35 Prozent der Aufrufe über die Tiktok-Suche? Vegan-Köchin Maya Leinenbach zeigt Video-Insights

Torben Lux8.10.2024

Tiktok SEO: Ist die Video-App wirklich auf dem Weg zur Suchmaschine für die Gen Z?

Maya Leinenbach erreicht mit ihren Videos zu veganen Rezepten seit Jahren Millionen Menschen – auch auf Tiktok (Video: tiktok.com/@fitgreenmind).
Inhalt
  1. "Tiktok: The New Google"
  2. Fehlende Insights und Widersprüche in den Daten
  3. Tiktok als Suchmaschine? Das sagt die Plattform selber

Für die Gen Z ist Tiktok die neue Suchmaschine – seit etwa zwei Jahren machen diese und ähnliche Aussagen die Runde in der Branche. Aber ist das wirklich so? Neue Features innerhalb der App deuten zwar immer wieder darauf hin, echte Zahlen und handfeste Cases blieben bisher aber aus. Jetzt hat Maya Leinenbach von Fitgreenmind, die mit ihren veganen Rezept-Videos Millionen erreicht, OMR Einblicke in ihr Dashboard gewährt. Demnach haben bereits knapp 35 Prozent der Aufrufe ihren Ursprung in Tiktoks Suchfunktion.

Lange war Tiktok vor allem eines: die Video-App, die dank enormer viraler Effekte über die For-You-Page Creatorn und Marken zu riesigen Aufrufzahlen verhelfen kann. Dafür brauchte es Videos, die überraschen, bei Usern Emotionen auslösen, laut, bunt und schnell sind. Mit Prabhakar Raghavan bringt dann Mitte 2022 ausgerechnet ein hochrangiger Google-Manager die Video-App auf die Suchmaschinen-Karte. "In our studies, something like almost 40% of young people, when they’re looking for a place for lunch, they don’t go to Google Maps or Search. They go to TikTok or Instagram", so Googles SVP, unter anderem verantwortlich für die Suche. Frei übersetzt: Google sieht Tiktok bereits seit Jahren als Suchmaschine und in dem Feld auch als direkten Wettbewerber (Ob das jetzt ein echtes Eingeständnis oder ein strategischer Schachzug war, um in Zeiten von Tech-Regulierungen einen Wettbewerber "herbeizureden", ist noch mal ein anderes Thema...). Die New York Times ist im selben Jahr gleicher Meinung und schreibt: "For Gen Z, TikTok is the New Search Engine".

Eine ähnliche Entwicklung stellen auch immer mehr Creator selber fest. Maya Leinenbach zum Beispiel. Die Food-Creatorin (hier im OMR-Porträt von 2021), der inzwischen 1,7 Millionen Menschen auf Tiktok, 3,9 Millionen auf Instagram und eine Million auf Youtube folgen, hätte nicht nur bei sich, sondern auch im direkten Umfeld registriert, dass immer mehr User Tiktok gezielt als Suchmaschine nutzen. Im Gespräch mit OMR Anfang 2024 passen lediglich die eigenen Kennzahlen noch nicht so richtig zum Bauchgefühl. Die damals gerade erst gelaunchten Search Insights zeigen nur niedrige einstellige Prozentzahlen beim Anteil für die Suche an den Videoaufrufen ihres Tiktok-Accounts. Echte Relevanz sieht anders aus.

"Tiktok: The New Google"

Fitgreenmind Tiktok SEO Search Anteil.png

Ein Screenshot aus den Tiktok Insights von Maya Leinenbachs Account @fitgreenmind.

Doch das Bauchgefühl, dass Search auf Tiktok ein echter Reichweitentreiber ist bzw. werden kann, bleibt. Auch Marken wie die Steuer-App Smartsteuer sehen das Potenzial. Und laut einer Adobe-Studie hätten bereits 41 Prozent der Befragten Tiktok als Suchmaschine genutzt; innerhalb der Gen Z betrage der Wert sogar schon 64 Prozent. In der diesjährigen "State of the German Internet"-Keynote spricht OMR-Gründer Philipp Westermeyer von einem Fenster, das vergleichbar sei mit den frühen SEO-Tagen bei Google. Und was es bedeuten kann, wenn man das nutzt, zeigt sich seit kurzer Zeit deutlich in den Tiktok Insights von Maya Leinenbach. Denn statt der niedrigen einstelligen Prozentzahlen vom Jahresanfang sind nun deutlich höhere Werte zu sehen – zumindest in der Übersicht für den gesamten Account.

Satte 34,5 Prozent zeigt der Analytics-Bereich von Maya Leinenbachs Tiktok-Account @fitgreenmind für die Kategorie "Suchen" unter den Traffic-Quellen an. Nur die "Für-dich-Seite", also die personalisierte Startseite von Tiktok-Accounts, ist mit 48,8 Prozent noch stärker. Stammen also wirklich über ein Drittel der Video-Aufrufe für den ausgewählten Zeitraum (maximal 365 Tage möglich) aus Tiktoks Suchergebnissen? Die unter den Traffic-Quellen aufgelisteten Suchanfragen geben keinen Aufschluss: In der Übersicht werden bei Maya Leinenbach nicht wie vorgesehen die stärksten Keywords, also Suchanfragen, die den meisten Traffic liefern, angezeigt. Beim Tiktok-Account von OMR nehmen die ersten drei Plätze und damit über 70 Prozent verschiedene Schreibweisen des Markennamens ein.

Fehlende Insights und Widersprüche in den Daten

Nicht zu den Account-übergreifenden großen Anteilen der Suche am Traffic passen allerdings die Insights zu einzelnen Videos auf dem Tiktok-Accoount @fitgreenmind. Seit der Einführung der Funktion Anfang des Jahres bewegen sich die Werte hier bis heute im niedrigen einstelligen Prozentbereich. Mit klarem Abstand die wichtigste Traffic-Quelle auf dieser Ebene ist die Für-dich-Seite. "Selbst bei Top-Performer-Videos sind keine Auffälligkeiten in den Insights erkennbar", sagt Fitgreenmind Co-Gründerin und CEO Kristina Kull gegenüber OMR. Zwar fokussiere sich Maya in ihrer Content-Planung sehr auf Wünsche und Feedback aus ihrer Community, verlässliche Zahlen und Analysen würden aber dennoch helfen, um die Zielgruppe noch besser zu verstehen. Eine Erklärung für die großen Unterschiede der Such-Anteile am Traffic insgesamt und auf Video-Ebene hat das Team bisher nicht.

Angesprochen auf die teilweise stark auseinandergehenden Infos zum Search-Traffic-Anteil im Analytics-Bereich von Tiktok hält sich die Plattform mit konkreten Aussagen bedeckt. Ein Update zum Rollout aktueller und weiterer Search-Features gebe es derzeit nicht, so eine Sprecherin auf OMR-Nachfrage. Gleichzeitig wird aber auf die kürzlich angekündigten Search Ads Campaigns hingewiesen. In den USA können User ab jetzt Suchanzeigen händisch mit Keyword-Targeting versehen und entsprechend optimieren. Das wurde bisher automatisch im Laufe der Kampagnen-Erstellung übernommen. Vorerst nur in den USA verfügbar, soll die Funktion Anfang 2025 auch in anderen Ländern genutzt werden können. "This is just the beginning of our journey with ads for search", ließ David Kaufmann, Global Head of Monetization Product Solutions and Operations dazu verlauten. "TikTok is a destination for discovery and a place where users come to search."

Dass die Plattform das Werbegeschäft innerhalb der Suche pusht, könnte für die bereits bestehende Größe des Kanals sprechen. Denn würden bei frühen Advertisern entsprechende Ergebnisse (Conversions, Leads & Co. zu vergleichbaren oder niedrigeren Preisen bei mindestens ähnlicher Qualität) ausbleiben, könnte eine Chance, sich als echte Alternative zu den großen Performance-Kanälen wie Google, Meta & Co. zu etablieren, schnell wieder verpuffen. Das Wall Street Journal zitiert in einem aktuellen Artikel (€) aus einem neuen Pitch-Deck für die Werbeanzeigen von Tiktok. "Search behaviors have evolved", heißt es dort. Das globale Suchvolumen betrage drei Milliarden Anfragen – pro Tag.

Nur wenige Tage nach den News zu Tiktoks Search Ads Campaigns legte die Plattform direkt mit einer weiteren Neuigkeit im Performance Marketing nach. Mit dem neuen Werbeprodukt namens "Smart+" sollen offensichtlich mehr Performance-Marketing-Budgets angezogen werden. Bei Smart+, quasi der Tiktok-Variante von Googles Performance Max und Metas Advantage+, führt Tiktok die Erstellung der Werbemittel, das Targeting und Bidding automatisiert durch – natürlich mit Unterstützung von KI.

Tiktok als Suchmaschine? Das sagt die Plattform selber

Auch bei Fragen nach der Funktionsweise der Suche zeigt sich Tiktok wenig überraschend eher zurückhaltend. So basieren die Suchvorschläge unter anderem auf häufigen Suchanfragen eines Accounts und geposteten Kommentaren. Unter der Frage "How TikTok recommends content" auf der eigenen Support-Seite werden als weitere Faktoren, die die Suchergebnisse beinflüssen können, außerdem das gesamte Suchverhalten, Likes, Shares, die Watchtime einzelner Videos (wird ein Clip bis zum Schluss angeschaut oder vorher abgebrochen und weitergeswipet?), genutzte Hashtags, Geräte- und Spracheinstellungen sowie der Ort genannt.

Auf was Creator, Marken und alle anderen Account-Inhaber*innen, die den Anteil des über die Suchfunktion erzeugten Traffics erhöhen wollen, ganz konkret achten sollen, beschreibt Tiktok nur recht oberflächlich. Man solle jede Möglichkeit nutzen, um Kontext zu liefern; nicht nur in der Beschreibung und mittels Hashtags, auch Keywords in Captions, den Videos hinzugefügte On-Screen-Texte und Sticker-Texte könnten helfen. Der Rest liest sich dann doch sehr allgemein und dürfte vor allem bei Marketeers mit etwas SEO-Erfahrung kaum mehr als ein Schulterzucken auslösen: Man solle an die eigene Zielgruppe und ihre Interessen denken und qualitativ hochwertigen Content produzieren, der die Fragen von Usern beantwortet. Damit dürften sich SEO-Heads kaum zufrieden geben. Und bei Zahlen wie denen von Maya Leinenbach, die das enorme Search-Potenzial von Tiktok aufzeigen – zur Erinnerung: knapp 35 Prozent ihrer Aufrufe könnten laut Tiktok Analytics aus der Suche stammen – ist wohl eher damit zu rechnen, dass noch viel mehr Account-Betreiber*innen tief in die Suchmaschinenoptimierung einsteigen. Nicht mehr nur bei klassichen Suchmaschinen wie Google, Bing & Co., sondern auch bei Tiktok.

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Torben Lux
Autor*In
Torben Lux

Torben ist seit Juni 2014 Redakteur bei OMR. Er schreibt Artikel und Newsletter, plant das Bühnenprogramm des OMR Festivals, arbeitet an der "State of the German Internet"-Keynote, betreut den OMR Podcast und vieles mehr.

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