Direct Response mal anders: Mit vorgetäuschtem Stream-Hänger zu 15.000 Euro Sofortumsatz
Was Snocks der Spot in der Champions-League-Übertragung von Prime Video gebracht hat
- Der „Anti-Second-Screen-Spot“
- Media-Kosten im fünfstelligen Bereich
- Umsatz-Upflift: Schwierig zu messen
- Gutscheincode wurde 291 Mal eingelöst
- 730.000 Impressions mit Social-Media-Verlängerung
- Nächstes Mal noch mehr VKF?
Auf 32 Millionen Euro konnte das 2016 gegründete Startup Snocks, das Socken und Unterwäsche über Amazon und einen eigenen Shop verkauft, seinen Jahresumsatz zuletzt steigern – vor allem mittels Online Marketing. Nun sucht die Marke nach neuen Wegen, um weiter wachsen zu können. Das jüngste Experiment: ein Werbespot bei Amazons Streaming-Dienst Prime Video, geschaltet unmittelbar vor den Live-Übertragungen zweier Champions-League-Spiele mit deutscher Beteiligung. Ein spezieller Twist sollte dabei helfen, die Response des Spots in die Höhe zu schrauben. Ob das aufgegangen ist? OMR hat Einblick in die Zahlen erhalten.
„Seid ihr komplett wahnsinnig so eine Werbung kurz vor dem Spiel zu bringen? Mir ist gerade das Herz stehen geblieben und ich wollte die Fernbedienung in den Fernseher werfen 😂😂“ – „Wegen eurer Werbung bei Amazon habe ich gerade nen halben Herzinfarkt bekommen…!“ – „Der Schock sitzt tief, dachte mein Internet versagt! 😏😜“ – So lauten einige der Social-Media-Reaktionen auf den ersten Champions-League-Spot von Snocks.
Der „Anti-Second-Screen-Spot“
Was war geschehen? Schuld am Schreck der Zuschauenden sind neun Sekunden des Spots, die mit vielleicht der Urangst heutiger Fußball-Fans spielen: dass der Stream aussetzt, man Anstoß oder sogar vielleicht das komplett Spiel und potenziell Tore und Triumphe verpasst. Im Snocks-Spot setzt Unternehmensmitgründer Johannes Kliesch auf der Couch sitzend mutmaßlich dazu an, die eigenen Produkte anzupreisen – doch schon nach zwei Sekunden hängen Bild und Ton und es taucht der gefürchtete sich drehende Kreis auf, der anzeigt, dass die Verbindung hakt. Doch das ist nur gefakt, wie ein eingeblendeter Text klarmacht: „Sorry, Werbespots üben wir noch. Unterwäsche können wir schon. Snocks – why not.“
Die Reaktionen auf Social Media lassen darauf schließen, dass es Snocks mit diesem Konzept gelungen ist, die Aufmerksamkeit der so kurz vor dem Spiel vermutlich noch nicht so richtig Zuschauenden schlagartig auf den Bildschirm und den Spot zu ziehen – keine leichte Aufgabe in Zeiten des „Second Screens“: „Ich hab auf dem Sofa gesessen, hatte den Fernseher nebenher laufen und hab am Handy gedaddelt. Damit war es dann sofort vorbei, als der Spot kam“, berichtet auch Redaktions-Kollege und Bayern-Fan Torben Lux am Mittwochmorgen nach dem Spiel des FC Bayern gegen den FC Barcelona im OMR-Büro.
Media-Kosten im fünfstelligen Bereich
So ausgeklügelt die Aktion wirken mag, ist sie doch vergleichsweise kurzfristig zustande gekommen: „Zehn Tage vor dem ersten Spiel haben wir von unserem Account Manager bei Amazon das Angebot zur Buchung der Spots bekommen“, so Melanie Bondza, Amazon DACH Lead bei Snocks. Die Kosten? „Eine Summe im fünfstelligen Bereich. Wir haben eine Nacht darüber geschlafen und uns dann gedacht: Why not.“
Snocks ist über lange Jahre aus dem eigenen Cashflow gewachsen. Im April 2022 nimmt das Mannheimer Startup dann erstmals Geld von Investoren auf – und zwar gleich einen zweistelligen Millionenbetrag, von der Private-Equity-Gesellschaft Cathay Capital. Snocks-Gründer Johannes Kliesch erklärt schon zu diesem Zeitpunkt, außer in die europäische Expansion noch stärker ins Brandbuilding investieren zu wollen. Im Mai bucht Snocks dann erstmals ein aufmerksamkeitsstarkes Placement auf der Startseite von Amazon.de – für einen sechsstelligen Betrag, wie Kliesch gegenüber Textilwirtschaft verrät. In einem Linkedin-Post zieht der Gründer später ein eher gemischtes Fazit. „Die Wirkung war eher eine langfristige. Wir haben in den Monaten danach gesehen, dass sich unsere Rankings auf Amazon verbessert haben“, sagt Tim Jaschke, Teamlead Creative von Snocks, heute gegenüber OMR.
Umsatz-Upflift: Schwierig zu messen
„Es ist wichtig, auch mal verrückte Sachen zu testen“, so Jaschke nun mit Blick auf das neueste Experiment mit Video-Werbung im Umfeld der Champions-League-Übertragungen bei Prime Video. „Keine andere DTC Marke unserer Größe hat unseres Wissens bisher so einen Spot geschaltet.“ Eine solche Branding-Maßnahme werde helfen, sich von anderen Marken abzuheben, so die Hoffnung des Snocks-Teams. Zudem seien Gründer Johannes Kliesch und Sales-Chef Jannik Taser riesengroße Fußballfans. „Ein Stück weit war es also auch ein persönlicher Traum“, sagt Jaschke.
Nach einem Tag Brainstorming stand das Konzept des Spots, der dann inhouse produziert wurde, so Jaschke. Aber von wie vielen Menschen ist er nun gesehen worden und was hat er Snocks konkret gebracht? „Leider haben wir bisher noch keine Zuschauerzahlen von Amazon bekommen“, so Melanie Bondza. Snocks selbst habe jedoch nach der Spot-Ausstrahlung sowohl im eigenen (auf Shopify basierenden) Online-Shop als auch auf Amazon einen deutlichen Peak in Sachen Besucher*innen und Umsatz gesehen. „In der Stunde danach hatten wir 55 Prozent mehr Umsatz auf Shopify und 58 Prozent mehr Umsatz auf Amazon“, sagt Tim Jaschke. Aber er sagt auch: „Über den gesamten Tag gesehen war der Umsatz nicht höher als am Tag zuvor oder als am selben Tag der Vorwoche.“
Gutscheincode wurde 291 Mal eingelöst
Um die Wirkung des Spots besser messen zu können, griff das Snocks-Team zu einem weiteren Trick: „Wir hatten ein Pop-Up auf der Startseite mit der Frage, ob Besucher*innen vom Champions-League-Spiel kommen,“ so Jaschke. Ein von Snocks zur Verfügung gestellter Screenshot zeigt: 2.300 Website-Besucher*innen und damit ein Drittel aller, die die Frage beantwortet haben, gaben an, wegen des Spots auf die Seite gekommen zu sein. „Alle, die mit ‚ja‘ geantwortet haben, haben einen Gutscheincode bekommen. Dieser wurde innerhalb von 24 Stunden 291 Mal eingelöst und hat so 14.800 Euro Umsatz generiert.“
Darüber hinaus hätten in den zwei Tagen nach der Ausstrahlung des Spots in einer Umfrage, die Snocks standardmäßig stichprobenartig unter Neukund*innen des eigenen Online-Shops durchführt, sieben Prozent der Befragten angegeben, über TV auf die Marke aufmerksam geworden zu sein. „Wie bei dem Startseiten-Placement glauben wir an einen langfristigen Effekt des TV-Spots“, sagt Tim Jaschke.
730.000 Impressions mit Social-Media-Verlängerung
Um die Wirkung des Spots zu maximieren, hat das Marketing-Team die Aktion auf Social Media verlängert: auf Tiktok mit mehreren Videos rund um einen Barcelona-Fan im Snocks-Team sowie Clips über den Spot selbst, auf Instagram mit Stories und einem Reel zum Spot sowie – am Tag nach der Ausstrahlung – auf Linkedin mit diversen Posts führender Snocks-Mitarbeiter*innen. Der Post von Mitgründer Johannes Kliesch (der mit knapp 63.000 Followern sowieso ein „LinkedInfluencer“ ist), verzeichnet auf der Business-Plattform mehr als 2.000 Reaktionen und 300 Kommentare.
„Wir haben mit der Story um den Spot auf TikTok aktuell circa 400.000 Impressionen und auf Linkedin 330.000 Impressionen generieren können“, sagt Tim Jaschke. „Größtes Ziel war aber dieser Wow-Effekt, den wir vor allem über direktes Feedback beobachten. Johannes‘ Whatsapp-Inbox ist explodiert und auch Google Trends lässt auf ein deutlich erhöhtes Suchvolumen bei Google schließen.“
Nächstes Mal noch mehr VKF?
Insgesamt sei Snocks „sehr zufrieden“ mit den bisherigen Ergebnissen der Aktion, so Jaschke. „Auch, weil wir uns mehr und mehr davon verabschieden, reine Branding-Maßnahmen knallhart gegen Zahlen zu rechnen.“ Er könne sich durchaus vorstellen, in Zukunft häufiger Spots bei Streaming-Diensten zu buchen. „Aber nur, wenn wir ein starkes Creative platzieren können. Wir haben beim Spot durch Amazon viel Freiheit bekommen, das war wichtig.“
Der nächste Snocks-Spot soll am 25. Oktober auf Prime Video zu sehen sein, zum Rückspiel von Borussia Dortmund gegen Manchester City. Dafür will Jaschke erneut einen Spot inhouse produzieren: „Dieses Mal mit mehr Produkt-Fokus und hoffentlich einem QR-Code. Wir hoffen darauf, dass wir vom ersten Spot noch im Gedächtnis sind und testen als nächstes einen etwas mehr auf Verkauf zielenden Spot.“