MC Smook: Mit frisierten Top-Kommentaren unter angesagten Youtube-Videos zu 500.000 Views

Warum kursiert auf Youtube das Gerücht, Billie Eilishs Lieblings-Song stamme von einem kaum bekannten deutschen Hiphopper?

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Kein Lean, kein Hennessy, kein Cristal, kein Courvoisier: MC Smook bevorzugtes Getränk ist "Wasser ohne Sprudel" (Foto: MC Smook auf Instagram)

Wie kann man als vergleichsweise wenig bekannter Rapper mit nicht gerade massenkompatiblem Humor und ohne ein Label mit entsprechender Marketingpower im Rücken überhaupt Aufmerksamkeit für die eigene Musik generieren? Der deutsche MC Smook hat zuletzt offenbar über Youtubes Kommentarspalte einen deutlichen Push bekommen. Unter den Musikvideos internationaler Musikstars wurde in teilweise tausendfach gelikten Top-Kommentaren auf den Track „Wasser ohne Sprudel“ des niederrheinischen Rappers verwiesen. Steckt dahinter eine gezielte Marketingstrategie? OMR hat mit MC Smook gesprochen.

„Someone tell me why this is being mentioned on every single music video“, schreibt ein Nutzer in der Kommentar-Spalte unter MC Smooks Video „Wasser ohne Sprudel“, das aktuell bei Youtube eine gute halbe Million Views verzeichnet. „Francis Neil Mapoy“ ist offenbar nicht der einzige, der sich diese Frage stellt: „Warum feiern das auf einmal die ganzen Amis?“, wundert sich ein anderer Youtube-Nutzer an derselben Stelle. Sein fragender Kommentar verzeichnet mehr als 2.000 Likes.

Youtube-Top-Kommentare können enorme Aufmerksamkeit ziehen

Top-Kommentare am 10. März unter dem Youtube-Video „Oprah’s Bank Account“ von Lil Yachty, Drake und Da Baby (Screenshot: Instagram-Nutzer einkarl)

Beide Fragesteller (falls ihre Kommentare nicht gefakt sind) sind womöglich in den Kommentarspalten von Youtube-Videos internationaler Hip-Hop-Hits auf MC Smook aufmerksam geworden. Wer in den vergangenen Wochen und Monaten die Kommentare unter den angesagtesten nationalen und internationalen Musikvideos auf Youtube durchstöbert hat, stieß unter den Top-Kommentaren immer wieder auf entsprechende Verweise auf den deutschen Rapper.

Ein Screenshot, den ein OMR-Daily-Leser uns zugeschickt hat, zeigt, dass vor einer Woche sich gleich drei Top-Kommentare unter dem Video zu „Oprah’s Bank Account“ der US-Rapper Lil Yachty, Drake und Da Baby um MC Smooks drehten. Der gemeinsame Musik-Clip der drei Genre-Schwergewichte ist seit seiner Veröffentlichung vor etwa einer Woche auf Youtube in den USA dauerhaft in den „Trending Videos“ und zieht eine extreme Aufmerksamkeit. Innerhalb von neun Tagen hat das Video fast zehn Millionen Views angesammelt.

Feiern US-Hip-Hop-Superstars in ihrem Video MC Smook ab?

Nachdem der Kommentar viele Likes verzeichnet und unter den Top-Kommentaren rangiert, hat der Nutzer den Text bearbeitet

Alle drei Kommentare unter „Oprah’s Bank Account“, die auf „Wasser ohne Sprudel“ Bezug nehmen, verzeichnen jeweils mehrere Hundert Likes und sind als „bearbeitet“ gekennzeichnet. Wir haben einen Tag nachdem uns der Screenshot zugeschickt wurde, von einem der drei User erneut einen Kommentar unter „Oprah’s Bank Account“ gefunden – jedoch unbearbeitet. Die augenscheinlich weibliche Nutzerin zitiert darin einfach eine Pointe aus dem Videoclip und verzeichnet damit viele „Likes“, so dass der Kommentar schnell in die Top-Kommentare aufsteigt. Als wir einige Stunden später den Kommentar neu laden, ist er bearbeitet – und verweist auf im ähnlichen aus Memes bekannten Humor auf MC Smook.

Bei weniger skeptischen Zeitgenossen erwecken die so bearbeiteten Kommentare möglicherweise den Eindruck, als würden die die drei US-Rapper im Musikvideo zu „Oprah’s Bank Account“ MC Smook namentlich nennen. Wer leichtgläubig ist, und nicht die Muße hat, sich das neunminütige Video in Gänze anzuschauen, gibt vielleicht sofort in Youtubes Suchschlitz „mc smook“ ein. Hat der Rapper also Youtube-Kommentare mit Verweis auf seine Musik möglicherweise künstlich gepusht, um Hip-Hop-Fans auf seine Musik aufmerksam zu machen?

„Meine Supporter dachten, ich hätte mehr Views verdient“

In einem telefonischen Gespräch mit OMR erklärt Marc Tophoven, so MC Smooks bürgerlicher Name, dass er selbst mit den bearbeiteten Kommentaren nichts zu tun habe. „Ich weiß von den Leuten, die das machen“, so Tophoven. „Es gab eine Zeit, in der meine Videos nicht so gut performt haben. Manche meiner Supporter dachten dann wohl, ich hätte mehr Views verdient.“

Er habe vor einiger Zeit eine eigene Fangruppe auf Facebook eingerichtet, „damals, als die Boomer die Plattform noch nicht komplett übernommen hatten“. In dieser Gruppe hätten einige seiner Anhänger dann den Plan gefasst, MC Smook über Youtube-Kommentare zu pushen. Angefangen hätten diese mit Kommentaren unter Deutsch-Rap-Videos, dann seien aber auch Kommentare unter US-amerikanischen Videos dazu gekommen.

Täglich 5.000 neue Views durch einen Billie-Eilish-Hoax

Ein Kommentar, in dem angedeutet wird, dass Billie Eilish Fan von MC Smook ist, verzeichnet mehr als 2.000 Likes bei Youtube (Screenshot)

Wie genau seine „Supporter“ ihre Kommentare immer wieder unter die Top-Kommentare pushen, kann auch Tophoven nicht sagen. „Mir wurde erklärt, dass die sich mit fünf oder sechs Accounts gegenseitig liken, dass der gesamte Prozess aber auch viel Zeit benötigt und man die Kommentare dann im richtigen Moment ändern muss.“ Ob dabei auch Bots Likes auf die jeweiligen Kommentare abgeben, wisse er nicht, es könne aber sein. Wie viele andere „Vanity Metrics“ auch, sind Likes auf Youtube-Kommentare wie eine Google-Suche zeigt auch an vielen Stelle im Netz käuflich erwerbbar.

Kaum zu bestreiten ist, dass die Strategie, über Youtube-Kommentare Aufmerksamkeit zu generieren, sehr gut funktionieren kann. Eine Zeit lang haben die MC-Smook-Fans offenbar sehr erfolgreich unter Billie Eilishs Carpool-Karaoke-Video (fast 50 Millionen Views) in den Top-Kommentaren das Gerücht gestreut, die Sängerin (aktuell wohl einer der größten Popstars des Planeten) habe im Video gesagt, MC Smooks „Wasser“ sei ihr „favorite Song“. „Das brachte mir täglich 5.000 mehr Views auf ‚Wasser mit Sprudel'“, sagt Tophoven.

Sechsstellige Visits über Youtube-Kommentare

Ein anderes Beispiel dafür, wie man über Youtube-Kommentare Aufmerksamkeit generieren kann, ist die Affiliate-Seite Immerfresh.de. Die Macher des Projektes tragen zusammen, welche Kleidungsstücke Rapper in ihren Musikvideos tragen, und bekommen vor allen Dingen über von ihnen gestreute Youtube-Kommentare unter den jeweiligen Musikvideos Besucher auf ihre Seite. Nach Schätzungen von Similarweb verzeichnet Immerfresh.de sechsstellige Visits monatlich.

Tophoven steht den von seinen Anhängern abgesetzten und gepushten Kommentaren durchaus zwiespältig gegenüber: „Das sieht ja schon ein bisschen komisch aus, wenn man die Kommentare so durchliest, besonders unter Ami-Songs. Als sie damit angefangen haben, habe ich ihnen auch geschrieben, dass sie das sein lassen sollen. Ich war auch froh, als das zwischendurch mal wieder aufgehört hat. Aber was soll ich machen, die sehen das auch einfach als Spaß an. Und mir ist es ehrlich gesagt auch fast egal, was die Leute über mich denken. Immerhin sind nicht die Klicks auf meine Videos gefakt oder gekauft, sondern ja letzten Endes organisch.“

Zwischen Hip-Hop-Realness und post-moderner Ironie

Sind die gefakten Top-Kommentare also mehr ein Insider-Spaß als ein wirklich ernsthafter Marketing-Hack? Das ist durchaus sehr gut vorstellbar. Dass Marc Tophoven es mit seinem musikalischen Alter Ego nicht auf Massenkompatibilität und die ganz große, kommerziell erfolgreiche Hip-Hop-Karriere anlegt, wird klar, wenn man sich ein wenig mit seinem Schaffen beschäftigt.

Der heute 27-Jährige erlangte im Jahr 2014 erstmals größere Bekanntheit, nachdem er gemeinsam mit dem österreichischen Rapper Money Boy einen Remix veröffentlichte und im Anschluss Teil von dessen „Glo Up Dinero Gang“ wurde. Ähnlich wie Money Boy wirkt auch MC Smook wie eine Art Kunstfigur, bei der nie ganz klar ist, wo „Hip-Hop-Realness“ aufhört und post-moderne Ironie anfängt.

Homoerotischer Kalender statt Tough-Guy-Accessoires

Einige Beispiele: Während es im US-Hip-Hop Tradition ist, über hochprozentigen, teilweise hochpreisigen Alkohol zu rappen („Pass the Courvoisier“, „Gin and Juice“), und in einer Zeit, in der deutschsprachige Rap-Stars eigene Wodka-Marken auf den Markt bringen, propagiert demgegenüber MC Smook das preisgünstigste Getränk überhaupt: „Wasser ohne Sprudel“ (erste Zeile: „Nicht schon wieder ein Getränke-Song“). Auf Snapchat hat MC Smook eine Zeit lang die Stories des US-Rappers DJ Khaled kopiert – nur halt nicht auf einem Protzanwesen in Miami, sondern in der 11.000-Einwohner-Kleinstadt Issum.

Und während manche andere Rapper ihre Alben im Bundle mit skurrilen Extras wie Blut, Kreditkarten und Koksröhrchen oder sogar einem Drogendealer-Handy als „Premiumbox“ veröffentlichen (einerseits, um überhaupt noch etwas wie „Tonträger“ an die junge Zielgruppe verkaufen zu können, vor allem aber, um durch die Vorbestellungen der limitierten Boxen die Charts zu manipulieren), bringt MC Smook gemeinsam mit einem Mixtape-Download (der für die Chart-Erstellung sowieso mehr oder minder irrelevant sein dürfte) einen „Erotikkalender“ auf den Markt, mit Fotos, die irgendwo zwischen Absurdität und Homo-Erotik rangieren. Das Musikmagazin Noizz bezeichnete MC Smook vor wenigen Monaten als „Satire-King des Deutschrap“. Der Rapper selbst bedankte sich mit einem Instagram-Post für die „Krone“.

„Ich mach ja auch einfach gute Musik“

Die von seinem Fans gepushten Kommentare dürften dazu beigetragen haben, dass ihm dieser Titel verliehen wurde, haben sie MC Smooks Sichtbarkeit doch auf jeden Fall gesteigert. Immerhin setzen sie auf einigermaßen charmante Art die Uneindeutigkeit der Figur MC Smook fort, weil nie klar ist, ob diese ironisch gemeint sind, oder ein gezielter Fake. „In erster Linie mach ich ja auch einfach gute Musik, das ist wichtig. Es macht also Sinn, dass der Song diese Kommentarwelle hatte“, sagt Tophoven am Telefon, und man weiß auch an dieser Stelle nicht so recht, wie viel Selbstironie man aus diesem Statement heraushören soll.

Danke an Instagram-Nutzer „einkarl“ für den Hinweis auf das Thema!

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Roland Eisenbrand
Autor*In
Roland Eisenbrand

Roland ist seit mehr als zehn Jahren als Journalist in der Digitalbranche aktiv. Seit 2014 verantwortet er als Head of Content (und zweiter Mitarbeiter) alle inhaltlichen Komponenten von OMR, darunter vor allem den OMR Blog und redaktionelle Arbeit rund um das OMR Festival.

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