Shopping im Livestream: China-Hype oder die Zukunft des E-Commerce?

Christian Cohrs26.11.2020

Über Livestreaming generierte Umsätze chinesischer Onlinehändler haben sich 2020 verdoppelt, Plattformen von WeChat bis Tiktok rüsten weiter auf. Schwappt der Trend nun nach Deutschland?

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Inhalt
  1. Volkshochschule des Livestreamings
  2. Teleshopping trifft auf Tupperparty
  3. Milliardenschwere Ein-Mann-Unternehmen
  4. Magic Johnson lost in translation
  5. Völlig überhitztes Preisniveau
  6. Plattformen investieren in Technik
  7. Teleshopping ohne Sprachbarriere
  8. Abverkäufer ohne Feierabend
  9. Livestreaming als elitäre Nische?
  10. Amazon als möglicher Impulsgeber
  11. „Hollywood Livestreaming College“

15.000 verkaufte Lippenstifte in fünf Minuten. 50 Millionen Zuschauer, wenn Chinas Steve Jobs Smartphones vertickt. 128 Millionen Euro Umsatz mit nur zwei Shows an einem Tag. Das sind die Dimensionen, in die man sich begibt, wenn es um Liveshopping in China geht. Der Boom des Teleshoppings auf dem Smartphone hat einen Handelsgehilfen zum König der Lippenstifte gemacht, bringt sogar CEOs wie Xiamoi-Chef Lei Jun dazu, vor der Kamera ihre Produkte anzupreisen, und hat die Stars der Szene zu Millionären gemacht. Aber wie nachhaltig ist der Hype? Und wie wahrscheinlich ist es, dass der Trend 2021 nach Deutschland kommt? OMR blickt hinter die Kulissen des chinesischen Livestreaming-Phänomens.

Volkshochschule des Livestreamings

Die schönsten Geschichten aus der Provinz klingen oft wie Märchen. Oder Realsatire, wie die Meldung von Chinas staatlicher Nachrichtenagentur Xinhua über eine neue Bildungseinrichtung in einem Städtchen in der Region Zhejiang, die nur vier Monate nach ihrer Gründung bereits 1.000 Absolventen hervorgebracht hat. Der Name der Einrichtung: „Village Livestreaming College“.

Doch so abwegig wie es auf den ersten Blick scheint, ist die Volkshochschule für Teleshopping nicht. „Hier in China kaufst du alles online“, sagt Damian Maib. Warum nicht auch Möhren, einen Sack Kartoffeln oder Honig? Maib ist Gründer und Chef von Genuine German, einer E-Commerce- und Social-Media-Agentur, die mehreren deutschen Marken, darunter das Kosmetikunternehmen Cosnova, geholfen hat, auf dem chinesischen Markt Fuß zu fassen.

Er sieht in dem von Alibaba finanzierten „Village Livestreaming College“ darum keine Schrulle, sondern einen plausiblen Schritt im Plan des E-Commerce-Giganten, das Thema Liveshopping aus den Metropolen auch in Chinas sogenannte Tier-2- bis Tier-4-Cities zu bringen, also bis in die Kleinstädte der Provinz. Es macht also durchaus Sinn, wenn Dorfbewohner vor dem Smartphone ihre selbstgemachten Nudeln essen und üben, wie man diese potenziellen Kunden per Livestream schmackhaft macht, oder auf dem Feld stehend ihre Erzeugnisse anpreisen.

Alibaba E-Commerce-Plattform Taobao will 200.000 Bauern zu Livestreamern machen und strebt einen Umsatz mit landwirtschaftlichen Produkten von umgerechnet fast 2 Milliarden Euro an

Alibaba E-Commerce-Plattform Taobao will 200.000 Bauern zu Livestreamern machen und strebt einen Umsatz mit landwirtschaftlichen Produkten von umgerechnet fast zwei Milliarden Euro an. Screenshot: Alizila

„Alibaba forciert gerade, dass auch Anbieter aus ländlichen Regionen Zugang zu den Plattformen haben“, sagt Maib. Anders als die sogenannten KOL (Key Opinion Leader, das chinesische Pendant des Influencers) hätten die Bauern natürlich keine eigene Reichweite, „aber dann macht Alibaba eben eine ‚Farmer Week‘ und schickt Traffic drauf.“ Und wenn der Konzern, der über 50 Prozent des chinesischen Online-Handels beherrscht, auch so massiv in das Thema Livestreaming investiert, sollte auch für die „Village Livestreaming College“-Alumni etwas hängen bleiben.

Teleshopping trifft auf Tupperparty

Livestreaming ist kein neues Phänomen in China. Die Mischung aus Teleshopping und Tupperparty dient vielen Chinesen als abendliche Entspannung. In mehrstündigen Sendungen präsentieren KOL ihren Followern alle möglichen Produkte, immer mit dem Versprechen, dass diese nirgendwo günstiger zu bekommen sind. Doch im laufenden Pandemie-Jahr hat das Ganze ein völlig neues Niveau erreicht. Prognosen gehen davon aus, dass sich der über Liveshopping-Shows generierte Umsatz bis Ende des Jahres auf 1,05 Billionen Renminbi, umgerechnet 134 Milliarden Euro, addieren wird. Das wäre mehr als eine Verdopplung gegenüber Vorjahr. Nach einer Hochrechnung des Handelsministeriums gibt es mittlerweile 50.000 Livestreams am Tag mit insgesamt 260 Million Views.

Besondere Bedeutung kommt dem Thema naturgemäß während der sogenannten Shopping Festivals zu. Beim jüngsten, dem von Alibaba-Gründer Jack Ma erfundenen Singles‘ Day am – in China Double 11 genannt – 11. November. Trotz des wirtschaftlich schwierigen Jahres vermeldeten die großen E-Commerce-Player anschließend Rekordeinnahmen – was allerdings zum großen Teil damit zu tun hatte, dass aus dem Tag der Alleinstehenden inzwischen eine ganze Woche voller Rabatte und Abverkaufsaktionen geworden ist. (Ein Taschenspielertrick, den man hierzulande vom Black Friday aka Black Week aa Black November kennt.)

Hochamt für den E-Commerce: Alibabas Tochter Tmall richtet zum Singles' Day eine eigene Gala aus

Hochamt für den E-Commerce: Alibabas Tochter Tmall richtet zum Singles‘ Day eine eigene Gala aus. Foto: www.alibabagroup.com

Alibaba, das als Pionier des Livestreamings gilt, vermeldete umgerechnet rund 63,77 Milliarden Euro Singles‘-Day-Umsatz. Jeder einzelne der insgesamt 28 Livestream-Kanäle, die währenddessen auf Taobao Live liefen, habe in dieser Zeit mehr als umgerechnet 12,8 Millionen Euro Umsatz gemacht; zusammen also mindestens 360 Millionen. Mitbewerber JD.com weist umgerechnet 34.6 Milliarden Euro Umsatz für seine insgesamt elf Singles‘-Day-Tage aus. Zwar gibt der Alibaba-Konkurrent keinen Anhaltspunkt, welchen Anteil Livestreams daran hatten, nennt dafür andere beeindruckende Zahlen: mehr 7.700 Livestreams seien über seine IT-Infrastruktur durchgeführt worden, davon in der Spitze 3.100 parallel.

Milliardenschwere Ein-Mann-Unternehmen

Die Zahl der Livestreamer wächst, wie viele es genau gibt, kann aber niemand sagen. Vor ein paar Monaten machte die Zahl 40.000 die Runde. Doch am Ende wird der Markt von einer Handvoll KOL geprägt, die mittlerweile eine eigene Kategorie von geworden Stars sind.

Darunter finden sich einige exzentrische Gestalten wie Xinba, der sich seinen Namen vom „König der Löwen“ geborgt hat, Pekings Olympiastadion zur Kulisse für seine Hochzeit erwählte und mit einer 21-Millionen-Dollar-Spende für Wuhans Corona-Opfern von sich reden machte. Xinba, der es ganz ohne „Village Livestreaming College“ vom Bauernsohn zum Streaming-Star gebracht hat, ist tatsächlich ein Sales-König auf der Plattform Kuishou, einer mit Tiktok vergleichbaren App, die vor allem abseits der Metropolen beliebt ist. Laut der South China Morning Post soll er dort mit seinen Shows im vergangenen Jahr Umsätze von annähernd zwei Milliarden Euro generiert haben. Zuletzt setzte er eine neue Rekordmarke: 240 Millionen Euro Umsatz in einem zwölfstündigen Verkaufsshow.

Die strahlendsten Superstars sind allerdings der bereits erwähnte Lipstick King Aston Li und Viya, die allein in den Monaten Juli bis September 2020 – also ohne Singles‘ Day – Verkäufe im Wert von 750 Millionen Euro ausgelöst hat. Immer wieder liest man ihre Namen, wenn die großen E-Commerce-Player Bilanz ihrer Shopping-Festivals ziehen. Ihre Strahlkraft ist so groß, dass sie offensichtlich selbst exotische Waren verkaufen können – wie ein Postkarten-Leporello mit Porträts des Alibaba-Gründers Jack Ma.

Die tägliche Show von Shopping-Superstar Viya sei „teils Varieté, teils Infomercial, teils Gruppenchat“, hat „Bloomberg Businessweek“ die magische Mischung zusammengefasst, mit der die 34-Jährige mehr Leute bannt als das Staffelfinale von „Game of Thrones“. Ausländische Firmen wie Tesla und Procter & Gamble wenden sich an sie, um sich bei chinesischen Kunden bekannt zu machen – und etwas von Viyas Glam abzubekommen. Ihr wird nachgesagt, sie könne wirklich alles verkaufen. Bestes Beispiel: der Raketenstart, den sie im vergangenen April für umgerechnet fünf Millionen Euro im Angebot hatte.

Magic Johnson lost in translation

Eine Karriere als Livestreamer ist mittlerweile so attraktiv, dass selbst etablierte Stars sich hier ein zweites Standbein aufbauen. Die Schauspielerin und Sängerin Liu Tao hat im April ihre erste Verkaufssendung gehostet und sich seitdem zum wandelnden Gemischtwarenladen entwickelt. In bislang zwölf Shows hat sie ihre Bekanntheit in so viel Umsatz gehebelt, dass für sie neben einem Basisbetrag – nimmt man die üblichen 20 Prozent an – zusätzlich 5 Millionen Euro Provision abgefallen sein dürften.

Magic Johnson präsentiert beim Singles' Day die CBD-Marke Uncle Bud’s, an der er beteiligt ist.

Magic Johnson präsentiert beim Singles‘ Day die CBD-Marke Uncle Bud’s, an der er beteiligt ist. (Screenshot: Tmall)

Ereignisse wie der Singles‘ Day bringen außerdem auch unerwartete Hosts vor die Kamera. Ausländische Firmen nutzen diesen Termin oft, um neue Produkte einzuführen. Und um während des mehrtägigen Shopping-Marathons nicht unterzugehen, werden den chinesischen Livestreamern westliche Stars wie Victorian Beckham oder Kim Kardashian an die Seite gestellt. In diesem Jahr war sogar Earvin „Magic“ Johnson zugeschaltet. Der Ex-Basketballer wollte den chinesischen Tmall-Zuschauern Uncle Bud’s nahebringen, eine CBD-Marke aus den USA, an der er beteiligt ist.

Völlig überhitztes Preisniveau

Die Masse der Livestreamer machen allerdings mittelbekannte KOLs aus. Genau darin sieht Damian Maib von Genuine German ein Problem, das den Livestreaming-Boom vielleicht nicht beenden, aber doch bremsen könnte.

Der derzeitige Hype habe die Kosten extrem in die Höhe getrieben. „Das ganze Thema KOL-Preise erlebt hier gerade einen Peak und ich halte das so nicht für nachhaltig“, sagt Maib. Zwar geht er davon aus, dass sich das Preisniveau künftig wieder normalisieren wird, doch aktuell lohnen sich die Partnerschaften für Unternehmen oft nicht. „Aus ROI-Perspektive sind vor allem mittelgroße KOLs schwierig“, so Maib. Im Schnitt verlange ein Livestreamer umgerechnet zwischen 2.500 und 3.000 Euro für einen Sechs-Minuten-Slot.

Plattformen investieren in Technik

Zudem sei es üblich, sich zusichern zu lassen, dass die Produkte nirgendwo sonst billiger angeboten werden, wodurch die Marge für den Anbieter entsprechend sinkt. Hinzu komme in manchen Fallen noch ein Faktor, so Maib: „Es ist möglicherweise nicht immer alles echt, was da an Zuschauerzahlen genannt wird. Bots könnten eine Rolle spielen.“ Darum sei es im Vergleich oft sinnvoller, direkt zu einem der Star-Streamer zu gehen. Die kassierten für ihre Dienste zwar umgerechnet zwischen 10.000 und 25.000 Euro zuzüglich einer 20-prozentigen Umsatzbeteiligung, garantierten dafür aber ein Vielfaches an Reichweite.

Bei den Plattformen allerdings scheint der Glaube an ein wachsendes Livestreaming-Business ungebrochen. Gerade hat Baidu in einem 3,6 Milliarden US-Dollar schweren Deal die Plattform YY Live übernommen (samt Debatte um Betrug bei Traffic-Zahlen). Eine Zahl macht der Branche Hoffnung, dass hier noch viel mehr gehen könnte: 2019 war Livestream-Shopping erst für sieben Prozent des gesamten E-Commerce-Umsatzes in China verantwortlich. Gut möglich, dass etwa die Multifunktions-App WeChat, die gerade eine nahtlos in Livestreams integrierbare Shop-Infrastruktur testet, zu einem weiteren wichtigen Player aufsteigt.

Teleshopping ohne Sprachbarriere

Umtriebigster Innovator ist jedoch Alibaba. Der Handelsgigant bildet nicht nur Bauern zu Livestreamern aus, sondern investiert massiv in Technologie. Im Vorfeld des Singles’ Day 2020 wurde ein Tool vorgestellt, das Livestreams auf AliExpress in Echtzeit vom Chinesischen in Englische, Russische, Spanische und Französische übersetzt, aber auch vom Englischen in Russisch, Spanisch und Französisch. User-Kommentare können aus 18 Sprachen übersetzt werden. 70 Prozent der Händler hätten die Funktion beim Singles’ Day aktiviert, heißt es von Alibaba. Bei früheren Cases hätten Übersetzungstools die Conversion Rates vervierfacht.

Diese Entwicklung passt zu Alibabas Plan, das Cross-Border-Business deutlich auszubauen. Seit der Übernahme des einst von Rocket Internet gegründeten Amazon-Klons Lazada verfügt der chinesische Konzern über ein Liefernetz, das weite Teile Südostasiens abdeckt. Große Kraft wird auch in die Verringerung der Lieferzeit nach Europa gesteckt. Allein für die zwei Wochen nach dem Singles’ Day habe Alibaba 100 Frachtflüge gechartert, um Kunden in Frankreich und Spanien lange Wartezeiten zu ersparen, berichtet CNBC.

Abverkäufer ohne Feierabend

Hinter dem Übersetzungstool von Alibaba steht die konzerneigene DAMO Academy. Die 2017 gegründete F&E-Einheit unterhält inzwischen sieben Standorte, davon fünf außerhalb Chinas, drei in den USA und je einer in Israel und Singapur. Dort wurde auch eine weitere Neuheit entwickelt, die am Singles’ Day zum Leben erweckt wurde: virtuelle Liveshopping-Hosts. Einem Produktvideo zufolge können die comic-haften Avatare nicht nur tanzen und die Zuschauer begrüßen, sondern auch deren Fragen im Chat verstehen und beantworten. Zudem passten sie ihre Gestik und Mimik an die jeweilige Stimmung in der Show an.

Virtuelle Moderatoren aus Alibabas F&E-Abteilung Damo Academy

Virtuelle Moderatoren aus Alibabas F&E-Abteilung Damo Academy. Screenshot: Alizila

Die künstlichen Moderatoren traten als Sidekicks von Livestreamern auf, oder übernahmen die Show, nachdem der menschliche Moderator gegangen war. Neben chinesischen Marken – ein Nahrungsmittelproduzent habe eine Comic-Figur nacheinander sein komplettes Portfolio hunderter Snacks vorstellen lassen – hätten auch internationale Brands wie Philips, L’Oréal, Unilever und L’Occitane hätten die virtuellen Hosts eingesetzt, vermeldet “China Daily”.

Die virtuellen Host wirken wie ein nettes Gimmick, sollen aber mehr sein. Die Idee dahinter ist, Liveshopping unabhängig von der Ressource Mensch zu machen. Am Horizont steht dann die etwas unheimliche Vorstellung eines Heers an virtueller Verkäufer, die Aliexpress-Kunden von chinesischen Servern individuell beraten, überall auf der Welt und in jeder Sprache, die das Damo-Übersetzungs-Tool inzwischen beherrscht.

Livestreaming als elitäre Nische?

Mit technischem Support drängen die chinesischen Anbieter in Richtung neuer Märkte, vor allem Südostasien erlebt derzeit einen Boom des Livestreamings. Aber wie sieht es im sogenannten Westen aus? In den USA zeigt das Beispiel der Streetwear-Drop-Livestreaming-App NTWRK (über die wir neulich hier berichtet hatten), dass das Konzept funktionieren kann. Zumindest in der Nische, denn ein Shop mit limitierten Sneakern und exklusiven Collectibles sagt noch wenig darüber aus, ob das ganze auch im großen Stil funktioniert – mit Allerweltsprodukten und Millionenpublikum.

Die Pandemie und der damit verbundene Push für den E-Commerce hat immerhin dazu geführt, dass auch das Thema Liveshopping hierzulande allmählich in den Fokus gerät (wie OMR berichtet hat). Entscheidender für den Durchbruch dürfte aber sein, dass die Betreiber der großen Plattformen nach und nach die technische Infrastruktur bereitstellen, um das Livestreaming-Shopping nun auch dort in Schwung zu bringen. Facebook zum Beispiel rüstet Instagram entsprechend auf. Und die vor Kurzem verkündete Partnerschaft zwischen Tiktok und Shopify könnte das Thema Verkaufen über Video bei experimentierfreudigen Händlern pushen. Von da wäre es bis zum Liveshopping nur ein kleiner Schritt. Und in China ist Douyin, wie Tiktok dort genannt wird, aktuell der große Newcomer in dem Segment. Nach Zahlen von Ocean Insights, das wie Douyin/Tiktok zu Bytedance gehört, sei die Zahl der Livestreams mit aktiviertem ‚Shopping Cart‘-Feature zwischen Dezember 2019 und Juni 2020 um 876 Prozent gestiegen.

Amazon als möglicher Impulsgeber

Auch Amazon könnte zum entscheidenden Impulsgeber werden. Denn der Boom des Liveshoppings ist eng mit der Logistik dahinter verknüpft. Wer sich während der Show spontan und aufgrund des niedrigen Preises für ein Produkt entscheidet, der hält dieses am besten in den Händen, ehe er genug Zeit hatte, sich über die Sinnhaftigkeit des Erwerbs Gedanken zu machen und schlimmstenfalls die Bestellung zu stornieren.

Amazon verfügt auf jeden Fall über entsprechende Infrastruktur und bietet auch bereits eine „Live Creator“-App an. Doch ein Blick auf die Shows zeigt, dass dieses Thema beim Konzern bislang nicht oberste Priorität genießt.

Die Luxusmarke Louis Vuitton wagte im April 2020 ihr Livestreaming-Debüt auf der Social-Shopping-Plattform Little Red Book

Die Luxusmarke Louis Vuitton wagte im April 2020 ihr Livestreaming-Debüt auf der Social-Shopping-Plattform Little Red Book

Vielleicht ist ganze auch ein Image-Problem. Denn Einkaufen via Livestream mag für westliche Ohren nach Teleshopping auf dem Smartphone und damit irgendwie nach Trash klingen. Was für einen exklusiven Ansatz spricht, wie ihn NTWRK verfolgt, wo NBA-Stars ihre eigenen Kollaborationen und das Vakuumschweißgerät zumindest vergoldet und mit Logo eines Promi-Juweliers daherkommmt.

„Hollywood Livestreaming College“

In China wagen sich bereits die ersten Luxusmarken an das Thema Livestreaming. Wobei sie die ersten Gehversuche zeigen, dass dieses Umfeld gar nicht so einfach zu bespielen ist. Denn dieser Kanal steht für Schnäppchen und Entertainment – also eher TK Maxx als Tiffany & Co. Exklusive Marken aber leben davon, nicht auf dem Wühltisch liegen. Der Schlüssel liegt vielleicht weniger darin, dass emsige Wohnzimmer-Livestreamer irgendwann zu Superstars werden, sondern im einem Top-Down-Ansatz. In China wagen sich US-Stars ja bereits in Livestreaming-Shows, warum nicht auch auf dem Heimatmarkt?

Auch Damian Maib sieht Potenzial für so einen Ansatz: „Ich glaube, dass auch Luxury Brands im Livestream verkauft werden können, auch in Deutschland.“ Allerdings rät er jedem Unternehmen, sich vorher genau anzuschauen, ob ein KOL beziehungsweise Influencer nur Reichweite mitbringt, oder auch etwas Expertise für das Produkt. Denn bei ernstgemeinten Rückfragen im Chat zeigten sich viele Livestreamer in China oft erschreckend ahnungslos.

AlibabaChinaE-CommerceInfluencerJD.comLivestreamingShopping Events
Christian Cohrs
Autor*In
Christian Cohrs

Editor & Content Strategist bei OMR und Host des FUTURE MOVES-Podcasts. Zuvor war er Redaktionsleiter des Wirtschaftsmagazins Business Punk in Berlin, Co-Autor des Sachbuchs "Generation Selfie".

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