So erreichen deutsche First-Mover-Brands auf Tiktok Millionen junge Nutzer

Martin Gardt22.10.2019

Große deutsche Brands wie Otto oder BMW starten mit ersten Experimenten auf der Hype-Plattform

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Inhalt
  1. Ran an die Jugend
  2. Hashtag-Aktion bringt Millionen Views
  3. Nicht nur ein Format nutzen
  4. Die Influencer bringt Tiktok mit

Wer eine junge Zielgruppe erreichen will, kommt derzeit an Tiktok fast nicht vorbei. Auf der ganzen Welt scrollen Teenager in der App durch kurze – und oft auch verrückte – Videoschnipsel anderer Nutzer und Influencer. Wir haben uns gefragt: Können auch deutsche Brands auf dem Heimatmarkt über die Plattform neue Zielgruppen erreichen? In diesem Artikel beantworten wir diese Frage und zeigen, wie Kampagnen von Otto und BMW gelaufen sind – und ob Ihr das Experiment auch wagen solltet.

Wer Tiktok das erste Mal öffnet, merkt sofort, warum diese Social-Media-Plattform ein bisschen anders ist als Facebook, Instagram & Co. Der komplette Bildschirm ist gefüllt mit einem Video – wahrscheinlich von jemandem, den Ihr noch nie gesehen habt. Tiktok zeigt Euch Inhalte nämlich nicht nur weil ihr jemandem folgt, sondern auch, weil der Algorithmus glaubt, das könnte Euch gefallen. Das bietet Brands viele Chancen, Nutzer zu erreichen, die vorher schwer zu greifen waren.

Laut Daten des Analyse-Tools SensorTower kann nur Tiktok das App-Store-Monopol von Facebook brechen. Im 3. Quartal 2019 landete die App des chinesischen Unternehmens Bytedance demnach auf Platz 2 der am häufigsten heruntergeladenen Apps weltweit – hinter Whatsapp und vor Facebook, Facebook Messenger und Instagram. In Deutschland wurde Tiktok im Laufe des Jahres laut dem Analyse-Tool Priori Data insgesamt 7,4 Millionen Mal gedownloadet (24,6 Millionen Mal seit Start der App). Und auch erfolgreiche Kampagnen sind schon auf der Plattform gelaufen. Vergangene Woche hatten wir über eine Werbemaßnahme mit 2,3 Milliarden Views auf Tiktok geschrieben. Sollten auch deutsche Advertiser einsteigen?

Ran an die Jugend

Sahra Al-Dujaili

Sahra Al-Dujaili, Social Media Team Lead bei Otto

„Tiktok ist uns vor ein paar Monaten aufgefallen, weil es so komplett anders war“, sagt Sahra Al-Dujaili, Social Media Team Lead bei Otto, gegenüber OMR. „Da hält sich eine Zielgruppe auf, die sonst nur schwer zu erreichen ist und ihre eigenen Gesetze schreibt.“ Auf Instagram und Facebook sei es in den vergangenen Monaten immer schwerer geworden, aus der Masse an Werbetreibenden herauszustechen. Es sei Zeit für Experimente geworden. „Wir wollen die Marke verjüngen und auch jungen Menschen zeigen, dass Otto eine echte Option in Sachen E-Commerce ist“, so Al-Dujaili. 

„Auf Tiktok definieren die User, was relevant wird. Die App lebt von der Partizipation der User“, sagt sie. Deshalb sei eine sogenannte Hashtag-Challenge das beste Werbeformat, um über die Plattform eine hohe Zahl an Nutzern zu erreichen. Hashtags spielen auf Tiktok eine große Rolle. Aktuelle Aktionen – egal ob von Nutzern, Influencern oder Unternehmen – werden mit passenden Hashtags versehen und landen bei großer Reichweite oder unterstützt durch Budget im Entdecken-Bereich der App. Bei Nutzern ist es gelernt, dass sie durch die Teilnahme an solchen Hashtag-Aktionen mit ihren Kurzvideos in genau diesem Entdecken-Bereich landen und so selbst stärker wahrgenommen werden können.

Hashtag-Aktion bringt Millionen Views

„Um als Unternehmen eine Challenge zu starten, spricht man mit Tiktok direkt. Das Team von Tiktok gibt dann Feedback zur Umsetzung“, sagt Sahra Al-Dujaili. „#MachDichZumOtto kam von uns. Wir wollten einfach mal testen, wie die Plattform funktioniert und haben direkt gesehen, dass sie eine gewisse Leichtigkeit mit sich bringt.“ Das Ziel sei es gewesen, dass sich Nutzer in eigenen Videos selbst auf die Schippe nehmen. „#MachDichZumOtto hat sich schnell verselbstständigt, weil die Leute aktiv nach solchen Hashtag-Challenges suchen“, so Al-Dujaili. Innerhalb von vier Wochen verzeichneten Videos, die mit dem Hashtag versehen wurden auf Tiktok 147 Millionen Views – bis heute sind es 166 Millionen. Laut Otto wurden 59.000 Nutzer-Videos innerhalb der ersten sechs Tage kreiert.

„Die Gen Z ist eine Generation, zu der wir bislang nur wenige Referenzen haben. Deshalb mussten wir sowas auch mal testen“, sagt Al-Dujaili. „Uns hat das schon ein bisschen umgehauen. Wir hatten zwar keine Zahlen im Kopf, aber das Ergebnis hat alles, worüber wir nachgedacht haben, komplett übertroffen.“ Es sei von Beginn an nicht um einzelne Produkte gegangen, sondern ausschließlich um Awareness für die Marke in einer jungen Zielgruppe. Laut Al-Dujaili habe es sich dabei vor allem gelohnt, thematisch die Tür so weit aufzulassen. So entstünden Anknüpfungspunkte für eine Vielzahl an Nutzern.

Nicht nur ein Format nutzen

Eine weitere Empfehlung aus Ottos Social-Media-Marketing-Team: Die Hashtag-Challenge über weitere Ad-Formate direkt auf Tiktok pushen. So habe das Unternehmen auch „In-Feed Video Ads“ geschaltet, also Anzeigen, die im Vollbild zwischen organischen Videos von Tiktok-Nutzern ausgespielt werden. Das verhindere, dass die Kampagne zu wenig gesehen wird und erhöhe die Chance auf den viralen Moment. „Die Kosten sind im Vergleich zu anderen Plattformen noch überschaubar, weil die App noch nicht so übersättigt ist“, so Al-Dujaili. 

Um das Geld bei Tiktok auszugeben, müssen Unternehmen derzeit noch direkt mit dem Team in London sprechen. Hier sorgt Inam Mahmood, Director, Monetisation & Partnerships Europe bei Tiktok, dafür, dass Brands die verschiedenen Ad-Formate auch verstehen. „It’s all about understanding which brands fit in a native and authentic voice. Those are the ones we want to work with. They need to be bold, able to experiment and willing to come on that journey with us“, sagt Mahmood im Gespräch mit OMR. „In this process it is about getting the brands to understand, what is going to work in that authentic, natural way.“

Zwar experimentiert Tiktok bereits mit einem Selbstbuchungs-Tool, sodass Unternehmen bald wohl ohne direkten Kontakt zum Tiktok-Team Kampagnen erstellen können, noch führt daran in Europa aber kein Weg vorbei. So also auch geschehen bei der Hashtag-Challenge #icelebrate von BMW Motorsport. Innerhalb einer Woche hat die Kampagne 19 Millionen Views generiert. BMW will damit sein Engegemant in der Formel E pushen und zeigt in einem eigenen Challange-Video auch den Rennwagen für die neue Saison. 

Die Influencer bringt Tiktok mit

In den Gesprächen mit Otto als Advertiser und Tiktok als Plattform kommen immer wieder zwei Erfolgsgaranten für Kampagnen auf der Plattform zur Sprache: Musik und Influencer. Die beiden Hashtag-Challenges von Otto und BMW kommen mit einem eigenen Soundtrack daher – und sind so für Nutzer schnell als Teil einer größeren Aktion zu erkennen (neben dem Hashtag natürlich). Bei Otto gibt der kurze Song mit stillem Beginn und Ausrast-Moment später schon fast die Richtung für den möglichen Aufbau eines kurzen Videos vor: Erst als Normalo zeigen und bei einsetzendem Beat zum Otto machen – so ein bisschen wie beim Viral-Hit „Harlem Shake“. Bei BMW spielt im Hintergrund die Musik, die auch bei den Siegerehrungen in der Formel E immer läuft, die Nutzer bejubeln daraufhin dann ihre eigenen Erfolge in ihren Tiktok-Videos.

Hashtag-Challenge Otto

Die Landing Page der Hashtag-Challenge von Otto

Viel entscheidender für das Abheben einer Hashtag-Challenge sind aber offenbar passende Influencer, die mit ihren Videos zur Challenge eine Art Vorbild-Charakter einnehmen und gleichzeitig für erste Reichweite sorgen. Solche Videos sind auf der Seite der Hashtag-Challenge als „Offiziell“ gekennzeichnet. Bei der Arbeit mit Influencern scheint Tiktok einen eigenen Weg zu gehen und anders als Instagram eine engere Beziehung zu den Creatorn aufzubauen. „In most campaigns creators are front and center“, sagt Tiktok-Manager Mahmood. „And we have resources to help brands that are not aware of which creators to use for their campaigns.“ Die Plattform nimmt zum Teil die Rolle einer Influencer-Agentur ein, vermittelt passende Creator und wickelt die Bezahlung an diese ab. „Wir haben uns die spannendsten Influencer selber angeschaut und Tiktok dann einen Vorschlag gemacht“, sagt Sahra Al-Dujaili zwar. Das Londoner Team habe bei der Auswahl der 17 Influencer trotzdem genau hingeschaut.

Das Fazit von Otto scheint auf jeden Fall zu passen. Auch die Aussteuerung der Kampagne habe gut funktioniert: „Tiktok hat die Challenge nur an deutsche Nutzer ausgespielt“, so Al-Dujaili. „Wir sehen in den Statistiken, dass die Menschen, die uns auf Tiktok folgen, zu 95 Prozent aus Deutschland kommen.“ Trotzdem sei die Plattform vorerst nur etwas für Unternehmen mit Budget für erste Tests: „Für Tiktok bestimmte Ziele zu definieren, ist aktuell kaum möglich. Die Plattform ist eher ein freies Feld, um zu experimentieren. Da kann es immer wieder passieren, dass es innerhalb von kurzer Zeit ein ganz neues Feature gibt, das wir vorher noch gar nicht kannten“, sagt Sahra Al-Dujaili. Trotzdem plane Otto schon eine Weihnachtskampagne auf der Plattform – vielleicht sollen da dann auch Produkte im Mittelpunkt stehen.

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Autor*In
Martin Gardt

Martin kümmert sich vor allem um neue Artikel für OMR.com und den Social-Media-Auftritt. Nach dem Studium der Kommunikations- und Medienwissenschaft ging er zur Axel Springer Akademie, der Journalistenschule des Axel Springer Verlags. Danach arbeitete er bei der COMPUTER BILD mit Fokus auf News aus der digitalen Welt und Start-ups. Am Wochenende findet Ihr ihn auf der Gegengerade im Millerntor.

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