Headspace, Formel 1 und Co. – so krass ist der Netflix-Effekt als Marketing-Hebel

Der Streaming-Dienst setzt immer wieder kulturelle Trends

Das Startup Headspace hat 2021 bei Netflix eine eigene Meditationsserie gestartet.
bei Netflix eine eigene Meditationsserie gestartet. Foto: Screenshot
Inhalt
  1. 70 Prozent mehr Anmeldungen nach dem Start der Netflix-Serie
  2. Die Formel 1 wurde dank Netflix plötzlich wieder interessant
  3. Nach dem Erfolg von Bridgerton stieg die Nachfrage nach Korsetts
  4. Andere Streaming-Dienste reagieren auf Netflix

Mit seinen 220 Millionen Abonnent:innen hat sich der Streaming-Riese Netflix inzwischen zu einer globalen Marketing-Macht entwickelt. Musik oder Mode, die in beliebten Serien auftaucht, wird plötzlich zum Verkaufsschlager, während andere Marken wie die Formel 1 dank Netflix sogar ganz neue Zielgruppen erschließen können. Wir erklären das Phänomen und blicken auf prominente Beispiele.

Bei seiner Werbung in der Halbzeitpause des Super Bowl 2022 hatte Headspace noch auf John Legend gesetzt. Der Sänger räkelte sich im Bademantel zwischen Kerzenleuchtern vor einem knisternden Kaminfeuer und warb für das Meditations-Startup aus Kalifornien. Doch bei Netflix? Kein Kaminfeuer, kein Superstar. Es gibt auch keine beeindruckenden Spezialeffekte oder bombastischen Kulissen – nur ein paar Zeichnungen, leise Musik und eine Stimme. Andys Stimme.

Andy, das ist Andy Puddicombe, der den Zuschauern in der 2021 beim Streaming-Dienst gestarteten Serie beibringt, wie man meditiert. Der britische Meditationslehrer gründete das Startup 2010 gemeinsam mit Rick Pierson. Sie entwickelten eine App, die Nutzenden helfen soll, achtsamer zu leben und besser zu schlafen. 2019 stand Puddicombe bereits auf der Conference Stage des OMR Festivals. „Als Rich und ich gestartet sind, war das Spannendste, darüber nachzudenken, wie man Meditation in Umgebungen bringen kann, in denen man sie nicht erwarten würde, und wie es gelingen könnte, Menschen zu erreichen, die Meditation vorher noch nie ausprobiert haben“, sagte Puddicombe zum Start der Netflix-Serie.

70 Prozent mehr Anmeldungen nach dem Start der Netflix-Serie

Wenig später erlebte er das, was man in Marketing-Kreisen inzwischen salopp den „Netflix-Effekt“ nennt: Allein im ersten Monat nach dem Start der ersten Staffel am 1. Januar 2021 verzeichnete das Startup einen Anstieg der Anmeldungen um 70 Prozent – und das international.

Der Streaming-Dienst hat sich inzwischen zu einem relevanten Kanal entwickelt, um kulturelle Trends zu setzen und eine globale Aufmerksamkeit für Marken zu kreieren. Netflix-Serien sind inzwischen Tisch-Gespräch, so wie es früher der Tatort oder „Wetten, dass“ waren: „Hast du schon gesehen?“, „Kennst du eigentlich?“. Wer bei Netflix in den Trends landet, kann auf steigende Kundenzahlen und Einnahmen hoffen. Denn der Streaming-Riese ist mit seinen 220 Millionen Abonnent:innen weltweit (davon mehr als die Hälfte in den USA und Europa) inzwischen eine globale Macht.

Die Formel 1 wurde dank Netflix plötzlich wieder interessant

Vor ein paar Jahren sei die Formel 1 auf dem absteigenden Ast gewesen, kommentierte unlängst der frühere Formel-1-Fahrer Niko Hülkenberg in einer Kolumne im Karrierenetzwerk Linkedin. Doch dann übernahm der US-Investor Liberty Media die Rennserie und modernisierte sie – inklusive eigener Netflix-Show. Hülkenberg sagt, er könne sich noch gut an die Produktion zur ersten Staffel erinnern: „Netflix in der Formel 1? Was wollen die denn hier?“

Diese Frage dürfte sich heute keiner der Beteiligten mehr stellen. Die Rennfahrer, sonst oft hinter ihren Helmen kaum zu erkennen, wurden noch berühmter. Selbst Teamchefs wie der Red-Bull-Manager Christian Horner sind plötzlich Stars mit Millionen Followern auf Instagram. „Netflix hat einen Blick hinter die Kulissen ermöglicht, so dass man die Fahrer und die Teams kennenlernt“, sagte Christian Horner zuletzt im OMR Podcast. Der Streamingdienst habe eine Schlüsselrolle gespielt, die Formel 1 für eine jüngere Zielgruppe interessant zu machen und neue Fans zu gewinnen.

Nach dem Erfolg von Bridgerton stieg die Nachfrage nach Korsetts

In seinem Linkedin-Post hat Niko Hülkenberg diesen Eindruck auch mit Zahlen belegt: Vor dem Start der Serie „Drive to survive“ waren 2018 rund 264.000 Zuschauer beim Rennen in der texanischen Stadt Austin an der Strecke. 2021 waren es demnach bereits 400.000, von denen 70 Prozent zum ersten Mal bei einem Rennen der Formel 1 waren. Jede neue Staffel sorgte zudem für einen starken Anstieg der Follower des Instagram-Kanals der Formel 1. Im Monat nach der jeweiligen Veröffentlichung stieg die Zahl der Follower demnach jeweils um 500.000. Ob sich dieser Effekt fortsetzt, dürfte Mitte April zu beobachten sein. Denn pünktlich zum Start der neuen Formel-1-Saison startet am Freitag, 11. März, bereits die vierte Staffel der Netflix-Serie. Aktuell hat der Account F1 bei Instagram 17,4 Millionen Follower.

Bridgerton-Fanartikel bei Etsy

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Den Einfluss von Netflix kann und konnte man auch bei fiktiven Serien bereits erleben. Nach dem Serienstart von „The Queen’s Gambit“ über eine alkohol- und medikamentenabhängige Schachspielerin verdoppelte sich die Zahl der Google-Suchanfragen für das Keyword „Schach“ weltweit. Der Streaming-Effekt lässt sich allerdings auch bei anderen Netflix-Serien wie Bridgerton, Stranger Things oder Tiger King beobachten. Bei Bridgerton, einer Serie über den britischen Adel im 19. Jahrhundert, schnellten nach dem Serienstart die Suchanfragen nach Korsetts, klassischen Tee-Servicen oder der Pflanze „Japanischer Blauregen“ beim Marktplatz Ebay in die Höhe. Letztere wächst im Garten der Serien-Familie.

Andere Streaming-Dienste reagieren auf Netflix

Im Fall der Erfolgsshow „Stranger Things“ wiederum gab es gleich mehrere große Marken wie Coca Cola, Levis oder Nike, die Merchandise-Produkte auf den Markt brachten. Der Musik-Streaming-Dienst Spotify implementierte zum Start der zweiten Staffel sogar kurzzeitig einen Stranger-Thing-Modus: Der Bildschirm verwandelte sich in die Anmutung der Serie, wenn man Lieder des Soundtracks abspielte. Die Macher hatten zuvor gesehen, wie viel Einfluss die Netflix-Serie auf das eigene Geschäft haben kann: Nach dem Start der ersten Staffel im Juli 2016 stiegen die Abrufzahlen des Songs „Should I stay or should I go“ von The Clash, der in der Serie prominent vorkommt, um 30 Prozent.

„Wenn man erkennt, welche kulturellen Schockwellen Netflix auslöst, kann man darauf als Marke mitsurfen“, fasste OMR-Gründer Philipp Westermeyer das Phänomen im vergangenen Jahr im Rahmen unserer Keynote „State of the German Internet“ zusammen. Netflix wiederum hat auf diesen Erfolg reagiert. Inzwischen gibt es auch einen eigenen Merchandising-Shop.

Christian HornerFormel 1HeadspaceNetflixState of the German InternetStranger Things
Florian Rinke
Autor*In
Florian Rinke

Florian Rinke ist Host des Podcast "OMR Rabbit Hole" und verantwortet in der OMR-Redaktion den "OMR Podcast". Vor seinem Wechsel Anfang 2022 zu OMR berichtete er mehr als sieben Jahre lang für die Rheinische Post über Start-ups und Digitalpolitik und baute die Rubrik „RP-Gründerzeit“ auf. 2020 erschien sein Buch „Silicon Rheinland".

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