Metaverse Billboards: Dieser Deutsche betreibt das weltgrößte Krypto-Werbenetzwerk
Wer mit seinem NFT-Projekt die wahren Krypto-Nerds und VCs der Szene erreichen will, dem verschafft Sven Venzke-Caprareses die nötige Sichtbarkeit im Metaverse. Ist VR-Marketing das neue OOH?
- „Jurist, aber im Herzen auch Nerd“
- Crytovoxels and chill
- Nerds und Milliardäre
- „Ich möchte mit der Welt mitwachsen“
- Nachbarschaftsstreit im Metaverse
Plakatwände – nicht eben die naheliegendste Werbeform, wenn es darum geht, Digital-Nerds zu erreichen. Aber bei den 300 Werbetafeln, die Sven Venzke-Caprarese betreibt, handelt es sich auch nicht um gewöhnliche Plakate. Der Datenschützer aus der Nähe von Bremen ist Herrscher über das größte Werbenetzwerk im Metaverse. Wer in der virtuellen Welt Cryptovoxels einen NFT-Drop promoten will, dem liefert Venzke-Caprarese die Audience. OMR hat mit dem „Ströer der Virtual Reality“ darüber gesprochen, wer bei ihm Kampagnen bucht, warum er nichts von Tracking hält, und weshalb er seinen Kunden trotzdem minimale Streuverluste verspricht.
„Jurist, aber im Herzen auch Nerd“
Der Weg des Gründers von Metaverse Billboards in die Welt der NFTs begann mit Katzen. Vor vier Jahren kaufte er sich zwei Crypto Kitties. Diese digitalen Haustiere können von ihren Besitzer*innen im gleichnamigen Spiel zur Zucht eingesetzt und gehandelt werden. Für besondere Crypto Kitties zahlen Sammler mittlerweile sechsstellige Summen. „Damals wusste ich noch gar nicht, dass das ein NFT ist.“ Er habe sich die Sache nur einmal anschauen und verstehen wollen – denn das ist sein Job. „Im Datenschutz sieht man immer die neuesten Technologien und muss sie bewerten“, sagt Venzke-Caprarese, der bei einem Unternehmen für Datenschutz und IT-Sicherheit tätig ist und sich selbst als „Jurist, aber im Herzen auch Nerd“ bezeichnet.
So sei er auch auf Cryptovoxels gestoßen. Das ist eine 2018 gelaunchte, auf der Etherium-Blockchain basierende virtuelle Welt, die man über den Webbrowser oder VR-Headsets betreten kann. Spieler*innen können bei Cryptovoxels gegen Kryptowährung Land erwerben und bebauen. Venzke-Caprarese war früh dran – „Da war alles noch schwarzweiß und nichts los“ – und kaufte fünf Parzellen, dann weitere sieben. Die Preise stiegen. Er stieß eine Parzelle in guter Lage im Wert von 10.000 Euro ab, kaufte andernorts zu. Mittlerweile besitzt Venzke-Caprarese mehr als 100 Cryptovoxels-Grundstücke.
Crytovoxels and chill
Irgendwo auf dem Weg zum Großgrundbesitzer im Metaverse stellte sich ihm die Frage: „Was mache ich damit?“ Auf den meisten seiner Grundstücke stehen mittlerweile Gebäude. „Parzellen bebauen entspannt mich“, sagt Venzke-Caprarese. Mit der Zeit habe er außerdem seinen Grundbesitz dahingehend optimiert, dass seine Parzellen die Welt von Cryptovoxels möglichst gleichmäßig abdecken würden. Und weil er die Grundstücke mit Portalen untereinander verbunden hat, können seine Besucher quasi unter seiner Führung sämtliche Distrikte der virtuellen Welt entdecken.
Anders gesagt: Venzke-Caprarese hat eine Art U-Bahn durch Cryptovoxels erschaffen. Da lag der nächste Schritt nahe, nämlich an allen „Haltestellen“ – also neben den Portalen – Werbeflächen aufzustellen und zu vermarkten. „Am Anfang war das wie plakatieren“, sagt Venzke-Caprarese. Er habe sich zu jedem seiner Billboards hinportieren müssen und die Grafik händisch austauschen müssen. Es habe 90 Minuten gedauert, eine Kampagne auszurollen. Mittlerweile konnte er die Entwickler von Cryptovoxels überzeugen, eine Funktion zu bauen, mit der sich Dateien täglich und automatisiert tauschen lassen. Sein Aufwand habe sich so auf einen Klick und zwei Minuten Arbeit reduziert, erklärt Venzke-Caprarese. Die Erstellung der Rechnung dauere auf jeden Fall länger.
Nerds und Milliardäre
Die bisherigen Kunden von Metaverse Billboards stammen erwartungsgemäß sämtlich aus der Krypto-Szene. Der NFT-Impresario Metakovan, bekannt durch den Kauf des 69-Millionen-Dollar-NFTs vom Künstler Beeple, nutze die Werbeflächen, um für die Eröffnung seiner virtuellen Kunstmuseen zu werben. Die Auktionsplattform Rarible hat gleich ein ganzes Paket gebucht, um verschiedene Drops zu promoten. Außerdem auf der Kundenliste: Ein VC-Fonds, ein dezentralisierter Speicher-Anbieter – und viele Künstler, denen Venzke-Caprarese seine Flächen zu rabattierten Preisen zur Verfügung stellt.
Vor allem ziele er jedoch auf Unternehmenskunden ab. Demnächst soll eine erste HR-Kampagne eines Blockchain-Projekts in seinem Netzwerk ausgespielt werden. Doch perspektivisch will Venzke-Caprarese auch Kund*innen von außerhalb der Krypto-Blase gewinnen. „Meine Hoffnung ist, dass Nike auf die Idee kommt, Turnschuhe zu tokenisieren.“ Natürlich würde der Sportartikel-Gigant das Thema dann breit spielen. „Aber man muss auch da sein, wo die Nerds sind.“ Über seine Plakate bekomme man Zugang zu einer „hochspezifischen Zielgruppe“: Developer, Inhaber von Blockhain-Projekten und „vielleicht läuft einem auch ein Milliardär über den Weg, der bei SpaceX früh eingestiegen ist.“
Wobei Venzke-Caprarese nicht sagen kann, wer genau seine Tafeln überhaupt wahrnimmt. Natürlich könnten seine Kunden tracken, wer auf den Webseiten landet, die mit den Billboards verlinkten sind. Aber nur die wenigsten würden die Links überhaupt anklicken. Wenn man bedenkt, dass das Metaverse als nächste Evolutionsstufe des Web gehandelt wird, hat es eine gewisse Ironie, dass bei der dort verbreitetsten Werbeform alle üblichen Messinstrumente versagen.
Wie sein Mitbewerber NFT Plaza, der Kioske in mehreren Metaversen betreibt, verspricht auch Venzke-Caprarese seinen Kunden keine verlässlichen Conversions. Sein Produkt sei eher mit Außenwerbung vergleichbar. Und wo man beim Vergleich mit der Plakatwerbung ist – „dann ist es eigentlich noch zu günstig.“ Das Startgebot für die Buchung sämtlicher Billboards für eine Woche liegt bei einem Ether. Beim aktuellen Kurs entspricht das etwa 2.200 Euro.
„Ich möchte mit der Welt mitwachsen“
Für Venzke-Caprarese kommt derzeit am Ende eine „schwarze Null“ heraus. Was konkret heißt, dass die Einnahmen reichen, um wöchentlich ein bis zwei weitere Cryptovoxels-Parzellen in abgelegeneren Lagen oder auf neuen Inseln zu erwerben. „Ich möchte mit der Welt mitwachsen.“ Dass muss er auch, denn seine Billboards sind nur dann attraktiv, wenn er seinen Kunden plausibel machen kann, dass sie ein Publikum bieten. Darum ist es wichtig, dass sie in der Nähe von Grundstücken platziert sind, auf denen Events stattfinden.
„Vor allem durch Glück habe ich es geschafft, solche Parzellen als Nachbarn zu haben“, sagt Venzke-Caprarese. Wobei das bei Cryptovoxels bedeutet, dass am Ende ein paar Dutzend User*innen zeitgleich zu Gast sind. Doch wie bei einer Vernissage ist es am Ende nicht entscheidend, dass die Galerie aus allen Nähten platzt, solange die zwei, drei wichtigen Leute da gewesen sind.
Venzke-Caprarese hat auch schon darüber nachgedacht, sein Netzwerk über die Einbindung von Drittparzellen auf Basis von Revenue Shares expandieren zu lassen, die Idee aber bald verworfen. „Ich hätte es gerne dezentralisiert, aber das war zu aufwendig.“ Zum einen, weil man niemandem wünscht, dem Finanzamt seine in Kryptogeld verrechneten anteiligen Einnahmen aus der Vermietung von Werbeflächen darlegen zu müssen. Zum anderen, weil Cryptovoxels-Parzellen aufgrund der rasanten Wertsteigerungen oft verkauft werden. Schon mehrfach habe er erlebt, wie dann alle Bauwerke inklusive des Portals und seines Billboard plattgemacht wurden. Darum setzt Venzke-Caprarese inzwischen auf eigene Infrastruktur und hofft auf attraktive Nachbar*innen.
Nachbarschaftsstreit im Metaverse
Dass es denen ähnlich geht, musste der Plakat-Mogul allerdings auch schon erfahren. Auf einer seiner Parzellen hatte Venzke-Caprarese die Werbetafel so platziert, dass sie ihm selbst die Aussicht aufs Wasser verbaute. Also stellte er einen Stuhl vor die Wand, um den Blick über das Grundstück des Nachbarn zu genießen. Für den wiederum war das offenbar eine Provokation zu viel. Als Rache dafür, dass sein Nachbar ihm eine seiner haushohen Werbetafeln quasi in den Vorgarten gepflanzt hatte, errichtete er seinerseits eine Wand. Die könnte Venzke-Caprarese verschwinden lassen – wenn er seinem Nachbarn dafür 0,1 Ether am Tag zahlte. Und weil Brian Armstrong, CEO von Coinbase, einen Tweet darüber retweeted hat, brachte es Venzke-Caprarese über dieses kleine Metaverse-Drama zu gewisser Berühmtheit in der Krypto-Community.
Mittlerweile haben beide Parteien auf Discord gechattet und ihren Streit beigelegt. Es sei kein geplanter Stunt gewesen, sagt Venzke-Caprarese. Der Nachbar habe sich einen Spaß erlaubt, aber auch eine Diskussion über Marketing im Metaverse anstoßen wollen. Der Mauererbauer war übrigens Österreicher, ein Kryptokünstler aus Wien – und Werber.