Diese Charts gingen um die Welt – Ein amerikanischer Experte sagt die Zukunft von Tech und Medien voraus

Torben Lux3.11.2015
Michael Wolf

Michael Wolf steuerte u.a. den Jobwechsel von Marissa Mayer zu Yahoo. Jetzt erklärte er, wie sich die Branche entwickeln wird

Michael Wolf Heute sitzen wir alle noch mal auf der Schulbank. Denn aus dem, was Michael Wolf, Gründer des Consulting-Unternehmens Activate, kürzlich in einer Präsentation auf einer Konferenz des Wall Street Journals abgefeuert hat, kann jeder noch was lernen. Wirklich jeder. Auf 136 Folien zeigt Wolf – der unter anderem 2012 für ein Jahr im Aufsichtsrat von Yahoo saß – was uns in Sachen Tech und Medien im Jahr 2016 so erwarten wird. Wir finden: absolute Lese- und Durchblätterpflicht. Und haben im Team direkt mal unsere Favoriten-Folien zusammengetragen.  

Diese zwei Folien haben Martin am meisten beeindruckt:

In den letzten fünf Jahren sind die Nutzerzahlen von Messengern explodiert. Die drei bestimmenden Apps Whatsapp, Facebook Messenger und WeChat überflügeln stark wachsende soziale Netzwerke wie Instagram in Sachen monatlich aktive Nutzer (MAU) deutlich. Aus den über zwei Milliarden Messenger-Nutzern könnten in drei Jahren knapp 3,6 Milliarden werden – ein Großteil der weltweiten Internetnutzer. Das Potenzial für Messenger, zum zentralen Punkt der Online-Kommunikation zu reifen, ist riesig – asiatische Dienste wie WeChat und Line zeigen erste Ansätze mit In-App-Services.

Folie 56 - Martin Podcasts sind in Deutschland noch kein großes Business, in den USA aber schon. Der erfolgreichste Podcast „Serial“ wurde insgesamt 73 Millionen Mal herunter geladen, andere kommen auf 6,5 Millionen Zuhörer im Monat. Podcast-Fans sind um die 30 Jahre alt, verdienen über 50.000 US-Dollar im Jahr und sind gebildet – eine attraktive Zielgruppe für Anzeigenkunden. Das schlägt sich in den Preisen nieder, die einige Podcasts für Werbeplätze aufrufen: Serial bekommt etwa 40 US-Dollar pro Tausend Zuhörer (CPM/TKP), der Durchschnitt der Industrie liegt bei immer noch guten 18 bis 25 US-Dollar. Das liegt über dem Niveau von TV-Werbung in den USA.

Diese zwei Folien haben Roland am meisten beeindruckt:

Dieses Slide zeigt, dass immer schwerer wird, ins „Relevant Set“ der Nutzer zu gelangen. Während ein US-Amerikaner von allen klassischen TV-Kanälen, auf die er Zugriff hat, noch rund 10 Prozent nutzt, wird die Spanne zwischen Angebotsvielfalt und tatsächlicher Nutzung in der digitalen Welt immer größer. Die Zahl aller Websites soll sich Schätzungen zufolge auf knapp 950 Millionen belaufen. Monatlich besucht ein User rund 100 davon, 44 Prozent der Nutzungszeit konzentriert sich aber auf nur fünf Seiten. Mobile verschärft sich diese Situation noch einmal: Sowohl in Apples App Store als auch im Google Play Store stehen jeweils rund 1,5 Millionen Apps zum Download. Doch die Nutzer haben im Durchschnitt nur knapp 30 installiert – und ganze 80 Prozent der Nutzungszeit konzentriert sich auf lediglich fünf Apps. Diese Folie zeigt nachdrücklich, wie unglaublich erfolgreich Facebook damit ist, Nutzer an sich zu binden und lange zu halten. Keine andere Plattform vereint in dieser Form Reichweite und Nutzungsintensität/-dauer. Bedenklich auch aus Sicht der Medienhäuser: Reine Medienmarken schneiden bei dieser Betrachtungsweise vergleichsweise schlecht ab. Die Plattformen sind die großen Gewinner der vergangenen Jahre – und werden es vermutlich auch bleiben, sieht man sich das Potenzial der Messaging Apps, wie von Wolf gezeigt, an.

Diese zwei Folien haben Birthe am meisten beeindruckt:

Martin hat das Thema schon kurz angerissen, Folie 34 macht das enorme Geschäftspotenzial von Messaging Apps noch mal sehr deutlich. Während Global Player wie Whatsapp und der Facebook Messenger noch kaum bis gar keine Umsätze generieren, sind Plattformen aus dem asiatischen Raum schon deutlich weiter. WeChat setzt demnach schon heute pro User 7 Dollar um, KakaoTalk 4,24 Dollar und bei Line sind es immerhin 3,16 Dollar. Alle drei haben dabei als Haupteinnahmequelle übrigens die Games-Sparte, bieten aber auch Dienste wie Taxiruf, Musik oder TV an und vermarkten sich auch schon über Ads. All das fehlt bei den hiesigen Plattformen trotz unglaublich vielen Nutzern noch komplett. Dieser Tatsache hatte sich auch Rockstars-Buddy Björn Sjut auf unserer New Platform Advertising-Konferenz angenommen – und die in unseren Augen bisher beste Präsentation zum Thema Messaging-Marketing gehalten. Diese Folie zeigt vor allem eins: Der Video-Bereich im Netz und in Apps geht gerade durch die Decke. Vor allem Facebook und Snapchat legen aktuell ein Wachstum hin, was schätzungsweise noch im Jahr 2016 dafür sorgt, dass die Marke von neun Milliarden Views pro Tag geknackt und gleichzeitig Youtube vom Thron gestoßen wird. Ganz klar ist aber auch, dass alle Player hier gänzlich andere Regeln anwenden, ab wann ein Video als angeschaut zählt. Während bei Youtube dafür 30 Sekunden nötig sind, sind es bei Vine sechs, bei Facebook drei und bei Snapchat sogar nur eine Sekunde. Rechnet man diesen Umstand noch in die Rangliste mit ein, dürfte Youtube noch weitaus länger der Spitzenreiter bleiben.

Diese zwei Folien haben Torben am meisten beeindruckt:

Der Traum, als kleiner, unabhängiger App-Entwickler das große Geld zu verdienen, scheint vorbei zu sein. Das suggerieren zumindest die Folien ab Seite 117. Michael Wolf unterfüttert diese Prognose mit verschiedenen Statistiken. Beispielsweise sollen lediglich die zehn größten Spiele-Apps schon über 25 Prozent des weltweiten App-Umsatzes generieren, also 6 von 23 Milliarden Dollar. Bei der Betrachtung der Top 20 aller Apps in Apples App Store wird es fast noch deutlicher. Während jeder Publisher aus dieser Rangliste im Schnitt 358 Millionen Dollar umsetzt, kommen alle der restlichen über 280.000 Entwickler auf „nur“ 28.000 Dollar im Schnitt. Wenn man jetzt noch bedenkt, dass 15 Anbieter aus dieser Top 20 das Geld komplett außerhalb der App verdienen, sieht es mit dem schnellen Geld im App Store tatsächlich mau aus… Folie 127 zeigt eine spannende Rangliste, die auf einer in meinen Augen häufig vernachlässigten Kennzahl beruht: Umsatz pro Nutzer. Hier finden sich gleich einige Überraschungen. Denn während die ersten beiden Plätze mit Apple und Amazon wohl nur Schulterzucken hervorrufen, dürfte der dritte Platz für allgemeines Stirnrunzeln sorgen. Das Online-Rollenspiel World of Warcraft macht mit 97 Dollar pro User mehr Umsatz als Ebay, Alibaba, Twitter und einige weitere globale Tech-Größen. Und auch Facebook lässt das Fantasy-Game hinter sich. Das Social Network liegt übrigens auch hinter Linkedin.

Hier noch ein paar Worte zu Michael Wolf, um zu zeigen, dass der Mann vermutlich weiß, wovon er redet. Dass Wolf Aufsichtsratsmitglied beim Internetkonzern Yahoo war, hatten wir ja schon. Außerdem saß er im Board of Advisors bei Slide.com, zwischenzeitlich der größte Anbieter von Apps innerhalb Facebooks, der 2010 für rund 200 Millionen Dollar von Google übernommen wurde. Aktuell ist er noch Board-Member bei iAmplify.com, einer Plattform für Experten-Videos und –Audiodateien. Achja, COO bei MTV Networks und Director bei McKinsey war Michael Wolf auch mal. Und heute hat er mit Activate, Inc. sein eigenes Consulting-Unternehmen. Also ein ganz umtriebiger und smarter Typ. Die gesamte Präsentation mit allen Folien findet Ihr übrigens auf der Seite von Activate

Wer nach dieser Präsentation immer noch mehr darüber lernen will, wie die Tech- und Medienbranche funktioniert, sollte unbedingt mal einen Blick auf unsere anstehenden Events werfen. Am 18. November feiert der Traction Day in Hamburg Premiere. Und am 25. und 26. Februar 2016 gehen wir natürlich wieder mit unserem Festival (Expo und Konferenz) an den Start.

Torben Lux
Autor*In
Torben Lux

Torben ist seit Juni 2014 Redakteur bei OMR. Er schreibt Artikel und Newsletter, plant das Bühnenprogramm des OMR Festivals, arbeitet an der "State of the German Internet"-Keynote, betreut den OMR Podcast und vieles mehr.

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