Börsengang bei Facelift aus Hamburg: „Es ist mittlerweile eine denkbare Option“
Gründer Teja Töpfer und Benjamin Schroeter im Interview
15 Millionen US-Dollar Funding im Februar 2014, Akquisitionen von Socialshaker und Socialbench in 2015, Ausgründung eines Joint Ventures mit Thjnk in 2016 – es läuft ganz offensichtlich rund bei Facelift. Die Kollegen scheinen angekommen zu sein im internationalen Software-Geschäft. Wir hören außerdem immer wieder Exit-Gerüchte. Im exklusiven Interview mit Online Marketing Rockstars erklären die Gründer Teja Töpfer und Benjamin Schroeter, was am Gemunkel dran ist, wie erfolgreich die Zukäufe heute zu bewerten sind und warum plötzlich der Börsengang eine denkbare Option ist.
Ihr kennt die Gerüchte – plant Ihr aktuell, Facelift zu verkaufen? Schroeter: Gerüchte, dass wir übernommen werden sollen, begleiten uns schon seit der Gründung im Jahr 2011. Da haben wir schon die wildesten Sachen gehört. Aber auch seriöse Anfragen sind dabei und das nicht nur aus dem M&A-Bereich. Und natürlich prüfen wir strategisch sinnvolle Optionen sorgfältig.
Und zwar? Schroeter: Sagen wir mal so, es gibt aktuell drei offensichtliche Optionen. Zum einen steht die Tür für eine weitere Investitionsrunde mit dem jetzigen Investor jederzeit offen, um das organische Wachstum weiter zu beschleunigen. Aber auch große VCs und PEs (Anm.d. Red.: Venture Capital und Private Equity) würden sehr gerne bei uns investieren. Die zweite Option ist ein strategischer Partner. Dabei reicht das Spektrum von einer internationalen Vertriebskooperation bis zu der klassischen Eingliederung in einen größeren Konzern. Aber auch ein Zusammenschluss mit einem anderen sehr erfolgreichen Softwareunternehmen ist theoretisch denkbar. Und die dritte Möglichkeit ist ein Börsengang.
Ein IPO käme – zumindest in Bezug auf bestehende Gerüchte am Markt – ziemlich überraschend. Schroeter: Stimmt, wir haben bis vor Kurzem auch nicht wirklich daran gedacht. Seit neuestem werden wir aber erstaunlicherweise häufig von Banken umworben. Dabei war ein IPO auch immer mal wieder ein Thema. Wir haben daraufhin mal Xing und Tipp24 zum Zeitpunkt der Börsengänge analysiert und mit Facelift verglichen. Die Geschäftsfelder der drei Unternehmen sind natürlich unterschiedlich, aber die für den Kapitalmarkt relevanten Finanzkennzahlen und Bewertungskriterien ähnlich. Auf Basis dieser Logik ist ein IPO für Facelift in den nächsten zwölf bis 24 Monaten tatsächlich eine denkbare Option geworden.
Braucht Ihr denn Geld? Schroeter: Nein, wir brauchen kein Geld, um weiter signifikant wachsen zu können. Ein Börsengang wäre aus anderen Gründen strategisch interessant: Beispielsweise schafft er Transparenz für Kunden und hilft beim Recruiting sowie bei der Umsetzung von attraktiven Vergütungssystemen. Aber egal, was wir am Ende machen werden – es wird bei uns nie einen „Scheck-und-Weg-Deal“ geben.
Töpfer: Es ist ganz wichtig, das zu betonen. Wir suchen die unternehmerische Herausforderung – und zwar langfristig. Es steckt viel Herzblut in Facelift. Unser Ansporn ist die Frage: Wie schaffen wir es, das Unternehmen von einem europäischen zu einem globalen Champion zu machen?
Ihr seht Euch also schon als europäischen Marktführer? Schroeter: Ob wir Top 1, 2 oder 3 sind, ist letztlich schwer zu sagen, da es zu wenig öffentliche Daten gibt und die Definition der unterschiedlichen Marktsegmente noch unsauber ist. Dafür ist der Markt noch zu jung. Früher wurden wir häufig mit Socialbakers und Falcon Social (jetzt Falcon.io) verglichen. Der Vergleich zu Socialbakers war lange unpassend, weil sie im Kern nur Social Media Analytics machen. Seit unserem Kauf von Socialbench ist dieser Vergleich etwas valider, da wir jetzt auch in diesem Segment viele neue Kunden gewinnen. Der Vergleich mit Falcon erscheint dagegen immer weniger sinnvoll. Facelift ist weiterhin voll auf Lösungen für professionelles Social Media Management für europäische Kunden fokussiert. Aber letztlich ist das Thema „Wettbewerb“ für uns auch derzeit irrelevant, da der Markt deutlich schneller wächst als die Lieferantenlandschaft. Einen echten Verdrängungswettbewerb werden wir in den nächsten fünf Jahren in Europa mit Sicherheit nicht sehen.
Töpfer: International sind es meist zwei Unternehmen, mit denen wir regelmäßig verglichen werden, weil sie im Prinzip ein ähnliches Produkt wie Facelift anbieten: Sprinklr und Hootsuite. Sprinklr hat vor ein paar Wochen seine sechste Runde an Risikokapital abgeschlossen und somit seit Gründung über 220 Millionen US-Dollar eingesammelt. Angeblich wurden sie dabei mit deutlich mehr als dem zehnfachen ihres Jahresumsatzes bewertet, also mit rund zwei Milliarden Dollar. Auch Hootsuite wird wohl mit deutlich über einer Milliarde US-Dollar bewertet. Interessanterweise haben wir aber gerade in den letzten zwölf Monaten viele Pitches gegen beide Unternehmen gewonnen. Für mich zeigt das: Es geht letztlich um die Leistungsfähigkeit des Produktes und nicht um „Vanity KPIs“ wie Menge an Risikokapital oder Anzahl an Mitarbeitern. Das eine hat übrigens nichts mit dem anderen zu tun. Wir haben beispielsweise deutlich weniger Mitarbeiter als Sprinklr oder Hootsuite, aber anscheinend häufig die von Kunden bevorzugte Lösung. Eine wichtige Erkenntnis für die zukünftige Ausrichtung von Facelift.
Wie viele Mitarbeiter habt Ihr denn aktuell? Schroeter: In Summe sind knapp 200 Mitarbeiter bei Facelift beschäftigt. Davon arbeitet rund ein Drittel im Bereich Produktentwicklung, ein weiteres Drittel in der Vermarktung und der Rest in anderen Bereichen. Und wir glauben, dass diese Mitarbeiteranzahl derzeit die optimale Größe ist. In der nächsten Phase werden wir über den Einsatz von leistungsfähiger Software, optimalen Prozessen und geschicktem Marketing skalieren. Das ist viel profitabler und nachhaltiger, als einfach nur den Headcount hochzudrehen.
Wenn wir gerade bei Profitabilität sind: Wie viel Umsatz macht Facelift eigentlich? Schroeter: Dies exakten Zahlen dürfen wir leider nicht kommunizieren. Wir definieren einen SaaS-Champion aber so, dass man zweistellige Millionen-Umsätze aus wiederkehrenden Lizenzeinnahmen haben sollte. Das schaffen schon weltweit nicht viele und in Europa wird das Feld ganz eng. Deshalb macht es uns schon stolz, dass Facelift innerhalb von gut fünf Jahren in diese Größenklasse hineingewachsen ist.
Also macht das Lizenzgeschäft einen Großteil Eures Umsatzes aus? Schroeter: Absolut. Das SaaS-Modell ist unser Kerngeschäft und wird es immer bleiben. Richtig aufgesetzt ist es eine klassische Win-Win-Situation: Jeder Kunde mietet exzellente Software zu einem fairen Preis – und durch die große Menge an Kunden kann der Anbieter ein sehr stabiles und nachhaltiges Geschäft mit überdurchschnittlich attraktiven Margen betreiben.
Wie überzeugt Ihr Kunden denn im Wettbewerb mit globalen Playern wie Hootsuite und Sprinklr? Schroeter: In erster Linie, wie schon gesagt, mit unserem Produkt. Da überzeugt Kunden häufig die Vollständigkeit und Praxistauglichkeit der Facelift Cloud, die als All-In-One-Lösung eine Sammlung von Einzeltools überflüssig macht. Unsere Lösung ist derzeit in acht Bereiche gegliedert: Publishing, Moderation, Engagement, Benchmarking, Advertising, Trendwatch, Social CRM und Monitoring. Dazu kommt noch die Plattformschicht mit hunderten von Möglichkeiten. Anders gesagt: Alle Anforderungen von Social Media Marketing werden abgebildet – egal für welche Unternehmensgröße. Wir haben zum Beispiel Kunden mit nur 100 Mitarbeitern, aber auch internationale Top-Konzerne mit über 100.000 Mitarbeitern nutzen unsere Lösung.
Töpfer: Dass unser Heimatstandort Deutschland ist, ist für Kunden auch sehr interessant. Datenschutz wird bei uns großgeschrieben, die Datensicherheit überzeugt auch im internationalen Vergleich. Und am Ende geht es natürlich auch um das Preis-Leistungs-Verhältnis. In den USA sind die monatlichen Gebühren für Marketinglösungen deutlich teurer, einfach, weil der Markt auch viel größer ist. Die Adaption auf europäische Verhältnisse scheint Anbietern aus Übersee sehr schwer zu fallen.
Schroeter: Das heißt aber nicht, dass wir uns in einem Preis-Wettbewerb befinden. Ganz im Gegenteil. Seit Gründung heben wir alle sechs Monate die Lizenzgebühr bei Neuverträgen an. Das ist in unserem Segment ganz anders als zum Beispiel bei Adtech, wo die Preise eher runtergehen.
Ihr seht Euch also nicht als Adtech-Unternehmen? Schroeter: Nein. Wir sind ein All-In-One-Anbieter, eine umfangreiche Marketing-Cloud, und kein Spezial-Tool. Adtech ist aus unserer Sicht ein Modul, das selbstverständlich in einer größeren Lösung integriert sein sollte. So ist es auch bei uns.
Wie hilfreich waren aus heutiger Perspektive die Zukäufe von Socialbench und Socialshaker? Schroeter: Beide waren aus unterschiedlichen Gründen sehr erfolgreich. Socialshaker war eine Erweiterung des Geschäftsmodells und läuft selbstständig als reines Online-Produkt. Socialbench war der Beweis für einen erfolgreichen Produktzukauf im Enterprise-Segment. So wurde Social Media Analytics quasi unser achtes Modul und ist mittlerweile vollständig in die Facelift Cloud integriert. Nach Abschluss der Übergangsphase für Bestandskunden von Socialbench werden wir die Firma stilllegen. Ich denke, das wird so innerhalb der nächsten sechs Monaten passieren. Wie gesagt: Wir glauben, die Zukunft gehört vollständigen Lösungen. Daher konzentrieren wir uns voll und ganz auf die kontinuierliche Erweiterung und Perfektion der Facelift Cloud. Dafür sind auch weitere Zukäufe denkbar.
Und wie ist der Stand bei Upljft, dem Joint Venture mit Thjnk? Töpfer: Das, was wir mit dem Projekt vorhaben, kommt so langsam in der Branche an: die Kombination von Performance-Marketing und anspruchsvollem Branding. Trotzdem sind wir noch sehr früh dran. Wir sind „Market Maker“ und bekommen sehr gutes Feedback von (potenziellen) Kunden. Upljft hat erste Kampagnen mit richtig großen Kunden gemacht und ist profitabel.
Wann kommt die Integration von Snapchat? Töpfer: Bei Snapchat ist die öffentliche Wahrnehmung viel weiter, als die Realität. Von Advertisern wird das bei uns noch überhaupt nicht nachgefragt. Und wir beschäftigen uns technisch erst richtig mit einer Plattform, wenn es eine offene API gibt. Das ist immer ein Zeichen, dass sich die jeweilige Plattform am Markt durchgesetzt hat. Speziell für das neue Instagram-Feature Stories gibt es zum Beispiel noch keine API. Wir schauen aber auch schon auf VKontakte und Sina Weibo.
Schroeter: Bei Snapchat sind wir jetzt gerade da, wo wir mit Facebook vor sechs Jahren waren. Phase eins, die Leute wollen wissen, was das ist, es gibt Workshops usw. Die zweite Phase beginnt erst, wenn die App komplett im Alltag bzw. bei den Massen angekommen ist und die dritte, wenn Werbung gebucht wird. Wie weit eine Plattform ist, sieht man auch immer ganz gut an unseren Kunden, die ein sehr repräsentatives Panel über viele verschiedene Industrien und Größenklassen sind. 80 Prozent der Aktivitäten konzentrieren sich da immer noch auf Facebook – obwohl wir alle anderen Plattformen auch in der Lösung integriert haben. Facebook ist für viele Unternehmen immer noch das Powertool für skalierbares Marketing.
Wenn der IPO dann bald kommen sollte, zu welcher Bewertung? Schroeter: Das hängt ja immer stark von vielen Faktoren ab wie zum Beispiel Geschäftsmodell, Wachstumsrate und Nachhaltigkeit. Bei Facelift passt das alles. Uns wird immer wieder gesagt, dass Unternehmen mit unserem Profil in Europa mit der Faustformel „sechs bis acht mal jährliche wiederkehrender Lizenzumsatz“ taxiert werden. Wenn das so ist und man ein zukünftiges Wachstum von 50 Prozent pro Jahr berücksichtigt, kann man sich ja jetzt ungefähr ausrechnen, wie die Unternehmensbewertung bei einem IPO in ein bis zwei Jahren wäre.
Danke für das Gespräch.
Die FACELIFT brand building technologies GmbH wurde am 8. Februar 2011 ins Handelsregister eingetragen. Im Februar 2014 sammelte das Unternehmen 15 Millionen US-Dollar in einer Serie-A-Finanzierungsrunde ein. Die Gründer Benjamin Schroeter und Teja Töpfer halten noch jeweils 33 Prozent der Anteile. Im August 2015 übernahm Facelift das französische Social-Media-Marketing-Unternehmen Socialshaker, im Dezember desselben Jahres folgte die Hamburger Social-Media-Management-Software Socialbench. Ebenfalls Ende 2015 gründete Facelift gemeinsam mit der Kreativagentur Thjnk das Joint Venture Upljft. In der aktuellsten im Bundesanzeiger einsehbaren Bilanz steht für das Jahr 2014 ein Forderungsvolumen in Höhe von rund sechs Millionen Euro und noch ein Jahresfehlbetrag von etwa 2,4 Millionen Euro.