Frisches Kapital für 10.000 Displays: Hygh will die Außenwerbung ins 9:16-Zeitalter führen

Florian Rinke15.6.2023

Das Berliner Startup sichert sich einen zweistelligen Millionenbetrag für die weitere Expansion

Das Berliner Startup Hygh hat unter anderem am Kurfürstendamm in der Hauptstadt eine Reihe von Werbedisplays aufgebaut. Foto: Hygh
Das Berliner Startup Hygh hat unter anderem am Kurfürstendamm in der Hauptstadt eine Reihe von Werbedisplays aufgebaut. Foto: Hygh
Inhalt
  1. 10.000 neue Displays für die DACH-Region
  2. Hygh setzt beim Aufbau des Display-Netzwerks auf Schaufenster
  3. Zweistelliger Millionenumsatz im Jahr 2023
  4. Werbung muss sich dem Kontext anpassen
  5. Werbetreibende setzen noch stark auf TV-Werbung

Hochformat statt Querformat: Durch das Smartphone hat sich das Sehverhalten speziell jüngerer Menschen radikal verändert. Gleichzeitig lässt sich Außenwerbung durch die Digitalisierung auch immer mehr in Echtzeit und individueller ausspielen. Das Berliner Startup Hygh verknüpft diese beiden Trends – und konnte für die weitere Expansion nun einen neuen Investor gewinnen.

In den vergangenen Jahren wurde häufig das Alphabet bemüht, um Altersgruppen in Deutschland zu klassifizieren. X, Y, Z – jede Generation hat vermeintlich ihre Eigenarten. Zuletzt wurde jedoch auch ein Begriff geprägt, bei dem es nicht um Buchstaben geht, sondern um Zahlen: 9:16. Denn letztlich ist es dieses Format, das das Leben vieler junger Menschen prägt. Hochkant werden Selfies auf dem Smartphone gemacht, hochkant werden die Videos bei Tiktok geschaut und hochkant wird auch die Werbung ausgespielt, die bei Instagram und Co. im Feed auftaucht. Doch kaum blickt man vom Bildschirm auf, verschwindet diese Welt meistens wieder. Denn ein Großteil der Werbung in anderen Bereichen – vom Fernsehen bis zum Plakat – ist weiterhin im Querformat.

Hygh will das ändern. Seit dem Start 2018 hat das Berliner Startup knapp 2000 digitale Displays in Städten wie Berlin, Köln oder München installiert, auf denen Werbung gezeigt wird – und zwar im Hochformat. „Wir bauen das flexibelste Hochkant-Netzwerk in Europa“, sagt Mitgründer Antonius Link im Gespräch mit OMR. Und das soll in den nächsten Monaten nochmal deutlich wachsen. Denn in einer Finanzierungsrunde konnte sich Hygh nun einen zweistelligen Millionenbetrag vom britischen Private-Equity-Fonds Sparta Capital Management sichern.

10.000 neue Displays für die DACH-Region

Am Mittwoch wurden die entsprechenden Verträge in der Schweiz unterschrieben. Das frische Kapital soll nun genutzt werden, um das Display-Netzwerk deutlich schneller auszubauen. „Unser Ziel ist es, eine globale Plattform zu bauen“, sagt Hygh-CEO Lauritz Elmshäuser. Der wichtigste Faktor für das kommende Wachstum sei dabei die Zahl der Bildschirme. In den kommenden 18 bis 24 Monaten wolle man daher etwa 10.000 neue Bildschirme aufbauen. „Im ersten Schritt liegt unser Fokus auf Deutschland, aber wir schauen auch schon auf die Schweiz und Österreich“.

Schon Martin Luther soll quasi das Medium Out of Home genutzt haben, um seine Thesen zur Reformation der Kirche bekannt zu machen – indem er sie der Legende nach an eine Tür anschlug. Ob das stimmt? Genau weiß man es nicht, aber Fakt ist: Außenflächen sind seit jeher beliebt, um Marketing zu machen, von der Litfaßsäule bis zur Plakatwand. Durch die Digitalisierung bieten sich inzwischen jedoch deutlich mehr Möglichkeiten als früher. Das macht sich auch in den Zahlen bemerkbar.

Hygh setzt beim Aufbau des Display-Netzwerks auf Schaufenster

Größter Wachstumstreiber in dem Markt ist seit Jahren der Bereich digitale Außenwerbung (Digital out of home, kurz: DOOH), in dem auch Hygh künftig eine immer größere Rolle spielen will. Aktuell ist der Marktanteil der Berliner mit ihren knapp 2.000 installierten Displays noch relativ klein. Immerhin gibt es inzwischen allein in Deutschland laut dem Fachverband für Außenwerbung insgesamt rund 135.000 Bildschirme. Die hängen inzwischen in Einkaufszentren und Arztpraxen genauso wie an Bushaltestellen und Flughäfen.

Hygh installiert seine Displays häufig in Schaufenstern von Kiosken und anderen Geschäften. Foto: Hygh

Hygh installiert seine Displays häufig in Schaufenstern von Kiosken und anderen Geschäften. Foto: Hygh

Hygh setzt beim Ausbau seines Netzwerks speziell auf Schaufenster. Die Samsung-Bildschirme des Berliner Startups hängen inzwischen unter anderem in Kiosken und Frisörsalons. „Theoretisch kann man jede Fläche im semi-öffentlichen Raum durch einen Bildschirm monetarisieren und damit Mehrwerte schaffen“, sagt Lauritz Elmshäuser. 2018 war das Unternehmen mit der Idee gestartet, ein solches Netzwerk digitaler Displays aufzubauen und parallel eine Plattform zu entwickeln, über die selbst Kleinunternehmer kinderleicht Außenwerbung buchen können. Neben Antonius Link zählten damals auch noch Fritz Frey und Vincent Müller zu den Mitgründern. Letzterer hat seinen Geschäftsführer-Posten inzwischen allerdings niedergelegt. Stattdessen hat das Unternehmen Lauritz Elmshäuser als CEO mit an Bord geholt.

Zweistelliger Millionenumsatz im Jahr 2023

Entstanden ist die Idee zu Hygh bereits 2017. Damals wollte Co-Gründer Fritz Frey Außenwerbung für ein Projekt auf dem Berliner Kurfürstendamm schalten. 50.000 Euro hatte man als Budget eingeplant. Doch für diesen Preis habe man bei den führenden Anbietern damals nicht mal einen Termin bekommen, hat Frey mal erzählt. Es sei alles total unflexibel gewesen. Und so dachte sich der Kölner: Das können wir besser. Heute betreibt Hygh auf dem Ku’damm eine ganze Reihe eigener Displays, die auch immer wieder für Kampagnen von Marken gebucht werden.

Lauritz Elmshäuser führt Hygh als CEO gemeinsam mit den beiden Co-Gründern Fritz Frey und Antonius Link. Foto: Hygh

Lauritz Elmshäuser führt Hygh als CEO gemeinsam mit den beiden Co-Gründern Fritz Frey und Antonius Link. Foto: Hygh

Allerdings: Der ursprüngliche Plan gestaltete sich schwieriger als gedacht. Zum einen nutzen kleinere Unternehmen das Angebot deutlich seltener als erhofft. Bislang sind es doch eher die großen Konzerne und Agenturen, die Display-Zeit bei Hygh buchen. Mit Corona-Pandemie und Ukraine-Krieg hatte die Branche dazu gleich zwei große Herausforderungen zu meistern. Denn während der Pandemie blieben viele Menschen schlagartig zu Hause – was für Anbieter von Außenwerbung natürlich zunächst alles andere als ideal war. Zu Beginn des Ukraine-Krieges wiederum stiegen die Energiekosten rasant, worauf Hygh unter anderem mit einer Reduzierung der Bildschirm-Helligkeit reagierte. Und auch die Kundenakquise gestaltete sich schwieriger als gedacht. „Wir dachten anfangs, wenn wir 30.000 Euro in Google-Werbung stecken, wird es schon laufen. Aber es geht nicht ohne den persönlichen Kontakt. Man muss auf Messen sein, mit den Kunden sprechen“, sagt Co-Gründer Fritz Frey. Inzwischen hat sich das Unternehmen etabliert. 2023 soll der Umsatz im zweistelligen Millionenbereich liegen.

Werbung muss sich dem Kontext anpassen

Umgekehrt wird sich die Außenwerbung durch die Möglichkeiten der Digitalisierung in den kommenden Jahren deutlich stärker verändern. „Bis 2025 wird programmatische Außenwerbung den Großteil der Werbeausgaben im Out-of-home-Bereich ausmachen“, sagt Fritz Frey. Werbung wird in dieser Vision vollautomatisch und in Echtzeit gebucht und ausgespielt, gleichzeitig durch die stärkere Nutzung von Daten auch immer individueller. So könnte Werbung an Flughäfen beispielsweise angepasst werden, je nachdem aus welchem Land und mit welchen Reisenden an Bord gerade ein Flugzeug landet. Ein Lufthansa-Reisender interessiert sich vielleicht für eine Werbung über das Bonus-Programm des Unternehmens, ein Ryanair-Reisender nicht.F „Werbebudgets fließen massiv in Richtung Außenwerbung – und da spielt der programmatische Bereich natürlich eine immer größere Rolle“, sagt auch Daniel Siegmund, Gründer und Managing Director der One Tech Group. Das Hamburger Unternehmen entwickelt unter anderem Advertising-Technologie. Der Experte ist überzeugt, dass es in Zukunft immer mehr darum gehen wird, spezielle Situationen sowie Kontext zu erkennen und die Werbung darauf anzupassen – wie eben bei dem Flughafen-Beispiel. „Da geht es dann auch um Fragen wie die Verweildauer“, sagt Daniel Siegmund: „Die ist in einem Wartezimmer beim Arzt anders als an der Straße. Dort setzt sich ja niemand mit dem Campingstuhl vor einen Bildschirm.“

Werbetreibende setzen noch stark auf TV-Werbung

Und genau wie Hygh-Gründer Antonius Link glaubt auch Daniel Siegmund an das Potenzial von 9:16. Aus seiner Sicht werden sich Werbung im Mobile- und Außenbereich immer mehr Verzahnen. Allerdings: Überall lässt sich die 9:16-Welt aus seiner Sicht nicht umsetzen, weil sich nicht überall Hochkant-Bildschirme installieren lassen bzw. anbieten. Und auch inhaltlich muss sich die Werbebranche aus seiner Sicht noch stärker anpassen. Im Creative-Bereich mache man sich immer noch viele Gedanken um TV-Werbung, sagt Daniel Siegmund: „Zahlreiche Marken haben in diesem Bereich auch noch große Budgets und selten Mobile oder DooH-First-Strategien. Ich bin gespannt, wie sich die Werbung in den kommenden Jahren durch den Einsatz von KI ändern wird. Da dürfte viel passieren.“

Die Hygh-Gründer wollen, dass ihr Unternehmen dabei eine zentrale Rolle spielt. „Wir wollen Marken dabei helfen, sich nicht nur in Algorithmus-Bubbles, sondern darüber hinaus auch in der realen Welt zu etablieren“, sagt Antonius Link. Denn die Werbewelt soll in Zukunft nicht nur auf dem Smartphone 9:16 sein – sondern auch in der Außenwerbung.

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Florian Rinke
Autor*In
Florian Rinke

Florian Rinke ist Host des Podcast "OMR Rabbit Hole" und verantwortet in der OMR-Redaktion den "OMR Podcast". Vor seinem Wechsel Anfang 2022 zu OMR berichtete er mehr als sieben Jahre lang für die Rheinische Post über Start-ups und Digitalpolitik und baute die Rubrik „RP-Gründerzeit“ auf. 2020 erschien sein Buch „Silicon Rheinland".

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