Newsfluencer Fabian Grischkat: "Die Nutzung sozialer Netzwerke wird politischer"
Im Interview mit OMR spricht der Content Creator über Leerräume in den sozialen Medien, die Rechten überlassen werden.
Fabian Grischkat hat sich als "Newsfluencer" auf Instagram und TikTok einen Namen gemacht und kombiniert dort Nachrichten mit Humor und Aktivismus. Er engagiert sich für die Rechte queerer Menschen, berichtet über Klimaschutz oder die Wahlen in den USA und setzt Fake News Fakten entgegen. Im Interview mit OMR hat er darüber gesprochen, wie er Nachrichten für die Gen Z aufbereitet und wie dieser Ansatz dazu beitragen soll, dem wachsenden Rechtsruck und der Popularität der AfD entgegenzuwirken.
Kann man in unter 100 Sekunden die Welt erklären? Mit Sicherheit nicht, aber man kann es immer wieder versuchen – so wie Fabian Grischkat auf seinem Tiktok-Kanal. Mehr als 100.000 Menschen folgen ihm dort, auf Instagram sind es rund 160.000, denen die Kombi aus "Politik und Spökes", wie Grischkat seine Inhalte beschreibt, offenbar gefällt. In seinen Beiträgen versucht der 23-Jährige, komplexe Sachverhalte runterzubrechen, Behauptungen Fakten gegenüberzustellen und dabei gleichzeitig zu unterhalten. In Zeiten, in denen die Bundestagswahl vor der Tür steht, der Meta-Konzern in den USA die Kooperationen mit Faktencheck-Redaktionen beendet oder Tesla-Chef Elon Musk für die AfD wirbt und von US-Präsident Donald Trump als potenzieller Käufer von Tiktok ins Rennen geschickt wird, gehen ihm dabei die Themen nicht aus.
OMR: Tiktok und seriöse Nachrichten – passt das überhaupt zusammen?
Fabian Grischkat: Auf jeden Fall! Die Nutzung sozialer Netzwerke wird politischer, das sehen wir auch im Reuters Digital News Report 2024. Das Internet hat die klassischen Medien als Informationsquelle für politische Inhalte bei jungen Menschen inzwischen längst überholt. Das ist auch nicht verwunderlich: Wenn wir morgens aufstehen, gehen wir nicht zum Kiosk und holen uns eine Zeitung, sondern öffnen Social Media. Andere Erhebungen haben ergeben, dass gerade dort auch eine politische Teilhabe für junge Menschen stattfindet, also dass sie das Gefühl haben, sie können über diesen Weg am ehesten mit Politiker*innen und Parteien in Kontakt treten und auch etwas im Land verändern.
Es scheint besonders der AfD gut zu gelingen, junge Menschen auf Tiktok und Co. zu erreichen. Warum ist das so?
Fabian Grischkat: Ich würde nicht sagen, dass die AfD das besonders gut macht. Das sehen wir in einer neuen Studie der Otto Brenner Stiftung. Darin wurde untersucht, wie die AfD taktisch vorgegangen ist in den drei Landtagswahlkämpfen, die 2024 stattgefunden haben. Es stellte sich heraus, dass der Erfolg der AfD in erster Linie nicht auf eine brillante Strategie zurückzuführen sei. Es lag demnach vielmehr daran, dass die anderen Parteien überhaupt nicht da waren. Und dass dadurch eine Lücke entstanden ist, ein Leerraum, den die AfD geschickt geflutet hat.
Was können andere Parteien dem entgegensetzen?
Fabian Grischkat: Sie müssen mehr liefern. Die gute Nachricht ist: Es gibt Spielraum für bessere Konzepte mit klugen Herangehensweisen. Die Engagement-Rate ist bei vielen AfD-Accounts relativ niedrig. Bei den Grünen ist sie oft deutlich höher – da gibt es also Potenzial. Es ist nicht alles verloren, aber es ist eine große Gefahr, wenn dieser Raum entsteht. Auf dem Fußballfeld sagt man auch: Räume schließen ist wichtig. Und Fußball kann man bekanntlich auf das ganze Leben übertragen. In diesem Fall sind sich Fußball- und Politikexpert*innen einig: Wir müssen die Räume schließen.
Du trägst durch deinen Content ja auch dazu bei, die Räume zu schließen, indem du z.B. Fakenews Faktenchecks entgegensetzt. Wie muss man es anstellen, damit man mit Nachrichten auf Tiktok große Reichweiten erzielt?
Fabian Grischkat: Wir verwenden in der Marketingsprache immer das Wort “snackable”. Wir müssen den Inhalt in kleine Häppchen aufteilen und alles genau auf den Punkt bringen. Jede Info, die nicht zwingend notwendig ist, gerne kicken. Und natürlich bereiten wir die Beiträge so auf, dass sie plattformgerecht und den Mechaniken entsprechend funktionieren. Dazu gehört ein starker Einstieg in ein Video, auch „Hook“ genannt, damit die Aufmerksamkeit da ist und die Leute dranbleiben. Läuft man da nicht Gefahr, die Dinge verkürzt darzustellen – Hauptsache, die reißerische Headline funktioniert?
Fabian Grischkat: Wenn mein Hund Medikamente brauchte, dann haben wir die immer in seinem Futter versteckt. Bei Nachrichten auf Social Media ist das ähnlich: Die wichtigen Infos müssen erstmal hinter der Headline versteckt werden, aber sie sind eben da. Das darf dann auch reißerisch geschehen, wenn es auf Fakten beruht. Wenn ein Video gut anläuft und wir es schaffen, in den ersten zwei Sekunden die Aufmerksamkeit zu catchen, sind Leute auch eher geneigt, das Video noch 30, 40, 50 Sekunden weiterzuschauen. In dem Part müssen wir es dann schaffen, alle essenziell relevanten Infos unterzubringen. So erschaffen wir einen Beitrag, bei dem Menschen dranbleiben und lernen. Damit tragen wir ein Stück weit dazu bei, dass sich Desinformation nicht verbreiten kann.
Gibt es Themengebiete, die aus deiner Sicht noch mehr Aufmerksamkeit brauchen oder in denen die Creator-Community noch diverser aufgestellt sein müsste?
Fabian Grischkat: Ich sehe große Lücken im social-medialen Content bei den großen Themen, die in anderen Generationen dominieren. Zum Beispiel spricht kaum jemand über wirtschaftliche, fiskalische Zusammenhänge. Ich spreche auch ganz oft über Menschenrechtsthemen und queere Themen. Hier müssen wir aber auch beleuchten, was z.B. die Diskriminierung am Arbeitsplatz wirtschaftlich bedeutet? Welche Auswirkungen kann das allgemein auf ein Unternehmen, am Ende sogar auf das Bruttosozialprodukt haben? Das wäre wichtig zu beleuchten und ich glaube, da haben wir Nachholbedarf.