Tiktok-Charts Januar 2025: Fliegende Schokoriegel und falsche rote Pillen
Welche Marken und Creator*innen starteten besonders erfolgreich ins Jahr 2025? Unser Tiktok-Ranking powered by Wecreate hat die Antwort
- Das Snack-Comeback-Kid aus Wien
- Lebensgefühl statt branded Storytelling
- Kleinanzeigen punktet mit Taube Oßcar
- Kometenhafter Aufstieg mit zweifelhaftem Content
- Tiktok-Update für Verschwörungstheorien
- Eine Million neue Follower*innen in drei Wochen
- Das komplette Ranking von OMR und Wecreate
In so ziemlich jeder Hinsicht waren die ersten Wochen 2025 reiner Roller Coaster. Ganz anders unsere Tiktok-Charts, die wir jeden Monat mit unserem Partner Wecreate erstellen: stabil wie selten. Kein Überraschungs-Newcomer in der Kategorie Brands; auch in den Creator-Kategorien dominieren bekannte Namen. Bitte trotzdem weiterlesen, denn natürlich bedeutet das nicht, dass es nicht trotzdem spannende Einblicke gibt, mit welcher Content-Strategie man heute auf der Plattform massive Reichweiten erzielen kann.
Wer in dieser irren Welt etwas Verlässlichkeit sucht, ist bei unseren Charts in der Kategorie erfolgreichste Marken auf Tiktok in der Regel gut aufgehoben. So auch im Ranking für den Januar 2025: Red Bull ist mal wieder zurück auf der Eins, Transfermarkt schiebt sich dank sich schließendem Wechselfenster auf die zwei und verdrängt Red Bull Dance auf den dritten Platz. Dahinter tummeln sich auch unter den Neu-, bzw. Wiedereinsteigern viele Bekannte: Bestattungen Burger, Jack Wolfskin, The Voice Kids, Check24, Essence Cosmetics sowie auf der 15 (und damit gerade so wieder dabei) BMW.
Das Snack-Comeback-Kid aus Wien
Einen Namen jedoch haben wir länger nicht betrachtet – obwohl er ab und an in den Charts auftaucht (zuletzt auf Platz 15 im November) und sie eine zeitlang sogar mal regelrecht dominiert hat. Es geht um die Schokoriegel-Marke Neoh. Die stand im Jahr 2021 gleich mehrmals auf Platz eins unserer Tiktok-Charts. Das österreichische Startup zählt in seiner Heimat zu den Pionieren beim Aufbau einer Marke über die sozialen Medien, insbesondere Tiktok. Vor vier Jahren expandierte Neoh nach Deutschland und folgte dabei dem Playbook, das sich in Österreich bereits bewährt hatte – nun zudem gepusht mit reichlich Marketing-Budget. Das spiegelte sich damals entsprechend in unseren Charts.
Nun ist Neoh also wieder einmal dabei, allerdings auf einem vergleichsweise bescheidenen zwölften Platz. Schaut man sich den Content von Neoh einmal genauer an, so fällt auf, dass die Österreicher nicht der bei kleinen Brand-Accounts zuletzt erfolgreichen Strategie folgen, mit der etwa die lokale Burger-Kette Glückspilz sich in unseren Charts etablieren konnte – auch wenn es aktuell nicht mehr für Platzierungen reicht.
Lebensgefühl statt branded Storytelling
Der Content von Neoh verzichtet nämlich auf konsequentes Storytelling oder die Entwicklung von Charakteren. Stattdessen gibt es kurze Fail-Sketche, wo jemand einen Riegel statt in die Hand des Kollegen gegen die Wand wirft, oder auch emotionalisierende Clips ohne jeglichen Markenbezug wie das Video, in dem die Brand mit ihren Follower*innen den – vermeintlichen? – Web-Zufallsfund eines herzförmigen Vulkankraters auf Google Earth teilt. Mit diesen Videos erzielt Neoh beachtliche Reichweiten und Engagement von 2,5 Millionen bzw. zwei Millionen Views und 19.300 bzw. 15.900 Likes.
Der wirkliche, dabei sehr kreative und zugleich Brand-bezogene Ausreißer war im Januar jedoch ein Video, das ein Phänomen thematisierte, das alle Smartphone-Nutzenden kennen. Sobald Wasser auf das Display kommt, ist dieses nicht mehr zu bedienen. Neoh drehte dieses vertraute Phänomen etwas weiter und ließ das tropfenbenetzte Gerät eine Bestellung im Online-Shop der Marke durchführen. "Mein Handy jedes mal, wenn ich Wasser draufschütte", lautete die Copy dazu.
Die Heterogenität des Contents von Neoh hat allerdings deutliche Auswirkungen auf die Likes, deren Mittelwert über alle Posts in einem Monat Basis unseres Rankings ist. Während das Wassertropfen-Video 27.700 Likes einsammeln konnte, verharren andere Clips trotz View-Zahlen jenseits von zwei Millionen im vierstelligen Bereich.
Kleinanzeigen punktet mit Taube Oßcar
Kommen wir zu den Creator-Kategorien unserer Charts. Auch hier tummelten sich im Januar fast ausschließlich vertraute Namen in den Top-15. Darum nehmen wir einmal beispielhaft zwei Aufsteiger aus dem Ranking heraus, um zum einen zeigen zu können, wie eine extrem gut konzipierte Anzeige zu eindrucksvollem Engagement in der Community führen kann. Zum anderen, um auf ein Phänomen hinzuweisen, dass auf allen Plattformen derzeit boomt und vor dem Hintergrund eher zurückgehender Bemühungen in Sachen Content-Moderation als potenzielle Gefahr ins Bewusstsein gerückt werden sollte.
Zunächst also der Anzeigen-Best-Case aus der Kategorie Creator*innen mit deutschsprachigem Content. Influencer Malte Zierden hat sich von der An- und Verkaufsplattform Kleinanzeigen als Testimonial einspannen lassen und beschert dem Kunden reichlich Tiktok-Aufmerksamkeit. Der Clip eröffnet mit der Behauptung, Zierden habe einen Seifenspender in Form einer Taube auf Kleinanzeigen gefunden.
Der Clip greift damit einen Running-Gag Zierdens auf, in dessen Content eine Taube namens Oßkar immer wieder auftaucht. Danach geht es um eine Gitarre, die der Influencer auf der Plattform erworben habe, wobei er dort zugleich auf Menschen getroffen sei, die ihm viel über das Instrument beigebracht hätten. Fraglich, wie gut es Kleinanzeigen gelingen wird, sich dank Zierden als Mischung aus Second-Hand-Amazon und Reddit zu empfehlen. Auf jeden Fall kam die Story gut an und generierte neben 9,5 Millionen Views annähernd 200.000 Likes, mehr als 1.000 Kommentare und mehr als 26.000 Shares.
Kometenhafter Aufstieg mit zweifelhaftem Content
In der Kategorie Creator*innen mit internationalem Content gibt es mit Juan Bergman einen Neueinsteiger, der es aus dem Stand auf Platz sechs schafft. Interessant ist die Machart seiner Clips, die der Hamburger Bergman auch auf Instagram und Youtube als Reels bzw. Shorts postet, wo ihm mehr als sechs bzw. knapp zwei Millionen Accounts folgen. Der Aufbau ist dabei immer gleich: Man sieht den Creator, wie er mit ausgeprägter Mimik auf Ergebnisse seiner Google-Suchen reagiert. Dabei werden Sucheingaben und gefundene Treffer – meist Videos – den Headshots gegengeschnitten.
So clever die Machart der Videos ist, desto problematischer ist deren Inhalt. Denn Bergman hat sich auf Verschwörungstheorien spezialisiert. Indem er vermeintliche Kausalketten als Ergebnis einer Webrecherche präsentiert, suggeriert er deren Plausibilität. Geheimnisvolle Enthüllungen andeutende Captions unterstreichen die Sensationshaftigkeit seiner vermeintlichen Entdeckungen. Disclaimer, die auf den fiktionalen Gehalt der dargestellten Zusammenhänge verweisen, finden sich zumindest keine.
Tiktok-Update für Verschwörungstheorien
Praktisch sieht das dann im Fall der verheerenden Brände neulich in Los Angeles so aus, dass Bergman unter der in hektischer Fehlerhaftigkeit hingetippten Caption "This Theory of ( Fire in Los Angeles ) is🤯😱😰.." nahelegt, die Katastrophe sei am Ende eine Art göttliche Rache an einem dem Satanismus nahestehenden Hollywood. Das kann man natürlich als launige Assoziationsübung lesen – oder als snackable Update einer alten, tendenziell antisemitischen Verschwörungstheorie.
Dieser Clip kommt bei Tiktok auf etwas mehr als 150.000 Likes. Andere liegen weit darüber. Etwa bei mehr als 800.000 Likes für Bergmans Video, das Elon Musks vermeintlichen Hitlergruß bei der Amtseinführung von Donald Trump in Verbindung mit den von seiner Firma Neuralink entwickelten Hirnimplantaten stellt und Pläne andeutet, jeden Menschen damit auszustatten. Seine dagegen – vergleichsweise – harmlosen Verschwörungs-Clips zu Disney-Filmen oder der Netflix-Serie "Squid Game" kommen sogar auf mehrere Millionen Likes.
Eine Million neue Follower*innen in drei Wochen
Bei Instagram kann man die offensichtliche Attraktivität von Bergmans Content nachvollziehen. Seit Mitte des Jahres 2024 postet er seine Clips dort, Anfang Dezember bedankte er sich bereits für vier Millionen Follower*innen. Zum Jahreswechsel waren es fünf Millionen, drei Wochen später sechs Millionen. Und scrollt man durch die Kommentare, findet man dort in erster Linie begeistertes Feedback, weniger kritische Auseinandersetzungen mit dem Gezeigten. Fraglich, ob Community Notes hieran etwas ändern würden.
Das komplette Ranking von OMR und Wecreate
So sieht das vollständige, von Wecreate mit Infludata erstellte Ranking der erfolgreichsten Tiktok-Accounts im Januar 2025 aus: