KRUU: Wie diese drei Ex-Agentur-Chefs heute 20 Millionen Euro Umsatz mit Hochzeits-Fotoboxen machen
Mit ihrem Unternehmen sind die KRUU-Gründer Weltmarktführer in dem Bereich und greifen jetzt von Detroit aus den US-Markt an
Wer in den vergangenen Jahren bei einer Hochzeit anwesend war, stand bestimmt schon vor einem dieser Dinger. Viereckige Fotobox, Standfuß, daneben meist vom Brautpaar hindrapierte Bärte, Mini-Hüte und bunte Brillen für einen "fetzigeren Look". Was viele nicht wissen: Hinter der Fotobox steckt ein Millionenbusiness. Marktführer ist das deutsche Unternehmen KRUU, das nach eigenen Angaben in diesem Jahr einen Jahresumsatz von 20 Millionen Euro anpeilt. Wir zeigen, wie aus einer fixen Idee dank cleverer Marketing-Ideen so ein Business werden konnte.
"Wir hatten vorher eine Online-Marketing-Agentur, aber einfach keine Lust mehr auf die intensive Kundenbetreuung", erzählt KRUU-Co-Gründer Philipp Schreiber. Er gründet das Unternehmen 2016 mit Jochen Dolderer und Oliver Grünberg im beschaulichen Bad Friedrichshall bei Heilbronn. "Jochen hat lange als Hochzeits-DJ gearbeitet und weil die Kohle knapp war, hat er damit wieder angefangen" so Schreiber über die Zeit nach Ende der gemeinsamen Agentur. "Er hat dann immer häufiger Fotoboxen entdeckt und wir haben uns das Modell angeschaut und fanden das smart." So fängt das KRUU-Projekt mit dem Verleih von Fotoboxen für Events an.
Marketing-Experimente zum Start
Das Modell ist also nicht neu und allein in Deutschland tummeln sich weitere Player wie "Schickbox", "Foboxy", "Snap-Dat" oder "Fexobox". Vieler der Wettbewerber sind aber eher mit altbackenen Online-Auftritten unterwegs und die Marketing-Profis sehen eine Chance. Sie bauen zuerst einen eigenen Prototypen und merken, dass es Hardware-seitig machbar ist. Bleibt nur die Frage, wie viel Potenzial wirklich im Markt steckt?
"Das Risiko, mit einem Hardware-Produkt zu starten, ist groß. Deshalb haben wir erstmal eine Landing-Page mit einem Fake-Produkt gebaut, Anfrage-Formular und Preis dazugepackt und Google-Ads für 500 Euro geschaltet" so der KRUU-Gründer. "30 Minuten, nachdem wir die Anzeigen geschaltet hatten, kamen im 20-Minuten-Takt die Leads rein. Wir haben dann einfach automatisiert gesagt, wir wären an dem Tag ausgebucht." Zwischen diesem Test im November und dem Start des Geschäfts vergehen nur wenige Monate. Im Februar 2016 startet KRUU mit 20 eigenen Fotoboxen. Und die sind laut Gründer Philipp Schreiber direkt ausgebucht.
Die KRUU-Fotobox im Einsatz.
USP: Logistik richtig hinbekommen
Heute hantiert KRUU mit deutlich größeren Zahlen. "Ab dem Sommer haben wir über 5.000 Fotoboxen auf der ganzen Welt im Einsatz", so Schreiber. "In Spitzenzeiten sind bis zu 3.000 Fotoboxen gleichzeitig unterwegs." Das Geschäftsmodell? Kund*innen bestellen die Fotobox entweder einzeln oder mit zwei Fotodruckern für ihr Event. Die Preise passt KRUU dynamisch an die Buchungssituation an, sie liegen aber zwischen etwa 250 Euro für nur die Fotobox und 440 Euro für die Box mit dem Profi-Fotodrucker. Es gebe aber auch immer wieder Rabatte, sagt Gründer Philipp Schreiber.
Die Mietmodelle von KRUU. Die Preise passt das Unternehmen dynamisch an Auslastung und Veranstaltungszweck an.
Der ganze Prozess aus Bestellungen verarbeiten, Versand und Retouren-Annahme birgt extreme Herausforderungen. Auch der KRUU-Gründer sieht in der Logistik den größten Unterscheider auf dem Fotoboxen-Markt: "Unsere Stärke ist Prozess-Exzellenz. Eine Fotobox haben die anderen auch. Aber Versand, Rückversand, die ganze Organisation, das muss wie ein Uhrwerk ineinander greifen." Denn anders als bei anderen E-Commerce-Themen gibt es bei den Boxen keine Fehlertoleranz bei den Kund*innen. Wenn das Produkt nicht am Hochzeitstag da ist, bekommt man keine zweite Chance. Die Fotobox selbst hat KRUU auch immer weiter entwickelt: "Wir sind mittlerweile bei der vierten Modellversion und verbauen mittlerweile extra für uns hergestellte Bauteile, haben ein integriertes Licht und weniger Kabel. Die Einfachheit für die Kunden steht da im Mittelpunkt", so Schreiber.
In Europa lagern die Geräte auf Flächen von 4.500 Quadratmetern. Neben Deutschland werden die Boxen aus dem Lager auch nach Frankreich, Österreich, Belgien, die Niederlande, Dänemark, Italien, Spanien und Luxemburg. Damit die Prozesse laufen, stelle KRUU jeden Aspekt des Prozesses ständig auf den Prüfstand. Beispiel: Der zeitraubenste Aspekt sind die Retouren, wenn die Fotobox nach dem Event wieder bei KRUU eintrifft. Früher mussten Lagermitarbeitende einen QR-Code am Gerät scannen, um es zuzuordnen. Jetzt spare ein RFID-Chip an den Boxen eine Minute bei diesem Schritt. Macht bei 70.000 verschickten Fotoboxen in der KRUU-Geschichte eine potenzielle Zeitersparnis von über 144 Arbeitstagen. So nähere sich das Team immer weiter dem Optimum in Sachen Logistik.
App als viraler Marketing-Hebel
Von der Logistik-Exzellenz wissen neue Kund*innen vor der ersten Bestellung aber nichts. Wie generiert ader Fotoboxen-Verleiher also immer neue Bestellungen? "Wir geben bei Google und Meta viel Geld aus. Aber wir haben mittlerweile auch über den E-Mail-Funnel unsere Conversions extrem gut optimiert", sagt Gründer Philipp Schreiber. Google und Meta – klar. Aber wie einen E-Mail-Funnel für ein Produkt aufbauen, dass Menschen meist nur ein bis zwei Mal im Leben bestellen?
In der KRUU-App können Brautpaare die Bilder der Box mit ihren Gästen teilen – die sind dann automatisch im KRUU-Ökosystem.
KRUU bekomme potenzielle Kund*innen recht verlässlich in den Mail-Verteiler, die Interesse an einer Box im Voraus zeigen – etwa über das Angebotsformular auf der Webseite. So habe das Unternehmen direkt ein Datum, auf das es mit seinen Mails inkl. besonderen Angeboten hinarbeiten könne. Als weiteres wichtiges Marketing-Tool diene ein selbst gebautes Affiliate-Programm, dass mit einigen Partnern sehr gut laufe. Ideen rund um Influencer Marketing habe das Team schnell wieder verworfen. Die Miete einer Fotobox sei laut Philipp Schreiber eben kein Impulskauf und so habe der Kanal noch nie funktioniert.
Eine der wirkungsvollsten Marketingstrategien steckt bei KRUU direkt im Produkt selbst. "Unsere App hat jetzt eine Million angemeldete User. Sie dient erstmal dazu, die Fotos digital zu bekommen, aber auch als Lead-Tool, weil das Hochzeitspaar die Fotos direkt über die App mit den Gästen teilen kann." So wirkt sie auch als "viraler Loop": Gäste der Party sehen die Fotobox, installieren die App, um Fotos zu erhalten und landen so automatisch im KRUU-Ökosystem. Aus Gästen werden Leads, ohne dass KRUU aktiv werben muss.
Konzentration auf ein Produkt
Ursprünglich hatte das Unternehmen noch größere Pläne mit der App. So schwebte den Gründern lange eine eigene Eventplanungs-Plattform vor. Weil das Kerngeschäft mit dem einen Produkt aber so gut läuft und alle weiteren Ideen zu komplex sind, entscheiden sie sich 2023 endgültig dafür, weiter alle Kraft in die Fotobox-Vermietung zu stecken.
Bei der Ansprache etwa von Pressevertretern wird KRUU deshalb manchmal mit Vorwerk und dem Thermomix verglichen (auch wenn Vorwerk natürlich weitere Produkte wie Staubsauger vertreibt). Denn es kommt gar nicht so oft vor, dass es ein Unternehmen schafft, mit nur einem Produkt stark zu skalieren. Das schafft KRUU vor allem durch die weiterhin anvisierte Internationalisierung.
Warum der Schritt in die USA so wichtig ist
Aktuell greift das Unternehmen nämlich intensiv in Nordamerika an. Von Detroit aus versendet KRUU seine Fotoboxen in das ganze Land. Dort gebe es viele Vorteile: feierwütige Kund*innen, riesiger Markt, einheitliche Regularien. "In den USA könnte ein Loyalty-Programm spannend werden. Die Amerikaner feiern einfach alles größer. Da steht auch mal ein Food Truck beim Kindergeburtstag", sagt Philipp Schreiber. Die Kundenansprache sei in den USA einfacher und vielfältiger, weil nicht nur Hochzeiten im Mittelpunkt stehen.
Schreiber selbst ist derzeit in Detroit, um da Team und Geschäft weiter ausfzubauen. In diesem Jahr soll das weltweit aktive KRUU-Team auf 70 bis 110 Mitarbeitende wachsen. "Die USA sind aktuell unser großes Fokusthema. Aber wir haben auch in Europa noch viel vor uns. Wegen Brexit sind wir zum Beispiel nicht in Großbritannien aktiv. Und dann gibt’s da ja noch andere Kontinente. Bei neuen Märkten ist bei uns tatsächlich die Bevölkerungsdichte entscheidend. Wenn Menschen weit verstreut leben, wird es mit unserem Modell schwierig", sagt Schreiber.