Zwischen Rohgang-Hype und Verschwörungstheorien – Das Viral-Playbook der neuen Ernährungs-Influencer

Das Rohgang-Ökosystem, die Marketing-Strategien und wer profitiert

Fabian Kowallik und Aaron Boadu, hinten links, sind zwei der bekanntesten Creator, die vom fragwürdigen Hype rund um die "Rohgang" profitieren (Montage: Virginia Miersch / OMR)
Inhalt
  1. Die zwei Hauptprotagonisten
  2. Mit Wundermittelchen gegen ernste Krankheiten
  3. Wenn eine strikte Ernährungsform zur gefährlichen Religion wird
  4. Umstrittener "Manfluencer" Andrew Tate als Vorbild
  5. Der Marketing-Experte im Trash-Pelz
  6. Ein Social-Media-Beef, von dem alle Streitenden nur profitieren 
  7. Vom 187-Fitnesscoach zum Verschwörungstheoretiker und Honig-Botschafter
  8. "Empfohlen von Exiled Medic" als Gütesiegel 
  9. "Es reicht ja, wenn einer auf der Intensivstation landet"

Richtig oder falsch, gesund oder giftig –  Ernährungs-Influencer wie Fabian Kowallik alias Exiled Medic und Aaron Boadu alias Coach Aaron liefern vermeintlich einfache Antworten auf komplexe Fragen, versprechen Heilung von schwerwiegenden Krankheiten durch Hausmittel und wollen über die Lügen der Lebensmittelindustrie und große Verschwörungen aufklären. Damit haben sie es aus der Rohkost-Nische heraus geschafft, eine rasant wachsende Community aufzubauen. Was glauben sie wirklich? Was ist nur Provokation? Wer profitiert? Und wie gefährlich ist das Viral-Phänomen "Rohgang"? 

Vier Minuten und 13 Sekunden zwischen Rap-Beef und Schwurbeleien, Bio-Blaubeeren und Chemtrails, Honig und Aluhüten. Es geht skurril zu, wenn die Rohgang über Rohkost rappt. Nein, die beiden Männer, Fabian Kowallik und Coach Aaron, die im Musikvideo der Hip-Hop-Gruppe Genetikk hinter Basilikumtöpfchen in der Gemüseabteilung auftauchen, Möhren und Paprika in die Kamera halten und provokante Grüße an More-Nutrition-Gründer Christian Wolf rausschicken, sind nicht Deutschlands neues Gemüse-Rap-Duo. Sie sind Teil eines Reichweiten-Phänomens, das mit Ernährungs-Content Millionen Follower in seinen Bann zieht. Und dieser Hype ist alles andere als unproblematisch. 

Ausgelöst hat ihn besagte Rohgang, ein loser Zusammenschluss auch mal wechselnder Creator, die in den vergangenen zehn bis zwölf Monaten Rohkost in den sozialen Medien abfeiern, also eine möglichst natürliche, unverarbeitete Ernährungsform. Fabian Kowallik und Coach Aaron sind die beiden bekanntesten Gesichter, insgesamt dürfte es aber mindestens ein Dutzend Creator mit fünf- bis sechsstelligen Follower-Zahlen im engeren Umfeld geben, die Teil dieser losen Gruppierung sind. In langen gemeinsamen Podcasts featuren sie sich gegenseitig. Aus Longform-Content auf Youtube werden anschließend unzählige Snippets auf Instagram, Tiktok und Co. Eine wahre Content-Flut, der Anschein von Kredibilität und das, was sie alle eint: ein fast schon missionarisches Eintreten für eine bestimmte Ernährungsform, "Gottes Nahrung" eben, je unbearbeiteter, desto besser. 

Die zwei Hauptprotagonisten

Aber von vorne: Einen von beiden hat man vielleicht auch vor dem Ausbruch des Rohgang-Hypes schon mal gesehen. Aaron Boadu, bekannt als Coach Aaron, ist ein ehemaliger American-Football-Spieler, unter anderem Deutscher Meister mit Kiel, Gefängnisstrafen in den USA und in Deutschland, ehemaliger Fitness-Coach der Hamburger Hip-Hop-Gruppe 187 Straßenbande. Mittlerweile widmet er sich auf seinem Youtube-Kanal NNG World by Coach Aaron Ernährungsthemen und war der erste, der in seinen Videos durch den Ausruf "Roh! Roh! Roh!" den Begriff quasi zu einem Claim gemacht hat.

Youtube Thumbnail Fabian Kowallik.jpg

Das Thumbnail eines für Fabian Kowallik typischen Youtube-Videos.

Der andere – Fabian Kowallik – war bis vor einigen Monaten noch völlig unbekannt. Als selbsternannter Gesundheitsguru hat er sich jedoch in kürzester Zeit eine riesige Community aufgebaut. Instagram, Tiktok, Youtube – als "Exiled Medic" bespielt er alle Plattformen, und das in extrem hoher Frequenz: Mehrere Instagram-Reels und Storys postet er jeden Tag, mehrere Longform-Videos auf Youtube jede Woche. "Vermeide diese 7 Lebensmittel die LEBENSBEDROHLICH sind" heißen sie, oder "So wirst du wieder FRUCHTBAR & TESTOSTERONMAXXIMIERT". Seine Videos erreichen fast ausnahmslos sechsstellige Aufrufzahlen, insgesamt hat er bereits Views im dreistelligen Millionenbereich erzielt. Seinen Kanälen folgen plattformübergreifend fast zwei Millionen User. Der Ernährungs-Influencer hat damit innerhalb von nur 16 Monaten einen der am schnellsten wachsenden Social-Media-Accounts Deutschlands aus dem Boden gestampft. Das rasante Wachstum erstaunt sogar Branchenexperten. Wie hat er das geschafft? 

Mit Wundermittelchen gegen ernste Krankheiten

Die Inhalte des "Exiled Medic" drehen sich im Kern um Ernährung, Gesundheit und Lebensstil. Er empfiehlt, möglichst unverarbeitete Lebensmittel zu essen, viel Frisches, am besten roh. Dabei spielt er mit seiner eigenen Biografie: "Mein Name ist Fabian. Ich habe mein Medizinstudium an den Nagel gehangen, um die Wahrheit über Ernährung, Gesundheit und das Verständnis der Natur an die Menschen wieder heranzubringen", verspricht er in seinen Videos. Vor wenigen Monaten hat er ein Buch herausgebracht, das sich auf Amazon auf Platz 1 der Bestseller in der Kategorie Männerratgeber hält: "Die Ernährungslügen – Wie man isst, um nicht krank zu werden". In der Lebensmittelpyramide, die er darin aufstellt, findet sich viel Obst und frischer Honig, Fleisch, Lachs und Eier, Milchprodukte, sowie Knollen, Möhren und Süßkartoffeln, Oliven- oder Kokosöl. Gottes Nahrung nennt er das. So weit, so unspektakulär – und ungefährlich.  

Skurril wird es bei den Rezepten, die er in kurzen Reels auf Instagram gerne mal als Wundermittel gegen Beschwerden und sogar ernste Krankheiten anpreist: Da mixt er Rohmilch mit rohen Eiern und Ahornsirup zu einem Rohshake, um "im Sommer nicht mehr wie eine schrumpelige Rosine rumzulaufen", rät von Sonnenbrillen ab, weil diese angeblich Sonnenbrand verursachen, empfiehlt die Einnahme von Natron, um "chronische Entzündungen im Körper sofort zu beseitigen" oder mischt Honig mit Zitronen, Knoblauch und Olivenöl und verspricht, damit ließe sich Kurzsichtigkeit beheben. Von Sonnenblumen- oder Rapsöl solle man hingegen lieber die Finger lassen. "Das macht Alzheimer, macht Parkinson, macht Herzinfarkte." Von seiner Community bekommt er dafür Likes und Zuspruch in den Kommentarspalten. 

Wenn eine strikte Ernährungsform zur gefährlichen Religion wird

Diätformen und Ernährungstrends wurden schon früher in klassischen Medien wie Zeitschriften und TV, aber auch auf Social-Media-Plattformen besprochen. Was das Phänomen Rohgang dann aber vom schon Bekannten unterscheidet, sind die inhaltlichen Abzweigungen, die alle Genannten schon genommen haben. Mal einfach nur Richtung ernährungswissenschaftlicher Halbwahrheiten oder Irrtümern, hin und wieder aber auch Richtung knallharter Verschwörungstheorien. Ähnlich wie Fabian Kowallik sucht auch Aaron Boadu die Provokation. Den Klimawandel gibt es nicht. Leitungswasser ist vergiftet. Depressionen? Einfach ein paar Liegestütze machen. Er steht außerdem für ein sehr eindimensionales Frauenbild: Frauen seien irrationale Wesen. Scheitert eine Beziehung, ist der Mann schuld – er müsse schließlich die Richtung vorgeben. Zuletzt veröffentlichte er ein Interview mit dem Betreiber des Instagram- und Tiktok-Accounts "Heimatecho" – einem "stolzen Deutschen", der von Rassismus gegen Weiße spricht; die Accounts voll von nationalistischer Rhetorik und Symbolik.

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Darf man noch stolz deutsch sein? Diese Frage stellt Aaron Boadu auf dem Thumbnail eines Youtube-Videos.

Damit fischen die Rohgang-Mitglieder nicht nur in einer bestimmten Zielgruppe nach Followern, sie bedienen sich auch einem Marketing-Playbook, mit dem schon ein anderer prominenter Influencer eine mindestens fragwürdige Community aufgebaut hat. 

Umstrittener "Manfluencer" Andrew Tate als Vorbild

"Das, was ich mache, ist komplett Andrew Tate", erklärt Fabian Kowallik. Zum Gespräch mit OMR hat er sich per Videocall aus Zypern zugeschaltet, wo er seit über einem Jahr mit seiner Familie lebt. Er trägt ein weißes Leinenhemd, das inzwischen zu seinem Markenzeichen geworden ist, eine helle Kappe und eine lange Kette mit Kreuz. Andrew Tate? Damit spricht Kowallik über den wohl weltweit bekanntesten "Manfluencer", der es nicht nur mit frauenverachtenden, homophoben und rassistischen Aussagen, dem Propagieren klassischer Rollenbilder und Verschwörungsmythen zu einer Millionenreichweite gebracht hat. Sondern auch über einen Mann, der in Rumänien wegen Vergewaltigung, Menschenhandel und Bildung einer kriminellen Organisation angeklagt ist. 

Tate ist bekannt dafür, bewusst zu provozieren, zu überspitzen, um maximale Aufmerksamkeit und Viralität zu erreichen. Seine Community multipliziert seine Clips auf Tiktok und Instagram weiter, auch nachdem er von vielen etablierten Plattformen zeitweise gesperrt wurde.

Fabian Kowallik im Interview mit OMR.png

Fabian Kowallik im Video-Interview mit OMR.

Es sind genau diese Hacks, die sich auch Fabian Kowallik zunutze machen will, als er im September 2023 seine Social-Media-Karriere startet, zunächst auf Englisch. Nach seinem Studium und einem Ausflug in die Lebensmittelindustrie ist er beim Supplement-Hersteller Braineffect gelandet. Dort taucht er ins Influencer-Marketing-Game ein, glaubt aber, durch seine Expertise Zusammenhänge viel besser erklären zu können als die Influencer*innen, mit denen er zusammenarbeitet. Warum also nicht selbst Videos machen? Als der Account, den er parallel zum Job startet, schnell wächst, kündigt er und wandert zusammen mit seiner Frau nach Zypern aus. Er will es mal ausprobieren, sehen, ob er es schafft, seinen Content zu monetarisieren. Dafür stürzt er sich ganz ins Creator-Leben und versteht sehr schnell, wie sein Vorbild Andrew Tate zu provozieren, zu polarisieren, zu propagieren. 

In seinen frühen Beiträgen bekommt man davon einen besonders guten Eindruck. Dort zeigt sich Kowallik im schwarzen Hoodie, Kapuze auf dem Kopf, auf der Brust ein großes Tattoo vom allsehenden Auge, einem weit verbreiteten Symbol unter Verschwörungstheoretikern. Er spricht mit weit aufgerissenen Augen nah und schnell in die Kamera, im Hintergrund läuft bedeutungsschwangere Musik. "Ich habe alle Tricks benutzt, die man machen kann", sagt er. Ein Video müsse schnell und kurz sein. "Es muss vielleicht sogar zu schnell sein, zu verwirrend sein, dass die Leute das noch mal angucken müssen. Und wenn ein Video mehrmals durchgelaufen ist, geteilt und gespeichert wird, dann geht das komplett viral." Nach nur zwanzig Tagen habe eines seiner Videos neun Millionen Views erzielt, das am Tag danach elf Millionen. "Danach ging es komplett steil, weil ich genau verstanden habe, wie man Videos macht, die Interesse wecken." Inzwischen ist Kowallik auf deutschen Content umgestiegen. Auch hier geht seine Strategie bislang auf. 

Der Marketing-Experte im Trash-Pelz

Von außen betrachtet könnte dennoch der Eindruck entstehen, bei Fabian Kowalliks Instagram-Account @exiled.medic.de sei ein Amateur am Werk. Er gleicht einem auf Viralität getrimmten Trash-Account. Keine einheitlichen Schriftarten, manchmal viel zu viel Text, Schreibfehler, mal Videos im Querformat, dann wieder im Hochformat. Wäre er eine Brand, wären sich sicher viele einig: Diese Marke hat keine Corporate Identity. 

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Gewollter Trash? Ein beispielhafter Ausschnitt aus dem Instagram-Account @exiled.medic.de von Fabian Kowallik.

Bei Fabian Kowallik gilt eher: Keine CI ist seine CI. "Inder" statt "Kinder" im Thumbnail? Möglicherweise ein Tippfehler. Oder aber interaktionssteigernder Ragebait. "Ich habe noch nie gesehen, dass jemand so schnell mit deutschsprachigem Content aus dem Boden geschossen ist, im Grunde in nur einem Jahr", sagt Adil Sbai im Gespräch mit OMR. Er ist Gründer der Social-Media-Agenturgruppe WeCreate aus Hamburg. Einer der laut Sbai entscheidendsten Erfolgsfaktoren für das starke Wachstum der Accounts ist die hohe Frequenz, mit der Kowallik Beiträge veröffentlicht. Er gehöre zu den aktivsten Accounts in Deutschland überhaupt, zu den oberen 0,1 Prozent mit dem höchsten Output, so Adil Sbai. 

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Aber auch der Inhalt und die Interaktion der Community mit diesem spielten eine große Rolle. "Er ist immer gegen vermeintliche Mainstream-Meinungen. Das ist sein roter Faden", fasst Adil Sbai Kowalliks Content-Strategie zusammen, die ihm dreistellige Millionenreichweiten allein mit Reels beschert hat. Rein auf die Zahlen bezogen ist Fabian Kowallik längst das, was er eigentlich so sehr verteufelt: Mainstream. Beraten oder sogar unter Vertrag nehmen würde Sbai ihn dennoch nicht. Mit großer Reichweite käme große Verantwortung, der werde er nicht gerecht. "Es sei denn, ich hätte Einfluss darauf, dass er nicht mehr so viel Bullshit raushaut. Dann vielleicht."

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Ein Social-Media-Beef, von dem alle Streitenden nur profitieren 

Neben all den von Fabian Kowallik auf seinen eigenen Accounts genutzten Reichweiten-Hebeln profitieren er und die Rohgang extrem von kritischen Reaktionen Dritter. Wahrscheinlich prominentestes, weil reichweitenstärkstes Beispiel: Christian Wolf. Der Gründer der Supplement-Brand More Nutrition machte mit Süßungsmitteln, Geschmackspulvern und Protein-Shakes ein Vermögen. Auch er ist bekannt dafür, auf seinen Social-Media-Accounts mit Provokationen hin und wieder mal über die Stränge zu schlagen. 2023 folgte nach vermehrter Kritik die Trennung von More-Mutter The Quality Group. Eine operative Funktion im Unternehmen hat er seit dem zwar nicht mehr, tritt aber inzwischen wieder als eine Art Markenbotschafter mit Anteilen auf. Chris Wolf ist sowas wie der Antagonist von Fabian Kowallik und der gesamten Rohgang. Er soll es überhaupt erst gewesen sein, der sich diesen Namen ausgedacht hat. Eigentlich, um sich wortstark an den Ernährungstipps der "Gang-Mitglieder" auf seinen Social-Media-Profilen abzuarbeiten. Wohl eher unfreiwillig hat er damit aber dem Hype um ein paar Creator erst einen richtigen Namen gegeben und ihnen in den vergangenen Monaten immer wieder große Aufmerksamkeit, Reichweite und Relevanz beschert. 

Seinen vorläufigen Höhepunkt erreichte der Social-Media-Beef zwischen Rohgang und Süßstoff-Mafia – so taufte Fabian Kowallik als Reaktion More Nutrition, ESN und andere Nahrungsmittelergänzungmarken – im April bei der diesjährigen Fitnessmesse Fibo in Köln. Für den Dreh des Musikvideos mit der Rap-Crew Genetikk marschierten Fabian Kowallik und Aaron Boadu Obst verteilend in die Halle der ESN- und More-Stände. Chris Wolf sagt, es sei zu Rangeleien gekommen, Kowallik & Co. sagen, es sei alles friedlich gewesen. 

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Eine Szene aus dem Musikvideo "JUNG BRUTAL GESUND" von Genetikk feat. Rohgang.

Den gewünschten Effekt hatte die provokante Aktion so oder so. Der Track zum besagten Musikvideo von JUNG BRUTAL GESUND kommt bis heute bei Youtube auf knapp 140.000 Views und bei Spotify auf fast 500.000 Plays. Auf der passenden Domain rohgang.com können Fans nicht nur die CD bestellen, sondern auch Bundles inklusive einiger Produkte von Aaron Baodu. 

Vom 187-Fitnesscoach zum Verschwörungstheoretiker und Honig-Botschafter

Denn die Rohgang hat längst verstanden, dass sie die Aufmerksamkeit über die meist überschaubaren Plattform-Einnahmen hinaus zu Geld machen kann. Aaron Boadu wirbt zusätzlich zu seinem Fitness-Programm "Coach Aarons NNG Playbook" für Nahrungsergänzungsmittel, ist Affiliate für 500 Euro teure Wasserfilter. Anfang des Jahres gründete er die Rohkönig Holding GmbH und brachte parallel in Kooperation mit der RoRoh GmbH den "Rohriegel" auf den Markt. Ist das noch Gottes Nahrung? Neben dieser Frage ging es nach dem Markteintritt vor allem auch um Laborergebnisse, die Schwermetallrückstände im Rohriegel nachgewiesen haben sollen. 

Seine bekannteste Kooperation dürfte aber die mit der Allgäuer Wanderimkerei sein. Seit knapp eineinhalb Jahren wirbt Coach Aaron unter anderem für "Hercules Sport", eines der teuersten Produkte der Imkerei. 500 Gramm gibt es für 45 Euro. 

Für die alte Wanderimkerei und ihren jungen Geschäftsführer Elias Bauer entpuppte sich ein zufälliges Treffen mit Coach Aaron auf der Fibo 2024 als Glücksfall. Bauer hatte das damals angeschlagene Unternehmen 2023 mit der Hilfe seiner Schwester vom Imkermeister Rainer Krüger übernommen. Coach Aaron half als Testimonial, die Imkerei bekannt zu machen, verdient gleichzeitig als klassischer Affiliate an Verkäufen per Provision mit. "Er war der Türöffner für alle anderen Partnerschaften und Kooperationen, die dann gekommen sind", sagt Elias Bauer. "Ab dann haben wir Social Media ernst genommen."

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Ob er auch die Kritik an Aaron Boadus Inhalten und mitunter kruden Thesen ernst nimmt? "Für uns ist das ein Dilemma", gesteht Bauer. Boadu ziehe Aufmerksamkeit, und habe eine starke Community. Auch wenn man als Unternehmen nicht hinter einigen seiner Aussagen stehe, wolle man sich nicht öffentlich distanzieren. Das sei der falsche Weg. "Es ist auch ein Stück weit Loyalität und Dankbarkeit", sagt Elias Bauer. Auch dank Boadu sei die Imkerei auf einem guten Weg, keine Verluste mehr zu machen.

"Empfohlen von Exiled Medic" als Gütesiegel 

Kowalliks wichtigster Affiliate-Partner ist hingegen die Nahrungsmittelergänzungsmarke Nature Heart. Deren Geschäftsführer Ralf Antzenberger nimmt dabei genau wie die Wanderimkerei bewusst oder zumindest billigend in Kauf, dass seine Marke mit Verschwörungstheorien und mehr in Verbindung gebracht wird. Für ihn sei nur wichtig, dass Fabian weiterhin sein Wissen im Bereich Ernährungswissenschaften weitergebe und sich dabei an alle gesetzlichen Vorgaben halte, sagt der Nature-Heart-Chef. "Uns liegt die Gesundheit der Menschen am Herzen, deshalb halten wir uns aus allen politischen Diskussionen raus."

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Fabian Kowallik dient für Produkte von Nature Heart wie ein Gütesiegel.

Dank des Affiliate-Businesses, der Einnahmen aus einem Online-Coaching-Angebot ("Dein digitales Zuhause für Gesundheit, Selbstverbesserung und finanzielle Freiheit") und Einkünften aus seinem ersten Buch, kommt Fabian Kowallik nach eigenen Angaben inzwischen auf einen fünfstelligen monatlichen Umsatz. Gemessen an seiner Reichweite mag das im Vergleich zu anderen Creatorn wenig erscheinen – doch viele etablierte Marken scheuen offenbar die Zusammenarbeit mit ihm und anderen Teilen der vermeintlichen Rohgang. Und es könnte auch daran liegen, dass er, wenn es um seinen eigenen Markenaufbau geht, sehr bedacht vorgeht. 

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Anfangs hatte Fabian Kowallik noch einen deutlich düsteren Look, als heute.

In seiner kurzen Social-Media-Karriere hat Fabian Kowallik bereits einen krassen Imagewandel vollzogen. Weg mit dem schwarzen Hoodie, her mit dem Image des freundlichen Ernährungsgurus. Kowallik ist jetzt Autor eines Spiegel-Bestsellers, ist in vielen Podcasts zu Gast. Ein Stück weit hat er sich selbst rehabilitiert, natürlich ohne von seinen Schwurbeltheorien abzurücken. Mit seinem harmloseren Auftreten, glaubt er, seien Markenkooperationen eher möglich.

Von anderen Rohgang-Mitgliedern scheint er sich gleichzeitig in Teilen zu distanzieren, baut stattdessen seine Frau stärker als Creatorin auf. Auch, um zu verhindern, in fremde Shitstorms mit hineingezogen zu werden und damit sein eigenes Image zu beschädigen: "Man muss als Influencer wirklich sehr, sehr vorsichtig sein. Sehr viele Leute gucken drauf, was du machst. Ein Fehltritt, dann ist alles vorbei."

"Es reicht ja, wenn einer auf der Intensivstation landet"

Egal ob in Hoodie oder Jesus-Hemd, für Mediziner und Ernährungsexperte Johannes Wimmer sind die Reichweiten-Rekorde der Rohgang-Creator am Ende vor allem eines: mitunter gefährliche Ernährungstipps. Wimmer findet es im Kern zwar gut, dass Ernährung auf Social Media durch Fabian Kowalliks Content so eine starke Resonanz erfährt. Selbst dem kontroversen Ansatz kann er in Teilen etwas abgewinnen. Denn Medizin lebe vom Widerspruch und der Diskussion, findet er. 

Ein großes Aber gibt es trotzdem. Medizin sei komplex, nie schwarz oder weiß, es gebe kein Mittel ohne Nebenwirkungen, warnt der Mediziner. Doch in 15-Sekunden-Reels, die knallen sollen, ist eben kein Platz für ausführliche Informationen. "Und dann haut er Dinge teilweise so stark verkürzt und vereinfacht raus, dass sie richtig gefährlich werden können." Im schlimmsten Fall mit fatalen Folgen: "Es reicht ja einer, der irgendwann auf der Intensivstation mit Nierenversagen landet oder nicht mehr zur Krebsvorsorge gegangen ist. Der liegt dann da und sagt: Ich hab mich aber so strikt an diese Wunderdiät von Fabian gehalten. Und dann?"

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Tanja Karrasch
Autor*In
Tanja Karrasch

Tanja Karrasch ist Redakteurin bei OMR. Sie hat bei der Tageszeitung Rheinische Post volontiert und anschließend als Redakteurin gearbeitet. Vor ihrem Wechsel zu OMR arbeitete sie für die TV-Produktionsfirma Bavaria Entertainment und war als Redaktionsleiterin für zwei ZDF-Shows zuständig.

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Torben Lux
Autor*In
Torben Lux

Torben ist Redakteur & Lead Festival Programming und seit Mitte 2014 bei OMR. Er schreibt Artikel sowie Newsletter und plant vor allem das Bühnenprogramm des OMR Festivals.

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