15 Millionen Euro für Adjust – Entsteht in Deutschland ein globaler Adtech-Star?
Das Berliner App-Analytics-Startup erhöht die insgesamt eingesammelte Summe damit auf 26,6 Millionen Euro
Die Nachricht sorgt in der deutschen Adtech-Szene für Aufsehen, auch international wird berichtet: Adjust, das 2012 gegründete App-Analytics-Startup mit Hauptsitz in Berlin sammelt 15 Millionen Euro ein und erhöht die investierte Summe damit auf insgesamt 26,6 Millionen Euro. Das neue Geld kommt von Highland Capital Partners Europe. Damit steigt das junge Unternehmen in eine Liga mit Playern wie Sociomantic auf. Online Marketing Rockstars hat schon im Vorfeld mit Adjust-Gründer Christian Henschel gesprochen und gefragt, was Adjust von anderen Adtech-Companies unterscheidet, welches Problem das Startup lösen will und wie die Lage im Fraud-Bereich ist.Christian, Ihr habt mit Adjust gerade frische 15 Millionen Euro von Highland Capital Partners Europe bekommen. Das ist eine Menge Geld, insbesondere für die deutsche Adtech-Landschaft. Was habt Ihr damit vor? Christian Henschel: „Das neue Kapital wird in etwa gedrittelt. Einen Teil wollen wir in den Aufbau und die Erweiterung der weltweiten Salesforce stecken. Das zweite Drittel wird in neue Produkte investiert und das letzte Drittel behalten wir als Backup für kleinere Akquisitionen.“
Einige fragen sich beim Lesen der Nachricht vielleicht, wer Ihr eigentlich seid und was Ihr macht, weil man eher wenig von Euch liest. Wollt oder braucht Ihr keine Öffentlichkeit? „Dass wir keine Öffentlichkeit wollen oder sogar brauchen, kann man so natürlich nicht sagen. Aber es stimmt: Wir haben in der Vergangenheit eher tiefgestapelt und waren nie die Company, die laut die Werbetrommel rührt. Wir lieben hier den Spruch: ‘Work hard in silence, let your success be your noise’. Das ist quasi unsere Handlungsmaxime. Ich vergleiche das gerne mit der zurückhaltenden Art der Kollegen von Sociomantic. Bisher geht die Rechnung ja auch auf. Jetzt haben wir allerdings auch einen Status erreicht, mit dem wir gerne rausgehen und uns zeigen. Und vielleicht kennen uns einige Menschen (noch) nicht, in der Mobile Advertising Branche sind wir allerdings weltweit jedem ein Begriff.“
Dann musst Du für alle, die es nicht wissen, jetzt auch erklären, was genau Ihr macht. „Adjust ist ein Unternehmen für Mobile Attribution und Analytics. Um zu erklären, was wir genau machen, schaut man sich am besten die Situation an, wie sie gerade im Mobile App Segment ist. Anders als im Browser haben wir hier keine Cookies und Tags. Jede der Millionen von Apps da draußen stellt quasi einen Browser dar, der mit keinem anderen kommuniziert. Dazu kommen mit iOS und Android, um nur zwei zu nennen, unterschiedliche Betriebssysteme, die jeweils eigene Regeln haben. Parallel bauen sich allen voran Facebook und Google ganz eigene Ökosysteme. Und zu guter Letzt gibt es noch zig Ad-Networks, die um die Gunst der werbetreibenden Kunden buhlen. Wir sitzen in dieser Situation eigentlich ziemlich genau in der Mitte. Wenn also beispielsweise Zalando eine Kampagne für Mobile App-Installs über Millenial Media fährt, liefern wir live alle notwendigen Daten zur Optimierung und zeigen auch, was die Nutzer nach dem Download mit der App machen. Das alles übrigens, ohne monetär an der Medialeistung beteiligt zu sein. Wir wollen einfache Steuerungsmöglichkeiten für Mobile Advertising Budgets bieten.“Wie steht es um direkte Konkurrenz in Eurem Umfeld – gibt es andere erfolgreiche Player? „Es gibt auf jeden Fall Unternehmen, die ähnliche Leistungen anbieten. Tune aus Seattle waren beispielsweise so ziemlich die ersten am Markt und bewegen sich im selben Segment. Allerdings wachsen sie nicht mehr, vermutlich, weil sie keine Facebook-Integration mehr anbieten können. Dann gibt es noch Kochava aus Idaho und Appsflyer aus Israel, die Anfang des Jahres eine ähnliche Summe einsammeln konnten, sich aber eher auf kleinere Kunden und die Masse fokussieren. In einer Liste der in den Top 100 iOS-Apps am häufigsten verwendeten Libraries sind wir auf Platz 22 mit 16 Einbindungen. Und damit in unserem Segment führend.“
Highland Capital Partners Europe scheint davon überzeugt zu sein, dass Ihr da auf dem richtigen Weg seid. „Das freut uns natürlich und ich glaube, unsere Zahlen beweisen das auch. 2012 haben wir zu dritt gegründet. Heute sind wir weltweit rund 70 Mitarbeiter verteilt auf sieben Standorte. Und dass die Büros in San Francisco, Peking oder Sydney nicht einfach nur für die Außenwirkung da sind, zeigt auch die Umsatzverteilung. 30 Prozent kommen jeweils aus den USA und Asien, die restlichen 40 Prozent aus Europa. Im letzten Jahr haben wir ein Umsatzwachstum von 300 Prozent erreicht und sind seit Juni dieses Jahres profitabel.“
Was unterscheidet Euch von anderen Adtech-Unternehmen? Aktuell haben ja einige namhafte Player an der Börse eine nicht gerade einfache Zeit. Das merken wir auch an unserem Aktienportfolio. „Stimmt. Da geht es aber vor allem um RTB-Plattformen, über die sowieso immer viel in Medien gesprochen wird. Überraschend finde ich die aktuelle Entwicklung eigentlich nicht. Generell gibt es glaube ich zwei Arten von Adtech-Unternehmen. Die einen kaufen Leistung ein und verkaufen sie wieder, bieten also kein eigenes oder neues Produkt an und bewegen sich im Arbitrage-Business. Die anderen sind Software-Unternehmen im IT-Bereich und bieten neue Lösungen (SaaS & Software), sind also nicht unmittelbar in Ein- und Verkauf involviert. Und gerade die Arbitrage-Unternehmen haben es extrem schwer, weil immer ein neuer Konkurrent in den Markt kommen kann und die einbehaltene Menge einfach unterbietet, um an neue Kunden zu gelangen. Was will man da als Mehrwert liefern, außer mit dem Preis runterzugehen. Das geht natürlich nur auf Kosten der eigenen Marge. In meinen Augen sind das keine langfristigen Modelle. Einige wenige mit sehr starker Marktposition, Criteo beispielsweise, werden sich da aber sicher durchsetzen.“
Es entsteht also ein starker Preiskampf, richtig? Leidet darunter nicht auch die Qualität des ausgelieferten Traffics? „Absolut. Wir sehen im Wesentlichen zwei Entwicklungen. Guter und wertvoller Traffic wird teurer – weil stärker nachgefragt – und wertloser Traffic wird billiger, weil er schlecht performt. A kauft von B und C kauft von B und am Ende ist gar nicht mehr klar, woher denn nun der Traffic kommt. Fraud ist dabei sicher ein riesiges Problem. Dadurch, dass wir mittendrin stehen und die Qualität des Traffics messen, sehen wir natürlich genau, welche krassen und teils einfach unrealistischen Zahlen da manchmal entstehen. In einem Fall zum Beispiel war das Ergebnis einer Kampagne, dass jeder erreichte Nutzer zehn Mal pro Woche auf dieselbe Mobile-Video-Ad geklickt hat. Von dem Traffic war sicher 90 Prozent Fraud. Insgesamt sehen wir, dass etwa 30 bis 40 Prozent vom Mobile Traffic Fraud ist. Wenn man als Kunde Installs für 0,10 Euro kauft, muss man sich einfach mal fragen, wie das funktionieren soll.“
Wie kommst Du auf diese Zahl? Ist das ein Schätzwert? „Das sind schon sehr valide Daten. Ich würde schätzen, dass sich unser SDK auf jedem zweiten Smartphone der Welt befindet. Wir haben inzwischen rund 1.700 Kunden, darunter extrem verbreitete Apps wie Spotify, Zalando oder das Portfolio von Rocket Internet. Alleine im September haben wir über einen Petabyte an mobilen Daten verarbeitet (Anm. d. Red.: Das sind 1.000 Terabyte oder rund eine Milliarde Megabyte). Wir wissen also ziemlich genau um die Fraud-Problematik und wollen das neue Kapital unter anderem gegen Fraud und dafür einsetzen, Werbung effektiver zu machen.“
Christian, danke für das Gespräch.