AppNexus und The Trade Desk planen IPOs – Gibt es nun ein Adtech-Comeback?

Torben Lux25.8.2016

The Trade Desk aus Kalifornien hat erste Unterlagen für einen Börsengang eingereicht

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Inhalt
  1. Wie erfolgsversprechend wären die IPOs von The Trade Desk und AppNexus?
  2. „The Trade Desk ist eher ein Tool für Agenturen.“
  3. Was bringt die Zukunft für die Adtech-Branche?

Adtech-Unternehmen haben es nicht leicht. Sie verkaufen eine teilweise sogar für Leute aus der Branche schwer zu verstehende Technologie, kämpfen gegen Adblocking, Ad Injection und Malvertising und konkurrieren zu allem Überfluss noch gegen die Walled Gardens von Google und Facebook. Die Entwicklung von Börsenkursen aus diesem Segment ist in den letzten zwei Jahren entsprechend schlecht. Trotzdem wollen The Trade Desk und AppNexus zeitnah den IPO wagen. Wir haben mit Experten gesprochen und erklären, warum jetzt endlich das Adtech-Revival kommen könnte.

Der Adtech-Branche würden Positivschlagzeilen – wie zwei erfolgreiche Börsengänge – wirklich gut tun. Zu holprig waren die letzten paar Jahre, wenn man auf die IPOs einiger ambitionierter Technologie-Firmen schaut. Egal ob Marin Software, Rocket Fuel, Rubicon Project, Tremor Video, Tubemogul oder Yume – alle genannten Companys haben seit dem Börsengang teilweise stark an Wert verloren. Rocket Fuels Preis pro Share beispielsweise betrug zum IPO 29 US-Dollar; heute liegt er bei nicht einmal mehr drei Dollar. Das Mobile Ad Network Millennial Media, zum Börsengang 2012 noch 1,87 Milliarden US-Dollar wert, ging im September 2015 an AOL/Verizon. Der Wert bei der Übernahme: rund 238 Millionen Dollar bzw. 12,7 Prozent der einstigen Marktkapitalisierung. Björn Söder von der Hamburger M&A-Beratung kündigte vor wenigen Monaten gegenüber Online Marketing Rockstars eine Adtech-Konsolidierung auch im deutschen Markt an.

Rocket Fuel Aktie

Die Kursentwicklung der Rocket Fuel Aktie.

Das sind nur einige Beispiele dafür, dass Adtech in einer Krise steckt. Es ist ein Teufelskreis: fehlende Transparenz, weil zwischen Advertiser und den am Ende ausgelieferten Ads häufig viele weitere Unternehmen zwischengeschaltet sind, ein schlechter Ruf durch Bot-Traffic und Adfraud, mehr Agenturleistung als Technologie und als Resultat enttäuschende Wachstumszahlen. Die finale Folge dieser schwer Herr zu werdenden Kausalkette ist ein eher geringes VC-Interesse an der Adtech-Welt. Oder noch deutlicher: „Adtech has become dirty word“, wie Josh Engroff, Managing Partner bei der Investment-Company kbs+ Ventures, gegenüber Digiday sagte.

Wie erfolgsversprechend wären die IPOs von The Trade Desk und AppNexus?

In dieser wenig rosigen Phase also schicken sich zwei Adtech-Player an, den IPO zu wagen, was bei Erfolg sicher eine positive Signalwirkung haben dürfte. Zum einen wäre da AppNexus aus New York, mit fast 300 Millionen US-Dollar Funding unter anderem vom Werberiesen WPP und Microsoft ein echtes Schwergewicht, das aber auch lange stark mit Fraud-Traffic zu kämpfen hatte. Und zum anderen das 2009 in Kalifornien gegründete Unternehmen The Trade Desk, das vor wenigen Tagen ausführliche Finanzkennzahlen im Zuge des ersten Antrages (S-1 Formularantrag) bei der U.S. Securities and Exchange Commission veröffentlicht hat. Das in dem Antrag von The Trade Desk erklärte Ziel für den Börsengang sind 86,3 Millionen US-Dollar.

Die bisherige Entwicklung von The Trade Desk überzeugt Marktbeobachter offenbar: Der Umsatz (abzüglich der Mediakosten) ist von 44,5 Millionen US-Dollar im Jahr 2014 auf 113,8 Millionen US-Dollar im Jahr 2015 gestiegen. In den ersten sechs Monaten des Jahres 2016 hat The Trade Desk 77,6 Millionen US-Dollar umgesetzt – ein Wachstum von 83 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Das „Adjusted EBITDA“, also der Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen, hat sich im Jahr 2015 fast versiebenfacht auf 39,2 Millionen US-Dollar. Im ersten Halbjahr 2016 betrug das EBITDA 20,1 Millionen US-Dollar.

Das gesamte Programmatic-Spending in den USA wird laut Emarketer in diesem Jahr ungefähr um 40 Prozent steigen und 67 Prozent vom Display-Marketing-Volumen in den USA ausmachen. The Trade Desk wächst damit also schneller, als der Markt. Wahrscheinlich aber viel wichtiger: Während die Demand Side Platform (DSP) nach der Gründung 2011 noch 100 Prozent der Umsätze aus Display Advertising erwirtschaftet hat, waren es 2015 nur noch 57 Prozent. Der Rest kommt aus den wachsenden und für Advertiser immer relevanteren Kanälen Mobile, Video und Social. Außerdem konnte 2015 die Kundenzahl von 258 auf 389 erhöht werden.

„The Trade Desk ist eher ein Tool für Agenturen.“

Ein wesentlicher Grund für den augenscheinlichen Erfolg von The Trade Desk scheint der Fokus auf das Geschäft mit großen Agenturen zu sein. Dass die Zusammenarbeit offenbar funktioniert, bestätigt gegenüber Adexchanger auch Steve Katelman von Omnicom. Die globale Werbeagentur-Gruppe nutzt The Trade Desk seit drei Jahren. Katelman sagt, TTD sei zum richtigen Zeitpunkt, als Mobile und Video in den Markt drangen, an den Start gegangen. Ein nicht näher genannter CEO eines unabhängigen Trading Desks ergänzt, TTD sei eher etwas für Agenturen. Ein Alleinstellungsmerkmal von The Trade Desk sind sogenannte Bid Modifier, die es erlauben, ähnlich wie im Search Engine Marketing auf bestimmte Nutzergruppen einen anderen Preis zu bieten, ohne die Kampagnenstruktur zu duplizieren. So kann beispielsweise auf Mobile User 10 Prozent mehr geboten werden, als auf andere. Dieses Feature wird aktuell Gerüchten zufolge von anderen Marktteilnehmern kopiert, da es bei den Kunden gut anzukommen scheint.

AppNexus, bei der letzten Finanzierungsrunde im Februar 2015 mit 1,5 Milliarden US-Dollar bewertet, hat mit über 1.000 Mitarbeitern etwa drei mal so viele wie The Trade Desk. Das Wachstum dürfte etwas geringer als bei TTD ausfallen, Schuld daran ist laut Adexchanger vor allem die Bereinigung des Inventars von Fraud- und Bot-Traffic. Produktseitig differenziert sich AppNexus unter anderem dadurch, dass das Unternehmen von Anfang an auf einen „API-First-Ansatz“ setzt und so fast komplett automatisiert werden kann. Kunden können sich hier einen „Bidder in der Cloud“ bauen, ohne die gesamte Infrastruktur selber managen zu müssen.

Das Rockstars-Adtech-Portfolio (Stand: 25. August 2016).

Egal, welche der beiden Companys im direkten Vergleich aktuell vorne liegt, die Hoffnung der Adtech-Industrie scheint auf den IPOs beider und eines der Unternehmen zu liegen. Beide sind Programmatic-Player mit hohen Kundenzahlen und hohen Software-basierten Umsätzen. Business Insider stufte beide kürzlich in der Top 4 der „37 Hottest pre-IPO ad tech startups 2016“ ein. Hooman Radfar, Gründer und Ex-CEO von AddThis (Anfang 2016 für rund 200 Millionen Dollar von Oracle gekauft), glaubt, dass die Börsengänge den Programmatic-Sektor enorm ankurbeln könnten.

Was bringt die Zukunft für die Adtech-Branche?

Wir glauben auf jeden Fall weiterhin an die Adtech-Branche. Sonst hätten wir 2014 wohl kaum je 10.000 Euro in acht Unternehmen investiert und das Portfolio trotz teilweise schmerzhaften Verlusten gehalten. Die französischen Retargeting-Spezis von Criteo beispielsweise halten sich seit dem Börsengang im November 2013 sehr stabil. Aktuell liegt der Marktwert sogar ein paar Prozent im Plus (31 US-Dollar pro Share beim IPO, 37,15 US-Dollar am 23. August 2016, 16 Uhr). Und auch neben den mächtigen „Walled Gardens“ von Google und Facebook – laut Morgan Stanley ging im ersten Quartal dieses Jahres 85 Prozent jedes im Online Marketing neu ausgegebenen Dollars an eines der beiden Unternehmen – dürfte noch mehr als genug Platz für weitere Player sein. Am Ende setzten Werbetreibende vielleicht doch auf ein Portfolio an Möglichkeiten und nicht nur auf einen oder zwei große Player. Und auch eine aktuelle Erhebung vom Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) stimmt optimistisch. Demnach ist das in Deutschland im ersten Halbjahr durch Programmatic Advertising erwirtschaftete Volumen um 51 Prozent im Vergleich zu Vorjahreszeitraum gewachsen.

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Torben Lux
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Torben Lux

Torben ist seit Juni 2014 Redakteur bei OMR. Er schreibt Artikel und Newsletter, plant das Bühnenprogramm des OMR Festivals, arbeitet an der "State of the German Internet"-Keynote, betreut den OMR Podcast und vieles mehr.

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