Von Karneval bis Cricket: Die Werbe-Alternativen für alle Super-Bowl-Muffel

Der Super Bowl ist das größte Einzelsport-Ereignis der Welt. Doch Alternativen garantieren ebenfalls viel Aufmerksamkeit.

Das chinesische Neujahrsfest, Super Bowl oder Karneval in Rio sind Hochphasen für die Werbeindustrie.
Das chinesische Neujahrsfest, Super Bowl oder Karneval in Rio sind Hochphasen für die Werbeindustrie. Fotos: Wikimedia
Inhalt
  1. Melbourne Cup und AFL Grand Final (Australien)
  2. Singles Day & Neujahrsfest (China)
  3. Carnival (Brasilien)
  4. Cricket World Cup (Indien)

Sieben Millionen US-Dollar kosten 30 Sekunden Werbezeit beim diesjährigen Super Bowl. Dennoch reißen sich Unternehmen um die Chance, dabei zu sein. Denn das Football-Spiel ist ein Mega-Event, das weltweite Sichtbarkeit garantiert – doch für Werbetreibende längst nicht das einzige Großereignis, das eine millionenschwere Aufmerksamkeit garantiert, wie ein Blick in andere Länder zeigt. 

Usher tritt kostenlos auf. Genau wie vor ihm Beyoncé, Rihanna oder Dr. Dre – all jene Mega-Stars, die in den vergangenen Jahren für rund 15 Minuten die größte Bühne der Welt betreten haben. Rund 100 Millionen Menschen sehen die Halbzeit-Show beim Super Bowl live, auf Plattformen wie Youtube erreichen die dazugehörigen Videos dreistellige Millionenabrufe. Man muss also kein Mitleid mit dem R&B-Superstar Usher haben, immerhin erscheint passenderweise auch sein neues Album kurz vorher. So viel Kommerz muss dann doch sein.

Andere hingegen müssen sogar noch Geld mitbringen, um gezeigt zu werden. Sieben Millionen US-Dollar kosten 30 Sekunden Werbezeit beim diesjährigen Super Bowl LVIII, der am Sonntag zwischen den Kansas City Chiefs und den San Francisco 49ers in Las Vegas ausgetragen wird. Sieben Millionen US-Dollar für 30 Sekunden – das ist fast dreimal so viel wie 2004. Doch das schreckt Marken wie Oreo, Budweiser, Doordash und Co. nicht ab.

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Der Super Bowl ist ein Mega-Event, das weltweite Aufmerksamkeit garantiert – doch für Werbetreibende längst nicht das einzige Großereignis, das eine millionenschwere Aufmerksamkeit garantiert, wie ein Blick in andere Länder zeigt.

Melbourne Cup und AFL Grand Final (Australien)

"The race that stops the nation" wird das Spektakel in Australien genannt, das schon seit mehr als 150 Jahren die Nation begeistert: Der Melbourne Cup, das vielleicht berühmteste Pferderennen der Welt neben dem Kentucky Derby in den USA. Mehr als 100.000 Fans schauen zu, wie die Pferde das 3,2 Kilometer lange Rennen bewältigen.

Jahrelang war das Rennen auch für Werbetreibende extrem attraktiv. Doch inzwischen wird der Melbourne Cup Down Under kontrovers diskutiert. 2023 sorgte die australische Kaufhaus-Kette Myer für Schlagzeilen, die ihre Werbepartnerschaft nach 40 Jahren beendete. Auch andere Marken zogen sich zuletzt zurück. Es gibt zwar weiterhin viele glühende Fans, doch gleichzeitig sind inzwischen auch Bewegungen wie "Nup to the Cup" ("Nein zum Cup") entstanden, die das Rennen aus Tierschutzgründen ablehnen. Laut einem Bericht des "Guardian" ist das Rennen speziell bei jüngeren Leuten umstritten. Die Zeitung zitiert Simon Lee, den leitenden Kreativdirektor einer unabhängigen Agentur namens The Hallway, mit den Worten: "Um es auf den Punkt zu bringen: Für jüngere Menschen ist es einfach nicht mehr cool genug."

Ganz anders die Lage beim Football nach australischen Regeln: Das AFL Grand Final ist eine Art australische Mini-Version des Super Bowl, inklusive Musik-Einlagen und Werbung. Vor dem Spiel trat 2023 die US-Band Kiss auf, in der Halbzeit waren mit Mark Seymour & The Undertow und Kate Miller-Heidke bekannte australische Show-Größen zu sehen (deren Auftritt allerdings nicht so gut ankam) – und Unternehmen wie die Versicherung AAMI produzierten aufwendige Werbespots mit prominenten (australischen) Gesichtern. 

Das Spiel zwischen dem Collingwood Football Club und den Brisbane Lions verfolgten im September 2023 rund 100.000 Menschen live im Stadion, dazu kamen rund 3,4 Millionen Zuschauende bei Channel Seven im TV und rund 441.000 bei der zum Sender gehörenden Streaming-Plattform 7Plus, letzteres ein Rekord. Insgesamt verfolgten damit rund 22 Prozent mehr Menschen das Finale als im Vorjahr.

Mit rund 25 Millionen Einwohner*innen ist Australien sehr viel kleiner als die USA. Entsprechend geringer sind dann auch die Zahlen des Großereignisses Football-Finale: Das Video vom Kiss-Auftritt wurde bis jetzt bei Youtube rund 2,8 Millionen Mal aufgerufen. Zum Vergleich: Rihannas Auftritt beim Super Bowl LVII im vergangenen Jahr hat inzwischen rund 208 Millionen Abrufe. Und auch die Kosten für Werbung sind beim AFL Grand Final deutlich geringer als beim US-Pendant. Darauf deuten zumindest öffentlich gewordene Zahlen aus der Vergangenheit hin: Im Jahr 2018 zahlte die Regierung des Northern Territory insgesamt 403.406 australische Dollar für einen 60-Sekunden-Spot während des Spiels.

Übrigens: Für die höchste Quote aller Zeiten sorgte im australischen Fernsehen weder ein Pferderennen noch ein Football-Spiel, sondern die Fußball-Nationalmannschaft der Frauen. Mehr als 11 Millionen Australier*innen verfolgten im August 2023 in der Spitze das Halbfinalspiel gegen die Mannschaft aus England.

Singles Day & Neujahrsfest (China)

Hongbao heißt das Symbol des Konsumrauschs in China: der rote Briefumschlag. Rot gilt in China als Farbe des Glücks und ein roter Umschlag entsprechend als passende Verpackung für ein paar Geldscheine – speziell rund um das Neujahrsfest, den wohl wichtigsten chinesischen Feiertag. Das Fest, in diesem Jahr am 10. Februar, sorgt in China regelmäßig für große Reisebewegungen, weil die Menschen ihre Familien besuchen. Als die harten Covid-Regelungen im vergangenen Jahr gelockert wurden, sorgte das für rasant steigende Umsätze im Tourismus, aber auch beispielsweise bei Kinos. Und weil die Menschen oft lange Strecken für die Heimreise zurücklegen müssen, gibt es aus Marken-Sicht theoretisch auch viel Screen-Time, die mit Werbung bespielt werden kann. Anders als der Super Bowl geht es dabei nicht um den einen Abend oder das eine Spiel, das Neujahrsfest lässt sich eher mit Weihnachten vergleichen, wo auch in Europa Marken versuchen, mit speziell produzierten Werbespots zu punkten.

Anders als beim Singles Day (der traditionell am 11. November ist und ähnlich wie der Black Friday in den USA für Shopping-Exzesse sorgt, Anm. d. Redaktion) seien die Werbekampagnen am Neujahrsfest allerdings nicht auf Abverkäufe ausgerichtet, sondern eher auf Branding, sagt Damian Maib, Gründer und CEO der Agentur Genuine German, die auf den China-Handel spezialisiert ist. Dass man dabei aber mindestens so viel falsch wie richtig machen kann wie westliche Marke, zeigt aus seiner Sicht das Beispiel Dolce & Gabbana.

Die Luxusmarke zeigte vor ungefähr fünf Jahren in Werbespots eine asiatische aussehende Frau, die mühevoll versucht, Pizza mit Stäbchen zu essen. In China gab es einen großen Aufschrei, man warf der italienischen Marke Rassismus vor, weil Stereotype bedient würden. Es folgten Boykott-Aufrufe, die Abkürzung D&G wurde mit "Dead & Gone" übersetzt. "Viele schauen sehr kritisch, ob die kulturellen Nuancen richtig verstanden werden", sagt Damian Maib: "Wenn ein Spot einer Brand gelingt, kann das sehr positive Auswirkungen für die Marke haben. Umgekehrt kann eine Marke unter einem Fauxpas sehr leiden."

Sehr gelungen ist aus seiner Sicht beispielsweise die Kampagne des Sportartikel-Herstellers Nike aus dem Jahr 2020. In dem Spot "The Great Chase" geht es um ein Katz-und-Maus-Spiel zwischen Tante und Nichte, in dessen Mittelpunkt der Hongbao, der rote Briefumschlag steht. Und auch anderen Marken ist es gelungen, typische chinesische Traditionen für ihr Marketing aufzugreifen – etwa die chinesischen Mondkuchen, die von Marken wie Louis Vuitton in luxuriösen Schachteln präsentiert wurden. Unklar ist, wie viel Marken für Spots und Marketing rund um das chinesische Neujahrsfest ausgeben. Günstig dürfte es nicht sein – selbst dann nicht, wenn man wie Apple in diesem Jahr einen rund 15-minütigen Film mit dem iPhone produziert, dafür aber einen bekannten US-Regisseur wie Mark Webb verpflichtet.

Carnival (Brasilien)

Das Time-Magazin nennt den Carnival in Rio de Janeiro "the world's biggest party". Ähnlich wie der Karneval im deutschen Rheinland sorgt er lokal für ein deutliches Umsatzplus, allerdings auf einem ganz anderen Level. Rund eine Milliarde US-Dollar sollen mit den mehrtägigen Feierlichkeiten allein im Jahr 2023 an Umsätzen generiert worden sein. Trotzdem hatte es das Event in den vergangenen Jahren nicht leicht – und das lag nicht nur an der Covid-19-Pandemie. Auch von politischer Seite gab es Gegenwind, Rios Ex-Bürgermeister Marcello Crivella hatte den Samba-Schulen, die letztlich für die bunten Bilder und beeindruckenden Wagen sorgen, die Fördergelder gekürzt.

Doch das Event findet nicht nur auf den Straßen von Rio de Janeiro und anderen Städten in Brasilien statt, sondern ist auch ein mediales Spektakel. Der dominierende Sender Globo zeigt nicht nur die Paraden der Samba-Schulen, sondern auch speziell für dieses Event produzierte Werbung. Es gebe spezielle Paket-Preise für die Karneval-Tage bei dem Sender, sagt einer, der den Markt sehr gut kennt. Speziell Mode-, Beauty- und Getränkemarken gäben in dieser Zeit viel Geld für Werbung aus, wobei der riesige Binnenmarkt in dem 220-Millionen-Einwohner*innen-Land die Werbeflächen speziell auch für heimische Marken attraktiv macht.

Krassestes Beispiel aus dem vergangenen Jahr: Die Biermarke Brahma soll Gisele Bündchen laut Medienberichten zwei Millionen US-Dollar bezahlt haben, damit das brasilianische Top-Model mit einem knappen Top mit Brahma-Schriftzug beim Karneval in Rio im VIP-Raum mitfeiert. Die Bilder gingen um die Welt, nicht zuletzt, weil Gisele Bündchen sie selbst mit ihren mehr als 22 Millionen Follower*innen teilte.

Das Model zählt zu den international wohl bekanntesten Brasilianer*innen – in sozialen Netzwerken haben andere allerdings eine noch größere Reichweite. Und das wissen nicht nur Mode-Designer*innen, die den Karneval längst als Bühne für ihre Kreationen entdeckt haben, für sich zu nutzen. Die Designer Márcio Ferreira und André Bartolo haben sich beispielsweise einen Namen gemacht, weil sie verschiedene Kleider für Prominente speziell für die Karnevalsevents designt haben. Besonders im Fokus standen dabei die Outfits von Schauspielerin und Influencerin Paolla Oliveira, die vier Jahre in Folge als "Drum Queen" eine herausgehobene Rolle bei der Parade einnahm und allein auf Instagram mehr als 36 Millionen Follower*innen hat. Fotos und Videos, die sie im vergangenen Jahr von ihrem Outfit auf Instagram teilte, bekamen teilweise zwei Millionen Likes – bei einem Beitrag, in dem sie für die Biermarke Petra warb, reichte es immerhin noch zu knapp 200.000.

Cricket World Cup (Indien)

Cricket ist in Indien Nationalsport – und entsprechend groß war in dem Land im vergangenen Jahr die Aufmerksamkeit, als dort von Anfang Oktober bis Mitte November die Weltmeisterschaft ausgespielt wurde. Insgesamt 48 Spiele gab es zu sehen. Viele globale Marken nutzten das Interesse, um für sich und die eigenen Produkte zu werben, darunter Coca Cola, Alphabet, Unilever oder auch Saudi Aramco.

Ein 10-Sekunden-Slot im Werbefenster des Finales zwischen Indien und Australien soll dabei zwischen 25 und 35 Millionen Rupien gekostet haben. Das entspricht umgerechnet etwa 300.000 bis 420.000 US-Dollar. Gemessen an den Kosten beim Super Bowl klingt das vergleichsweise günstig, speziell wenn man die Marktgröße mit allein mehr als einer Milliarde Inder*innen bedenkt. Die Summen, die für Werbung bei Spielen mit Beteiligung der indischen Mannschaft fällig wurden, sollen allerdings im Schnitt vier bis sechs Mal höher gewesen sein als bei den anderen Partien. Das Finale toppte dann nochmal alles. Insgesamt stiegen die Preise im Vergleich zum bis dato letzten Turnier 2019 um rund 40 Prozent.

Gleichzeitig dürften auch die Produktionskosten gestiegen sein – denn ähnlich wie beim Super Bowl setzten auch beim Cricket World Cup immer mehr Unternehmen auf Prominente in ihren Spots, wobei Sport-Stars sogar noch häufiger in der Werbung zu sehen waren als Schauspieler*innen. Spitzenreiter war Indiens Nummer 19, Cricket-Spieler Rahul David, der für die indische Öl-Firma Bharat Petroleum warb. Auf Platz 2 folgte Bollywood-Star Shah Rukh Khan, der für das Kardamom-Produkt Vimal Elaichi Werbung machte. Google wiederum setzte auf den Schauspieler Anil Kapoor ("Slumdog Millionaire"), der nach mehr als 35 Jahren wieder in die Rolle als Mr. India schlüpfte. Der Film über einen Mann, der unsichtbar werden kann, hatte ihn einst berühmt gemacht – nun reaktivierte er die Rolle, um das Pixel-Smartphone zu bewerben.  

Laut Medienberichten sollen allein auf Streaming-Plattformen während des Events in Summe umgerechnet rund 240 Millionen US-Dollar für Werbung ausgegeben worden sein. Potenzial, die Werbeeinnahmen in Zukunft weiter zu steigern, sollte vorhanden sein. Allein das Finale der Cricket-Weltmeisterschaft dauerte in Summe rund acht Stunden. Ach ja, Indien hat am Ende knapp verloren.

Super Bowl
SP
Autor*In
Scott Peterson
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Florian Rinke
Autor*In
Florian Rinke

Florian Rinke ist Host des Podcast "OMR Rabbit Hole" und verantwortet in der OMR-Redaktion den "OMR Podcast". Vor seinem Wechsel Anfang 2022 zu OMR berichtete er mehr als sieben Jahre lang für die Rheinische Post über Start-ups und Digitalpolitik und baute die Rubrik „RP-Gründerzeit“ auf. 2020 erschien sein Buch „Silicon Rheinland".

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