Diese hässliche, kaum bekannte Website hat ihren Betreiber zu einem reichen Mann gemacht

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Inhalt
  1. Der Mythos Frank Zinn und seine Seite „Melsungen Online“
  2. „Die Seite rankte wie verrückt“
  3. „Uralter Adwords-Account“ als Vorteil?
  4. Das Geschäftsmodell ist schwieriger geworden

Der Mythos Frank Zinn und seine Seite „Melsungen Online“

Der Gutscheinbereich von Melsungen-Online (Screenshot)

Der Gutscheinbereich von Melsungen-Online (Screenshot)

Die Internetseite sieht aus, als ob sie vor zehn Jahren gestaltet worden sei – und doch ist Melsungen-Online.de nach Einschätzung von Branchenexperten eine der umsatzstärksten Gutscheinseiten im deutschsprachigen Internet. Ihrem Betreiber Frank Zinn dürfte die Website zumindest zeitweise monatlich sechsstellige Einnahmen aus Affiliate-Provisionen eingebracht und ihn so zum Millionär gemacht haben. Der Mann gilt in der Branche als Phantom. Wir haben versucht, seine Geschichte zu rekonstruieren. Weder auf E-Mails, Telefonanrufe noch unsere Kontaktaufnahmeversuche in den Netzwerken Facebook und Xing reagiert Frank Zinn. Auf Branchen-Events sei der Seitenbetreiber bisher nicht anzutreffen gewesen, kaum jemand hätte ihn je persönlich zu Gesicht bekommen, heißt es. Bekannt ist der Hesse trotzdem: „Frank Zinn hat schon mit Gutscheinen im Internet Geld verdient, als es die heute großen Player wie Sparwelt noch gar nicht gab“, so ein Affiliate-Marketing-Experte, der nicht namentlich genannt werden will, gegenüber Online Marketing Rockstars.

Offenbar entdeckte Zinn das Geschäft mit Rabattgutscheinen im Internet in der Tat vor fast zehn Jahren – und mehr oder minder zufällig. Sein Informationsportal über die hessische Stadt Melsungen ist mindestens seit dem Jahr 2004 online – zumindest datiert die erste auf Archive.org archivierte Version von Melsungen-Online.de auf den April 2004. Gerüchten zufolge soll eine Print-Anzeige erstmals relevanten Traffic auf die Seite gebracht haben. Wer sich durch die archivierten Website-Versionen klickt, kann nachverfolgen, wie Zinn zu dieser Zeit mit verschiedenen neuen Menüpunkten experimentiert hat. Nachdem er kurz davor ein Branchenbuch mit Einträgen lokaler Geschäfte integriert hatte, band er offenbar im Herbst 2005 erstmals den Menüpunkt „Gutscheine und Gratisartikel“ auf der Seite ein. Offenbar schlug dieses Angebot ein wie eine Bombe.

„Die Seite rankte wie verrückt“

Anzunehmen ist, dass Google sehr bald Massen von Besuchern, die genau die von Zinn gesammelten Gutscheincodes suchten, auf Melsungen-Online spülte. „Die Seite rankte am Anfang wie verrückt“, erinnert sich der Affiliate-Experte. Schnell dürfte Zinn erkannt haben, dass er mit Provisionen, die Online-Shops an jene Affiliates zahlen, die ihnen Käufer zuführen, gutes Geld verdienen kann. In den folgenden Monaten finden sich dementsprechend neue Menüpunkte wie „Amazon“, „Dell“ oder „Medion“ auf der Website – um Google-Traffic auf die entsprechenden Keywords abzugreifen. „In puncto Suchmaschinenoptimierung war die Seite wahnsinnig gut aufgestellt“, so unser Gesprächspartner. Mit Dell und später dem heute nicht mehr existierenden Versandhaus Quelle verbindet Zinn offenbar eine langfristige geschäftliche Partnerschaft – beide Unternehmen tauchen lange als gesonderte Punkte in der Navigation seiner Seite auf.

Irgendwann hat die Zahl der Besucher aus den unbezahlten Suchergebnissen von Google jedoch offenbar abgenommen. Zinn scheint kein Interesse an moderner Suchmaschinenoptimierung gehabt zu haben – stattdessen wechselte er seine Strategie und begann, Traffic über Googles Adwords-Anzeigen einzukaufen. „Unseren Beobachtungen zufolge muss der irrsinnig viel Geld für SEA ausgegeben haben“, so ein Manager eines anderen im deutschen Markt aktiven Gutscheinportals. Ein ehemaliger Mitarbeiter einer Performance-Marketing-Agentur, die mit Zinn als Publisher für ihre Kunden zusammenarbeitet, bestätigte diesen Eindruck gegenüber Online Marketing Rockstars: „Teilweise sind seine Anzeigen beim Begriff ‚Gutscheine’ broad ausgeliefert worden.“

„Uralter Adwords-Account“ als Vorteil?

Offenbar lohnten sich die daraus entstehenden mutmaßlich hohen Ausgaben jedoch. „SEA liefert einen besser planbaren Traffic-Strom als SEO“, sagt der Ex-Agentur-Mitarbeiter. Nach Darstellung des Gutscheinportal-Managers profitiert Zinn in der Suchmaschinenwerbung möglicherweise auch von einem „uralten Adwords-Account“. Ein Adwords-Konto mit einer langen Geschichte und guten Performance wird beim Bieterkampf um Keywords besser abschneiden als ein neuer, meint beispielsweise die renommierte US-PPC-Agentur Hanapin. Laut dem Gutscheinportal-Manager muss Zinn so jahrelang umsatzstärkster Publisher bei den relevantesten Affiliate-Marketing-Netzwerken in Deutschland gewesen sein. „Wir sehen aber auch, dass er heute auf immer weniger Keywords bietet.“

Rekonstruieren konnten wir beispielsweise die Einblendung einer Anzeige auf den Suchbegriff „otto gutschein code“. Auch bei der Otto-Tochter MyToys werden Anzeigen von Melsungen-Online ausgespielt. Mit der Otto Group unterhält Zinn offenbar schon seit langem eine Partnerschaft. Auf seiner Seite finden sich aktuell gesonderte Menüpunkte zu Otto sowie den Konzerntöchtern Schwab und MyToys. Bei einem Vortrag aus dem Jahr 2009 (Folie 20) erklärte ein Online-Marketing-Verantwortlicher von Otto das Prinzip von Affiliate Marketing sogar am Beispiel von Melsungen-Online. otto_gutscheinsuche_melsungen Neben SEA generiert Zinn seit mehreren Jahren Traffic über einen E-Mail-Newsletter. Social Media hat sich offenbar nicht als zuverlässiger Traffic-Lieferant erwiesen: Eine Facebook-Seite mit dem Titel „melsungen-online Gutscheine“ verzeichnet zwar mehr als 27.000 Fans; der letzte Eintrag stammt jedoch aus dem August 2013.

Das Geschäftsmodell ist schwieriger geworden

In den vergangenen zwei Jahren dürfte für Zinn das Gutscheingeschäft nicht einfacher geworden sein: Die Zahl der Wettbewerber hat enorm zugenommen. So entstanden große neue Player wie Sparwelt, Gutscheine.de wurde Anfang 2012 von RTL übernommen, der börsennotierte US-Konzern Retailmenot ist mit Deals.com in Deutschland aktiv geworden. Darüber ist das Modell Suchmaschinenwerbung auf Shopnamen zu schalten immer umstrittener geworden. Denn ein Großteil der Nutzer, die beispielsweise „zalando+gutschein“ sucht, steht vermutlich sowieso vor einem Kaufabschluss. Ein Affiliate-Publisher, der sich hier in die Mitte stellt, liefert dem Werbetreibenden nicht zwingend einen Mehrwert. Viele Shops haben deswegen die Provisionierung von Käufen, die auf diese Weise zustande kommen, ausgeschlossen.

Möglicherweise hat Zinn wegen dieser Entwicklungen seine Aktivitäten als Affiliate-Publisher zurückgefahren und verbringt mehr Zeit auf Mallorca: Auf seinem Facebook-Profil finden sich Strandfotos, bereits seit 2007 betreibt Zinn auch die Seite Insel-Tipps.de. Dort finden sich allerlei Information über die Baleareninsel – Hotels, Fincas und Ausflugsziele. Die dort aufgeführten Angebote sind natürlich auch mit Links versehen – Affiliate-Links.

Roland Eisenbrand
Autor*In
Roland Eisenbrand

Roland ist seit mehr als zehn Jahren als Journalist in der Digitalbranche aktiv. Seit 2014 verantwortet er als Head of Content (und zweiter Mitarbeiter) alle inhaltlichen Komponenten von OMR, darunter vor allem den OMR Blog und redaktionelle Arbeit rund um das OMR Festival.

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