Fusionsgerüchte über Outbrain und Taboola: Dreht sich der Wind im Recommendation-Biz?
Setzen Publisher künftig lieber auf eigenentwickelte Tools?
- Warum gibt es immer wieder Gerüchte einer Fusion von Outbrain und Taboola?
- Diesen Eindruck vermitteln die Fusions-Gerüchte über die Branche
- Daten von SimilarWeb deuten auf Traffic-Rückgang hin
- Taboola dementiert die Gerüchte einer angeblichen Fusion
- Die öffentliche Wahrnehmung besteht vor allem aus Fake News und Clickbaiting
- Einige Publisher entwickeln eigene technische Lösung zur Content Recommendation
Content Recommendation und Werbung am Artikelende galt im Online Marketing eigentlich als noch eines der wenigen Segmente, in denen auch Unternehmen außer Google und Facebook relevantes Wachstum generieren konnten. Doch zuletzt geriet das Geschäftsmodell, auch im Zuge der Fake-News-Debatte, in die Kritik. Nun kursieren Gerüchte über eine Fusion zwischen den beiden weltweit größten Anbietern Outbrain und Taboola. Dreht sich der Wind in der Content Recommendation-Branche? OMR hat im Markt nachgefragt.
Es wäre ein echter Adtech-Paukenschlag: Gerüchten zufolge planen die beiden Content-Recommendation-Schwergewichte Outbrain und Taboola eine Fusion und befinden sich laut Medienberichten bereits in einem fortgeschritten Stadium. Das berichten unter anderem Techcrunch sowie Fortune und berufen sich dabei auf das israelische News-Portal calcalist.co.il. Demnach seien auch schon Punkte geklärt, die angebliche Gespräche Ende 2015 hatten scheitern lassen, wie die Verteilung von Anteilen an dem neuen Unternehmen.
Warum gibt es immer wieder Gerüchte einer Fusion von Outbrain und Taboola?
Dass eine Fusion der Content-Recommendation-Companys Outbrain und Taboola nicht zum ersten Mal im Raum steht, dürfte unter anderem an den vielen Parallelen der zwei Unternehmen liegen. Beide wurden in Israel gegründet (Outbrain 2006 von Yaron Galai, Taboola 2007 von Adam Singolda) und haben ihren Hauptsitz inzwischen in New York. Beide bieten technische Lösungen für Publisher an, damit diese Leser am Ende eines Artikel über Empfehlungen entweder auf Inhalte der eigenen Seite leiten, oder gegen eine Provision auf Angebote von Advertisern (wir haben die sogenannte Content Recommendation unter anderem hier ausführlich beschrieben).
Und beide sind vor allem auch in Deutschland in den letzten Monaten sehr aktiv gewesen, was die Akquise neuer, großer Publishing-Partner angeht. So verkündete Outbrain jüngst eine strategische Partnerschaft mit der Spiegel-Gruppe, der Funke Mediengruppe und Publishern wie dem Manager Magazin, Rolling Stone und Gofemininin. Schon seit Ende 2015 kooperiert das Unternehmen bereits mit Bild.de.
Auch Taboola ist hierzulande nicht untätig und schloss Anfang des Jahres eine exklusive Partnerschaft mit Ströer ab. Seitdem sind die Empfehlungs-Widgets auf den Content-Portalen des Außenwerbers wie T-Online.de, Giga.de und Kino.de eingebunden. Auf der Expo Stage beim OMR Festival 2017 diskutierte Taboola-Gründer Adam Singolda bereits die Möglichkeiten und Herausforderungen dieser Kooperation mit Frederic Komp, dem Managing Director von Ströers Content Group.
Diesen Eindruck vermitteln die Fusions-Gerüchte über die Branche
Alleine dieser kleine Auszug an Publishing-Partnern von Outbrain und Taboola dürfte verdeutlichen, dass eine Fusion der Unternehmen einen echten Content-Recommendation-Giganten entstehen lassen würde. Die Schlussfolgerung liegt nahe, dass eine Bündelung der Kräfte auch zum Nachteil der beiden deutschen Player am Markt passieren würde. Ligatus, schon 2003 innerhalb von Onvista entwickelt und seit 2008 eine Tochter von Gruner + Jahr, und Plista, 2008 gegründet und seit Januar 2014 Teil des weltweit größten Agenturnetzwerks, der WPP Group, führen schon seit ein paar Jahren einen “harten Kampf um die Werbung am Artikelende”. Es gibt aber auch eine zweite Sichtweise: Im Markt ist immer wieder von hohen Garantiezahlungen die Rede, die Outbrain und Taboola im Zuge ihrer aggressiven Erschließung neuer Märkte an Publisher für Kooperationen zahlen. Dieses Kopf-an-Kopf-Rennen und gegenseitige Hochbieten könnte dank einer Fusion ein Ende haben – und so wieder für gemäßigtere Preise und weniger Margen-Druck sorgen.
In den Medienberichten zur angeblichen Fusion von Outbrain und Taboola wird über eine mögliche Bewertung des neuen Unternehmens spekuliert, die ihrerseits Spielraum für Interpretationen lässt. Demnach wäre die neue Firma “mehr als eine Milliarde US-Dollar wert”. Bedenkt man, dass alleine Taboola bei einer Finanzierungsrunde in Höhe von 117 Millionen US-Dollar Anfang 2015 mit rund einer Milliarde US-Dollar bewertet worden sein soll, wirkt diese neue Bewertung eher niedrig. Insgesamt konnte das Unternehmen in sieben runden 160 Millionen US-Dollar einsammeln und hat seit 2014 drei Firmen übernommen.
Auch Outbrains Bewertung soll bei angeblichen Vorbereitungen zu einem Börsengang Anfang 2015 schon bei rund einer Milliarde US-Dollar gelegen haben. In acht Finanzierungsrunden hat das Unternehmen bisher 194 Millionen US-Dollar einsammeln können und selber vier Akquisitionen getätigt.
Daten von SimilarWeb deuten auf Traffic-Rückgang hin
Um einen Eindruck von der Traffic-Entwicklung von Outbrain und Taboola zu bekommen, haben wir die jeweilige Redirect-URL (also die Domains, über die vom Publisher zum Advertiser weitergeleitet wird) der Unternehmen mit dem Statistikdienst SimilarWeb untersucht. Die Annahme: Durch die steigenden Zahlen der Partner-Publisher und mehr Einbindungen müsste der vermittelte Traffic steigen. Bis Anfang 2016 war das auch der Fall, seitdem sinkt der Traffic laut Daten von SimilarWeb allerdings deutlich. So hatte traffic.outbrain.com mit 317,7 Millionen Visits weltweit im Januar 2016 den Höhepunkt; im April 2017 waren es nur noch 187 Millionen Visits. Und trc.taboola.com landet vom Höhepunkt im März 2016 mit 216,9 Millionen Visits bei 147,4 Millionen Visits im April 2017 (nach einem leichten Plus im Vergleich zum März).
Alexander Erlmeier, Managing Director Central Europe bei Outbrain, kann die von SimilarWeb ausgewiesenen Werte im Gespräch mit OMR nicht nachvollziehen: “Laut internen Analysen liefern wir jeden Monat 275 Milliarden Empfehlungen aus, die Zahl der Unique Clients geht in den Bereich von etwa einer Milliarde. Und die letzten ComScore-Zahlen von Anfang 2016 haben etwa 500 Millionen Unique User pro Monat ausgewiesen – nur auf dem Desktop. Das passt also überhaupt nicht.” Outbrain erreiche über die über 150 verschiedenen Publisher in Deutschland laut Agof 43 Millionen Nutzer, das entspräche etwa 76 Prozent aller Internetnutzer hierzulande. “Alleine in Deutschland haben wir seit Oktober letzten Jahres durch Partnerschaften mit unter anderem der Spiegel-Gruppe und Burda Forward unsere Reichweite fast verdoppeln können”, so Erlmeier. Weit über die Hälfte sei dabei mobiler Traffic, über 70 Prozent der Klicks würden durch interne Empfehlungen generiert. Zu dem Gerücht einer angeblichen Fusion mit Konkurrent Taboola wollte man sich bei Outbrain nicht äußern.
Taboola dementiert die Gerüchte einer angeblichen Fusion
Auch Adam Singolda, CEO und Gründer von Taboola, korrigiert SimilarWebs Daten im Gespräch mit OMR: “We believe that the SimilarWeb numbers are inaccurate, and we believe that is temporarily so due to methodology they recently changed”. Man arbeite bereits gemeinsam an einer Lösung, um die Daten zu korrigieren. “Our internal data shows: We recorded 1.172.418.054 million visit referrals from our widget to our partner sites worldwide (i.e. – clicks) in March 2016. By April 2017, that number had grown to 1.437.953.388 million referrals worldwide”, so Singolda weiter. Deutschland sei aktuell der am schnellsten wachsende Markt. Desweiteren sei er daran interessiert, gemeinsam mit SimilarWeb und anderen Unternehmen einen Mess-Standard zu finden, “to make sure we’re all alignend in how we measure users, visits etc., which is naturally not a trivial problem.”
Die Gerüchte um eine mögliche Fusion mit Outbrain bezeichnet der Taboola-Gründer nur kurz als “Fake News” – und verweist auf eine Stellungnahme bei themarker.com. Dort zitiert das Portal aus Israel eine E-Mail Adam Singoldas an Mitarbeiter. Die Fusion sei ein Gerücht ohne Grundlage, das immer wieder von der gleichen Seite verbreitet werde. Seine offizielle Antwort sei: “A merger with Outbrain is always an interesting opportunity, and we would consider it if it was real, but as of now it’s bullshit.” (Mit Google Translator aus dem Hebräischen übersetzt).
Die öffentliche Wahrnehmung besteht vor allem aus Fake News und Clickbaiting
Unabhängig von den offenbar falschen Fusions-Gerüchten hat es die Branche aktuell nicht einfach. Die öffentliche Wahrnehmung von Content Recommendations wurde vor allem in den letzten Monaten – zum Beispiel während des US-Wahlkampfes – negativ geprägt, Clickbaiting und Fake News werden mit der immer noch jungen Marketing-Disziplin häufig in einem Zuge genannt. Dazu dürften sicher auch “Artikel” beitragen, die zum Beispiel Schauspieler fälschlicherweise für tot erklären (siehe eingebetteter Tweet). Unter anderem Revcontent aus Florida fällt immer wieder mit ähnlichen News auf und hat mit der Positionierung am unteren Qualitätsrand offenbar eine lukrative Nische gefunden. Testbericht.de hatte in diesem Zusammenhang 100 deutsche Nachrichtenportale und Webseiten auf Anzeigen für Fake-Nachrichtenseiten untersucht – und auf 72 der überprüften Webseiten entsprechende Werbung entdeckt.
Als Konsequenz scheinen sich die Fälle zu häufen, in denen Publisher auf externe Technologie zur Content Recommendation verzichten und eigene Lösungen entwickeln. So zum Beispiel der amerikanische Publisher Outside Magazine, ein Outdoor-Lifestyle-Magazin. Todd Hodgson, Director of Product Management, erklärte kürzlich gegenüber Digiday, dass sie zwar lange Outbrain eingebunden hatten. Seit vier Monaten nutze das Portal jedoch eine eigene Lösung, die nur eigene Artikel empfiehlt. Die Klickrate sei dadurch leicht auf 1,3 Prozent gestiegen. Bei den Nutzern, die Artikel zu Ende lesen, sei sie von 2,5 auf 5,8 Prozent gestiegen.
Einige Publisher entwickeln eigene technische Lösung zur Content Recommendation
Im Oktober 2016 hatte auch schon der US-Publisher Slate externe Content Recommendations-Widgets von der Seite verbannt. Präsident Keith Hernandez begründete den Schritt in einem in der Branche viel beachtetem Artikel der New York Times mit deutlichen Worten: “These ads are built on a premise for publishers to maximize revenue — it’s not built on a premise of finding the next great things for your readers to do.” Er fügte hinzu: “If your readers’ trust and loyalty is number one as the thing you care about most, you can’t have that on your page.” Und auch der New Yorker habe laut des Artikel inzwischen komplett auf externe Lösungen zur Content Promotion verzichtet.
Auch im deutschsprachigen Raum gibt es bereits Publisher, die nicht Outbrain, Taboola, Ligatus oder Plista verwenden, sondern auf eigene technische Lösungen setzen. Seit Mitte 2016 ist die audienzz AG die neue digitale Vermarktungs-Tochter der NZZ-Mediengruppe aus der Schweiz, die auch Content Recommendation anbietet. Neben der NZZ selbst sind mit unter anderem luzernerzeitung.ch, tagblatt.ch und südostschweiz.ch auch weitere Publisher mit an Bord. “Das sind sehr viele wichtige Anbieter von hochwertigen journalistischen Inhalten”, sagt Martin Jungfer, Leiter Audience Management bei der NZZ im Gespräch mit OMR. “Als der erste große Hype dieser Werbung am Artikelende aufkam, haben wir bei uns nicht direkt die Notwendigkeit gesehen und erst einmal geschaut, was die Branche macht.” In der Folge habe er häufig mit Widgets dieser Art überfrachtete Webseiten gesehen.
Ein weiterer Grund für den Verzicht auf eine externe Lösung sei laut Jungfer eine sehr kritische und qualitätsbewusste Leserschaft: “Auch wenn bei den großen Anbietern heute sicher auch hohe Qualitätsstandards am Content vorausgesetzt werden, war es das Risiko in unseren Augen nicht wert, unsere Nutzer zu verärgern.” In erster Linie habe die eigene Content Recommendation-Lösung der NZZ heute zum Ziel, Registrierungen oder Newsletter-Abonnenten zu generieren. “Es geht vor allem um die Leserbindung und Nutzungstiefe”, so Martin Jungfer. “Neben der Auswahl weiterführender Artikel durch unsere Redaktion setzen wir auf einen Algorithmus, der bestmöglich das persönliche inhaltliche Interesse eines jeden einzelnen Nutzers im Blick hat.” Die Werbeerlöse aus dem Bereich stünden nicht im Vordergrund. “Der Anteil der bezahlten Anzeigen liegt unter zehn Prozent, die Klickraten sind im Vergleich zu klassischen Display-Bannern aber sehr gut.”