Dieses KI-Startup fordert Google heraus – mit Geld von Jeff Bezos, Tobi Lütke & Susan Wojcicki
Wie sich Perplexity.ai gegen den übermächtigen Konkurrenten durchsetzen will
- Können Quellenangaben den Unterschied machen?
- Zehn Millionen MAU in einem Jahr
- Nvidia investiert in Perplexity
- Zwei führende Google-Manager sind auch beteiligt
- Selbst Bing verliert Marktanteile an Google
- "Was wir tun, widerspricht Googles finanziellen Interessen"
- Monetarisierung mittels Verkaufsprovisionen?
- Mehr Nutzer*innen durch Hardware-Partnerschaften?
Werden durch die rasante Entwicklung in der künstlichen Intelligenz die Karten neu gemischt, so dass die Rolle von Google als Gatekeeper angreifbar wird? Das zumindest glauben die Gründer des 2022 gelaunchten KI-Assistenten Perplexity.ai. Gerade hat das Startup von diversen Prominenten des Silicon Valley rund 74 Millionen US-Dollar eingesammelt. OMR erklärt, was Perplexity von anderen Diensten unterscheidet und wie das Startup Google Marktanteile abnehmen will.
"Heutige Suchmaschinen lassen uns oft ratlos zurück. Es ist Zeit, für eine neue Art von Suche", wirbt Perplexity.ai in einem Image-Video auf Youtube. Der Ort "wo Wissen beginnt" soll in Zukunft für möglichst viele Menschen der KI-Chatbot des jungen Silicon-Valley-Startups ein.
Auf den ersten Blick unterscheidet sich die Nutzungsoberfläche von Perplexity nicht besonders stark von der von Open AIs Vorreiter ChatGPT (und auch von Googles Startseite): ein simples Suchfeld mit einigen wenigen Schaltflächen, um beispielsweise schon vor dem Abschicken der Anfrage deutlich zu machen, ob die Recherche eher einen akademischen Hintergrund hat, oder ob man das gesamte Web durchsuchen und sich die relevanten Informationen mit Hilfe von Perplexity.ai zusammenfassen lassen will.
Die Startseite von Perplexity.ai ermöglicht es, vorab einen "Fokus" auszuwählen (Screenshot)
Können Quellenangaben den Unterschied machen?
Stellt man dann eine konkrete Anfrage, kristallisieren sich die Unterschiede langsam deutlicher heraus: Anders als bisherige Chatbots listet Perplexity die Quellen für seine Aussagen auf und verlinkt diese. Auf den ersten Blick eine Kleinigkeit – doch natürlich lässt dieser Umstand die Antworten von Perplexity vertrauenswürdiger wirken. Darüber hinaus bietet der Dienst eine "Copilot"-Funktion an; einen AI-Assistenten, der bei umfangreicheren Recherchen unterstützt und Rückfragen stellt, um die Bedürfnisse der Nutzer*innen noch besser zu verstehen und noch punktgenauere Antworten zu liefern.
Mit der Copilot-Funktion von Perplexity.ai lassen sich umfangreichere Suchanfragen und Recherchen durchführen; hier beispielsweise für einen Urlaub im Sommer 2024. Hinter den Nummern verbergen sich Links zu Quellen.
Nutzer*innen der kostenpflichtigen "Pro"-Version von Perplexity.ai (diese kostet 20 US-Dollar im Monat) können aus verschiedene Sprach- und multimodalen Modellen wählen, die ihnen ihre Antworten geben. Zur Auswahl stehen zwei eigene Modelle von Perplexity sowie GPT4 von Open AI und Claude 2 von Anthropic.
Zehn Millionen MAU in einem Jahr
Zehn Millionen Monthly Active User hat Perplexity.ai seit dem Start im August 2022 nach eigenen Angaben schon gewinnen können; mehr als eine Million Menschen sollen die App auf ihrem Handy installiert haben. Im Jahr 2023 hätten die Nutzer*innen mehr als eine halbe Milliarde Anfragen über den Dienst gestellt. Das klingt viel – verblasst aber vor Schätzungen, dass Google jeden Tag (!) 8,5 Milliarden Suchanfragen beantwortet.
Aravind Srinivas, Gründer und CEO von Perplexity.ai, war früher selbst für Google tätig: zuerst als Praktikant im Forschungs-Team der KI-Tochter Deepmind in London, dann im Hauptquartier in Mountain View. Von dort wechselte er zu einer Assistentenstelle bei Open AI. Auch seine Mitgründer haben eine PR-wirksame Vita: Technikchef Denis Yarats forschte davor bei Meta für mehrere Jahre im KI-Bereich; Chief Strategy Officer Johnny Ho war in New York im Hochfrequenzhandel tätig. Als Beiratsmitglied ist auch Andy Konwinski an Bord, Mitgründer des Analyse-Software- und KI-Unternehmens Databricks, das mittlerweile 43 Milliarden US-Dollar wert sein soll.
Die Gründer von Perplexity.ai (von links): Johnny Ho, Aravind Srinivas und Denis Yarats
Nvidia investiert in Perplexity
Diese engen Verflechtungen mit der US-Tech-Szene dürften es den Perplexity-Gründern sicherlich leichter gemacht haben, in der jüngsten Series-B-Runde 73,6 Millionen US-Dollar an Investor*innen-Geld einzusammeln. Die Gesamt-Funding-Summe beläuft sich damit auf 100 Millionen US-Dollar. Laut dem Wall Street Journal (WSJ) soll die aktuelle Bewertung von Perplexity.ai bei 520 Millionen US-Dollar liegen. Für Otto-Normal-User große Summen – aber angesichts anderer Summen (750 Millionen US-Dollar Funding von Anthropic beispielsweise) fast schon Peanuts.
Größere Wellen geschlagen haben da die Namen der Geldgeber*innen der jüngsten Funding-Runde von Perplexity. Neben dem Lead-Investor Institutional Venture Partners (IVP) finden sich der billionenschwere Chip-Hersteller Nvidia, Amazon-Gründer Jeff Bezos (mit seinem Bezos Expeditions Fund), Shopify-Gründer Tobias Lütke, Bessemer Venture Partners und Angelliste-Mitgründer Naval Ravikant auf der Liste.
Zwei führende Google-Manager sind auch beteiligt
Laut WSJ sollen Google-Managerin und Ex-Youtube-CEO Susan Wojcicki (deren Schwester Anne von 2007 bis 2015 mit Google-Gründer Sergey Brin verheiratet war) sowie Jeff Dean, "Chief Scientist" bei Googles und Deepminds Forschungs-Team, schon vor der jüngsten Runde in Perplexity investiert haben. Durchaus pikant angesichts der Offenheit, mit der Perplexity erklärt, den Arbeitgeber der beiden angreifen zu wollen.
Er glaube, dass es auch in Zukunft eine Vielzahl unterschiedlicher Chatbots für verschiedene Bedürfnisse und Zielgruppen geben werde, sagte beispielsweise CEO Aravind Srinivas vor Kurzem bei Bloomberg. "Aber es muss einen einzigen Chatbot geben, auf den man sich in Sachen korrekte, aktuelle Informationen aus dem Web verlässt. Diese Marktchance ist jetzt da und wir wollen sie ergreifen."
Selbst Bing verliert Marktanteile an Google
Dafür, dass dieser Weg lang und steinig sein wird und die Erfolgsaussichten nicht gerade groß sind, weisen diverse Indizien hin. Zum einen hat der Chatbot-Platzhirsch Open AI gemeinsam mit Haupt-Investor Microsoft gerade mehrere Urheberrechtsklagen am Hals, u.a. von der New York Times. So bald Perplexity eine annähernd ähnliche Größe erreicht hat, dürfte der Dienst ebenfalls in den Fokus von Rechteinhabern geraten, die nicht gerade glücklich darüber sein dürften, dass Perplexity ihre Inhalte einfach zusammenfasst, ohne ihnen Traffic zu liefern.
Zum anderen ist die Zahl der Firmen, die Google herausgefordert haben und kläglich gescheitert sind, groß. Die kostenpflichtige Suchmaschine Neeva beispielsweise hat ihre B2C-Version im vergangenen Jahr eingestellt und ist dann vom Software-Unternehmen Snowflake aufgekauft worden. Und Microsoft ist es auch mit einer neuen Version der Suchmaschine Bing, in die ein KI-gestützter, auf Open-AI-Technologie basierender Chatbot integriert ist, nicht gelungen, Google Marktanteile abzunehmen – im Gegenteil.
"Was wir tun, widerspricht Googles finanziellen Interessen"
Aravind Srinivas glaubt, dass Perplexity gar nicht einen besonders großen Marktanteil braucht, um bestehen zu können: "Es müssen uns nur die obersten 5 bis 10 Prozent der Amerikaner mehr nutzen als Google", so der Gründer gegenüber The Information (€). "Wenn das geschieht, macht das schon einen großen Unterschied, weil den Werbetreibenden die Premium-Nutzer am meisten am Herzen liegen."
Perplexitys Vorhaben, den Nutzer*innen mit weniger Sucheingaben und weniger Link-Klicks direkte, personalisierte Antworten zu geben, widerspreche den finanziellen und unternehmerischen Zielen von Google, so Srinivas auf Twitter, mit Verweis auf ein Beweisstück aus der aktuellen US-Kartellrechtsklage gegen Google. In der Mail aus dem Jahr 2019 forderte der damalige Google-Ads-Chef Jerry Dischler den Produktchef Anil Sabharwal auf, die Zahl der Suchanfragen zu erhöhen, um Umsatzziele erreichen zu können.
Monetarisierung mittels Verkaufsprovisionen?
Perplexity verdient aktuell zum einen mit der kostenpflichtigen Pro-Variante Geld, zum anderen mit dem Verkauf der eigenen Software an andere Unternehmen. Laut The Information soll Perplexitys Annual Recurring Revenue (ARR) seit Oktober von drei auf rund sechs Millionen US-Dollar gestiegen sein; das WSJ beziffert den Umsatz auf fünf bis zehn Millionen US-Dollar.
Gegenüber Semafor geht Srinivas aber nicht davon aus, dass alle Nutzer*innen von Perplexity irgendwann ein kostenpflichtiges Abo abschließen. "Manche Menschen werden weiterhin kostenlose, werbebasierte Suchoptionen nutzen." Offenbar denkt der Gründer dabei aber weniger an klassische Werbung, bei der nach Impression oder (wie in Googles Suche) per Klick bezahlt wird, sondern über eine Beteiligung an Transaktionserlösen. Laut dem Semafor-Artikel aus dem Mai 2023 verhandelt Perplexity über solche Modelle bereits mit Instacart und Klarna.
Mehr Nutzer*innen durch Hardware-Partnerschaften?
Und wie will das KI-Startup seine Nutzer*innenbasis weiter ausbauen? Möglicherweise mit Partnerschaften mit Hardware-Hersteller*innen, auf deren Geräte dann Perplexity vorinstalliert ist. Zuletzt übte sich Srinivas auf Twitter im virtuellen Schulterschluss mit dem KI-Assistenten-Hersteller Rabbit sowie dem Gründer von Nothing Phone. Am "AI Pin"-Startup Tab (hier im OMR-Porträt) ist Srinivasan laut seinem Linkedin-Profil als Business Angel investiert.
Zuletzt schlug der Perplexity-Gründer auf Twitter übrigens wieder versöhnliche Töne gegenüber Google an: "Ich bin sehr dankbar für Google und dafür, wie es mir geholfen hat", so Srinivas. Mehr Wettbewerb sei für alle gut; Google müssten keine Marktanteile "weggenommen werden": "Es entsteht einfach ein neues Segment von KI-Chatbots und Forschungsassistenten, und wir hoffen, in diesem Bereich führend und vorbildlich zu sein. Das ist unser Traum."