Moxi Rollerskates: Von der Nische zum Hypeprodukt

Florian Heide4.11.2021

Wie die Gründerin mithilfe von Social Media Marketing und Community Building Rollschuhfaren wieder cool gemacht hat

Michelle Steilen von Moxi Skates skatet auf einer Ramp. Quelle: Michelle Steilen/Instagram
Michelle Steilen von Moxi Skates skatet auf einer Ramp. Quelle: Michelle Steilen/Instagram
Inhalt
  1. Vom Roller Derby zum Rollschuhhandel
  2. Die Skate Girls überrollen die Stadt
  3. Bunt, selbstbewusst und divers
  4. „Skates are the shoes of the future, not of the past“

Sie sind knallig bunt und waren im letzten Sommer überall zu sehen: Rollschuhe haben in der Pandemie ein Revival erlebt. Ganz vorne dabei: Moxi, der US-Rollschuhhersteller von Skaterlegende Michelle Steilen. Wie es die Gründerin schafft, mit einer Community und geschicktem Influencer-Marketing dem antiquierten 90er-Jahre Bestsellerprodukt ein neues, cooles und feministisches Image zu verleihen, das erfahrt Ihr hier.

In ihren Videos rollen sie in eleganten Bewegungen über die Straße, vollführen Radschläge und meterweite Sprünge. An denn Füßen der „Moxi Skate Girls“: Rollschuhe in schrillen Farben, mit breitem Absatz und bunten, teilweise leuchtenden Rollen. Über 11 Millionen Views verzeichnet das Show-Video der Moxi Skate Girls. Auch hierzulande gibt es Skating-Prominenz: Auf Instagram folgen allein der Berliner Jam-Skaterin Oumi Janta fast eine Million Menschen (wir berichteten über ihren Erfolg). Sie war kürzlich in einem Werbespot für Smart und bei „Germany’s Next Topmodel“ zu sehen.

Überraschend viel Aufmerksamkeit für ein Nischenprodukt, bei dem die meisten Leute bis vor kurzem noch an Frauen in Visor Caps gedacht haben dürften, die in den 90er-Jahren den Strand von Venice Beach entlang fahren. Dass sich das Image von Rollschuhen so drastisch gewandelt hat, das ist zum Teil der Verdienst von Michelle Steilen. Die 38-jährige gründet 2010 in Kalifornien den Rollschuhhersteller Moxi. Heute gehört Moxi zu den führenden Rollschuhbrands weltweit, Neulinge wie Profi-Skater setzen auf die hübschen Skates in den bunten Pastelltönen. Wie konnte es die einstige Nischenmarke so weit schaffen?

Vom Roller Derby zum Rollschuhhandel

Steilen wächst Mitte der Achtziger Jahre in Philadelphia auf. Damals habe es nur Rollschuhe in den Farben schwarz, weiß und hellbraun gegeben. 2005 schließt sie ihr Psychologie-Studium ab und zieht nach Kalifornien, wo sie sich der Frauenmannschaft des Roller-Derby-Skating-Teams anschließt. Bei der Sportart fahren die Skaterinnen in einer ovalen Bahn und versuchen sich, teilweise unter massivem Gerangel, in die vorderste Position zu bringen.

Steilen stellt schnell fest: Der Zugang zu ihrem liebsten Hobby ist bis dahin auf sportliche Frauen mit Affinität zum Vollkontaktsport beschränkt. Das will sie ändern. Die Idee: Rollschuhe herstellen, die für Frauen jeden Alters und unabhängig von der Fitness gefahren werden können. „Ich wollte eine Marke schaffen, die das Rollschuhlaufen für alle wieder zugänglich macht“, sagt sie gegenüber der San Diego Union-Tribune. Ihren Partner findet sie in Riedell, einem Traditionshersteller von Roll- und Schlittschuhen, der seit 1945 in Red Wing, Minnesota produziert.

2008 eröffnet Steilen ein eigenes Geschäft in Long Beach, Kalifornien und verkauft ihre ersten gemeinsam mit Riedell produzierten Rollschuhe: Schwarze und weiße, je nach Geschmack mit bunten Schnürsenkeln und Rollen. Der Startschuss für die knalligbunte, retroschicke Rollschuhserie „Moxi Lolly“, für die die Marke heute weitgehend bekannt ist, fällt zwei Jahre später. 279 Dollar kostet ein Paar der pinken, lila oder blaugrünen Wildleder-Hightops zunächst, der Retailer Urban Outfitters sichert sich für sechs Monate das exklusive Vertriebsrecht an den Skates.

Lila Moxi-Rollschuhe der aktuellen Generation. Quelle: moxiskates.com

Lila Moxi-Rollschuhe der aktuellen Generation. Quelle: moxiskates.com

Die Skate Girls überrollen die Stadt

Schnell dient der erste Moxi Skating Store in Long Beach nicht mehr nur als Verkaufsfläche, er ist auch zentraler Treffpunkt für die Moxi Skate Girls, eine Gruppe rollschuhbegeisterter Freundinnen, die sich zu Skate Outs verabreden, bei denen sie gemeinsam durch Los Angeles fahren.

Ende 2013 verkauft Steilen den Shop an ihre Skate-Freundin Shanya Meikle, genannt Pigeon, um sich mehr auf den Aufbau ihrer Brand Moxi zu konzentrieren. Pigeon ist selbst in der Szene bekannt. „Wir wussten nicht, was der andere machte, aber wir kamen alle in den Laden und sagten: ‚Oh, wir sind alle hier. Lasst uns abhängen, lasst uns skaten gehen.'“, sagt sie gegenüber dem Vice Magazin.

In den Jahren danach wächst die Zahl der verkauften Moxi Skates jährlich: Durch Retailer wie Urban Outfitters oder Dolls Kill, den eigenen Webshop und Rollschuhbahnen, die Moxis an Besucher:innen verleihen. Im Jahr 2017 verkauft Steilen bereits 10.000 Paar Rollschuhe weltweit. Die wachsende Bekanntheit der Marke ist vor allem auf den Social Media Content zurückzuführen: Steilen stellt Videos der Skate Outs auf Youtube, später kommen Tutorials für Skating-Tricks und Tipps für Neueinsteigerinnen dazu. Auch Skaterinnen wie die Moxi Skate Girls und andere Kundinnen, stellen oft aufwendige Videos ihrer Tricks auf Youtube oder Instagram. Besonders auffällige Skaterinnen sponsert Steilen.

Bunt, selbstbewusst und divers

Zwei davon: Amy West aka @indyjammajones und Courtney Shove, besser bekannt unter dem Handle @fat_girl_has_moxi. West ist hauptberufliche Skate-Youtuberin, Shove ist bei Moxi angestellt. Auf Instagram haben beide jeweils über 80.000 Follower. Auch Michelle Steilen selbst, die als Skaterin besser bekannt ist unter dem Namen @estrojen, zählt über 160.000 Follower. Ihre Bekanntheit geht in der Zwischenzeit soweit, dass sie das Stuntdouble von Margot Robbies Rolle als Harley Quinn in dem Film Birds of Prey spielte. Auf ihren Insta-Kanälen präsentieren sich die Moxi-Trägerinnen selbstbewusst, die Feeds sind bunt und lebensfroh, die Menschen oft divers oder außergewöhnlich schrill gekleidet.

Der Social Media Erfolg von Steilen und anderen Skater:innen führt dazu, dass sich Moxi über die Skater-Community hinaus einen Namen macht. Inzwischen steht Moxi für einen besonderen Lifestyle, für Coolness, weibliches Empowerment und Diversität. „Es ist die einzige Marke, die ich in der gesamten Skating-Branche kenne, die Mode, Lifestyle und einen breiteren Markt anspricht“, sagt Zach Kulak, Brand Manager bei Riedell gegenüber der San Diego Union-Tribune. Die Folge: Moxis Youtube-Channel zählt heute über 70.000 Abonnent:innen, der von Steilen nochmal 11.000. Auf Tiktok hat der Hashtag #moxirollerskates über 190 Millionen Aufrufe und auf Instagram rund 350.000 Follower.

„Skates are the shoes of the future, not of the past“

Ein Teil der Community landet als Kund:innen auf Steilens Webshop. Dort bietet sie neben den Moxi Lollys, die inzwischen 349 Dollar kosten, auch andere Serien an, wie die etwas günstigere Beach Bunny Variante, außerdem gibt es im Online-Shop gebrandete Schoner und Skating-Accessoires wie Socken, Rollschuhtragetraschen oder Caps. Vor allem die Corona-Pandemie hat bei Moxi, dessen Skates für den Outdoor-Sport gemacht sind, und dessen Produzenten Riedell für einen Boom gesorgt. Laut Analysetool Similarweb besuchen noch im April 2021 rund 300.000 Besucher monatlich den Webshop, rund 60 Prozent davon organisch über die Google-Suche, 35 Prozent landen direkt über den Browser auf der Website.

Die Nachfrage ist zwischenzeitlich so hoch, dass sich eine Reddit-Gruppe mit dem Titel DudeWheresMyMoxies gründet, wie das Wallstreet Journal berichtet. Steilen muss wegen des Rückstandes – Riedell soll zeitweise um bis zu 50.000 Einheiten im Verzug gewesen sein – sogar den Launch neuer Produkte verschieben. Die Umsatzzahlen für 2020 sind nicht bekannt. Dass der Erfolg trotz Pandemie-Boom langfristig ist, davon ist Steilen überzeugt. „Skates sind die Schuhe der Zukunft, nicht der Vergangenheit“, sagt sie in einem kürzlich veröffentlichten Youtube-Video.

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Florian Heide
Autor*In
Florian Heide

Florian arbeitet seit fast zehn Jahren als Print-Journalist. Angefangen beim Lokalblatt, später als Praktikant und Freelancer für DIE ZEIT und GEO. Seit 2020 ist er Redakteur bei OMR, wo er über Startups, Viraltrends, den Wandel von Social Media Plattformen und neue Technologien berichtet. Er hat nie Bargeld dabei und verbringt die Wochenenden am liebsten weit weg von Technologie in der Natur.

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