New Yorker Notizen, Tag 3: Albert Wenger, Supreme, Gimlet Media & Krimiautoren aus Europa

So lief Tag 3 von Philipp Westermeyers Besuch in New York City

Philipp Westermeyer OMR New York Supreme
Philipp Westermeyer OMR New York Supreme
Inhalt
  1. Aufmerksamkeit schlägt Kapital
  2. Supreme und die Perfektion von FOMO
  3. Ein Artikel, über den die gesamte Branche spricht
  4. „Stimmt es, dass ‚Fest & Flauschig‘ bei Euch so groß ist?“ 

Die ersten beiden Tage von Philipp Westermeyers Ausflug nach New York waren schon erlebenswert – inklusive einigen spannenden Überraschungen. Aber auch Tag 3 war recht ok. Er traf sich mit einem der erfolgreichsten VCs, versuchte, in einen Supreme-Store zu kommen und unterhielt sich mit dem Gründer der relevantesten Podcast-Company über skandinavische Krimi-Autoren.

Falls nicht sowieso schon passiert: Hier könnt Ihr Philipps Planung vor dem Ausflug, Tag 1 und Tag 2 nachlesen. Es lohnt sich.

Ab und zu trifft man Leute, die einfach weiter blicken können, als normale Menschen. Meistens weil sie mehr Talent, Disziplin und bessere Umstände haben, als andere. Kommen dann einige Jahrzehnte Lebenserfahrung, Erfolg und permanente Neugier dazu, entstehen ungewöhnliche Menschen. Zu dieser Sorte gehört Albert Wenger. Albert ist Deutscher, lebt seit über 20 Jahren in den USA und hat eine der erfolgreichsten Venture Capital-Firmen der Welt mit aufgebaut. Die Investments von ihm und seinen beiden Partnern haben Companys wie Twitter, Kickstarter, Duolingo, Foursquare, Etsy, Coinbase und viele mehr ermöglicht. Zuletzt hatte der Fonds jedes Jahr einen Milliarden-Exit. Albert trifft Peter Thiel, Mark Zuckerberg oder Jack Dorsey und denkt sehr ernsthaft darüber nach, wohin sich die Welt entwickelt, warum und wie man das sehr konkret beeinflussen kann. 

Aufmerksamkeit schlägt Kapital

Welche Politiker er unterstützt, welche Firmen er derzeit warum finanziert (auch einige deutsche Unternehmen sind dabei) und was seine Thesen zur Zukunft der Arbeit und der Bildung in digitalen Zeiten sind hat er mir erzählt und sich in seinem Office am Union Square (zumindest in der Nähe, „four blocks north“) Zeit genommen. Das Ganze ist hoffentlich ein inspirierender und Horizonte öffnender Podcast geworden, der am kommenden Mittwoch erscheint. Für mich war es genau so. Das Gespräch rechtfertigt schon die halbe Reise. Ich bin nach der Begegnung direkt nach Hause gelaufen, um zu checken, ob die Aufnahme gut geklappt hat, damit hoffentlich später ein paar tausend andere Leute mithören können. 

Alberts Kernthese ist, dass das Zeitalter des Kapitals vorbei ist. Das aktuell einzig verbliebene knappe Gut sei Aufmerksamkeit. Noch bis vor 80 Jahren sei Land das knappe Gut gewesen, dann Kapital und nun Aufmerksamkeit. Jede Veränderung hier habe Auswirkungen auf das komplette Wirtschafts- und Gesellschaftssystem – nur hätten wir uns bislang daran sehr schlecht angepasst. Ein Grundeinkommen ist Albert zum Beispiel wichtig, er macht sich Sorgen um die Umwelt, hat seine Kinder zu Hause unterrichten lassen und findet an der gesamten Trump-Entwicklung gar nicht alles schlecht.

Supreme und die Perfektion von FOMO

Mit diesen großen Gedanken laufe ich dann vormittags noch nach Hause, komme an der Lafayette Street vorbei, wo seit Jahrzehnten die Shops der angesagtesten Streetstyle-Brands sitzen. 1999 gab es da den X-Large Store von den Beastie Boys, heute ist ein paar Häuser weiter der Supreme-Laden. Die Story der Marke Supreme ist kurios. Gefühlt uralt und trotzdem wollen alle ständig die Klamotten haben. Während im Shop der Marken von Kith oder Diamond Skateboards weniger los ist und es aus Sicht meiner Mutter die exakt gleichen Sachen zu kaufen gibt und sie exakt gleich dargereicht werden, stehen die Leute vor dem Supreme-Laden in der Schlange an. Es ist wie eine Echtzeit-Demonstration zur Kraft einer Marke. 

Fragt man, wie lange es dauert, um in den Shop reinzukommen, sagen die Security-Leute, dass sie keine Ahnung haben, ich müsse mir ohnehin vorher noch in einem anderen Haus um die Ecke erstmal eine Wartenummer holen…Echt wahr, das machen Leute – für einen Laden von maximal 80 Quadratmeter Größe, und das im Zeitalter des Internets. Friedemann hatte Dienstag schon vermutlich zurecht vermutet, dass es daran liegt, dass Supreme den schmalen Grad zwischen Skateboard-Mode und Highfashion immer wieder trifft. Die Vogue sieht das auch so. Wir hatten den Erfolg von Surpreme vor ein paar Wochen auch schon mal genauer analysiert. Der Gründer James Jebbia steht jedenfalls auf der OMR Bucketlist.

Ein Artikel, über den die gesamte Branche spricht

Nachmittags habe ich dann erst im Washington Square Park gelegen und unter anderem zwei Artikel gelesen, die man zuletzt in der Medien- und Marketingbranche besser gelesen haben sollte. Über den ersten sprechen gerade alle in der NY-Szene. Es geht um die aktuellen Entwicklungen bei Vice und den legendären Gründer Shane Smith. Den zweiten hat mir unser Podcast-Stammgast Sven Schmidt geschickt, insbesondere mit dem Hinweis, was für extrem gut ausgebildete Leute heute für Techcrunch Kommentare schreiben. Danny Chrichton hatte hinterfragt, wie es in Zeiten von Budgetkürzungen und Entlassungen sein kann, dass 3.000 Journalisten nach Singapur zum Kim-Trump-Treffen gefahren waren

Nach einem Schläfchen im Park bin ich nach Brooklyn gefahren und habe den Termin mit dem Gründer von Gimlet Media, also dem Podcast-Startup schlechthin, nachgeholt. 120 Leute, 25 Millionen US-Dollar Umsatz mit Podcasts in diesem Jahr (dem fünften für die Firma). Matt Lieber meint, der Radiomarkt in den USA sei mehrere Milliarden groß, das Geld fließe bald zu großen Teilen in Podcasts. Wenn Gimlet davon fünf Prozent bekommen sollte, sei die Firma eines Tages hunderte Millionen Dollar wert. Als ich gelacht habe und meinte „Das ist doch Dein VC-Pitch“ hat er zwar geschmunzelt. Er ist aber schon voller Hoffnung für das „neue“ Medium Podcast, und Gimlet hat über die Zeit immerhin knapp 30 Millionen US-Dollar an Investitionen eingesammelt. 

„Stimmt es, dass ‚Fest & Flauschig‘ bei Euch so groß ist?“ 

Das Unternehmen produziert und vermarktet über 20 Podcasts und verdient Geld mit Werbung in den Podcasts. Der Durchschnitts-TKP liegt bei 60 bis 80 US-Dollar. Daneben produzieren sie Brand-Podcasts für große Marken als Content Marketing. Obwohl diese Auftragsproduktionen explizit für Marken gemacht werden, kommen viele auf sechsstellige Hörerzahlen, wie zum Beispiel „Mogul“ für eine Lautsprechermarke. Dritter Erlösstrom ist der Verkauf von Podcast-Marken an Fernsehsender. Gimlet bekommt regelmäßig Anfragen von Apple, Amazon, Netflix oder dem Fernsehsender ABC, die aus Podcast-Serien gerne Bewegtbild-Formate machen möchten und dazu die Rechte kaufen oder auch Podcasts für ihre Plattformen einkaufen möchten. 

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Philipp Westermeyer (links) mit Gimlet Media-Gründer Matthew „Matt“ Lieber

Matt erzählt, dass er mit dem Verkauf von Rechten an Podcasts heute schon mehrere Millionen umsetzt. In der Fernsehserie zum Podcast „Homecoming“ hat dann auch direkt Julia Roberts mitgespielt. Ansonsten hat er mich gefragt, ob ich den Podcast „Fest und Flauschig“ kenne und ob es stimme, dass der in Deutschland so groß ist. Das würden ihm nämlich die Spotify-Leute immer sagen. Außerdem schaut er sich gerade nach skandinavischen Crime-Podcasts um. Eventuell klappt das ja mit Podcasts genauso wie in den vergangenen Jahren mit Krimi-Autoren à la Mankell, Nesbø, Adler-Olsen oder Larsson – in der Tat schon auffällig, wie nordeuropäische Krimi-Autoren die USA aufgerollt haben und hier Millionen Bücher verkaufen.

Nach dem Treffen bin ich alleine in Brooklyn essen gegangen. Eigentlich wollte ich erst nur schnell etwas mitnehmen, aber dann habe ich gesehen, dass Spotify und Facebook beide auf absoluten Höchstständen sind (beide hatte ich ausnahmsweise mal zu sehr guten Zeitpunkten gekauft, Facebook während des Cambridge-Themas). Die Buchgewinne haben mich zu einem anspruchsvolleren Abendessen verleitet. Ich war daher nicht im hippen Brooklyn, sondern im gediegenen Brooklyn Heights. Ich saß alleine am Tisch, nebenan ein Pärchen, beide sicher über 70 Jahre alt. Die Frau freute sich wie ein kleines Kind, als ihr Burger gebracht wird. Und der Mann aß seinen großen 20 Dollar-Burger mit den Händen. Dabei sagte sie zu ihm: „I really like how you eat that.“ Ganz ernsthaft, glücklich und verliebt. Es war eh schon ein perfekt-milder Sommerabend. Gute Zeiten, um über Business hinaus zu denken. 

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Philipp Westermeyer
Autor*In
Philipp Westermeyer
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