Facebook-Abhängigkeit: So versucht Mega-Publisher Moviepilot sich abzusichern

Martin Gardt1.7.2015
Moviepilot-CEO Tobias Bauckhage auf der Online Marketing Rockstars-Konferenz

Seit Jahren wachsen Moviepilot und viele andere neue Publisher dank Facebook. Jetzt will die Filmseite mehr Eigenständigkeit wagen und die Abhängigkeit reduzieren. Mit einem Magazin und mit Arnold Schwarzenegger…

Moviepilot-CEO Tobias Bauckhage auf der Online Marketing Rockstars-Konferenz

Moviepilot-CEO Tobias Bauckhage auf der Online Marketing Rockstars-Konferenz

Vor einem Jahr fällte Tobias Bauckhage, der deutsche Co-Gründer und CEO von Moviepilot, eine folgenschwere Entscheidung, die sich bis heute richtig ausgezahlt hat. Er wandelte seine Filmseite in eine Plattform, auf der Filmfans eigene Texte und Kritiken posten können. Schon Ende 2014 lieferten 5000 Schreiber etwa 4000 Artikel im Monat. Innerhalb des letzten Jahres hat sich der Traffic in den USA laut Comscore mehr als verdoppelt. 14 Millionen Uniques zählte Moviepilot.com im Mai und ist damit eine der größten Film-Webseite der USA (allerdings deutlich hinter dem Marktführer IMDB). Es gibt nur ein Problem: 80 Prozent des Traffics kommen von Facebook. Warum die Macht von Facebook strategische Maßnahmen so wichtig macht und was Moviepilot dagegen tut, lest Ihr hier.

Moviepilot betreibt 13 Fanseiten auf Facebook und zählt insgesamt über 29 Millionen Fans. Diese große Abhängigkeiten birgt seine Risiken. Das soziale Netzwerk ist bekannt dafür, seine Algorithmen zu ändern und so auch vermeintliche Partner vor Probleme zu stellen. Zuletzt litten Traffic-Wunder Upworthy, Viralnova und andere. Die Kollegen von Heftig.co haben kürzlich auf unserer NPA-Konferenz erklärt, wie sie mit neuen Verticals das Risiko besser verteilen wollen. Tobias Bauckhage hat seine Sorgen auch schon eingestanden: „Das ist auf jeden Fall etwas, was uns nachts wach hält“, sagte er schon Ende 2014. Sein Ausweg? Ein neues digitales Magazin, das die Nutzer auf seiner Seite halten soll.

Shares und Engagement werden immer wichtiger, Klicks sind nicht entscheidend

Die Ausgangslage für Moviepilot ist schwierig, denn Facebook belohnt Content, der häufig geteilt und kommentiert wird, also letztlich Mainstream-Inhalte à la Bild.de & Co. Da liegt Moviepilots Problem. Bauckhage selbst spricht aus eigener Erfahrung: Er selbst finde Harry Potter-Filme ziemlich cool. Aber deswegen teile er noch lange keine Harry Potter-Inhalte auf Facebook. „Meine Facebook-Freunde würden mich doch sonst für einen Idioten halten“. Der „meist-gelikete-Content“ von Moviepilot findet auf nischigen Seiten etwa über Horrorfilme statt. Nischen mit vielen enthusiastischen Fans, aber keine Massenware. „Das Sharing-Signal wird immer wichtiger und das macht mir schon Sorgen“, sagt Bauckhage. Auch Marketer und Brands schauen mittlerweile stärker nach Kennzahlen wie Engagement oder Verweildauer. Viel Traffic hilft nicht mehr viel, denn Ads gehen häufig vollkommen unter. Publisher müssen deshalb zeigen, dass die Nutzer richtig mitmachen und viel Zeit auf der Seite verbringen.

Laut Bauckhage kommt der typische Moviepilot-Leser über die Facebook-App auf die Seite, liest ein bis zwei Artikel und verschwindet dann wieder. Jetzt folgt auch Bauckhage der „Vergnüngspark“-Strategie der großen Plattformen. Nutzer möglichst lange halten und bloß nicht weglassen. Die Moviepilot.com-Website wurde dafür komplett umgebaut und besteht auf den ersten Blick fast nur noch aus dem neuen Magazin. Jede Ausgabe soll sich mit einem bestimmten Thema beschäftigen und zwischen 15 und 20 Artikel enthalten. Los geht’s mit dem Thema „Stars to watch“. Hier werden Nachwuchsstars von bekannten Hollywood-Größen vorgestellt. Arnold Schwarzenegger erklärt etwa, warum einer seiner Co-Stars aus dem neuen „Terminator Genisys“ so gut in die Rolle passt und steht selbst als Autor im Magazin. Mit dabei ist auch Regisseur Ridley Scott mit einem kurzen Statement. Drei bis vier Texte von Prominenten sollen die Leser in das Magazin ziehen, den Rest erledigen Moviepilot-Mitarbeiter und Community-Texter. Die erste Ausgabe wurde bisher über 100.000 Mal aufgerufen, jeden Monat soll eine neue erscheinen.

Das "Cover" des Online-Magazins von Moviepilot.

Das „Cover“ des Online-Magazins von Moviepilot.

Hollywood-Promis eine Plattform liefern und sich gleichzeitig von Facebook lösen

„Was wir wirklich versuchen zu tun, ist unsere Relevanz zu steigern. Unsere beste Defensive ist Unabhängigkeit“, sagt Bauckhage. Er wolle sein aus Social Media gewachsenes Projekt zu einem echten Medienunternehmen umbauen. Da kommen die prominenten Partner gerade Recht. Natürlich promoten die mit ihren Texten ihre neuen Filme, gleichzeitig nutzt Moviepilots Idee auch die Lust der Stars über moderne Plattformen direkt mit ihren Fans zu kommunizieren. So bietet Bauckhage Promis eine neue Möglichkeit ihre Präsenz in den Medien zu bestimmen. Das Magazin sollte sich also leicht mit solchen Inhalten füllen lassen, denn die Reichweite von Moviepilot ist absolut relevant.

Es wird interessant sein zu beobachten, welche der Facebook-Profiteure der letzten Jahre es schaffen wirklich zum Medienunternehmen zu werden und wer wieder untergeht. Auf unserer Watchlist stehen ifuckinglovescience, Heftig.co, Upworthy, Buzzfeed, NowThis und andere.

Von seinem Weg nach Hollywood und seine weiteren Pläne hat Tobias Bauckhage schon bei der Online Marketing Rockstars-Konferenz im Februar gesprochen. Hier erzählte er auch wie Fans zu Publishern wurden und das Unternehmen so schnell wachsen konnte. Schaut nochmal rein.

FacebookPublisher
MG
Autor*In
Martin Gardt

Martin kümmert sich vor allem um neue Artikel für OMR.com und den Social-Media-Auftritt. Nach dem Studium der Kommunikations- und Medienwissenschaft ging er zur Axel Springer Akademie, der Journalistenschule des Axel Springer Verlags. Danach arbeitete er bei der COMPUTER BILD mit Fokus auf News aus der digitalen Welt und Start-ups. Am Wochenende findet Ihr ihn auf der Gegengerade im Millerntor.

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