Die 143-größte Website der Welt wurde in einem Kinderzimmer in Hannover gebaut – und setzt im Monat sechsstellige Summen um
- Mit einem simplen Youtube zu MP3-Converter verdient der 24-Jährige Student Philip Matesanz Millionen. Heute steht er mit der Musik- und Adtech-Industrie auf Kriegsfuß [UPDATE]
- Mit einer simplen Website aus dem Kinderzimmer zum Millionen-Projekt
- Youtube-mp3.org – Erst kaum Reichweite, dann plötzlich Traffic-Explosion
- Trotz zahlreicher Blacklists vermutlich sechsstellige Einnahmen pro Monat
- Folgt jetzt ein Grundsatzverfahren zu Blacklists vor dem Europäischen Gerichtshof?
Mit einem simplen Youtube zu MP3-Converter verdient der 24-Jährige Student Philip Matesanz Millionen. Heute steht er mit der Musik- und Adtech-Industrie auf Kriegsfuß [UPDATE]
Über 200 Millionen Visits pro Monat, eine durchschnittliche Aufenthaltsdauer von knapp sechs Minuten und das alles quasi ohne Paid Traffic. Wer bei den Zahlen jetzt an Deutschlands größte „klassische“ Newsportale von Bild oder Spiegel denkt, ist schief gewickelt. Die Werte stammen nämlich von youtube-mp3.org, einer sehr simplen Seite mit lediglich einer Funktion: Youtube Videos in eine mp3-Datei umzuwandeln und herunterzuladen. Der Betreiber der laut SimilarWeb 143-größten Website der Welt heißt Philip Matesanz, ist 24 Jahre alt und studiert Informatik in Hannover. Wir haben mit ihm über sein Projekt gesprochen und gefragt, wie man seine Seite in die Top 200 hievt, was man dann damit verdienen kann und warum er regelmäßig mit Google und der Musikindustrie streitet.
Update, 5. September 2017: Nach langen Verhandlungen mit der RIAA, dem Verband der Musikindustrie in Amerika, scheint sich Philipp Matesanz dem Druck nun zu beugen. Medienberichten zufolge habe sich der Macher von youtube-mp3.org mit den großen Labels geeinigt; er werde die Seite zeitnah vom Netz nehmen. Außerdem soll er zugesagt haben, keine ähnlichen Projekte im Bereich „Streamripping“ neu aufzubauen.
Wer sich schon einmal diese eine besondere Version eines Liedes, die es nur auf Youtube gibt, herunterladen wollte (natürlich nur für private Verwendung), wird mit großer Wahrscheinlichkeit auf youtube-mp3.org, der Seite von Philip Matesanz, gelandet sein. Sein Dienst erfüllt nämlich genau diesen, und um genau zu sein auch wirklich ausschließlich diesen Zweck. Nach dem Kopieren der Video-URL in das Eingabefeld und einen Klick auf den Button „Video in mp3 umwandeln“ lässt sich die Tonspur des Clips als mp3-Datei herunterladen. Die Installation einer Software ist nicht nötig, aber Matesanz bietet zusätzlich Browser-Addons für Chrome und Firefox an.
Mit einer simplen Website aus dem Kinderzimmer zum Millionen-Projekt
Trotz der schnell wachsenden Verbreitung von Streaming-Diensten wie Spotify, Juke & Co. scheint sich das Konvertieren von Youtube-Videos immer noch größter Beliebtheit zu erfreuen. Neben einem Blick auf Google Trends – der Suchbegriff „youtube mp3“ liegt aktuell nur knapp unter seinem Allzeithoch – zeigen das auch die immer noch beeindruckenden Zahlen von Philip Matesanz’ Website youtube-mp3.org. Laut dem Statistikdienst SimilarWeb kam der schlanke Dienst im Juni 2015 auf krasse 213 Millionen Visits und ist nach diesem Ranking die 143-größte Website der Welt. Zum Vergleich: Deutschlands größtes Newsportal bild.de kam im selben Zeitraum auf knapp 55 Millionen Visits, Spiegel Online auf „nur“ 46,6 Millionen. Das SEO-Tool von SEOlytics weist für youtube-mp3.org insgesamt 481 Keywords aus, zu denen die Website auf der ersten Seite von Googles Suchergebnisliste landet. 106 Suchbegriffe – darunter so starke und relevante wie „mp3 youtube“, „youtube mp3 download“ oder „youtube to mp3“ – schaffen es demnach sogar auf die erste Position.
Uns ist natürlich bewusst, das die von SimilarWeb ausgewiesenen Traffic-Daten mit Vorsicht zu genießen sind (beispielsweise hatte bild.de statt 55 Millionen Visits im Juni laut der IVW 180 Millionen Visits), für Richtwerte und eine grobe Einschätzung, vor allem im direkten Vergleich zu konkurrierenden Seiten wie tube2mp3.de oder convertmp3.net, reichen sie aber allemal. Philip Matesanz selbst sagt, die Einschätzung bei SimilarWeb sei zu hoch: „Genaue Zahlen nenne ich sehr ungerne, aber die Werte sind deutlich übertrieben. Bei Quantcast zum Beispiel landet mein Dienst auf Platz 10.651, was glaube ich wiederum etwas zu schlecht ist. Ich persönlich denke, mein Dienst verdient eine Platzierung im mittleren 1000er-Bereich“, erklärt er. Matesanz hat auch eine Vermutung, warum die Daten so stark abweichen könnten. Er ergänzt: „Das liegt höchstwahrscheinlich daran, dass Angriffe jeglicher Art in diesem Marktumfeld leider auf der Tagesordnung stehen. Seit einigen Jahren muss ich beobachten, wie auf vielen Websites unsichtbare Frames eingefügt werden, die meine Seite laden. Der so erzeugte ‚bösartige‘ Traffic hat enorme Ausmaße angenommen und wird zunehmend zu einem Problem, da derartigen Nutzern selbstverständlich keine Werbemittel eingeblendet werden können.“ Im Normalfall monetarisiert Matesanz das Portal über eingebundene Werbemittel. Werden diese auf Seiten Dritter im Hintergrund geladen, können sie nicht geklickt werden. Der Fake Traffic bringt also kein Geld und schadet langfristig der Performance von Kampagnen auf youtube-mp3.org.
Youtube-mp3.org – Erst kaum Reichweite, dann plötzlich Traffic-Explosion
Seit Ende 2009 betreibt Philip Matesanz youtube-mp3.org jetzt schon. Was damals in seinem hannoverschen Kinderzimmer begann und durch ein monatliches Taschengeld in Höhe von 50 Euro finanziert wurde, dürfte heute locker für seinen Lebensunterhalt ausreichen. Dabei war das Portal nicht von Anfang an erfolgreich. Matesanz hatte Schwierigkeiten, Traffic auf die Seite zu ziehen. „Ich hatte wenig Erfahrung mit Traffic-Aufbau. Erste Versuche mit Posts in verschiedenen Foren waren wenig erfolgreich. Egal, was ich versucht habe, mehr als 100 Besucher am Tag konnte ich nicht erreichen“ beschreibt er die Anfangsphase von youtube-mp3.org und fügt hinzu: „Ich hatte mit dem Projekt eigentlich schon abgeschlossen, als der Traffic plötzlich richtig anzog. Bis heute weiß ich nicht genau, was dafür die Ursache war. Obwohl ich natürlich lange nach einem Grund gesucht hatte.“
Ohne also selber den Grund genau zu kennen, wurde das eigene kleine Web-Projekt zum Megaerfolg. Doch neben den bereits erwähnten Problemen in Sachen Fraud Traffic kämpft Philip Matesanz noch an weiteren Fronten. Schon seit einigen Jahren versucht Google (Mutterunternehmen von Youtube), Matesanz und Betreiber von ähnlichen Portalen zum Einstellen besagter Angebote zu bewegen. Die Dienste würden gegen die Nutzungsbedingungen von Youtube verstoßen. Matesanz wehrte sich unter anderem mit einer bis heute von fast 4,5 Millionen Menschen unterzeichneten Online-Petition und Rechtsgutachten von Anwälten, welche die Legalität von Youtube-Convertern unter der Voraussetzung von ausschließlich privatem Gebrauch bestätigen. Und auch der Bundesverband der Musikindustrie wollte youtube-mp3.org bereits einen Riegel vorschieben, musste vor dem Landgericht Berlin aber klein beigeben. Matesanz fühlt sich ungerecht behandelt. Vielleicht auch, weil er, wie er sagt, als einer der wenigen Anbieter auf Seriosität setzt: „Das war und ist in diesem Umfeld keine Selbstverständlichkeit. Über ein Impressum verfügen die wenigsten Anbieter – an der Tagesordnung stehen Whois-Protected Domains, Offshore Gesellschaften und Postfach-Adressen. Ich wollte eine Alternative bieten, die man auch ohne Virenschutz besuchen kann.“ Dafür hat er die PMD Technologie UG gegründet, die das Portal betreibt.
Trotz zahlreicher Blacklists vermutlich sechsstellige Einnahmen pro Monat
Auch wenn Philip Matesanz im Kampf gegen Google und die Musikindustrie bisher Teilerfolge für sich verbuchen konnte, gehen die gegen youtube-mp3.org gerichteten Bemühungen seiner Aussage nach nicht spurlos am Portal vorbei. Er klagt: „Ich gehe derzeit davon aus, dass ich durch das System der Blacklists von einem Großteil des Werbemarkts ausgeschlossen werde und mein Werbepotenzial kaum noch ausnutzen kann.“ Bei den sogenannten Blacklists handelt es sich um von Werbeplattform-Betreibern (Demand-Side-Platform, kurz DSP) geführte Listen – steht eine Seite auf einer solchen Blacklist, steht sie für Werbetreibende nicht mehr zur Verfügung, die über die jeweilige DSP bucht. Dadurch, dass an diese Werbeplattformen tausende Werbekunden angeschlossen sind, entstehe laut Matesanz eine sehr kritische Multiplikator-Wirkung. „Befindet der Mitarbeiter einer DSP eine Website für ‚schlecht‘, so wird ihr von einer Sekunde auf die andere der Zugang zu abertausenden Werbekunden abgeschnitten. Teilweise landet eine Seite direkt auf der Blacklist, wenn sich auch nur ein Kunde beschwert“, sagt Matesanz. Das sei eine fragwürdige Entwicklung auf dem Werbemarkt, weil sich so der relevante Einkaufsmarkt einschränke, sich das Angebot künstlich verringere und in der Folge Werbekunden durch eine höheres Preisniveau mehr zahlen müssten. Laut Matesanz gäbe es europaweit Initiativen, die zentrale, unternehmensübergreifende Blacklists schaffen wollen. „Ich halte schon die internen Blacklists der Einkaufsplattformen für kartellrechtswidrig. Dass die europäischen Initiativen aber unvermindert fortgeführt werden, verwundert mich noch mehr. Immerhin wurde eine auf Deutschland beschränkte Initiative kürzlich vom Bundeskartellamt als kartellrechtswidrig eingestuft. Und trotzdem sind teils börsennotierte Unternehmen weiter dabei, die Entwicklung voranzutreiben“, ärgert sich Philip Matesanz.
Um einen ungefähren Eindruck zu bekommen, in welcher Größenordnung sich die Einnahmen von youtube-mp3.org bewegen, haben wir uns über eine DSP einen Report zur Domain angeschaut. Demnach sind auf Basis der letzten 30 Tage theoretisch rund eine Milliarde (!) Ad Impressions verfügbar. 14,58 Millionen Unique User sollen den Dienst im Monat nutzen. Auch wenn man das nur als grobe Richtwerte sehen darf, sind es doch beeindruckende Zahlen. Schon bei einem niedrig angesetzten eTKP von zehn Cent (wenn also wie anzunehmen ist nicht 100 Prozent des Inventars verkauft werden können) würde sich der monatliche Umsatz auf 100.000 Euro belaufen. Experten aus unserem Rockstars-Netzwerk, die sich mit der Vermarktung von vergleichbarem Traffic in Bezug auf Qualität, Volumen und Geografie bestens auskennen, halten sogar monatliche Erlöse von 200.000 Euro für realistisch. Egal, welche Summe am Ende stimmt – für eine One-Man-Show, deren laufende Kosten recht gering ausfallen dürften, ist es definitiv sehr viel Geld…
Folgt jetzt ein Grundsatzverfahren zu Blacklists vor dem Europäischen Gerichtshof?
Gegenüber der Zeit sagte Matesanz vor drei Jahren, dass er keine Gewinnabsicht habe und Überschüsse aufspare, falls es mal Rechtsstreitigkeiten gebe. Unabhängig von der ersten Aussage könnte der zweite Punkt bald eintreten. Er plant, mit der Blacklist-Absprache vor den Europäischen Gerichtshof zu ziehen. „Ich habe ein großes Interesse daran, diesbezüglich ein Grundsatzverfahren zu führen und hierbei auf einen Richterspruch des EuGH abzuzielen. Einen Prozessfinanzierer konnte ich hierfür bereits gewinnen und ausreichend viele Anspruchsgegner existieren auch“, kündigt Matesanz an, fügt aber hinzu: „Es liegt mir jedoch wesentlich mehr an einer Zusammenkunft auf einer freundschaftlichen Ebene. Ich möchte jeden DSP-Verantwortlichen dazu einladen, sich bei mir zu melden. Es gibt für jedes Problem eine für alle Seiten vorteilhafte Lösung. Als solche betrachte ich ein Gerichtsverfahren nicht.“