Sugargang: Was passiert, wenn der größte deutsche Streamer für Süßigkeiten wirbt
Die IA International GmbH importiert Süßigkeiten aus dem Ausland – Montana Black ist einer ihrer Partner
- Vom Gastro-Franchise zum Limonaden-Import
- Trinkdose floppt, Sugardad startet durch
- So funktioniert Marketing für exotische Süßigkeiten
- Influencer statt Performance Marketing
- Von Sugardad zur Sugargang
- Konkurrenz durch Wettbewerber – und die Creator Economy
Eigentlich will Adrian Balbegi mit einer importierten Fanta-Sorte nur das Angebot in seiner Fast-Food-Kette „Food Brother“ erweitern. Weil die aber so gut ankommt, startet er mit Trinkdose.de erst einen Online-Shop für exotische Limos und erweitert das Angebot einige Monate später noch um Süßigkeiten. Heute hat die IA International GmbH aus Dortmund rund 100 Mitarbeitende, für die Brand „Sugargang“ werben Social-Media-Stars wie Montana Black und 2020 konnte die Umsatzmarke von zehn Millionen Euro geknackt werden. OMR hat Balbegi erzählt, mit welchen Hebeln das Geschäft so schnell wachsen konnte – und wie sich die „Sugargang“ im aktuellen Süßigkeiten-Hype von anderen Marken differenzieren will.
„Am liebsten hätte ich eine Brand, die jeder mag“, erklärt Adrian Balbegi gegenüber OMR. „So wie Pokémon: freundlich und positiv.“ Dass er gerade die japanische Kult-Marke rund um die bunten Taschenmonster, so die deutsche Übersetzung, nennt, ist kein Zufall. Balbegi ist 32 Jahre alt und hat damit den ersten großen Hype des 1996 gestarteten Welterfolgs als Kind miterlebt. Das prägt. Außerdem ist er gerade dabei, für Sugargang, seinen Online-Shop, der außergewöhnliche Süßigkeiten importiert und sowohl an Direkt-, als auch an Geschäftskunden weiterverkauft, eine japanisch angehauchte Markenwelt zu bauen.
Die Gruppe aus erfundenen Comic-Charakteren – die Sugargang – besteht aktuell aus fünf Mitgliedern: Kid, der Draufgänger, dessen Erscheinungsbild ein wenig an den stets ziemlich bunt auftretenden Rapper 6ix9ine erinnert, der entspannte Coozy, die super starke Kiki, die abenteuerliche Sunny und der süße Coco, der aber gleichzeitig das frechste Mitglied ist. Und alle haben natürlich eine spezielle Lieblings-Süßigkeit.
Was sich wie das Intro eines Comics liest, soll für die Marke deutlich mehr sein. „Ich will auf jeden Fall stark ins Storytelling gehen“, sagt Adrian Balbegi. „Ich war vor zwei Jahren auf einer Foodmesse in Japan. Und Konzepte von dort mit starken Charakteren, die gibt es hier einfach nicht.“ Die Charaktere sollen aktuell in 3D animiert werden, auch ein Videospiel soll folgen. Das klingt ziemlich aufwendig, vor allem, weil bisher alles inhouse passiere. Für das Marketing sei es aber unglaublich wertvoll, so Balbegi, „wenn man einen oder mehrere Avatare hat, mit denen man agieren und Geschichten erzählen kann.“
Vom Gastro-Franchise zum Limonaden-Import
Das Berufsleben von Adrian Balbegi hat sich nicht immer um exotische Süßigkeiten gedreht. Eine gewisse Tendenz in eine eher lebensbejahende Richtung war aber auch schon vor „Sugargang“ zu erkennen. „Vor ungefähr sieben Jahren habe ich mit meinem Partner Alexander Unfericht das Gastro-Konzept Food Brother gegründet“, sagt Balbegi. Das Fast-Food-Franchise habe heute vor allem in Nordrhein-Westfalen zehn Filialen; demnächst sollen zwei weitere in Berlin folgen. „Da bin ich inzwischen aber nicht mehr im Tagesgeschäft aktiv und nur noch Gesellschafter.“
Während seiner Zeit bei Food Brother – 60.000 Menschen folgen der Burger-Kette auf Instagram, die dem Berliner Rapper Lucio 101 vor einigen Tagen im Zuge einer Kooperation ein eigenes Menü gewidmet hat – seien auch die Anfänge von Sugargang entstanden. „Nach zwei Jahren habe ich zusätzlich einen Großhandel für die Filialen gegründet. Vor allem, um Verpackungsmaterial für das Franchise einzukaufen“, erklärt Adrian Balbegi. Die IA International GmbH macht das bis heute, ist aber vor allem auch das Unternehmen hinter der Marke „Sugargang“.
Den Grundstein für sein heutiges Süßigkeiten-Business legt eine ausländische Limonade, die Balbegi aus den Niederlanden importiert. „Die Sorte ‚Cassis‘ von Fanta war damals noch etwas ganz Besonderes, weil es neben den Standard-Sorten die einzige andere in Deutschland war“, so der Gründer. In der Folge verkaufen er und sein Partner die Dosen in den Food-Brother-Filialen; und als die immer beliebter werden, fängt Adrian Balbegi an, sich nach weiteren Limos im Ausland umzuschauen. Die Idee für trinkdose.de ist geboren. „Über den Shop haben wir Dosen aus aller Welt importiert und hier verkauft“ sagt Balbegi.
Trinkdose floppt, Sugardad startet durch
Rund eineinhalb Jahre läuft der Online-Handel mit exotischen Limos parallel zum Fast-Food-Geschäft. Richtig durchstarten kann die Idee aber nicht, trotz Social-Media-Kooperationen mit Farina Opoku von der Beauty-Brand Novalanalove. „Weil das Sortiment nicht breit genug war“, wie Adrian Balbegi erklärt. Auch der Aufwand sei enorm hoch gewesen. „Wir haben uns extra eine Pfandlizenz geholt, um in das deutsche Pfandsystem reinzukommen. Jedes Produkt musste bei der Deutsche Pfandsystem GmbH gelistet werden, inklusive der Inhaltsstoffe sowie einem EAN Code und neu gelabelt werden. Das war ein riesiger Apparat.“
Balbegi sucht nach Alternativen und einer Lösung für trinkdose.de. Er sagt: „Ich habe eine ganze Nacht mit meinem Partner Ismael Ramadan telefoniert. Da hatten wir eine spontane Idee.“ Statt nur Getränkedosen wolle man jetzt auch Süßigkeiten aus dem Ausland importieren. Weil die IA International GmbH die entsprechenden Kontakte bereits hatte und im Importgeschäft war, habe man direkt starten können. Damals noch nicht unter der Marke Sugargang, sondern Sugardad. „Das lief für eine solche spontane Idee ab dem ersten Tag echt gut“, so Balbegi. „Aus 100 Artikeln haben wir erst 500 gemacht, insgesamt sind es bis heute 3.500 verschiedene Artikel gewesen.“
So funktioniert Marketing für exotische Süßigkeiten
Weshalb aber funktioniert das Geschäft mit hierzulande unbekanntem Süßkram von Anfang an besser als das mit hierzulande unbekannter Limonade? „Der erste Schritt, der gut funktioniert hat, war das Design unserer Kartons“, erklärt Adrian Balbegi. „Als wir die knallbunt gemacht haben, haben auch viele andere gemerkt, welche Wirkung das haben kann. Die sind perfekt für Unboxing-Videos auf Youtube oder Instagram und fallen einfach auf.“ Ob Sugardad wirklich die ersten waren, die mit knallbunten Verpackungen in den Newsfeeds der großen Plattformen auffallen wollen? Vermutlich nicht. Dass es aber funktionieren kann, zeigen auch andere junge Food-Brands, die vor allem über soziale Medien wachsen. Prominentestes Beispiel aus Deutschland dürfte dafür das gehypte Donut-Franchise Royal Donuts sein (Gründer Enes Seker war vor einigen Wochen im OMR Podcast zu Gast).
Damit die bunten Boxen gefüllt mit noch bunteren Inhalten von so vielen Menschen wie möglich gesehen werden, versucht Sugardad von Anfang an, passende Influencer mit entsprechenden Reichweiten bei jüngeren Zielgruppen von einer Zusammenarbeit zu überzeugen. „Die erste große Koop war mit Mois und ist einfach aus unserer Kaltakquise entstanden“, sagt Adrian Balbegi. „Er hatte Bock, wir haben ihm zwei Kartons geschickt und er hat daraus direkt ein Youtube-Video gemacht.“ Im Clip, den der Youtuber und Rapper Ende November 2019 auf seinem Kanal veröffentlicht, packt er gemeinsam mit unter anderem Rapper Sinan-G Süßigkeiten sowie Getränke aus und probiert sie. Rund 1,2 Millionen Aufrufe hat das Video bis heute. „Ab da lief es stark“, sagt Balbegi.
Und die Kooperation mit Mois bleibt nicht einzige im Laufe von Sugardads Influencer-Marketing-Offensive. Im August 2020 lädt Julian Claßen alias „Julienco“ auf seinem Youtube-Account (vier Millionen Abos) ein Unpacking-Video hoch, das bis heute auf über 900.000 Aufrufe kommt. Auch in der Deutschrap-Bubble hat sich Sugardad in der Vergangenheit immer wieder platziert – vor allem in Musikvideos von Künstler:innen des Labels „Alles oder Nix Records“. Die Brand taucht unter anderem bei Xatar (hier im OMR Podcast zu Gast) und im fast acht Millionen Mal angeschautem Video „TBC“ von SSIO (ab 0:22) auf. „Aledin Atalan hat bei uns alles aufgebaut, was mit Hip Hop zu tun hat“, sagt Adrian Balbegi. „Unter anderem auch die inzwischen sehr gute Beziehung zu Xatars Label.“ Es folgten bezahlte Kampagnen beim Hip-Hop-Publisher Backspin und dem „Hip-Hop-Gossip-Youtube-Kanal“ Mr. Rap.
Influencer statt Performance Marketing
Könnte man Sugardad also als reine Influencer-Brand bezeichnen? „Wir haben viel auf Ads gesetzt und Performance Marketing ausprobiert“, sagt Adrian Balbegi. „Meine Idee war dann, ausschließlich auf Influencer zu setzen. Und dann haben wir mal fast ein Jahr lang gar keine Ads geschaltet. Und irgendwann haben sich Influencer von sich aus bei uns gemeldet.“ So könnte auch die Zusammenarbeit mit Marcel Eris zustande gekommen sein. Als „Montana Black“ gilt er als der erfolgreichste deutsche Gaming-Streamer; vor wenigen Tagen erreichte er vier Millionen Follower auf Twitch.
Seit etwa einem Jahr präsentiert „Monte“ in Streams, die er anschließend als Zusammenschnitt bei Youtube hochlädt, Sugardad als offiziellen Partner – inklusive personalisiertem Rabatt-Code. Das dürfte bei seiner Reichweite und Authentizität nicht gerade schlecht laufen. Elf der in den vergangenen Monaten auf Youtube hochgeladenen Videos kommen derzeit auf rund 16 Millionen Aufrufe. Auf dem Highlight-Kanal „Richtiger Kevin“ (1,55 Millionen Abos) kommen über fünf Millionen Views dazu; Aufrufe aus Live-Streams auf Twitch sind hier noch gar nicht berücksichtigt. „Montana Black ist inzwischen ein guter Kollege, der uns sehr stark hilft. Und der eigene Rabatt-Code für seine Community funktioniert sehr gut“, erklärt Adrian Balbegi. In einem aktuellen Instagram-Post werden die Fans des Unternehmens sogar gefragt, ob sie „Bock auf eine Montana-Black-Sonderedition“ hätten.
Von Sugardad zur Sugargang
Obwohl Balbegi das Süßigkeiten-Import-Geschäft unter der Brand Sugardad gestartet hat, drängt seit einigen Monaten die anfangs beschriebene Marke Sugargang in den Vordergrund. „Ende 2020 gab es markenrechtliche Probleme und interne Spannungen“, erklärt Balbegi. „Wir haben viel diskutiert und der Plan war eigentlich, mit einer neuen Marke, Sugargang, weiterzumachen. Mein Partner Ismael hätte Sugardad weitergeführt. Am Ende ist er dann aber komplett ausgestiegen und beides läuft jetzt parallel.“ Auch wenn Sugardad weiterhin auf der Seite von IA International als Marke aufgeführt und der Instagram-Account mit 121.000 Abos betreut wird, liegt der Fokus eindeutig auf der jüngeren Brand. Auf Instagram ist die mit 176.000 Abos auch bereits größer.
Insgesamt scheint das Wachstum der IA International GmbH nicht gerade schlecht zu sein. „In einem Jahr waren es 1.200 Prozent Wachstum“, so Balbegi. Und das bringe nicht nur Vorteile mit sich. „Wir wollten alles mitnehmen und hatten dadurch keine Zeit, uns zu strukturieren. Wir sind ehrlich gesagt ein bisschen ungesund und zu schnell gewachsen.“ Seit Anfang Juli gibt es in Hannover den ersten Sugargang Store. 120 Menschen würden heute für das Unternehmen arbeiten, 70 davon in Vollzeit, der Rest bestehe aus Studierenden und Azubis. Der Altersschnitt liege bei etwa 24 Jahren.
60 bis 70 Prozent des Umsatzes würden die B2C-Marken Sugardad und Sugargang für das Unternehmen generieren, der Rest stamme aus der B2B-Brand „Candybrands“, über die Supermärkte beliefert werden. „2020 haben wir insgesamt zehn Millionen Euro Umsatz gemacht. Vor Steuern bleiben da etwa sieben bis zehn Prozent übrig“, sagt Balbegi. „Das wollen und werden wir in diesem Jahr noch toppen.“
Konkurrenz durch Wettbewerber – und die Creator Economy
Dass IA International mit den Brands Sugargang und Sugardad nicht alleine auf dem Markt ist, sei Adrian Balbegi natürlich bewusst. Mit House of Sweets und World of Sweets sind immerhin zwei Player in exakt seiner Nische unterwegs. „House of Sweets setzt noch viel stärker auf Hip Hop im Marketing und auf Rapper als Influencer. Die machen jetzt auch die ersten Schritt im B2B-Bereich, aber alles ohne Storytelling“, sagt Balbegi. „Und World of Sweets beliefern wir sogar mit einigen bestimmten Produkten.“
Der Süßigkeiten-Hype sei ein wenig vergleichbar mit der Schwemme an neuen Burgerläden vor ein paar Jahren. Sorgen mache sich Adrian Balbegi aber nicht – im Gegenteil. „Mein Traum ist, langfristig mit Sugargang eigene Produkte auf den Markt zu bringen. Wir haben dafür die vier Charaktere entwickelt, die wachsen und diverse Bereiche wie Merch abdecken können. Der Stil hat einen japanischen Touch, ein gewisses Flair von Animes und gleichzeitig einen amerikanischen Einschlag.“
Ob ausgedachte Charaktere mit der Zugkraft von Stars mit Millionen-Reichweiten und der Creator Economy mithalten können? „Ich bin überzeugt, dass unsere eigenen Produkte, wenn sie fertig sind, konkurrieren können“, so Balbegi. „Natürlich können wir nicht mit einem Boom von Capital Bra mithalten. Ich würde den Fokus aber auch viel stärker auf das Produkt setzen und etwas auf den Markt bringen, was es so wirklich noch nicht gegeben hat.“ Sich selber möchte Balbegi – ihm gehören 70 Prozent des Unternehmens, der Rest verteilt sich auf zwei Partner – auf diesem Weg übrigens nicht gezielt in den Vordergrund stellen. „Ich will einfach meine Ruhe, mein Ding machen und auf gar keinen Fall eine Personal Brand aufbauen.“