662 Millionen Views: Das meistgesehene Instagram Reel der Welt kommt aus Deutschland

Wie ein deutscher Autoblog weltweite Aufmerksamkeit für ein Sicherheits-Feature von VW generiert hat

Inhalt
  1. Ein deutsches Reel geht um die Welt
  2. Vorheriger Rekord: 553 Millionen Views
  3. Was waren die Gründe für den Erfolg?
  4. Volkswagen: "Wir haben strategisch darauf hingearbeitet"
  5. Was bedeutet der Erfolg für motoreport?
  6. "Die Autobauer schauen auf solche Zahlen"

Mit mehr als einer halbe Milliarde Views in rund zwei Wochen haben Matthias Luft und Anja Hager einen Instagram-Rekord aufgestellt: Das Autoblogger-Paar ist nun Urheber des meistgesehenen Reels auf der Plattform. Ein großer Erfolg sowohl für das Blogger-Paar als auch für Autobauer Volkswagen, dessen Technik in dem Clip erklärt wird. OMR hat mit beiden Seiten darüber gesprochen, wie das Rekord-Reel zustandegekommen ist – und was es gebracht hat.

Ein Mann sitzt auf dem Fahrersitz eines stehenden Autos und scheint sich mit einer nicht sichtbaren, weiteren Person zu unterhalten. Durch das Seitenfenster ist zu sehen, wie sich ein weiteres Auto mit hoher Geschwindigkeit nähert, ohne dass der Mann im Bild dies zu bemerken scheint. Als das herannahende gegen das stehende Auto prallt, scheint irgendetwas den Mann im Bild zu schützen. Erst als der Vorgang ein zweites Mal zu sehen ist, erkennen die Zuschauenden, dass das herannahende Auto nur eine Attrappe aus Schaumstoff war; der Mann im Bild aber auch durch Sicherheits-Features geschützt wurde.

Der Mann im Bild ist Matthias Luft, der seit 2012 unter dem Namen "motoreport" zu Autothemen bloggt. In dem Video demonstriert er den Seitenaufprallschutz eines VW-Passat: Noch vor dem Aufprall wird der Gurt des Autoinsassen automatisch gestrafft, das Fenster hochgefahren und das Warnblinklicht aktiviert. Vielleicht ist es der Umstand, dass nicht gleich zu erkennen ist, das hier eine Sicherheitstechnik vorgeführt wird, der mit dazu geführt hat, dass das Video relativ schnell "viral gegangen ist".

Ein deutsches Reel geht um die Welt

"Wir hatten das Reel kurz vor unserem Urlaub hochgeladen und als wir dann unterwegs waren, ging das auf einmal durch die Decke", sagt Anja Hager, die bei motoreport als Content-Strategin hinter der Kamera steht, während ihr Mann im Bild zu sehen ist. "Wir sind davon komplett überrascht worden und haben uns natürlich super gefreut."

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Matthias Luft und Anja Hager in einer Crashtest-Halle auf dem VW-Testgelände in Ehra (Foto: motoreport)

Schnell erreicht das Reel Aufrufe in Millionenhöhe – keine ganz neue Erfahrung für Hager und Luft. Doch anders als sonst hörten die Aufrufzahlen nicht einfach irgendwann auf zu wachsen. Das Video scheint per Instagram einmal um die ganze Welt zu gehen. "Das fing erst in Europa an und schwappte dann über auf die anderen Kontinente. Das konnte man auch sehr gut daran erkennen, wenn sich im Kommentarbereich die Sprache geändert hat", so Hager.

Vorheriger Rekord: 553 Millionen Views

Irgendwann erklimmen die Aufrufzahlen den zwei-, dann den dreistelligen Millionenbereich. Luft und Hager beginnen, sich zu fragen, was eigentlich das meistgesehene Reel überhaupt auf Instagram ist. Eine kurze Netzrecherche ergibt: Muhammed Riswan aus Indien hat mit einem Kurz-Clip, in dem er einen Fußball in einen Wasserfall schießt, mehr als eine halbe Milliarde Views angesammelt. "Wir haben natürlich mit Spannung beobachtet, ob wir den Rekord knacken", erzählt Anja Hager. "Und dann ging das relativ schnell innerhalb von zwei Tagen."

Heute stehen bei Riswans Rekord-Reel 553 Millionen Views unterm Strich, bei dem von motoreport 662 Millionen Views. Das ist auch beachtlich, weil Luft und Hager gar nicht "Native Instagram Player" sind, sondern eigentlich Blogger alter Schule. Luft ist schon 2012 mit einem Blog gestartet, 2016 startete er dann einen Youtube-Kanal, der bis heute 67.600 Abonnent*innen und 70,5 Millionen Views angesammelt hat. So etablieren er und seine Frau sich in ihrer Nische: "Unser Fokus liegt in der Regel auf Technik und Assistenzsystemen. Unser Publikum sollen immer etwas lernen können", sagt Hager.

Was waren die Gründe für den Erfolg?

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Ein Screenshot aus den Instagram Insights von motoreport

Auf Instagram und Tiktok ist das angesichts der kürze des Contents nicht ganz so leicht umzusetzen. Trotzdem ist motoreport natürlich auch dort mit eigenen Accounts vertreten. "Immer, wenn neue Plattformen aufgekommen sind, sind wir mit dem Trend mitgegangen und dort auch aktiv geworden", sagt Hager. Auf den jüngeren Plattformen lassen sich mit einzelnen Inhalten größere Reichweiten als auf Youtube erzielen; auch die Abonnent*innen-Zahlen auf Instagram (352.000 Follower) und Tiktok (52.300 Follower) übersteigen die des motoreport-Youtube-Kanals.

Warum aber nun ist gerade das Reel über den VW-Seitenaufprallschutz so über die Maßen erfolgreich? Hager glaubt, dass der so genannte "Hook Moment" vermutlich für den Erfolg entscheidend war: "Die erste Sekunde entscheidet ja darüber, ob jemand weiterschaut oder wegscrollt. Bei unserem Video sieht man durchs Seitenfenster, dass ein Auto auf Matthias zufährt, er es aber vermeintlich nicht sieht. Dass das kein richtiges Fahrzeug ist, sieht man ja erst hinterher. Außerdem lösen wir ja auch auf, was der Sinn des Videos ist und erklären das Gezeigte."

Die "Auflösung" des Gezeigten trägt vielleicht auch mit dazu bei, dass viele Instagran-Nutzer*innen das Video mehrfach schauen. Wie ein Screenshot aus den "Instagram Insights" zeigt, den Anja Hager OMR hat zukommen lassen, liegt die durchschnittliche Abrufdauer des Clips bei 160 Prozent. Ein weiterer Erfolgsfaktor: "Wir verzichten bei Reels in der Regel – außer in den englischsprachigen Captions – auf Sprache, um die Chance zu erhöhen, dass der Clip auch international gesehen wird", so Anja Hager. 

Volkswagen: "Wir haben strategisch darauf hingearbeitet"

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Stefan Voswinkel

Ein Erfolg ist das Rekord-Reel natürlich auch für Volkswagen, aus Reichweiten- wie aus Image-Sicht. "Wir haben eine große Resonanz auf das Video bekommen, von Kund*innen, Händler*innen und Mitarbeitenden. Gerade die Kolleg*innen waren da sehr stolz darauf", sagt Stefan Voswinkel, Head of Product Communications bei dem Autobauer. Ein Lichtblick in Zeiten, in denen in der Presse über potenzielle Werksschließungen bei VW gemutmaßt wird. "Sicherheit gehört ja auch zum Markenkern von VW. Da hat es ein bisschen die Seele getreichelt, dass durch das Video Hunderte Millionen Menschen gesehen haben, dass VW richtig gut in diesem Bereich ist", so Voswinkel.

Natürlich hatte mit einem Erfolg dieses Ausmaßes auch bei VW niemand gerechnet. Trotzdem sagt der PR-Manager: "Kann man das so planen? Nein. Kann man strategisch darauf hinarbeiten? Ja." Vor einem Jahr habe VW erstmals Content Creator eingeladen und ihnen VW-Produkte vorgeführt. In diesem Jahr habe das Unternehmen das in etwas größerer Runde wiederholt. "Letzten Endes war das aber immer noch eine kleine Presseveranstaltung für Content Creator, die Technologiekommunikation im Online-Bewegtbildbereich machen."

Auch Alexander Bloch und die "Electric Twins" haben bei diesem Event Reels produziert, die acht- bzw. siebenstellige Abrufzahlen eingesammelt haben und die zeigen, wie das VW-Assistenzsystem reagiert, wenn der Fahrer einschläft oder ohnmächtig wird. Motoreport hat mit dem Clip über den Seitenaufprallschutz den absoluten Ausreißer nach oben produziert. "Das Thema hatten wir noch bis einen Tag vor Veranstaltung gar nicht eingeplant", sagt Stefan Voswinkel. "Auch, weil das gezeigte 'Auto' quasi ein 3D-Puzzle ist, das nach einem Crash von mehreren Leuten wieder aufgebaut werden muss. Das dauert bis zu 20 Minuten. Aber weil wir dachten, dass das gute Bilder liefert, haben wir es noch reingenommen."

Was bedeutet der Erfolg für motoreport?

Ein wenig ernüchternd ist der Blick darauf, in welchem Maß Matthias Luft und Anja Hager von dem Rekord-Reel profitiert haben. Das Follower-Wachstum von motoreport auf Instagram hat sich in den vergangenen zwei Wochen zwar deutlich beschleunigt, schoss aber auch nicht explosionsartig in die Höhe. Und Cross-Plattform-Effekte beispielsweise zum Youtube-Kanal hin, wo VWs Assistenzsystem in einem ausführlicheren Video vorgestellt wurden, waren auch nicht zu verzeichnen: "Wir machen auf Instagram kaum Werbung für unsere Videos auf Youtube, höchstens mal in einer Story", sagt Anja Hager. "Wir haben gemerkt, dass die Zielgruppen und Bedürfnisse auf den Plattformen jeweils anders sind und die Menschen gar nicht unbedingt die Plattformen wechseln wollen."

Auch finanziell hat das Rekord-Reel nichts eingebracht – "denn Instagram monetarisiert die Reels ja nicht", so Hager. Nicht nur, dass sie und ihr Mann mit diesem Content nichts verdienen; das Paar ist den Launen der Plattformen häufig quasi schutzlos ausgesetzt. "Wir haben den Clip auch auf Youtube als Short hochgeladen; dort hat er rund 160 Millionen Aufrufe angesammelt, bis uns Youtube plötzlich aus der Monetarisierung ausgeschlossen hat", berichtet Hager. "Nur, weil ein Bekannter von uns einen direkten Ansprechpartner hat, ist das nochmal geändert worden, sonst hätten wir ein Problem gehabt." Auf Tiktok sei vor Kurzem auch ein Video geblockt worden, das zeigt, wie Matthias in einem autonom fahrenden Mercedes-Benz auf dem Handy zockt. "Man merkt immer wieder, dass man gegenüber den Plattformen ziemlich machtlos ist."

"Die Autobauer schauen auf solche Zahlen"

Immerhin: Mit solchen Reichweiten bleiben Hager und Luft bei den Herstellern auf dem Radar. "Die schauen viel auf solche Zahlen", so die Content-Strategin. Und das hilft dann, um weiterhin Zugang zu erhalten, um exklusiven Content produzieren zu können.

Geld verdient das Paar dann auf anderen Kanälen. "Unsere Haupteinnahmequellen sind unser Blog, mit Google Adsense und Sponsored Posts, sowie die Werbeeinnahmen aus unseren Langformaten auf Youtube." Dabei sei nur ihr Mann hauptberuflich Content Creator. "Ich habe noch einen zusätzlichen Job. Mit mehr als einer Person wäre es schwierig, von unseren Kanälen zu leben."

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Roland Eisenbrand
Autor*In
Roland Eisenbrand

Roland ist seit mehr als zehn Jahren als Journalist in der Digitalbranche aktiv. Seit 2014 verantwortet er als Head of Content (und zweiter Mitarbeiter) alle inhaltlichen Komponenten von OMR, darunter vor allem den OMR Blog und redaktionelle Arbeit rund um das OMR Festival.

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