Wie diese Gründer Studyflix.de dank SEO zur meistbesuchten E-Learning-Seite gemacht haben
Benedikt Bergner und Reinhard Blech: Mit Studyflix in wenigen Jahren zum Erfolg
- Erst „Die Höhle der Löwen“, dann Fokus auf SEO
- Von ersten Artikeln zum professionellen SEO-Prozess
- Google-Abhängigkeit und alternative Kanäle
- Das Geschäftsmodell von Studyflix
- Die Pläne von Benedikt Bergner und Reinhard Blech
Als sich Benedikt Bergner und Reinhard Blech beim Studium kennenlernen, stellen sie fest: Die Wissensvermittlung an Unis scheint sich seit Jahrzehnten nicht wirklich weiterentwickelt zu haben. 2017 wird dann die Idee für Studyflix geboren, eine Plattform für kurze und unterhaltsame Lernvideos. Nach ein paar Startschwierigkeiten – das Werben über Facebook und andere Performance-Kanäle wollte nicht so richtig funktionieren – setzt das Startup ab 2020 vor allem auf SEO. Heute ist der Kanal der wichtigste Trafficlieferant, Studyflix wurde vom SEO-Analysetool Sistrix kürzlich zum Gewinner des Jahres gekürt und das junge Unternehmen ist zur reichweitenstärksten Lernplattform im DACH-Raum avanciert. Mit OMR haben die Gründer Bergner und Blech über das schnelle Wachstum, aber auch Herausforderungen gesprochen.
„Die Domain gibt es noch keine drei Jahre und schon stößt sie mit einer Sichtbarkeit von > 50 in die Gruppe der größten Domains vor. Im Jahr 2021 konnte studyflix.de um satte 354 Prozent von 11,3 auf 51,6 Sichtbarkeitspunkte wachsen“ – so schreibt Kai Spriestersbach von Sistrix im Indexwatch 2021. Einmal im Jahr wertet das Team des SEO-Tools aus, welche Domains im zurückliegenden Jahr relativ und absolut jeweils am meisten Sichtbarkeit in Googles Suchmaschine gewonnen haben. Auch im absoluten Ranking schafft es Studyflix auf den 18. Platz, vor Domains wie wetter.com, finanzen.net und stern.de.
Zu derzeit 15 Kategorien wie Wirtschaftsinformatik, Chemie und Medizin stellt Studyflix kurze, animierte Lernvideos für Schüler:innen, Student:innen und Azubis zur Verfügung. Diese unterteilen sich jeweils noch einmal in bis zu 41 Themenbereiche und sind in Playlists geordnet. „Über 80 Prozent des Traffics von Studyflix kommt aktuell über SEO“, sagt Reinhard Blech gegenüber OMR. Dass Suchmaschinen, allen voran natürlich Marktführer Google, für das junge Unternehmen heute eine so große Relevanz haben, war zu Beginn allerdings weder geplant, geschweige denn absehbar. Nach der Gründung Anfang 2018 probiert es das Startup zuerst mit klassischem Performance Marketing auf Plattformen wie Facebook. „Wir waren da richtig schlecht und hatten keinerlei Erfolge“, gesteht Blech. „Ich glaube aber auch, dass es richtig schwierig ist, User für Seiten und Apps im Bildungsbereich einzukaufen.“
Erst „Die Höhle der Löwen“, dann Fokus auf SEO
Der holprige Start und die Misserfolge im Performance Marketing führen zu einem Umdenken. „Wir haben alles probiert, was es gibt“, sagt Benedikt Bergner. „Und auch ein wenig aus Verzweiflung haben wir uns dann kurz nach der Gründung einfach mal bei ‚Die Höhle der Löwen‘ beworben.“ Tatsächlich geht es für die beiden Gründer schon im Februar 2018 zur Aufzeichnung. Die für November geplante und vom TV-Sender Vox bereits kommunizierte Ausstrahlung des Studyflix-Pitches wird dann aber kurzfristig gecancelt. Eine Begründung wird Bergner und Blech in der Absage-Mail nicht genannt; die Vorbereitungen wie Marketing-Kampagnen zur Sendung und Optimierungen der Webseite kosten das junge Unternehmen einen mittleren fünfstelligen Betrag.
Als möglichen Grund für die plötzliche Absage nennt Studyflix die in den Wochen zuvor nicht immer positive Berichterstattung über die neue Staffel des Formats; Medien hätten oft von Deals berichtet, die nach der Sendung geplatzt waren. Mehr Details dürfen die Gründer auf Grund vertraglicher Vereinbarungen nicht nennen. Laut dem Magazin Stern sei ein geplanter Deal mit dem damaligen Juror Frank Thelen doch nicht zustande gekommen. Die Enttäuschung weicht dennoch schnell dem Blick nach vorne: Weil die Gründer Performance Marketing als geeigneten Kanal endgültig abhaken, starten sie ein SEO-Pilotprojekt.
Von ersten Artikeln zum professionellen SEO-Prozess
Anstatt lediglich die animierten Lernclips auf der Seite einfach nur zum Abruf bereitzustellen, reichern die Gründer die Videos nach und nach um ausführliche, SEO-optimierte Artikel an. Der Aufbau erinnert dabei ein wenig an die Strategie von erfolgreichen Affiliate-Seiten. Eine Einleitung, ein klickbares Inhaltsverzeichnis und Kapitelmarken zu den passenden Stellen im Video signalisieren Google eine sehr strukturierte Aufbereitung der Inhalte.
Als sich ab Ende 2018 die ersten Erfolge einstellen, generiert die neue Suchmaschinen-Strategie bereits rund 10.000 Zugriffe auf die Webseite. „Wir haben dann Gott sei Dank angefangen, unser ganzes Know-how auf Suchmaschinenoptimierung zu fokussieren“, sagt Reinhard Blech. Aus dem Testprojekt ist inzwischen ein professioneller SEO-Prozess geworden. „Wir arbeiten sehr datengetrieben und schauen vor der Erstellung der Inhalte mit Tools wie Sistrix, Ahrefs und Googles Search Console sehr genau, was unsere User eigentlich wollen“, erklärt Reinhard Blech. Studyflix investiere für einen Artikel inklusive Video zwischen 35 und 50 Stunden; rund 3.000 seien aktuell online, pro Monat kommen derzeit etwa 150 neue hinzu.
Tipp: Auch für die Optimierung von Videos gibt es spezielle Video- und YouTube-SEO-Tools.
2021 habe es das Startup mit dieser Strategie geschafft, zur reichweitenstärksten E-Learning-Seite im DACH-Raum zu werden. 4,9 Millionen Visits hat die Website laut Daten des Traffic-Analyse-Tools Similarweb im Dezember 2021 erzielt. Das österreichische Unicorn GoStudent (hier im OMR-Porträt, Gründer Felix Ohswald wird als Speaker beim OMR Festival 2022 dabei sein) – das Nachhilfeportal hat zuletzt 300 Millionen bei einer Bewertung von drei Milliarden Euro eingesammelt und kurz darauf zwei Übernahmen getätigt – kommt im selben Monat demnach auf 2,8 Millionen Visits, Sofatutor.com (Gründer Stephan Bayer war bereits Gast im OMR Podcast) auf 1,6 Millionen Visits, studysmarter.de auf knapp eine Million Visits.
Google-Abhängigkeit und alternative Kanäle
Wie stark Studyflix in Sachen SEO unterwegs ist, zeigt ein Blick in das Analyse-Tool Sistrix. Zu fast 720.000 Keywords rankt die E-Learning-Seite demnach aktuell, fast 300.000 davon landen in den zehn ersten Suchergebnissen. Dabei rankt die Domain an erster Stelle der Suchergebnisliste zu naheliegenden Keywords wie „flächeninhalt dreieck“ und „mitose“, also typischen Lerninhalten der Fächer Mathematik und Biologie, aber auch zu generischeren und damit reichweitenstärkeren Suchbegriffen wie „herzlich willkommen“ und „morgen früh“. „Wir kommen mit allen Themen, die wir machen, mittelfristig auf Platz 1 bis 3“, so Benedikt Bergner.
Die enorme SEO-Stärke von Studyflix birgt allerdings auch gewisse Risiken: Bei 80 Prozent Anteil am gesamten Traffic ist es nicht übertrieben, von einer gewissen Abhängigkeit von Google zu sprechen. Dass das für Publisher und alle Arten von Seitenbetreibern nicht immer gut ausgehen muss, hat sich in der Vergangenheit bei Themen wie Wetter, Reisen, Lyrics und einigen mehr gezeigt. Die Gefahr: Wenn Google sich entscheidet, selber in Verticals einzusteigen, in dem entweder eigene Inhalte oder Auszüge von Dritten prominent in den Suchergebnissen platziert werden, kann es für die vom SEO-Traffic abhängigen Publisher schnell ziemlich düster aussehen.
„Wir orientieren uns sehr stark an den Vorgaben und Richtlinien von Google. Aber klar, man weiß natürlich nie ganz genau, wohin es geht“, sagt Reinhard Blech. Auch deshalb sei Studyflix schon lange auf anderen Plattformen aktiv. Auf Tiktok etwa folgen dem Account über 340.000 User, insgesamt 7,8 Millionen Likes haben die extra für die Plattform erstellten Videos dort bisher erzielen können. Auf Instagram kommt das E-Learning-Startup auf knapp 70.000 Abos, bei Youtube, wo nur einige kleine Auswahl der Lernvideos hochgeladen werden, sind es 61.000 Abos und fast zehn Millionen Aufrufe. Aktuell laufen erste Tests mit Youtubes Kurzvideo-Format Shorts.
Das Geschäftsmodell von Studyflix
All diese Kanäle seien aber kein so guter Akquisekanal für User wie SEO, und zahlen vor allem auf die Bekanntheit der Marke ein, verrät Reinhard Blech. Denn der Anwendungszweck sei recht klar definiert: „Schüler oder Studenten haben ein Problem und wollen so schnell wie möglich eine Lösung. Da führt der Weg meistens über Googles Suche. Und wir sind der Anbieter, der da am schnellsten eine Lösung bietet.“ Dennoch gibt es seit etwa einem Jahr auch eine eigene Studyflix-App. „Die haben wir quasi nebenbei gelauncht als Zusatzangebot. Da gibt es dieselben Inhalte, wie auch auf der Seite“, so Blech. Über eine Million Downloads habe die App bisher erzielt.
Anders als einige andere Player im E-Learning-Bereich verzichtet Studyflix auf ein kostenpflichtiges Premium-Modell. Alle inhouse selber erstellten Inhalte sind gratis abrufbar – und das soll in Zukunft auch so bleiben. „Unsere Zielgruppe besteht zur Hälfte aus Schülern und zur anderen Hälfte aus Studenten“, so Reinhard Blech. „Wir wollen nicht an der Stelle monetarisieren und lieber mit Unternehmen zusammenarbeiten.“ Über 240 Partner sind auf der Website von Studyflix aufgelistet, darunter globale Konzerne aus verschiedensten Branchen wie McDonalds, Siemens und Volkswagen. „95 Prozent unserer Einnahmen generieren wir über Personalmarketing-Kampagnen“, erklärt Benedikt Bergner. Mittels von Studyflix selber produzierter Werbung wollen die Unternehmen ihre Bekanntheit erhöhen und sich vor allem als Arbeitgeber positionieren.
Die Pläne von Benedikt Bergner und Reinhard Blech
„Vor jedem Video gibt es nur eine kurze Werbung und im Schnitt kommen wir auf eine gute Klickrate von vier Prozent“, so Bergner. Für einige Unternehmen gehöre Studyflix zu den wichtigsten HR-Kanälen. Der anhaltende Talentemangel und enorme Bedarf an Personal macht es möglich. Der jüngste und deshalb noch sehr kleine Umsatzkanal ist für Studyflix seit kurzem das B2B-Geschäft. „Unternehmen, Hochschulen oder Schulen können bei uns E-Learning-Lizenzen buchen. Das testen wir gerade mit 15 Pilotkunden und machen dafür noch keinen aktiven Vertrieb“, sagt Benedikt Bergner.
Einen mittleren, siebenstelligen Umsatz erwirtschafte das junge Unternehmen mit diesem Modell derzeit – profitabel und komplett gebootstrapped. Vier Jahre nach der Gründung sind 40 festangestellte Mitarbeitende und 60 Student:innen bei Studyflix tätig. Kapital von Investoren einzusammeln, schließt das Gründer-Duo zwar nicht komplett aus, scheint aber auch keinen dringenden Bedarf zu sehen. „Wir bauen bisher ganz in Ruhe etwas Nachhaltiges auf“, sagt Reinhard Blech. „Bei einer internationalen Expansion müsste man vielleicht noch mal darüber nachdenken. Das ist aktuell aber noch nicht geplant.“ Der nächste Schritt soll erst einmal in Richtung der Bereiche Karriere und Berufseinstieg gehen. „Das ist ein naheliegendes HR-Thema mit enormen Potenzial“, so Blech.