Melitta hat jetzt eine eigene KI – warum Ihr das nachbauen solltet

Robert Tusch6.9.2024

So will die traditionelle Kaffeemarke aus Minden den Sprung ins KI-Zeitalter schaffen

Melitta-KI
Melitta zeigt, wie Unternehmen die KI-Transformation angehen sollten (Dieses Bild wurde natürlich mit Hilfe von KI erstellt...)

Für viele KMU ist die Integration von künstlicher Intelligenz in die Geschäftsprozesse eine Herausforderung. Das Familienunternehmen Melitta zeigt, wie es gehen kann. Mit der eigenen KI "Melina" und der gezielten Schulung von Mitarbeitenden bereitet sich das Unternehmen auf die KI-Transformation vor. Im OMR Report "KI im Marketing" erzählt Projektleiter Paul Töws, wie Melitta KI-Use-Cases findet und welche Maßnahmen es dafür getroffen hat. Hier lest Ihr den ganzen Case und bekommt Tipps für Eure KI-Integration.

Erste Schritte bei Melitta

Genau wie viele andere Unternehmen hatte auch Melitta 2022, als ChatGPT große Wellen schlug, erst einmal wenig Vorerfahrungen mit dem Thema künstliche Intelligenz. Paul Töws und sein Team nahmen sich dieser Herausforderung an und setzten sich das Ziel, KI im Unternehmen zu etablieren. 

Das Team sammelte erste Erfahrungen mit dem Umgang von ChatGPT – und erkannte, welche Potenziale die Technologie mit sich bringen würde. Um die Mitarbeitenden auf diesen Wandel vorzubereiten, richtete Melitta spezielle Trainings- und Testgruppen ein. Diese Gruppen wurden mit dem Ziel gegründet, die KI-Kompetenz der Mitarbeitenden aufzubauen und zu ermitteln, in welchen Bereichen KI im Unternehmen einen Mehrwert bieten kann.

Das Interesse war größer als gedacht. "Geplant war ursprünglich eine Trainingsgruppe von 30 Leuten", erzählt Paul Töws, Projektleiter und Product Owner Digital Transformation der Melitta-Gruppe. "Am Ende haben wir die Anzahl der Plätze auf 60 erhöht. In der ersten Runde gingen mehr als 100 Anmeldungen bei uns ein."

Strategischer Kompetenzaufbau als wichtigster Hebel

Der Kompetenzaufbau ist dabei der erste große Hebel im KI-Playbook des Unternehmens. In den Trainings- und Testgruppen erlernten die Melitta-Mitarbeitenden entweder mit externer Unterstützung oder selbstgeführt den Umgang mit KI im Arbeitsalltag sowie die richtige Nutzung des eigens erstellten Sprachmodells "Melina" (dazu gleich mehr). 

"Wir haben versucht, mögliche Bedenken frühzeitig zu adressieren", erklärt Paul. Zu Beginn gab es auch Kolleg*innen, die mit der KI-Integration vor allem eine Angst um ihren Job verbunden haben. "Wir haben immer wieder unseren zentralen Standpunkt vermittelt, dass KI bei Melitta ganz bewusst nur eine Unterstützung sein und niemals die Menschen ersetzen soll." Auch deshalb haben sich Paul und sein Team dazu entschieden, das Projekt nicht hinter verschlossenen Türen zu starten, sondern direkt von Beginn an, alle Mitarbeitenden auf zunächst freiwilliger Basis mitzunehmen.

So identifiziert Melitta KI-Use-Cases

Im Rahmen der Schulungen lag ein besonderer Fokus auf der Identifizierung von Anwendungsfällen (Use Cases) für KI. Die Mitarbeitenden diskutierten in Kleingruppen darüber, wie und wo KI im Unternehmen eingesetzt werden könnte – etwa in Bereichen wie Marketing, Vertrieb, HR, Customer Service etc. Aus dem Brainstorming entstanden 30 valide Cases, die die Kleingruppen im Anschluss ausarbeiteten. "Wir mussten uns am Ende natürlich auf eine bestimmte Anzahl an Use Cases einigen, die wir umsetzen. Also haben wir Pitches organisiert", erklärt Paul. 

In den Test- bzw. Trainingsgruppen wurden im ersten Schritt alle Use Cases vorgestellt und Favoriten ausgewählt. Im zweiten Schritt entschied dann eine Jury aus internen und externen Expert*innen, welche Anwendungen bei Melitta priorisiert umgesetzt werden sollten. Innerhalb des Prozesses wurden die Cases nach Kriterien wie Machbarkeit, Verwendbarkeit, Relevanz, Kosteneinsparungspotenzial, Effizienzsteigerung, Investitionshöhe und Risiko beurteilt. Der Gesamtblick auf den Einfluss für den jeweiligen Geschäftsbereich oder auf die gesamte Melitta-Gruppe war schlussendlich entscheidend.

KI-Bot im Kundenservice und zum internen Austausch

Zwei der Gewinner waren zum einen der AI-Service-Bot zur Unterstützung der Service-Mitarbeitenden und zum anderen die Erstellung eines Consumer and Shopper Insight Hubs. Der Service-Bot soll dem Kundenservice von Melitta dabei helfen, Lösungen für (technische) Probleme von Kund*innen zu finden und damit intern die Effizienz des Service-Teams zu steigern.

Melitta-KI Service-Bot

Der KI-Service-Bot unterstützt den Kundenservice bei der Problemlösung. Quelle: OMR Report "KI im Marketing – Professional Guide"

Der zweite Use Case soll Informationssilos im Unternehmen aufbrechen. Marktforschungen wurden bis dato zwar von verschiedenen Unternehmensbereichen beauftragt, die Ergebnisse aber häufig nicht teamübergreifend geteilt. Hier soll ein KI-Bot helfen, der die Marktforschungsergebnisse bündelt, aufbereitet und von allen Mitarbeitenden genutzt werden kann.

Melitta-KI Recherche

Ein interner Bot zum Austausch von Analyseergebnissen – das ist der zweite KI-Use-Case von Melitta. Quelle: OMR Report "KI im Marketing – Professional Guide"

Eigenes KI-Tool für Mitarbeitende

Bei den Schulungen und der Use-Cases-Findung blieb es aber nicht. Parallel dazu stellten Paul und sein Team schnell fest, dass sie ein eigenes KI-Tool benötigen, um die gewünschten Anwendungen umzusetzen. "Unsere Rechtsabteilung hatte Bedenken bei der Nutzung von ChatGPT geäußert, also haben wir mit einem externen Partner ein unternehmenskonformes Tool entwickelt und das auch in den Trainings genutzt", begründet er die Entscheidung. Das Tool ist eine Art geschützte Umgebung und läuft mit einer eigenen KI namens "Melina". Von der Texterstellung über Analysen bis hin zu Recherchen und Brainstormings bietet es alle gängigen Anwendungsfälle, aber eben unter Berücksichtigung der Datensicherheit.

Beim Login finden die Mitarbeitenden zudem Pop-up-Fenster mit Hinweisen, wie man mit dem Tool umgehen sollte, damit sie z.B. keine personenbezogenen Daten in der Anwendung nutzen – ein wichtiges Learning aus den ersten Tests. Außerdem hat sich Melitta dazu entschieden, nur den Mitarbeitenden Zugang zum Tool zu geben, die auch innerhalb der Trainings- und Testgruppen geschult wurden, um das Risiko der falschen Nutzung zu minimieren.

Langfristige KI-Strategie

Das alles waren aber die ersten Schritte der Integration künstlicher Intelligenz. Melitta plant, die KI-Kompetenz weiter auszubauen. Etwa 6000 Mitarbeitende arbeiten in der Melitta-Gruppe, wovon rund die Hälfte für die KI-Trainings relevant ist. "Wir arbeiten an Online-Trainings, um die Anwendung unseres Tools massentauglicher zu erklären", sagt Paul dazu. Zudem sollen weitere interne und externe Expert*innen hinzugezogen werden, um das KI-Know-how zu erweitern.

Langfristig will Melitta erreichen, dass die Mitarbeitenden selbstständig Use Cases finden und auch verschiedene LLMs ausprobieren können. Auf der organisatorischen Seite wird das Unternehmen ein zentrales Team aufbauen, das aus Personen unterschiedlicher Abteilungen innerhalb der Organisation bestehen soll. Ein Vorgehen, das auch von Expert*innen empfohlen wird, wie Ihr im OMR Education Podcast mit KI-Strategin Anna Rüde hören könnt. Der Erfolg der KI-Implementierung bei Melitta wird vor allem an der Effizienzsteigerung und Umsatzentwicklung gemessen. 

Das Beispiel Melitta zeigt, wie ein Unternehmen durch gezielte Schulung, Einbeziehung der Mitarbeitenden und strukturierte Umsetzung von KI-Anwendungsfällen den Sprung ins KI-Zeitalter schaffen kann. Im OMR Report "KI im Marketing – Professional Guide" findet Ihr weitere Best Practices von Unternehmen wie Henkel, Jung von Matt oder IBM sowie konkrete KI-Anwendungen für Euer Marketing-Team. 

Hier könnt Ihr in den OMR Report reinlesen.

Künstliche IntelligenzAIDigitale Transformation
Robert Tusch
Autor*In
Robert Tusch

Robert ist Redakteur bei OMR Education und beschäftigt sich mit allen Themen rund ums digitale Business. Hier veröffentlicht er interessante Cases, die ihm bei seiner Arbeit auffallen.

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