The Tech Wars: So malt sich Marketing-Prof Galloway eine stark veränderte Digital-Welt aus

Torben Lux19.6.2020

Der New Yorker Marketing-Professor hat eine ganz eigene Sichtweise auf die Zukunft der Tech-Welt

OMR Scott Galloway Tech Wars
Inhalt
  1. Apple trennt sich von der Google-Suche
  2. Bezahlen, um Twitter nutzen zu können?
  3. Der Entertainment-Super-Merger
  4. Quibi: Gekommen, um nicht zu bleiben?
  5. Vergisst Scott Galloway den Blick nach China?

Kauft Apple wirklich die Suchmaschine DuckDuckGo? Führt Twitter das Abo-Modell ein? Steht eine Fusion von Netflix und Spotify an? Diese und andere Digital-Wirtschafts-Beben prognostiziert zumindest Scott Galloway. Der New Yorker Marketing-Professor ist bekannt für seine teils eigenwilligen, aber immer pointierten Analysen. Und auch wenn nie alle seiner Thesen wirklich eintreten: Mit ihnen auseinandersetzen sollte man sich dank seines einmaligen Blicks auf die Digitalwelt allemal. OMR fasst Galloways aktuelle Sichtweise auf die globale Tech-Welt zusammen und erklärt, was er dabei überraschenderweise zu versäumen scheint.

„Four Weddings & A Funeral“ heißt Scott Galloways jüngster Beitrag seines wöchentlichen Newsletter „No Mercy/No Malice“. Der Marketing-Professor, der seit Jahren als einer der größten Kritiker der Macht globaler Tech-Konzerne gilt (Google, Apple, Facebook und Amazon, kurz GAFA, nennt er beispielsweise „Die vier apokalyptischen Reiter“) und dann auch schon mal die Zerschlagung dieser fordert, rechnet darin mit großen Übernahmen oder Fusionen – unter anderem von der Tatsache getrieben, dass GAFA und andere globale Tech-Player auch während der Corona-Krise weiter an Wert zugelegt haben.

Außerdem stünden die großen Tech-Firmen, allen voran „the Four plus Microsoft“ unter Druck. Sie müssten das Wachstum der vergangenen Jahre vor Investoren bestätigen. Die hohen Erwartungen könnten nur bestätigt werden, wenn die Konzerne neue, Margen-starke Branchen wie Healthcare und Education erschließen und disruptieren.

Apple trennt sich von der Google-Suche

Zwölf Milliarden US-Dollar soll Google an Apple überwiesen haben, damit im Safari-Browser Googles Suchmaschine als Standardeinstellung integriert ist – nur für das Jahr 2019. Für 2018 sollen es immerhin neun Milliarden US-Dollar gewesen sein. Damit wird, wenn es nach Scott Galloway geht, bald Schluss sein. Nicht etwa, weil Microsoft für die Integration von Bing mehr bieten will (wer weiß…), sondern weil Apple auch das Search-Business in seine eigene Wertschöpfungskette integrieren wolle. Und das geht nur mit einer eigenen Suchmaschine.

Option 1: Apple übernimmt DuckDuckGo. Die 2007 gegründete Suchmaschine (hier im ausführlichen OMR-Porträt) setzt voll auf Privatsphäre und verzichtet auf das sonst Markt-übliche Sammeln von persönlichen Daten. Einige Tage vor Galloway hatte bereits Bernstein-Analyst Toni Sacconaghi über eine anstehende Übernahme spekuliert. Eigenen Angaben zufolge kommt DuckDuckGo auf 1,8 Milliarden Suchanfragen im Monat.

Vor einigen Wochen war Scott Galloway im OMR Podcast zu Gast, die Folge findet Ihr hier:

Option 2: Apple baut eine eigene Searchengine. In beiden Szenarien würde Apple vermutlich auf Googles Milliarden des Deals verzichten müssen, müsste sich aber langfristig auch die Werbeeinnahmen nicht mehr teilen.

Bezahlen, um Twitter nutzen zu können?

Scott Galloway macht schon lange keinen Hehl daraus, dass er kein Fan von Twitters CEO Jack Dorsey ist. Im Gegenteil. Ende 2019 veröffentlichte er einen offenen Brief an Twitter mit einer klaren Forderung: „To be clear, my primary objective is the replacement of CEO Jack Dorsey.“ Auch in seinem aktuellen Beitrag kann er sich eine Spitze in Richtung Dorsey nicht verkneifen: „If Twitter had a full-time CEO…“.

Auch wenn die zwei vermutlich keine Freunde mehr werden, zeigt sich Galloway beeindruckt von Twitters jüngsten Entscheidungen, mehrere Tweets von US-Präsident Donald Trump mit Warnhinweisen zu versehen („Recent discovery of their testicles…“). Die große Schwäche Twitters bleibe aber weiterhin das Advertising-Produkt. Während Facebook pro Nutzer im vierten Quartal 2019 über 40 US-Dollar verdient habe, betrage der Wert bei Twitter nur etwa 19 US-Dollar. Der Kurnachrichtendienst habe schlicht nicht die Größe, um da mithalten zu können.

Die für Galloway einzig richtige Lösung: Der Kauf einer oder mehrerer Medienmarken in Schieflage und die Einführung eines Abo-Models. Verifizierte Accounts bis zu 2.000 Followern könnten weiterhin gratis bleiben, größere Account sollten dem Marketing-Professor zufolge je nach Follower-Anzahl zahlen. Eine steile These – würdet Ihr für das Nutzen von Twitter zahlen? Als direkten Konkurrenten nennt er übrigens Linkedin: „Linkedin is much of the great taste of Twitter, an interesting feed full of connections and discovery, without the calories — bots pumping TSLA, death/rape threats, and antivaxers.“

Der Entertainment-Super-Merger

Nur einmal zahlen, aber sowohl Zugriff auf Spotify, als auch auf Netflix haben? Klingt zu schön, um wahr zu sein, ist aber eine These – vielleicht auch eher ein Wunschtraum – Galloways. Die beiden Streaming-Schwergewichte sollten fusionieren und einen Video-Musik-Giganten schaffen. Der Lautsprecher-Hersteller Sonos sollte auch direkt noch mit ins Boot geholt werden. Die Wahrscheinlichkeit, dass das eintritt, dürfte gegen Null gehen.

Quibi: Gekommen, um nicht zu bleiben?

Über den kräftig finanzierten Kurzvideo-Dienst Quibi (1,75 Milliarden US-Dollar haben Investoren reingesteckt) wird derzeit fast ein bisschen schadenfroh gelacht. Gründer und Hollywood-Legende Jeffrey Katzenberg kommentierte den Absturz aus den Top-200 App-Charts zuletzt trocken: „I attribute everything that has gone wrong to coronavirus“. Wenn eine Mobile-Video-App während einer Pandemie weniger als zwei Millionen Nutzer begeistert – okay. Tiktok hat allerdings währenddessen weiter massiv zugelegt.

Scott Galloway hatte Quibi schon im Februar 2020 als Totgeburt bezeichnet und einen massiven Wertverlust prognostiziert. Auch er zeigt jetzt ein wenig Schadenfreude: „It (Quibi) is over. Jesus, that was easy.“ Galloway sieht ein wesentliches Problem im Alter des Gründers Katzenberg (69, u.a. lange Walt Disney Chairman, Dreamworks Co-Founder) und CEO Meg Whitman (63, u.a. lange Ebay CEO). Sein trockener Kommentar: „To my knowledge, there’s never been a successful media-tech firm founded by people in their sixties.“ Er rechnet damit, dass Quibi schon bald die Notbremse zieht und einen Notverkauf anpeilt.

Vergisst Scott Galloway den Blick nach China?

Was auffällt: In seinen jüngsten Prognosen und Analysen geht Galloway nicht auf chinesische Tech-Unternehmen ein. Zu Tiktok, seit Monaten auf globalem Wachstumskurs, äußert er sich beispielsweise nich. Auch nicht im Zusammenhang mit einem der seiner Meinung nach größten Wachstumsmärkten überhaupt: Education. Genau hier will Tiktok (#LearnOnTikTok) jetzt in Europa investieren und gemeinsam mit Universitäten und Experten gezielt Bildungsinhalte erstellen. Mit „Section4“ hatte Galloway übrigens schon Ende 2018 sein eigenes Education-Startup gegründet.

Und auch WeChat-Mutter Tencent, die zuletzt mit weiteren Millionen-Investitionen in der Unterhaltungs-Industrie von sich reden gemacht hat, erwähnt er nicht. Dabei betreffen die M&A-Aktivitäten des Konzerns zum Teil auch direkt die von ihm angesprochenen Unternehmen. So hält Tencent derzeit rund neun Prozent von Spotify, zehn Prozent der Universal Music Group und nach dem jüngsten 200-Millionen-Dollar-Investment auch etwa zwei Prozent der Warner Music Group. Zudem hatte Tencent Ende 2019 verlautbaren lassen, 2020 mehr als zehn Milliarden US-Dollar in Europa investieren zu wollen. Den Konzern bei Prognosen zur Zukunft des Tech- und Entertainment-Marktes außen vor zu lassen, scheint daher etwas seltsam.

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Torben Lux
Autor*In
Torben Lux

Torben ist seit Juni 2014 Redakteur bei OMR. Er schreibt Artikel und Newsletter, plant das Bühnenprogramm des OMR Festivals, arbeitet an der "State of the German Internet"-Keynote, betreut den OMR Podcast und vieles mehr.

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