Kuriosum „Brandless“: Mit ausschließlich 3-Dollar-Produkten zur 240 Millionen-Finanzierung
Was steckt hinter der enormen Finanzierung durch Softbank als Leadinvestor?
- Warum ist Brandless Softbank 240 Millionen US-Dollar wert?
- Umsätze und Kundenzahlen bleiben unbekannt
- Membership, Referral-Programm und Spenden
- Wird Brandless das zweite Flipkart für Softbank?
Der Shop brandless.com ist erst ein Jahr online, bietet nur rund 300 Produkte des alltäglichen Bedarfs an, alle kosten genau drei US-Dollar. Klingt im ersten Moment wenig spektakulär. Jetzt hat das junge Unternehmen aber in einer Serie C-Runde mit Softbanks Vision Fund als Leadinvestor 240 Millionen US-Dollar einsammeln können. Was sich der japanische Konzern, der rund ein Drittel der Anteile an Alibaba hält, von der Finanzierung erhofft und was Brandless mit dem Geld vorhat, lest Ihr hier.
Toilettenpapier aus Zuckerrohr und Bambus, Bio Kokosnussöl, Gesichtspeeling und glutenfreie Schokoladenriegel haben gleich zwei Dinge gemeinsam: Sie sind allesamt Bestseller beim Online-Shop brandless.com – und sie kosten jeweils drei US-Dollar. Auf diesem Prinzip basiert das Geschäftsmodell des 2016 von Tina Sharkey und Ido Leffler gegründeten Unternehmens, das im Juli 2017 den Shop launchte. Außerdem verzichtet das Startup – daher auch der Name – auf Marken. Es werden lediglich Produkte der Eigenmarke angeboten. Von einem Artikel, beispielsweise Zahnpasta, gibt es nur eine Sorte.
Auf der Website beschreiben die Macher die Idee von Brandless so: „Our Mission: Better stuff, fewer dollars. It’s that simple.“ Der Fokus liege unter anderem auf hoher Qualität, fairen Preisen und Transparenz. Dass Produkte, häufig in Bio-Qualität, so günstig angeboten werden können, ist durch das Wegfallen der vom Unternehmen so betitlten „BrandTax“ möglich. Es gibt keine Zwischenhändler, der Kunde zahlt nicht für einen Markennamen.
Warum ist Brandless Softbank 240 Millionen US-Dollar wert?
Die Idee, auf Zwischenhändler zu verzichten, ist nicht neu („Cut out the Middle Man“). Sogenannte „Vertically Integrated Brands“ zeigen seit einigen Jahren, dass vor allem in Nischen durch den Wegfall einzelner Stufen in der Wertschöpfungskette höhere Margen erzielt und starke Marken aufgebaut werden können. Die bekanntesten Beispiele sind hier das Rasierklingen-Abo vom Dollar Shave Club und das Brillen-Startup Warby Parker. Das Modell findet Anwendung für überteuerte Limonade (Dirty Lemon), smarte Koffer (Horizn Studios) und Matratzen (Casper).
So richtig reinpassen will Brandless in diese Reihe aber nicht. Der Shop beschränkt sich zwar auf Produkte des täglichen Bedarfs, hat mit aktuell rund 300 Artikeln aber trotzdem eine deutlich größere Auswahl als die genannten Brands. Trotz des Wegfalls der Zwischenhändler dürften die Margen auf Produkte für drei US-Dollar nicht gerade riesig sein. Und eine Brand will Brandless zumindest laut Firmenname ja auch nicht sein. Warum ist das erst ein Jahr aktive Unternehmen Softbank also 240 Millionen US-Dollar wert?
Laut Jeffrey Housenbold, Managing Partner bei Softbank, seien vor allem der Daten-Fokus und die Fähigkeit, Aufmerksamkeit für alltägliche Produkte wie Seife oder Toilettenpapier zu erzeugen, Alleinstellungsmerkmal und Key Selling Point. Vielleicht haben auch die Seed-, A- und B-Runde in Höhe von insgesamt 52,5 Millionen US-Dollar für Aufmerksamkeit gesorgt. Da waren unter anderem Googles Investmentarm GV, Redpoint, Basktetball-Profi Stephen Curry und Justin Biebers Manager Scooter Braun dabei.
Umsätze und Kundenzahlen bleiben unbekannt
Wie viel Brandless aktuell umsetzt, wie groß die Warenkörbe sind und wie viele Kunden das Unternehmen hat, ist nicht bekannt. Laut dem Statistikdienst Similarweb kam die Webseite im Juni auf rund 1,1 Millionen Visits. Und die Social Media-Profile deuten zumindest an, dass sich die Nicht-Brand in kürzester Zeit einen Namen aufbauen konnte. Dort teilt das Team News in eigener Sache, Ankündigungen und vor allem Content (Rezeptideen, Hintergründe und Infos zu Produkten) vom eigenen Blog.
Bei Facebook kommt das Startup auf über 500.000 Likes (inklusive dutzende aktive Anzeigen in den USA), bei Instagram sind es 251.000 Abonnenten, bei Pinterest 1,2 Millionen Betrachter pro Monat und auf Twitter immerhin noch 12.500 Follower.
Membership, Referral-Programm und Spenden
Neben Infos zu Kunden und Umsätzen gibt es noch eine große Unbekannte bei Brandless. Für 36 US-Dollar im Jahr bietet das Unternehmen eine Mitgliedschaft an – wie viele Kunden das nutzen, ist nicht bekannt. Der einzige unmittelbare Mehrwert: Er spart sich damit die Lieferkosten und so laut Brandless im Schnitt 120 US-Dollar pro Jahr. Ein weiteres Verkaufsargument, mit dem sich das Startup gleichzeitig positioniert, sind Spenden an die Hilfsorganisation Feeding America. Bei Abschluss der Mitgliedschaft werden zehn Mahlzeiten gespendet, bei jeder Bestellung zwei. Ein Brandless-Member soll im ersten Jahr so im Schnitt für 58 gespendete Mahlzeiten sorgen. Nach der Rechnung wären das 24 Bestellungen pro Mitglied in den ersten zwölf Monaten ((58-10)/2).
Wie bei so vielen Startups soll auch bei Brandless ein eigenes Referral-Programm für schnelles Wachstum sorgen. Für jeden neu geworbenen Kunden bekommt man sechs US-Dollar. Mit Hilfe der jüngsten Finanzspritze soll zum Jahresende außerdem langsam die Produktpalette auf rund 400 Artikel erweitert werden, um mehr Kaufreize zu schaffen. Zusätzlich soll in die Logistik investiert werden, um das Liefergebiet zu erweitern.
Wird Brandless das zweite Flipkart für Softbank?
Trotz zahlreicher Variablen und nicht bekannten Kennzahlen dürfte das Kunden- und Umsatzwachstum von Brandless sehr positiv sein. Bei den niedrigen Preisen wird es vor allem um Masse gehen: volle Warenkörbe und wiederkehrende Käufer sind da essenziell. Softbank wird erkannt haben, dass die Entwicklung in diesen Bereichen stimmt. Schließlich ist der japanische Konzern schon recht umtriebig im E-Commerce-Bereich: Er hält fast ein Drittel aller Anteile an Alibaba. 2017 hatte Softbank außerdem 2,5 Milliarden US-Dollar in das indische Alibaba-Pendant Flipkart investiert – um die Anteile nicht mal ein Jahr später für rund vier Milliarden US-Dollar an Walmart zu verkaufen.
Ob Softbank auch bei Brandless auf einen schnellen, gewinnbringenden Verkauf der Anteile setzt, bleibt abzuwarten. Gründerin Tina Sharkey erhofft sich auf jeden Fall eine langfristige Zusammenarbeit und Synergien mit anderen Firmen aus dem Portfolio: „SoftBank’s deep experience in e-commerce, global network and long-term perspective will help us accelerate our mission to make better stuff accessible and affordable for more people“, heißt es in der Pressemitteilung zur Finanzierungsrunde.