutzer auf Telegram oder den Facebook Messenger umzuziehen.“

Mehner hat in der vergangenen Woche auf der Allfacebook Marketing Conference einen ausführlichen Vortrag über Alternativen zu Whatsapp-Newslettern gehalten, und dabei mit dem auf iMessage basierenden Apple Business Chat eine weitere Alternative vorgestellt. „Apple hat jetzt auch gerade ein Notification-Feature in den Markt gebracht, das man auf dem Schirm haben sollte“, rät Mehner. Wer erleben will, wie das Produkt aus Endverbraucherperspektive funktioniert, kann das derzeit beim Fraunhofer Institut. Die Einschränkungen von Apples Notifications: Die Unternehmen können darüber nur iOS-Nutzer erreichen und dürfen über den Kanal nicht ausschließlich senden, sondern verpflichten sich zudem dazu, Kundenservice anzubieten.

Notify, die Endverbraucher-App von Messenger People

Eine weitere Alternative: die von Messenger People entwickelte App Notify (iOS / Android). Über diese können Nutzer ebenfalls aktuelle Nachrichten und Updates von Unternehmen aus dem Kundenkreis von Messenger People abonnieren. Laut Mehner ist die App bislang mehr als 100.000 Mal heruntergeladen worden.

Notify ermöglicht ebenfalls einen Workaround für Whatsapp-Newsletter: Dabei erhalten die Nutzer über die Notify-App eine Benachrichtigung mit einem kurzen Teaser-Text. Wenn sie diesen antippen, werden sie umgeleitet zu Whatsapp, wo sie eine weitere Nachricht verschicken müssen, um die komplette Meldung erhalten zu können. Das ist natürlich deutlich umständlicher. Ob Facebook Medien und Unternehmen auch in Zukunft nicht doch noch einen einfachere Möglichkeit eröffnet, große Reichweiten per Whatsapp anzusprechen, wird sich wohl erst nach dem 7. Dezember zeigen.

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Roland Eisenbrand
Autor*In
Roland Eisenbrand

Roland ist seit mehr als zehn Jahren als Journalist in der Digitalbranche aktiv. Seit 2014 verantwortet er als Head of Content (und zweiter Mitarbeiter) alle inhaltlichen Komponenten von OMR, darunter vor allem den OMR Blog und redaktionelle Arbeit rund um das OMR Festival.

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