Google steigt ins Influencer Marketing ein – Kommt jetzt die Konsolidierung?

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Inhalt
  1. Künftig müssen kleine Dienstleister auch mit Zalando, G+J & Co. konkurrieren
  2. 3,4 Milliarden User Brutto-Reichweite
  3. Droht ein Interessenskonflikt?
  4. Google versucht zu beschwichtigen
  5. Mehr unerschlossenes Potenzial als im Display-Bereich
  6. Warum Influencer Marketing so gehypet ist
  7. Markenaufbau alleine über Instagram & Co
  8. Große Player entern den Markt
  9. Zalando erwartet „relevante Umsätze“
  10. Startup-Schmiede von Gruner gründet In Circles aus
  11. Hoffnung auf Print-Upselling
  12. Springer setzt auf Reachhero

Künftig müssen kleine Dienstleister auch mit Zalando, G+J & Co. konkurrieren

550_KimK1 Es ist aus vielen Gründen ein beachtenswerter Deal: Youtube-Betreiber Google kauft Famebit – ein US-Startup, das es Werbetreibenden ermöglicht, ihre Produkte in Videos von populären Youtubern zu platzieren. Es ist nicht der erste große Player, der den Markt für Influencer Marketing betritt – auch Twitter und Zalando sind hier mittlerweile tätig. Ist der Google-Famebit-Deal der endgültige Startschuss für die Konsolidierung? Online Marketing Rockstars fasst die aktuelle Entwicklung zusammen und analysiert die Situation im Markt.

Ariel Bardin (Foto: Google)

Ariel Bardin (Foto: Google)

Immer mehr Marken würden auf Youtube nicht nur klassische Anzeigen schalten, sondern darüber hinaus auch „Branded Content“, Product Placements und Sponsorings bei Youtubern buchen, schreibt Google-Manager Ariel Bardin im offiziellen Unternehmensblog anlässlich der Übernahme von Famebit. „Wir wollen, dass in Zukunft noch mehr Creator und Marken zusammenkommen und die Vorteile solcher Kooperationen erkennen.“ Im Klartext: Google will Werbetreibende durch die Übernahme von Famebit künftig direkt dabei unterstützen, ihre Produkte (entsprechend gekennzeichnet) in Videos von Youtubern zu platzieren  – und davon selbst finanziell profitieren.

3,4 Milliarden User Brutto-Reichweite

Famebit, im Jahr 2013 gegründet, hatte sich zu Anfang offenbar vor allen Dingen darauf spezialisiert, zwischen Youtubern und Werbetreibenden zu vermitteln. Mittlerweile makelt das Startup scheinbar aber auch zwischen „Influencern“, die auf anderen Plattformen aktiv sind. So hat Famebit im Jahr 2015 die Agentur Refame aufgekauft, die sich auf Influencer Marketing mit Kurzvideos auf Instagram, Snapchat und Vine spezialisiert hatte.

Ein Einblick in die Famebit-Plattform (Quelle)

Ein Einblick in die Famebit-Plattform ()

Auf Famebits Marktplatz können Werbetreibende entweder geplante Kampagnen für alle auf der Plattform aktive „Creator“ sichtbar einstellen und dann Bewerbungen entgegennehmen, oder „private Kampagnen“ anlegen und dafür bestimmte „Creator“ auswählen und diese einladen. Kommt eine Vermittlung zustande, kassiert Famebit jeweils 10 Prozent der Kampagnenkosten vom Werbetreibenden und vom „Creator“. Nach Angaben des Unternehmens sind derzeit mehr als 46.000 „Creator“ mit einer Brutto-Gesamtreichweite von 3,4 Milliarden Menschen auf der Plattform aktiv. Famebit ist bislang nur mit einer Niederlassung in den USA vertreten. Auch nach der Übernahme durch Google soll Famebit als eigenständiges Unternehmen bestehen bleiben, heißt es im Firmenblog.

Droht ein Interessenskonflikt?

Die Übernahme von Famebit durch Google ist aus vielerlei Hinsicht interessant. So stellt sich zum einen die Frage, ob die Youtube-Mutter sich durch den Kauf nicht in einen Interessenskonflikt begibt. Denn schließlich kann Google durchaus mit beeinflussen, wie viel Reichweite ein bestimmtes Video auf Youtube erhält – etwa, indem es bestimmte Videos auf der Startseite empfiehlt, oder durch die Autoplay-Funktion (nachdem ein Video zu Ende gesehen wurde, startet automatisch ein weiteres, von Youtube ausgewähltes). Rein theoretisch wäre es dem Unternehmen also möglich, Videos, die von Google vermittelte Product Placements beinhalten, zu bevorzugen.

Hinzu kommt: Google begibt sich durch die Übernahme theoretisch in Wettbewerb zu Multi-Channel-Networks (Maker Studios, Studio 71…), die Dienstleistungen anbieten, die zum Teil mit denen von Famebit durchaus zu vergleichen sind. Bislang hatte Google die MCNs aktiv unterstützt, etwa durch die Freischaltung technischer Schnittstellen.

Google versucht zu beschwichtigen

Im Blog-Eintrag versucht Google-Manager Ariel Bardin jedwede Bedenken wegen möglicher Interessenskonflikte zu zerstreuen. „Creator werden immer die Wahl haben, auf welchem Weg sie mit Marken zusammenarbeiten – und es gibt bereits viele großartige Firmen, die diesen Service schon heute anbieten. Diese Übernahme wird das nicht ändern.“ Vielmehr hoffe das Unternehmen, dass MCNs künftig Famebit sogar als technologische Lösung einsetzen. Die Frage, wie sich dies möglicherweise auf die Marge der MCNs auswirken könnte, thematisiert Bardin an dieser Stelle nicht.

Durchaus erstaunlich ist der Deal aber auch, weil er rein theoretisch die Möglichkeit eröffnet, dass Google künftig durch Vermittlungsdienste auch mit Werbung auf Plattformen von direkten Wettbewerbern wie Facebook, Instagram und Twitter Geld verdient. Zwar legt Famebit seinen Schwerpunkt augenscheinlich immer noch auf Youtube – es wäre aber sehr erstaunlich, wenn die Influencer die über Famebit geschalteten Kampagnen nicht auch auf ihre anderen Social-Media-Profile verlängerten.

Mehr unerschlossenes Potenzial als im Display-Bereich

Interessant ist der Deal aber auch, weil er möglicherweise ein Signal dafür ist, wo Google derzeit die größten Chancen im Online Marketing sieht. Der Branchen-Platzhirsch hatte in den vergangenen Jahren vor allen Dingen Firmen übernommen, die für klassisches Mediageschäft stehen: Doubleclick, Admeld und Admob. Zwar dürfte Famebit deutlich günstiger gewesen sein als die genannten Firmen. Auch wenn der Kaufpreis nicht bekannt ist, lässt der Umstand, dass Famebit laut Linkedin aktuell 21 Mitarbeiter beschäftigt, auf einen sieben- bis achtstelligen Betrag schließen – und nicht, wie bei den genannten Deals, auf einen neun- bis zehnstelligen. Trotzdem legt die Famebit-Übernahme die Interpretation nahe, dass aus Sicht von Google im Geschäft mit Branded Content und Product Placement, in dem sich die Grenze zwischen Werbung und Content zunehmend auflöst, mittlerweile mehr unerschlossenes Umsatzpotenzial liegt, als im klassischen Display-Advertising. Ein (sicherlich nicht ganz unproblematischer) Vergleich des Suchvolumens zu den Begriffen „Influencer Marketing“, „Display Advertising“ und „Real Time Bidding“ unterstützt diese Annahme.

Die Suchanfragen nach "Influencer Marketing" sind innerhalb der vergangenen Monate stark gestiegen und haben fast den Suchbegriff "Video Advertising" eingeholt (Quelle: Google Trends)

Die Suchanfragen nach „Influencer Marketing“ sind innerhalb der vergangenen Monate stark gestiegen und haben fast den Suchbegriff „Video Advertising“ eingeholt (Quelle: Google Trends)

Warum Influencer Marketing so gehypet ist

Der Begriff „Influencer Marketing“ hat innerhalb der vergangenen 24 Monate einen nahezu beispiellosen Aufstieg erlebt – und gemeinsam mit ihm eine ganze Branche an Startups und Dienstleistern. Verlässliche Erhebungen über mögliche Spendings gibt es bislang zwar keine. Doch alleine die Vielzahl der Dienstleister, die auf einen Goldrausch hoffen, illustriert, welche Hoffnungen die Branche mit der neuen Disziplin verknüpft. Als wir im vergangenen Jahr dazu aufriefen, sich im Rahmen der Aktion „3 companies to watch“ für einen Vortrags-Slot auf der Bühne des Online Marketing Rockstars Festivals zu bewerben, sind dieser Aufforderung so viele Influencer-Marketing-Startups gefolgt, dass wir alle von ihnen gemeinsam auf die Bühne gestellt haben.

Angefeuert wurde der Influencer-Hype von mehreren Faktoren. Erstens: die immer noch steigende Nutzung sozialer Plattformen wie Youtube, Instagram und Facebook auf Verbraucherseite und gleichzeitig die Etablierung von „Social-Media-Celebritys“ mit eigenen, teilweise enormen Reichweiten.

Markenaufbau alleine über Instagram & Co

Zweitens: Markenbildung im engeren Sinne war bislang nicht unbedingt eine der Stärken digitaler Werbung. Sowohl Google Adwords als auch Facebook-Anzeigen, beide die bisher erfolgreichsten digitalen Werbeprodukte, sind performance-basiert und damit eher Absatz-orientiert (auch wenn Facebook-Ads sicherlich weiter oben im Funnel angesiedelt sind und auch Bedarf wecken können). Mit Influencer Marketing ist es nun in den vergangenen zwei bis drei Jahren gewieften Unternehmern gelungen, komplett neue, Millionen-schwere Brands aufzubauen – wie etwa dem Dänen Filip Tysander mit der Uhrenmarke Daniel Wellington.

Und drittens sind in den vergangenen Jahren die Preise bei Google Adwords und Facebook Anzeigen gestiegen – im Fall von Adwords sogar deutlich. Mit Influencer Marketing hoffen Werbetreibende deswegen, qualitativ hochwertige Reichweite zu günstigeren Preisen einkaufen und gleichzeitig noch Branding-Effekte erzielen zu können. Zuletzt war jedoch immer häufiger zu hören, dass auch Influencer mittlerweile teilweise unverhältnismäßig hohe Preise forderten und der Markt überhitzt sei.

Große Player entern den Markt

Möglicherweise ist die Übernahme von Famebit durch Google nun der endgültige Startschuss für eine Konsolidierung und weitere Professionalisierung des Marktes. Bislang fehlte im Markt ein „Marketmaker“: eine strukturierende Plattform, die den Markt gestaltet und der Disziplin in der Breite zum Durchbruch verhilft. Nun haben neben Google auch andere große Player den Markt betreten, die möglicherweise über das Potenzial verfügen, diese Leistung zu vollbringen. Im Februar 2015 hatte Twitter bereits den Famebit-Konkurrenten Niche übernommen. Im März 2016 kaufte die New York Times die Influencer-Marketing-Agentur Hello Society.

Auch in Deutschland sind innerhalb der vergangenen Wochen diverse größere Unternehmen im Influencer Marketing tätig geworden. E-Commerce-Riese Zalando hat im September erstmals die Plattform Collabary offiziell vorgestellt, eine selbst entwickelte „Content Creator Platform“. Aus Sicht von Zalando war diese Erweiterung wohl naheliegend: Das Unternehmen verfügt wegen eigener Kampagnen über Kontakte zu vielen relevanten Influencern. Auf der anderen Seite unterhält Zalando bereits Geschäftsbeziehungen zu Markenartiklern und bietet diesen auf der eigenen Plattform bereits Dienstleistungen wie Markenshops und Werbung (mit Zalando Media Solutions) an. Wichtige Assets für Collabary waren also bereits vorhanden. Nun hat das Unternehmen noch eine technische Plattform darum herum gebaut.

Zalando erwartet „relevante Umsätze“

Christian Müller

Christian Müller

Über die Plattform können Werbetreibende nach Unternehmensangaben nach Influencern suchen und dabei nach Thema/Bereich, Reichweite, Herkunftsland und Plattformen, auf denen die Influencer tätig sind, filtern. Außerdem können sie dort das gesamte Kampagnenmaterial hochladen und auf diese Weise allen ausgewählten Influencern übergreifend zur Verfügung stellen. Drittes Feature ist ein ausführliches Reporting, mit Angaben über die Reichweite und das Engagement von durchgeführten Kampagnen.

„Wir arbeiten bereits seit Ende des vergangenen Jahres an Collabary“, sagt Christian Müller*, Director Strategy beim Vermarkter Zalando Media Solutions, unter dessen Dach Collabary angesiedelt ist. „Wir haben signifikante Ressourcen in die Plattform investiert und erwarten durchaus relevante Umsätze aus diesem Geschäft.“

Derzeit arbeiten nach Unternehmensangaben acht Mitarbeiter an Collabary. Sie sind vor allen Dingen im Produktmanagement, Brand-Account-Management und der Influencer-Akquise tätig; der Vertrieb läuft über Zalando Media Sales. Leitend verantwortlich für Collabary ist Belen Sienknecht. Aktuell seien 800 Influencer und 25 Marken auf der Plattform aktiv. Auf der Collabary-Website sind Puma, Converse, Topshop, Nike und Lee als erste Kunden aufgeführt. Die Werbetreibenden zahlen eine feste Gebühr für die Nutzung der Plattform.

Startup-Schmiede von Gruner gründet In Circles aus

Jens Uehlecke

Jens Uehlecke

Zeitgleich mit Zalando hat auch das Hamburger Medienhaus Gruner+Jahr eine eigene Influencer-Marketing-Plattform im Markt vorgestellt: In Circles, eine Ausgründung des „Innovation Labs“ Greenhouse. „Influencer sind die neue, wichtige Instanz zur Meinungsbildung. Unsere Ausgangsfrage war, wie können wir das Potenzial von Social-Media-Größen mit der Kraft der G+J Marken verbinden? Die Antwort ist In Circles“, so Greenhouse-Chef Jens Uehlecke.

Mittlerweile wird In Circles unter dem Dach des Vermarkters G+J EMS betrieben. Unternehmensangaben zufolge beschäftigt das Startup neun Mitarbeiter. Auch In Circles hat eine eigene technische Plattform entwickelt: „Die komplette Abwicklung von der Algorithmus-basierten Influencer-Qualifizierung bis hin zum Reporting inklusive Real-Time-Tracking erfolgt über ein eigens entwickeltes Tool“, sagt Frank Vogel, Sprecher der Geschäftsleitung von G+J EMS. Zu den ersten Kunden gehören der Online-Shop About You und der Porzellanhersteller Rosenthal.

Hoffnung auf Print-Upselling

Zuvor hatte Gruner bereits die Münchner Agentur Webguerillas übernommen und in der Content-Marketing-Sparte Territory eingegliedert. Webguerillas hatten sich zuletzt verstärkt in diesem Bereich positioniert.

Auch Gruner dürfte der Einstieg ins Influencer Marketing leichter fallen, als einem jungen Startup: So dürfte das Unternehmen wegen seiner Mode- und Lifestylemedien („Gala“) über eine Vielzahl von Kontakten zu Werbetreibenden und großen Mediaagenturen verfügen. Offenbar will Gruner Influencer Marketing vor allen Dingen im Verbund mit Werbeleistung in den eigenen Medienmarken anbieten. „Das In-Circles-Angebot kann mit den G+J-Medien zu crossmedialen Kommunikationslösungen kombiniert werden. Zusätzlich ist es möglich, Influencer-Kampagnen als Stand-Alone-Lösung zu buchen“, sagt Sprecher Frank Vogel.

Springer setzt auf Reachhero

Gruner-Konkurrent Axel Springer ist bereits seit längerem indirekt im Influencer Marketing tätig: Das Startup Reachhero ist aus dem unternehmenseigenen Accelerator Plug & Play hervor gegangen; Springer ist daran minderheitlich beteiligt. Seit Anfang des Jahres wird Reachhero zudem von Media Impact (dem Joint-Venture von Axel Springer und der Funke-Gruppe) mitvermarktet.

Anfang September hatte zudem Kinowerber Weischer die Mehrheit an Nqyer erworben. Das Startup war von jungen Unternehmern aus einem Kinderzimmer in Pinneberg heraus aufgebaut worden.

Im Mai ist darüber hinaus ZDF Enterprises, eine privatwirtschaftliches Tochterunternehmen des öffentlich-rechtlichen Fernsehsenders, eine Kooperation mit der Mainzer Youtuber-Plattform Hitchon eingegangen. Wie dem Handelsregister zu entnehmen ist, hat ZDF im Zuge dessen auch eine Minderheit an Hitchon erworben.

Die kommenden Monate werden zeigen, ob die verbliebenen unabhängigen Dienstleister die notwendige Größe erreicht haben oder erreichen können, um sich am Markt halten zu können – oder ob sie verdrängt oder übernommen werden.

Update 20. Oktober, 9:15 Uhr: Wir haben den Artikel um Informationen über die Beteiligung von ZDF Enterprises an Hitchon ergänzt.

*Disclosure: Christian Müller ist auch Gesellschafter der Ramp 106 GmbH, Veranstalter und Betreiber von Online Marketing Rockstars.

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Roland Eisenbrand
Autor*In
Roland Eisenbrand

Roland ist seit mehr als zehn Jahren als Journalist in der Digitalbranche aktiv. Seit 2014 verantwortet er als Head of Content (und zweiter Mitarbeiter) alle inhaltlichen Komponenten von OMR, darunter vor allem den OMR Blog und redaktionelle Arbeit rund um das OMR Festival.

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