Mysteriöse Codes in Youtube-Kommentaren: Das steckt hinter dem neuesten Affiliate-Trick

Wie die Kombination aus Kommentaren unter reichweitenstarken Youtube-Videos und SEO genau funktioniert

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Inhalt
  1. Die Gier auf kostenlose Gutscheine soll das Hirn aussetzen lassen
  2. Bei Google auf Platz 1? Mit selbst erdachten Keywords ein Leichtes…
  3. Endstation Handy-Abo-Falle
  4. Mit Weiterleitungen wird der Traffic verschleiert
  5. Dutzende Websites mit demselben Schema
  6. Youtube-Kommentare als Marketinghebel funktionieren
  7. „5.000 Views täglich“

YTBT2021, YT1TM2020, YT1TQ2020, RP4F2020 – immer wieder sind in den vergangenen Monaten solche merkwürdigen Codes in den Top-Kommentaren unter angesagten Youtube-Videos aufgetaucht. Dahinter steckt eine bauernschlaue Methode halbseidener Affiliates, um Traffic zu generieren und Geld zu verdienen – am Ende meist durch den Vertrieb von Klingelton-Abos. OMR zeigt, wie das Ganze genau funktioniert.

„Jeder Penner macht vor mir auf Playboy, so wie Charlie Harper, aber ist bankrott und muss Steine pushen wie Ali Baba“, rappt Shirin David in ihrem neuesten Track „Babsi Bars“. Das dazugehörige Musikvideo steht auf Platz 1 der deutschen Trending-Charts von Youtube. Erst vor zwei Tagen hochgeladen, hat das Video bislang schon 1,4 Millionen Views angesammelt.

Die Gier auf kostenlose Gutscheine soll das Hirn aussetzen lassen

In den Kommentaren unter dem Video sind es offenbar gewiefte digitale Geschäftemacher, die „Steine pushen“. Bis gestern drehten sich diverse der Top-Kommentare unter dem Video um eine merkwürdige Buchstabenfolge: „Krass müsst YT1TM2020 googeln zum Glück rechtzeitig gefunden“ – 216 Likes. „Hier müsst heute YT1TM2020 googeln“ – 146 Likes. „Kommentare stimmen schon, googlet das: YTBT2021 lieber jetzt bevor es zu spät ist“ – 27 Likes.

Beispiele von häufig gelikten Kommentaren unter Shirin Davids Video zu „Babsi Bars“. Mittlerweile sind die Kommentare offenbar gelöscht.

Wer die mysteriösen Codes in Googles Suchschlitz eingibt, stößt auf dem ersten Suchergebnis dann auf Seiten wie YTLoot.com oder YTKode.com. Dort werden den Besuchenden kostenlose Gutscheine für Online-Shops wie Amazon oder Plattformen wie Netflix oder Steam in Aussicht gestellt.

Das erste Suchergebnis für eine Google-Suche nach der Buchstabenfolge YT1TMT2020

Bei Google auf Platz 1? Mit selbst erdachten Keywords ein Leichtes…

Die Masche ist so simpel wie bauernschlau: Vermutlich sind die Likes auf die Kommentare von Bot-Accounts generiert. Durch die vielen Likes werden die Kommentare weit oben in der Kommentarspalte ausgespielt. Durch den merkwürdigen Code im Youtube-Kommentar mit vielen Likes zwacken die Betreiber der Websites einen Teil der Aufmerksamkeit für sich ab (schließlich generieren angesagte Rap-Videos schnell sechs- und siebenstellige Views in wenigen Tagen) und generieren Neugier bei den Video-Zuschauern.

Die Kommentare können schlechter von Youtubes Spam-Mechanismen unterbunden werden, da die Codes immer wieder geändert werden können. Und durch neugierig gewordene User, die bei Google den Code eingeben, gibt es nahezu keine konkurrierenden Suchergebnisse. Weil es keine anderen Websites gibt, auf denen die Codes auftauchen, ist es für die jeweiligen Website-Macher oder Macherinnen ein leichtes, mit SEO-Maßnahmen auf dieses Keyword auf Platz 1 zu ranken.

Endstation Handy-Abo-Falle

Wer auf den Websites auf eines der Angebote klickt, muss sich zunächst ein Video ansehen, in der das genaue Prozedere erklärt wird. Um sicherzustellen, dass jeder Teilnehmer nur einen Gutschein erhalte, sei es notwendig, eine Handy-Nummer anzugeben. Danach erhalte man eine SMS, die man auf der verlinkten Website eingeben müsse. Dabei sei zwar die Rede von einer Zahlung. Aber, so der Originalton: „Die fünf Euro Kosten entstehen nicht. Du musst hierfür nichts bezahlen, denn die ersten 14 Tage sind immer Probezeit.“ Ob dem wirklich so ist – zweifelhaft.

Die Startseite von YTLoot.com. Wer weiterklickt, landet offenbar in einem Handy-Abo-Abzockmodell.

Nach dem Video werden die Nutzenden über mehrere Weiterleitungen auf Websites geführt, auf der sie ein Abo auf ihrem Handy abschließen können. Bei unseren Tests waren dies mehrere unterschiedliche Seiten. Wofür das Abo ist, wird gar nicht deutlich – von „Zugang zu Anwendungen“ ist die Rede.

Mit Weiterleitungen wird der Traffic verschleiert

Vermutlich stecken hinter der Masche Affiliates, die pro abgeschlossenem Abo eine Provision erhalten. Darauf lassen auch die Tracking-Codes in den URLs der Landingpages schließen, mit denen im Affiliate Marketing nachverfolgt werden soll, welcher Affiliate den Neukunden auf die Seite gebracht hat.

Durch die mehrfachen Weiterleitungen über verschiedene Websites (u.a. die Domain „protectedlanding.com“) will der Affiliate vermutlich versuchen, die Herkunft des Traffics zu verschleiern. Denn beschwert sich einer der User, dem mit falschen Vorspiegelungen ein Klingelton-Abo aufgedrückt wurde beim Publisher, besteht zumindest die Gefahr, dass der Anbieter der Handy-Abos den Affiliate sperrt und seine Provisionen einbehält.

Dutzende Websites mit demselben Schema

Wer nach „code youtube kommentare“ googlet, stößt auf diverse Belege, dass Affiliates schon seit Monaten mit dieser Masche versuchen, auf zweifelhafte Weise Geld zu verdienen. Dafür betreiben der oder die Macher*innen offenbar einen Wust von Websites, die alle mehr oder minder gleich aussehen: ytkode.com, gebene.com, kartengratis.com, lootkarten.com, kartenluchs.com, ytkarten.com usw. usf.

Die Seiten weisen in der Regel entweder kein Impressum auf oder eines, das offensichtlich falsche Angaben enthält – von einer Adresse in Rumänien bis zu der eines LKW-Parkplatzes in Bamberg. Auch die Inhaber der Domains sind nicht zu ermitteln, weil der oder die Betreiber*innen durch entsprechende Domain-Privacy-Dienste verschleiert werden.

Youtube-Kommentare als Marketinghebel funktionieren

Im Frühjahr hatte eine zweifelhafte Website unter der Domain Raetselfreunde.com bereits eine ähnliche Masche umgesetzt. Dort mussten die Nutzer aber noch ein Rätsel lösen und andere Teilnehmer per WhatsApp einladen – um die Reichweite der Aktion zu erhöhen. Auch hier Stand am Ende eine Abofalle. Sogar Chip und Computerbild berichteten über die halbseidene Website – und dürften so ja vielleicht sogar einen Teil des Traffics jener User, die nach dem Code „RP4F2020“ gegooglet hatten, für sich abzugreifen.

So zweifelhaft die Methode ist, so eindrücklich demonstriert diese nochmals das Aufmerksamkeits- und Reichweitenpotenzial von Youtube-Kommentaren. Im Jahr 2018 hatten zwei Affiliates bereits gegenüber OMR geschildert, wie sie mit Kommentaren unter Hip-Hop-Videos auf Youtube Aufmerksamkeit für ihre Affiliate-Seite generiert haben, auf der sie Outfits von Rapperinnen und Rappern in den jeweiligen Videos zusammengestellt und verlinkt hatten.

„5.000 Views täglich“

Ende 2019 und Anfang 2020 hatten Fans des deutschen Rappers MC Smook unter anderen reichweitenstarken Youtube-Videos den Eindruck erweckt, dass die in den Videos auftauchenden internationalen Stars (u.a. Billie Eilish und Drake) Fans von MC Smook seien. Auf diese Weise generierten sie Views für dessen Video zum Song „Wasser“. „Das brachte mir täglich 5.000 Views“, so der deutsche Rapper damals gegenüber OMR.

Danke an Ravi Deient für den Hinweis auf das Thema!

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Roland Eisenbrand
Autor*In
Roland Eisenbrand

Roland ist seit mehr als zehn Jahren als Journalist in der Digitalbranche aktiv. Seit 2014 verantwortet er als Head of Content (und zweiter Mitarbeiter) alle inhaltlichen Komponenten von OMR, darunter vor allem den OMR Blog und redaktionelle Arbeit rund um das OMR Festival.

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