Titanic, Übermedien & Co. setzen auf Steady – Wie geht es dem deutschen Patreon?
"Weder katastrophal schlecht noch raketenhaft gut": CEO Tina Dingel verrät, wie es um das Berliner Start-up steht
- Steady ist noch nicht profitabel, aber…
- Der Markt der Creator Economy
- Bleibt in der Nische genug Platz für Steady?
- Stellt sich Patreon selber ein Bein?
- Langsam, aber stetig
Seit 2016 versucht das Berliner Unternehmen Steady, eine alternative Erlösquelle für Creator und Medienschaffende bereitzustellen. Während der internationale Platzhirsch Patreon bereits zehn Jahre am Markt ist, führte mit Instagram zuletzt eine weitere Plattform ein eigenes Abo-Feature ein. Steadys Geschäftsführerin Dr. Tina Dingel verrät im Gespräch mit OMR, wie es dem Unternehmen in diesem Umfeld heute geht.
Wer als Blogger*in in der deutschen Medienlandschaft unterwegs ist, kennt Steady sehr wahrscheinlich: Ob das Medienangebot der Krautreporter, das Magazin des Journalisten Stefan Niggemeier Übermedien oder Satiremedien wie der Postillon oder Titanic – sie alle bekommen über Lese-Mitgliedschaften finanzielle Unterstützung und lassen diese durch Steady abwickeln. Ebenso prominente Einzelpersonen wie die Schriftstellerin Sibylle Berg und der Comic-Autor Ralf König.
Es sind also weiterhin eher die kleinen, unabhängigen Medien und Medienmacher*innen, die mit Steady versuchen, eine regelmäßige Einkommensquelle zu etablieren. Das war auch 2018, zwei Jahre nach dem Start schon so. Im Gespräch mit OMR zieht Gabriel Yoran damals ein erstes Zwischenfazit: 125.000 Euro Außenumsatz im Monat bei einer zehnprozentigen Marge, ein Wachstum von etwa fünf Prozent pro Monat. Die Ziele zu dem Zeitpunkt: internationale Expansion und frisches Kapital. „Sonst wird das Geschäft nicht tragfähig“, so Yoran im Interview. Was ist heute, fünf Jahre später, aus den Plänen geworden?
Steady ist noch nicht profitabel, aber…
Erst einmal die harten wirtschaftlichen Fakten: Laut Steady-CEO Dr. Tina Dingel zahlen Mitglieder im Durchschnitt etwa sechs Euro pro Monat an Creator. Davon behält das Unternehmen auch heute noch zehn Prozent ein. Bedeutet auch: Ein User sorgt bei Steady monatlich im Schnitt für gerade mal 60 Cent Innenumsatz. Die vier Prozent, die außerdem noch an den Zahlungsabwickler gehen, sind in dieser Rechnung noch nicht berücksichtigt.
Das, was Steady wirtschaftlich vor Herausforderungen stellen dürfte, sei laut Dr. Dingel im Umkehrschluss ein echter Mehrwert für die Creator. „Das unterscheidet uns von Social-Media-Plattformen wie zum Beispiel Youtube, wo circa 40 Prozent der Einnahmen bei der Plattform verbleiben“, so die CEO.
Insgesamt erwirtschafte Steady heute jeden Monat etwa 1,1 Millionen Euro Außenumsatz. Im Vergleich zu den 125.000 Euro im November 2018 ist das immerhin fast eine Verzehnfachung, die anvisierten monatlichen fünf Prozent Wachstum konnten aber nicht erreicht werden. Und die Profitabilität, so Dr. Tina Tingel, stehe für das Unternehmen damit auch immer noch aus.
Der Markt der Creator Economy
Mit dem Boom der Creator Economy hat in den vergangenen Jahren auch die Anzahl der Plattformen zugenommen, die sich um die Abwicklung von Abo-Modellen kümmern wollen. Der nicht unumstrittene Influencer und Gründer des Energy-Drinks „Prime“, Logan Paul, nutzt für das Anbieten kostenpflichtiger Inhalte bis heute Subify. Parallel gibt es Angebote wie Fanhouse und Fanbase, die in einigen Ansätzen auch an die mit Adult-Content groß gewordene Plattform Onlyfans erinnern.
Der prominenteste und wohl etablierteste Wettbewerber im Umfeld der Abo-Plattformen dürfte allerdings Patreon sein. Bereits seit 2013 ist das US-Unternehmen am Markt, sammelte in der Zeit über 400 Millionen US-Dollar Kapital ein. Ähnlich wie bei Steady auch bieten Creator, darunter große Youtuber wie der deutsche Wissens-Kanal „Kurzgesagt“, unterschiedliche Abos an. Und ähnlich wie bei Steady sind auch Podcasts ein wichtiges Thema für Patreon. Vergangene Woche kündigte das Unternehmen eine Partnerschaft mit Spotify an. Unter anderem können ab jetzt auch Podcasts, die Bestandteil eines Abos bei Patreon sind, auf Spotify veröffentlicht werden. Per App-Sync soll Spotify die entsprechenden Folgen automatisch anzeigen.
Bleibt in der Nische genug Platz für Steady?
Und es geht noch weiter. Auch die Social-Media-Plattformen selber launchen nach und nach Monetarisierungs-Features. Instagram beispielsweise rollt seit wenigen Tagen bezahlte Abos in einigen europäischen Ländern aus – darunter auch Deutschland. Die größte Herausforderung seien aber weder klassische Wettbewerber wie Patreon, noch die jüngere Konkurrenz durch neue Features wie von Instagram. „Klar gibt es Mitbewerber im Markt, aber die Creator Economy ist kein statischer Markt“, so Dr. Tina Dingel. „Im Gegenteil, da ist Platz für viele Angebote.“
Sie verweist außerdem auf höhere Provisionen, die Social-Media-Plattformen einbehalten würden. Im Fall von Instagrams Abo-Funktion liegt die Umsatzbeteiligung zwar noch bei null Prozent, das wird sich mittel- bis langfristig aber sicher ändern. „Daher empfehlen wir den Creatorn immer, ein zweites Standbein aufzubauen, unabhängig von den großen Social-Media-Plattformen“, betont Dingel. Ähnlich umschreibt sie dann auch die eigentliche Herausforderung von Steady: Creatorn langfristig beim Wachstum zu helfen.
Stellt sich Patreon selber ein Bein?
Dass das in der Tat eine Herausforderung ist, beweist derzeit ausgerechnet Branchen-Primus Patreon. Nach den fetten Corona-Jahren – Künstler*innen suchten schlagartig nach alternativen Einnahmequellen – ist längst Ernüchterung eingekehrt. Während die Zahl der Creator mit mindesten einem zahlenden Subscriber 2020 um 40 Prozent gestiegen war, sollen es im vergangenen Jahr nur noch vier Prozent gewesen sein. Auch der Außenumsatz von 1,5 Milliarden US-Dollar habe zuletzt stagniert, so Insider gegenüber The Information. Dazu kämen unter anderem Missmanagement und Insiderhandel mit Aktien.
Mit diesen Problemen hat Steady nicht zu kämpfen, allerdings spielen die Unternehmen auch in anderen wirtschaftlichen Ligen. Das erste Halbjahr 2023 sei laut CEO Dingel „weder katastrophal schlecht noch raketenhaft gut“ gelaufen. Ein ziemlich nüchternes Zwischenfazit. Dabei hätten äußere Faktoren kaum Einfluss auf das Geschäft von Steady genommen; die Abwanderungsquote sei stabil geblieben und die Anzahl der zahlenden Mitglieder sei kontinuierlich gestiegen.
Langsam, aber stetig
180.000 zahlende Mitglieder könne das Unternehmen heute vorweisen, 2018 waren es noch 43.000. Dr. Tina Dingel betont, dass es bei Steady-Usern häufig um echte Haltung gehe. „Die Menschen, die Steady unterstützen, haben nicht so eine transaktionale Haltung im Sinne von: Ich gebe Dir Geld, du gibst mir Inhalt“, sagt sie. Sie würden Projekte mit Herzblut unterstützen, weil sie möchten, dass das jeweilige Medium weiter existiert. „Sie leben quasi das moderne Mäzenatentum“, ergänzt Dingel.
Bestes und erfolgreichstes Beispiel ist das 2014 gestartete Journalismus-Projekt Krautreporter. Weil das Modell eines neuen, jungen Bezahlmediums nicht so wirklich Fuß fassen konnte, legten die Gründer Sebastian Esser und Philipp Schwörbel mit der zweiten Gründung nach. Heute hat Krautreporter rund 16.660 Supporter und ist damit das Projekt mit den meisten Supportern auf Steady.
Es bräuchte mehr Medien, Creator oder Podcasts dieser Größenordnung, die nachfolgen, wenn Steady irgendwann den Schritt in die Profitabilität schaffen will. Seit Herbst 2021 ist Dr. Tina Dingel jetzt CEO, war vorher unter anderem bei Paypal und Clue. „Meine Leidenschaft ist, Sachen aufzubauen, bei denen man noch nicht so ganz weiß, wohin die Reise eigentlich geht“, sagt sie. Mit diesem Mindset dürfte sie bei Steady genau richtig sein.