Affiliate-Marketing-Welle im digitalen Publishing: So monetarisieren Buzzfeed & Co. mit E-Commerce
Unter anderem The Daily Dot, die New York Times und Gawker machen es vor
- Buzzfeed beschäftigt eine eigene Commerce-Redaktion
- Buzzfeed-Gründer Jonah Peretti pusht das Commerce-Thema
- The Daily Dot: E-Commerce-Business dank Videos auf Facebook
- Publisher und Affiliate-Marketing – Fluch oder Segen?
Digitale Publisher haben es nicht leicht: Adblocker, als Folge sinkende Einnahmen durch Display-Advertising und nur selten funktionierende Lösungen von Abo-Modellen sind nur ein paar Beispiele. Die Lösung der Stunde scheint jetzt Affiliate-Marketing zu sein. Zahlreiche große und namhafte Medien wie die New York Times oder Buzzfeed setzen verstärkt auf den Kanal und erhoffen sich relevante Umsätze. OMR zeigt, welche Strategien die einzelnen Publisher verfolgen – und welchen nicht zu unterschätzenden Stellenwert diese Art der Reichweiten-Monetarisierung schon heute hat.
Mit rund 247 Millionen Visits war Buzzfeed laut dem Statistik-Dienst Similar Web im März 2017 die weltweit größte Seite der Kategorie “News and Media”. Das ist eine zweifelsohne beeindruckende Zahl, im August 2015 waren es allerdings noch 357 Millionen – das bedeutet einen Traffic-Einbruch von 30 Prozent in nicht einmal zwei Jahren. Klar: Similar Web liefert nur Näherungswerte und Buzzfeed wächst besonders im Social Video-Bereich weiter stark. Nur das Food-Vertical Tasty generierte im vergangenen Monat rund 1,3 Milliarden Views auf Facebook. Und trotzdem macht die rückläufige Reichweiten-Entwicklung auf der eigenen Seite doch ein schwerwiegendes Problem deutlich: Wie sollen digitale Publisher heute eigentlich Geld verdienen?
Selbst einer der größten News- und Entertainment-Seiten überhaupt fällt das nämlich offenbar immer noch gar nicht so leicht. Buzzfeeds Umsatzziele von 250 Millionen US-Dollar für das Jahr 2015 sollen deutlich verfehlt worden sein und auch mit den für 2016 angepeilten 500 Millionen US-Dollar könnte es Gerüchten zufolge eng werden. Für eine Umsatzsteigerung soll seit einigen Monat das Format sorgen, mit dem Buzzfeed als Viral-Publisher einst groß geworden ist: Listicles. Doch statt Katzenbildern enthalten diese heute immer häufiger Produkte, Geschenketipps und klare Kaufempfehlungen – inklusive Affiliate-Links.
Buzzfeed beschäftigt eine eigene Commerce-Redaktion
Hinter den Affiliate-Listicles von Buzzfeed, die auf den ersten Blick ganz normal aussehen, steckt eine klare Strategie. Im Laufe des letzten Jahres hat der Publisher eine komplette Redaktion aufgebaut, um so gezielt vermarktbaren Content zu erstellen. Insgesamt zwölf Redakteure soll das Team laut Recode aktuell umfassen.
Die gezielt zur Platzierung von Affiliate-Links produzierten Listen unterscheiden sich im Aussehen tatsächlich kaum von den ursprünglichen. Lediglich ein kleiner Hinweis im Artikel (“Just so you know, BuzzFeed may collect a share of sales from the links on this page.”) und die Kategorie “Shopping” deuten darauf hin; beides Dinge, die schnell übersehen werden können, wenn man beispielsweise von Facebook aus auf solche Listen zugreift.
Aber nicht nur der Personalaufwand zeigt, wie ernst es Buzzfeed mit der neuen Umsatzsäule Affiliate-Marketing meint. Laut Recode soll das Unternehmen ein eigenes Inhouse-Tool gebaut haben, das es sowohl Shops ermöglicht, am Programm teilzunehmen, als auch Redakteuren das Umsatzpotenzial zu bestimmten Produkten anzeigt.
Einer der ersten Partner von Buzzfeeds Affiliate-Bemühungen ist demnach Shopify. Das Unternehmen stellt Händlern eine Software für Online-Shops zur Verfügung. Insgesamt sollen fast 400.000 Händler die Lösung nutzen. Geben diese Buzzfeed ein Opt-In, können Redakteure direkt beim Erstellen eines Artikels nach Produkten des entsprechenden Shops suchen, nach Trends oder Preisänderungen filtern und mit einem Klick einen Link inklusive Affiliate-ID generieren. Obwohl Shopify-Merchants sich die Höhe der Provision, die Buzzfeed bei einem Kauf erhalten würde, aussuchen können sollen, rechnet der Medienkonzern mit einem Schnitt im Bereich von zehn bis 25 Prozent. Zum Vergleich: Bei Amazon ist der höchste Wert zehn Prozent, für Produkte der Kategorie “Schuhe, Schmuck, Kleidung, Uhren, Gepäck”.
Buzzfeed-Gründer Jonah Peretti pusht das Commerce-Thema
Welchen Stellenwert die Themen Affiliate-Marketing und E-Commerce für Buzzfeed haben, wird auch deutlich, wenn der Gründer und CEO Jonah Peretti vom Commerce-Chef Ben Kaufman spricht, der direkt an ihn berichtet. Gegenüber fortune.com sagte er: “Ben was trying to create this idea of products that inspire people, that they want to share, that gives them a way to connect with their friends, and it was a BuzzFeed-y way of thinking about commerce.” Peretti glaube stark an Social Commerce und einen möglichen Durchbruch Ende 2018. Da wolle Buzzfeed vorbereitet sein.
Zu Buzzfeeds Product Lab, der für E-Commerce zuständige Bereich im Unternehmen, gehören aber längst nicht nur Listicles mit Affiliate Links, sondern auch eigene Produkte oder Produkt-Lizenzen. Da wäre zum Beispiel der Fondoodler, eine Art Käse-Pistole, die unter anderem über die riesige Reichweite vom Tasty-Vertical promotet wird. Oder der “Fuck Shit Shop”, in dem Buzzfeed Klamotten, Tassen oder Stifte mit entsprechenden Aufdrucken und Sprüchen verkauft. Außerdem gibt es die Facebook-Seite “Buy Me That”, “Homesick-Candles”, die im eigenen Buzzfeed-Shop verkauft werden und und und. Wie erfolgreich all diese Bemühungen wirklich sind, werden wir vielleicht schon im nächsten Jahr erfahren. Da wird Buzzfeed nämlich – zumindest wenn es nach Mike Allen von Axios geht – an die Börse gehen.
The Daily Dot: E-Commerce-Business dank Videos auf Facebook
Buzzfeed ist längst nicht der einzige digitale (Viral)-Publisher, der aktuell verstärkt auf E-Commerce setzt. The Daily Dot beispielsweise ist mit 2,5 Millionen Facebook-Fans und rund 50 Millionen Video-Views im März zwar deutlich kleiner, hat das Monetarisierungs-Potenzial aber ebenfalls erkannt. Laut Digiday waren sieben der zehn erfolgreichsten Videos aus dem letzten Monat Werbevideos und dazu gedacht, Produkte zu verkaufen. So wurde ein Video über ein sich selbstreinigendes Aquarium über 500.000 Mal angeschaut. Der Bitly-Link, der in den eigenen Online-Shop von The Daily Dot und auf die Produktdetailseite des Aquariums für 99 US-Dollar führt, wurde bereits über 10.000 Mal angeklickt.
Dass die Themen Digital Publishing, Commerce und Affiliate-Marketing sehr eng zusammenrücken könnten, hatte schon die Akquisition von The Wirecutter inklusive der Schwesterseite The Sweethome durch die New York Times für rund 30 Millionen US-Dollar im Oktober 2016 angedeutet. Einige Monate vor dem Deal hatten wir die Seite für Tests von Technik-Produkten und Gadgets bereits ausführlich beschrieben – und als möglicherweise erfolgreichsten Affiliate-Publisher der Welt bezeichnet. Unsere Schätzungen zufolge machte die Seite schon 2015 4,5 Millionen US-Dollar Umsatz.
Der Gründer Brian Lam war vorher übrigens Redakteur bei Gawker Media. Vielleicht hat er ja auch dort den Stellenwert von E-Commerce für Publisher verstanden. Denn auch Gawker, nach einem Rechtsstreit mit Wrestling-Legende Hulk Hogan kurz vor der Pleite an Univision verkauft, soll ein Drittel der Umsätze mit E-Commerce erwirtschaften.
Publisher und Affiliate-Marketing – Fluch oder Segen?
Man kann von dem aktuellen Trend halten, was man will. Fakt ist: Die Publisher, die die Chance der Commerce-Umsatz-Säule früh erkannt haben, dürften mit einem klaren Vorteil starten, wenn sich das Modell langfristig etabliert. Ob die Entwicklung aus der journalistischen Perspektive und für den Inhalt des Contents bedenklich sind, ist dabei noch schwer zu sagen. Allerdings dürfte es im Interesse der Publisher sein, hohe inhaltliche Qualität zu liefern beziehungsweise Inhalte, die zur jeweiligen Zielgruppe passen. Schickt ein User ein auf Grund eines Buzzfeed-Listicles bei Amazon gekauftes Produkt zurück, wird schließlich auch keine Provision fällig.
Übrigens haben auch wir hin und wieder Affiliate-Links in unseren Artikeln eingebaut – und so ein paar Käufe von Online-Marketing-Büchern und Klopapier vermittelt.