Das sind die Marketing-Tricks der NFT-Creator
Whitelists, Airdrops, Roadmaps: Ein NFT-Experte und ein Werbepsychologe erklären NFT-Verkaufstaktiken
- Die Marketingschlacht hat begonnen
- Whitelists: Die virtuellen Gästelistenplätze
- FOMO lockert den Geldbeutel
- NFT-Geschenke im Wert von 20.000 Euro
- Gary Vee kritisiert Airdrops
- Gamification triggert unser Belohnungssystem
- The Roadmap to Success
In kaum einer Branche wird aktuell so aggressiv geworben, wie im Bereich der NFTs. Welche Tricks und Strategien verwenden die Creator:innen dabei besonders gerne – und welche davon funktionieren gut? OMR hat mit NFT-Experte Jürgen Alker und Verkaufspsychologe Matthias Niggehoff gesprochen.
Wer NFTs verkaufen will, der geht als Erstes zu Opensea. Die Plattform gilt als größter und wichtigster Marktplatz für die gehypten digitalen Sammlerstücke. Aktuell bieten Creator:innen dort über 80 Millionen NFTs an, insgesamt sollen seit der Gründung 2017 über 18 Milliarden Euro Handelsvolumen generiert worden sein. Dabei sind NFTs längst noch nicht im Mainstream angekommen. Und das stellt die Seller vor eine Reihe von Problemen.
Die Marketingschlacht hat begonnen
Zum einen gibt es für die Millionen angebotenen NFTs zu wenig Kundschaft: Opensea hat gerade einmal rund 1,3 Millionen aktive User. Hinzu kommt, dass die Branche nach einem rund einjährigen Mega-Hype immer mehr in Verruf gerät. Zu viel Betrug, zu viel Gier, zu wenig Nachhaltigkeit, so lauten die Vorwürfe. Kein Wunder also, dass sich die Macher:innen hinter den Projekten längst in einer Marketing-Schlacht um ihre wenigen Kunden wiederfinden.
Um die für sich zu gewinnen, setzen die Seller durchaus auf altbewährte Marketingstrategien: Drops etwa nutzen Fashionmarken wie Supreme oder hierzulande vor allem 6PM bereits seit Jahren erfolgreich, um einen Hype für ihre Produkte zu kreieren (OMR schrieb bereits 2018 darüber). Nahezu jede Brand greift auch heutzutage auf Promis und Influencer:innen zurück (wie genau das die wertvollste NFT-Kollektion der Welt macht, erfahrt Ihr hier). Doch manche Marketinghacks der NFT-Macher, wie etwa Airdrops, sind neu. Und wiederum andere, wie zum Beispiel Gamification oder Whitelists, beinhalten zumindest eine neue Spielart. OMR hat sich die wichtigsten genauer angeschaut.
Whitelists: Die virtuellen Gästelistenplätze
Whitelists sind eine besonders beliebte Marketingstrategie der NFT-Branche – dabei ist die Erfindung noch jung. „Anfangs war keine Kollektion ausverkauft“, sagt Jürgen Alker. Er machte als Marketing-Chef von Eastpak einst den Rucksack in Deutschland berühmt, heute hält er Masterclasses und berät Unternehmen zum Thema NFTs. Mit dem immer größer werdenden Andrang gewinnen die Whitelists an Beliebtheit.
Wer auf der Whitelist eines NFT-Projekts steht, hat Vorrang beim Launch der Kollektion, erhält das Werk meist zu günstigeren Preisen als auf Plattformen wie Opensea, wo die NFTs allen Interessierten zur Verfügung stehen. Whitelists sind die Gästeliste der NFT-Welt, wer sich für ein Projekt interessiert, will auf ihr landen. Wie Nutzer:innen das schaffen, ist nicht genau festgelegt. „Entweder du kennst die richtigen Leute oder du fällst positiv in der Community auf“, erklärt Alker.
FOMO lockert den Geldbeutel
Manche User würden sich deshalb auf Discord engagieren, etwa in dem sie ständig offene Fragen anderer Mitglieder beantworten. Andere würden Fan-Art malen in der Hoffnung, so einen der begehrten Whitelisten-Plätze zu ergattern. Das fördere nicht nur das Engagement in der Gruppe, sondern erzeuge auch eine große Fear of Missing Out, sagt Niggehoff: „Wer nicht auf die Whitelist kommt, den trifft die FOMO. Der kauft im Zweifelsfall auf dem Sekundärmarkt zu einem viel höheren Preis.“
Nicht immer tritt diese Angst zu Unrecht auf: Manche Kollektionen steigen nach dem Launch um ein Vielfaches im Wert. Für ein Doodles-NFT etwa zahlte User beim Mint rund 350 Euro. Heute kostet das Günstigte rund 30.000 Euro. „Die Leute wissen: Wenn du es bei besonders gehypten Projekten auf die Whitelist schaffst, ist das wie ein Sechser im Lotto“, sagt Alker.
NFT-Geschenke im Wert von 20.000 Euro
Wer über die Whitelist oder den Sekundärmarkt ein NFT kauft und so zum Teil einer Community wird, kann sich hin und wieder über einen Airdrop freuen. Airdrops sind eine Werbeaktion, bei der Creator:innen den bisherigen Besitzer:innen neue NFTs in ihre Wallet schicken. Anders gesagt: „Du schenkst allen ein NFT, die schon ein NFT von dir haben“, sagt Alker.
Yuga Labs etwa, die Macher hinter dem Erfolgsprojekt Bored Ape Yacht Club, schickten allen Inhaber:innen eines Bored Ape-NFTs einen Mutant Ape gratis in ihre Wallet. Die Übrigen wurden auf Opensea verkauft. CloneX-Besitzer:innen konnten sich am vergangenen Heiligabend über den Zugangstoken zu einem „Spacepod“ in ihrem Wallet freuen, einer virtuellen Galerie für die eigene NFT-Sammlung. „Das ist als wärst du Aktionär und würdest dafür noch mehr Aktien geschenkt bekommen“, sagt Alker. Er habe mittlerweile mehrere Airdrops von CloneX erhalten. Gesamtwert: Rund 20.000 Euro.
Gary Vee kritisiert Airdrops
„Das ist der große Unterschied zu herkömmlichen Geschäftsmodellen: Creator:innen verkaufen ihr Produkt nicht einmalig. Sie können ihre NFTs verschenken, weil sie an den Wiederverkäufen beteiligt sind“, erklärt Alker. Verkauft ein Nutzer also seinen Mutant Ape, erhält Yuga Labs eine Provision. Matthias Niggehoff nennt das den „Geschenketrick“: „Wenn wir etwas geschenkt bekommen, senkt das unseren Cortisolspiegel, also das Stresshormon. Das heißt: Es beruhigt uns.“
Das sei vor allem für jene Käufer:innen gut, die wegen des teuren Kaufs zuvor mit sich hadern. „Ein Geschenk senkt nicht nur unseren Stresslevel, der Wert des zuvor gekauften Produkts steigt und die Angst eines Fehlkaufs wird reduziert“, sagt er. Airdrops beugen also auch Panikverkäufen vor, sollte der Wert der Kollektion plötzlich drastisch sinken.
Ein großes Problem der Airdrops: Sie lassen sich nicht verhindern. Das ist besonders für Prominente wie Gary Vee ein Problem. Der Unternehmer erhalte ständig ungefragt NFTs in seine Wallet geschickt. Die Creator:innen können so behaupten, sie hätten prominente Unterstützung. Vee, der selbst als NFT-Vorreiter gilt, prangerte das am vergangenen Mittwoch auf Twitter in einem Video an. „Könnt Ihr bitte damit aufhören? Ihr wirkt dadurch wie Wahnsinnige“, so Vee in dem Video (Übersetzung von OMR).
Gamification triggert unser Belohnungssystem
Bei vielen Airdrops gibt es eine mehrwöchige Phase zwischen dem Mint und dem Reveal, also dem Moment, in dem die Käufer:innen das Kunstwerk zum ersten Mal sehen, das sie gekauft haben. Erst dann können sie auf Plattformen wie Rarity Tools prüfen, welchen Seltenheitswert ihr NFT hat. Und damit auch, welchen Marktwert es hat.
RTFKT nutzt aktuell die Zeit bis zum Reveal der ersten NFT-Kollaboration mit Sportartikelhersteller Nike, von dem sie jüngst aufgekauft wurden, in dem sie die Community mit Games unterhält. Auf Twitter lässt RTFKT die Community kryptische Rätsel lösen. Mit jeder Lösung erhält das NFT, eine metallene Box, einen zusätzlichen Riss. Solange, bis RTFKT sie öffnet.
Nichts reize das Belohnungssystem so sehr wie Gamification, sagt Niggehoff. Außerdem komme hierbei der Ikea-Effekt zum Tragen: „Der wahrgenommene Wert eines Produkts wird für mich größer, wenn ich es selbst zusammenbaue“, so Niggehoff. Gamification steigert also den wahrgenommenen Wert des NFTs. Gleichzeitig sei man dadurch laut Niggehoff dazu bereit, mehr Geld zu bezahlen und größere Verluste hinzunehmen. „Problematisch wird es dann, wenn die Verlustangst so groß wird, dass es uns schwer fällt, mit dem Investieren aufzuhören“, sagt er. Ein ähnliches Problem wie beim Glücksspiel.
The Roadmap to Success
Eine der größten Schwierigkeiten für NFT-Creator:innen: Ist die eigene Kollektion erst vergriffen, gilt es, die Leute weiter im Projekt zu halten. „Viele arbeiten auf den Launch hin und wissen danach nicht, wie sie weitermachen sollen“, sagt Alker. Die wenigsten Fans seien an einer einmaligen Marketing-Aktion interessiert, sie würden langfristigen Mehrwert wollen. Schüren Projektemacher oder Unternehmen falsche Erwartungen, könne sich das negativ auf die Brand Reputation auswirken.
Ein Teil der Lösung: Eine Roadmap. Die Chance transparent zu sein und Interessenten zu zeigen, dass das Projekt langfristig angelegt ist. Die meisten seien dabei zu unkreativ, findet Alker. „Viele schreiben davon, ins Metaverse gehen zu wollen oder Merchandise zu verteilen.“ Selten gäbe es konkretere Pläne. RTFKT hingegen hätte über Monate genau erklärt, was sie vorhaben. So hätte es das Unternehmen geschafft, die Fans im Projekt zu behalten.
Wer die eigene NFT-Kollektion bewerben will, steht aktuell vor einer großen Hürde, die jedem NFT-Projekt zugrunde liegt. „Die Creator:innen müssen das Gefühl bei den Käufer:innen kompensieren, das Produkt nicht in den Händen halten zu können“, sagt Matthias Niggehoff. Das gestaltet sich oft schwierig, insbesondere weil sie sich unter Betrügern hervortun müssen und die Produkte schnell mehrere Tausend Euro kosten können. Airdrops, Gamifications, Whitelists und Roadmaps seien aber bereits gute Strategien, um das zu vergessen.