Geklonte Promis und Influencer: Generative AI wirbelt das Marketing mit Testimonials durcheinander

Die Erstellung von AI-Klonen wird immer leichter. Was bedeutet das für das Marketing und die Creator Economy?

Inhalt
  1. Nachts streamt der AI-Klon
  2. 400.000 AI-Klone sollen in Streams verkaufen
  3. Virtuelle Influencer*innen sammeln Millionenreichweiten an
  4. Hollywood wird zum Kampfschauplatz
  5. AI-Klone als Arbeitserleichterung und Erlösquelle für Promis

Werbevideos mit Prominenten lassen sich mittels "Generative AI" immer besser fälschen: Das zeigt aktuell der Fall des ZDF-Nachrichtensprechers Christian Sievers, dessen "digitaler Klon" in einem unrechtmäßig erstellten Video für ein obskures Finanzprodukt geworben hat. In China werden unterdes Influencer bereits für Shopping-Livestreams "geklont". OMR zeigt, warum nicht nur der Creator Economy ein Paradigmenwechsel bevorstehen könnte, sondern auch, warum Hollywood zum Kampfschauplatz in Sachen KI geworden ist.

"Vorsicht, fiese Betrugs-Masche mit KI in soz. Medien", warnte ZDF-Heute-Sprecher Christian Sievers in der vergangenen Woche auf Twitter. "Der Typ sieht aus wie ich, klingt (fast) wie ich. Aber ich bin es nicht wirklich… Echt nicht" Dazu postete Sievers die Bildschirmaufnahme eines offensichtlich auf Facebook veröffentlichten, manipulierten Videos, in dem Christian Sievers in den Heute-Nachrichten vermeintlich eine "neue KI-gestützte Anlageplattform" bewirbt, die dabei helfen soll, "mit minimalen Investitionen große Geldsummen zu verdienen".

Nachts streamt der AI-Klon

Einerseits wirkt das Video in seiner Gesamtheit u.a. durch die Untertitelung mit farbiger Hervorhebung von unseriösen Versprechen ("€ 15.700 im Monat") eher trashig. Andererseits ist es beachtlich, wie sehr die geklonte Stimme nach Christian Sievers klingt und dass die Lippen von Christian Sievers sich im Bild relativ synchron zu den gesprochenen Sätzen bewegen. So ist der Clip doch ein Beleg dafür, wie einfach es offensichtlich durch die die rasante Entwicklung im Bereich Generative AI ("generative künstliche Intelligenz") geworden ist, Videos mit prominenten Gesichtern und Stimmen relativ überzeugend zu fälschen und künstlich zu generieren.

Dass dieser Umstand auch für das Influencer Marketing weitreichende Folgen haben könnte, legt ein Blick nach China nahe. Dort sollen auf Plattformen wie Taobao, Kuaishou und Douyin (die chinesische Schwester-Plattform von Tiktok) bereits KI-generierte Klone von echten Influencer*innen in Verkauf-Livestreams eingesetzt werden – vor allen Dingen nachts, wie MIT Technology Review berichtet.

400.000 AI-Klone sollen in Streams verkaufen

Das Unternehmen Silicon Intelligence soll nach eigenen Angaben bereits 400.000 solcher Klone erstellt haben. Dafür müsse nur ein einminütiges Video der zu klonenden Person vorliegen. Auf dessen Basis könne dann zum Preis von etwa 1.000 US-Dollar ein einfacher KI-Klon generiert werden.

Solche Klone könnten zwar nicht die Stars der Shopping-Livestreamer*innen ersetzen, seien für Marken in Summe aber preiswerter als der Aufbau von "Mittelfeld-Streamer*innen", so Huang Wei, Geschäftsführer von Xiaoice, eines weiteren Dienstleisters, der digitale Klone erstellt. Ob und wie genau die "menschlichen Vorlagen" der AI-Klone dafür vergütet werden, dass ihre Gesichter und Stimmen als Vorlagen dienen, ist dem Bericht nicht zu entnehmen.

Virtuelle Influencer*innen sammeln Millionenreichweiten an

Virtuelle Influencer*innen sind kein ganz neues Phänomen. Schon seit 2017 ist beispielsweise die Figur "Lil Miquela" auf Instagram aktiv und hat dort bislang 2,7 Millionen Abonnent*innen angesammelt (wir berichteten schon 2018). Auch aus Deutschland gibt es mittlerweile Beispiele, wie etwa Noonoouri, die vor Kurzem in einem Workout-Video gemeinsam mit Fitness-Influencerin Pamela Reif zu sehen war.

Dabei handelte es sich jedoch um rein künstliche Figuren. Bislang sind wirklich existierende Menschen (zumindest so weit allgemein bekannt) jedoch nicht "digitalisiert" worden, damit mit den Avataren günstig (und vielleicht auch ohne Mitwissen der zugrundeliegenden Person) Inhalte erstellt werden können.

Hollywood wird zum Kampfschauplatz

Dass dies mittlerweile technisch (und bezahlbar) auf einem Niveau möglich ist, bei dem der Unterschied zwischen Original und Fälschung auf den ersten Blick teilweise kaum mehr zu erkennen ist, wirft viele neue Fragen auf. Etwa jene, ob und in welchem Maß Schauspieler*innen, Statist*innen, Synchronsprecher*innen und viele andere Vertreter*innen der Unterhaltungsbranche sich künftig davor schützen können, dass sie durch AI-Klone ersetzt werden.

Genau diese Frage stand zuletzt mit im Mittelpunkt eines mehrere Monate währenden Streiks in Hollywood, über den der britische Guardian titelte: "Why the battle over AI is being fought in Hollywood". Über das Recht, die Stimme oder das Bild von Schauspieler*innen digital zu vervielfältigen, "um eine Darbietung wesentlich zu verändern oder eine neue digitale Darbietung zu schaffen", müsse jedes Mal einzeln verhandelt werden, so die Schauspielergesellschaft SAG-AFTRA in einem öffentlichen Brief (aktuell offline, hier ein Memorandum).

Zuvor hatte die Arbeitgeberseite – die Studios und Filmproduktionsfirmen – bereits in Ansätzen demonstriert, wie mächtig das neue Werkzeug in ihren Händen sein kann – etwa indem sie Harrison Ford im neusten "Indiana Jones"-Teil und Mark Hamill in der Serie "The Mandalorian" mit KI-Hilfe künstlich verjüngte. Nun steht der Streik offenbar vor dem Ende; die WGA vermeldete, dass eine vorläufige Einigung erzielt worden sei. Details sind jedoch noch nicht bekannt.

AI-Klone als Arbeitserleichterung und Erlösquelle für Promis

Ungeachtet dessen dürfte es für Prominente künftig noch aufwändiger und mühsamer werden, zu überwachen, wer ihr digitales Abbild wo, wann und wofür verwendet. Gleichzeitig könnte die Entwicklung Prominenten und Influencer*innen künftig auch neue Möglichkeiten eröffnen. Denn wer künftig bei Markenpartnerschaften nur noch die eigene Stimme und das eigene digitale Abbild "lizensieren" muss, kann Zeit sparen und diese verwenden, um anderweitig Geld zu verdienen.

Einige Digital-Stars versuchen in dieser schönen neuen Welt bereits selbst Geld mit ihren Avataren zu verdienen. Snapchat-Influencerin Caryn Marjorie beispielsweise dient sich unter dem Namen "Caryn.ai" als "virtual girlfriend" an. Und das Creator-Economy-Startup Afterparty hat gerade fünf Millionen US-Dollar Funding eingesammelt, um damit das Produkt "Afterparty AI" zu pushen. Damit sollen Influencer*innen AI-Klone erstellen können, mit denen ihre Fans dann "Eins-zu-eins Interaktionen" erleben und "persönliche" Sprachnachrichten und Fotos erhalten können. Zu den Kund*innen gehört US-Digitalstar Tana Mongeau (5,5 Millionen Abonnent*innen auf Instagram und 5,4 Millionen auf Youtube).

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Roland Eisenbrand
Autor*In
Roland Eisenbrand

Roland ist seit mehr als zehn Jahren als Journalist in der Digitalbranche aktiv. Seit 2014 verantwortet er als Head of Content (und zweiter Mitarbeiter) alle inhaltlichen Komponenten von OMR, darunter vor allem den OMR Blog und redaktionelle Arbeit rund um das OMR Festival.

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