Ligatus wechselt Besitzer: Gruner + Jahr verkauft Artikelende-Vermarkter an Outbrain
Exklusiv: David Kostman, Co-CEO von Outbrain, im Interview
Mit dieser Nachricht werden die wenigsten gerechnet haben: Ligatus, die Kölner Native-Advertising-Plattform, die seit 2008 Gruner + Jahr gehört, wechselt den Besitzer. Das israelische Unternehmen Outbrain, seinerseits durch Werbung am Artikelende und Content-Recommendation-Technologie groß geworden, sichert sich die Mehrheit an der Tochter des Hamburger Verlags-Riesen. Gruner + Jahr wird Minderheitsgesellschafter und erhält einen Platz im Aufsichtsrat von Outbrain. OMR hat exklusiv mit David Kostman, Outbrains Co-CEO, gesprochen.
Fusionieren sie? Fusionieren sie nicht? Seit Jahren halten sich hartnäckig die Gerüchte über einen Merger der beiden in Israel gegründeten Content-Recommendation-Schwergewichte Outbrain und Taboola. Vor allem in den vergangenen zwei bis drei Jahren hatten sich beide Player ein Kopf-an-Kopf-Rennen bei der Akquise neuer, großer Publishing-Partner in Deutschland geliefert. Besonders im Premium-Segment sollte es vorangehen, um den durch eine Debatte rund um Fake News und Clickbaiting in der breiten Öffentlichkeit angekratzten Ruf wieder aufzupolieren. Jetzt die Überraschung: Es wird einen Zusammenschluss geben, allerdings – anders als von vielen gedacht – zwischen Outbrain und Ligatus.
Gruner + Jahr hatte Ligatus 2008 für kolportierte 18,75 Millionen Euro übernommen und damit den Kampf um die Werbeplätze am Artikelende angenommen. 2014 legte der Hamburger Verlag nach und kaufte für einen niedrigen, zweistelligen Millionenbetrag die Content-Recommendation-Technologie von Veeseo. Heute bezeichnet sich Ligatus als Europas führendes Native- und Performance-Netzwerk. Das Unternehmen liefere pro Monat mehr als 31 Milliarden Ad Impressions auf mehr als 1.400 Premium-Partner-Webseiten in neun Ländern aus.
Outbrain hingegen bezeichnet sich als weltweit führende Native-Discovery-Plattform. Laut der Agof-Studie „Daily Digital Facts“ habe Outbrain im vergangenen November alleine in Deutschland 48,1 Millionen Nutzer ab 16 Jahren erreicht. Weltweit liefere das 2006 gegründete Unternehmen mit inzwischen über 750 Mitarbeitern 300 Milliarden Empfehlungen aus. Alexander Erlmeier, seit wenigen Wochen Managing Director International, hatte zuletzt angekündigt, in drei Jahren 1,5 Milliarden US-Dollar Umsatz erreichen zu wollen.
OMR hat exklusiv mit David Kostman, seit Ende 2017 Co-CEO von Outbrain, über den Ligatus-Deal gesprochen.
OMR: Welche Details kannst Du uns zum Deal nennen? Wie viel ist Outbrain die Übernahme von Ligatus wert? David Kostman: Was wir sagen können: Im Zuge des Share-Deals wird Gruner + Jahr eine Minderheitsbeteiligung an Ligatus behalten. Ligatus selber wird im kommenden Jahr rund 100 Millionen US-Dollar Umsatz beitragen. Als privates Unternehmen machen wir aber keine konkreten Aussagen zum Kaufpreis oder ähnliches. Für Outbrain ist es ein sehr wichtiger und strategischer Deal.
Mit Arne Wolter, dem Chief Digital Officer von Gruner + Jahr, wird es auch einen Neuzugang in Outbrains Aufsichtsrat geben. Das spricht ja für einen doch recht relevanten Anteil, den Gruner + Jahr an Outbrain erhält. Auch hier nennen wir keine konkreten Zahlen. Es wird eine Minderheitsbeteiligung.
Was wird aus Ligatus als Brand? Soll der Name bestehen bleiben oder wird das Unternehmen komplett in Outbrain aufgehen?
Wir haben jetzt die Möglichkeit, das beste beider Unternehmen zu kombinieren. Unser Ansatz ist: Wir sind die führende Native-Discovery-Plattform; Ligatus ist in Europa führend, was Native Advertising angeht. Wir erhalten eine Möglichkeit, unser Angebote für Werbetreibende zu verbessern, etwa mit aufmerksamkeitsstarken Platzierungen für Brand Awareness. Und eine bessere Ausgestaltung unseres Angebots für Agenturen ist auch möglich. Es ist ein weiterer Schritt, klassische Display-Ads zu ersetzen. Was die Brand Ligatus angeht, befinden wir uns noch in der Planungsphase. Wir sehen eine Option, in der wir die Marke quasi als Produkt unter dem Outbrain-Dach fortführen. Das könnte dann zum Beispiel „Ligatus by Outbrain“ heißen. Da ist aber noch nichts entschieden.Abgesehen von Marke und Produkt: Was wird aus den Mitarbeitern? Wechselt das gesamte Ligatus-Team zu Outbrain? An Standorten, wo sowohl Outbrain, als auch Ligatus bereits Büros haben, werden wir diese natürlich zusammenlegen. Beispielsweise in Köln, wo wir mit Outbrain im Vergleich zu Ligatus ein sehr kleines Büro haben.
Der Markt der relevanten Content-Recommendation-Tools ist ja relativ übersichtlich. Neben Outbrain und Ligatus sind noch Taboola, Plista und Revcontent zu nennen. Seit Jahren wird eine Konsolidierung vorausgesagt, es gab beispielsweise immer wieder Gerüchte über eine mögliche Fusion Outbrains mit Taboola. Stehen der Branche nach der Ligatus-Übernahme weitere Deals und damit eine weitere Konsolidierung bevor? Der Markt braucht diese Konsolidierung und ist auch bereit dafür. Wir sind jetzt schon weltweit führend im Bereich der Premium-Publisher, der Ligatus-Deal unterstreicht diesen Ansatz noch einmal. Wir fokussieren uns komplett auf Qualität, das ist Kern unserer Strategie. Das dürfte auch direkt beim Blick auf unser Publisher-Portfolio deutlich werden: CNN, Washington Post, BBC, Sky – von Ligatus kommen Namen wie Le Monde, Les Echos, Zeit Online. Die Qualität ist schon klar erkennbar. Dabei gilt es immer, das richtige Gleichgewicht zwischen Engagement-Steigerung, Loyalitäts-Steigerung und Monetarisierung zu finden.
Seit wann arbeitet Ihr bereits an dem Deal? Sehr lange, gemeinsam mit Klaus Ludemann (CEO von Ligatus, Anm. d. Red.), Arne Wolter und dem Team. Die wichtigsten Fragen bei solch einem Deal sind: Was passiert am Tag danach? Wie wird das eine Unternehmen in das andere integriert und wie arbeitet man ab sofort zusammen? Die Unternehmens-Kultur und die strategische Ausrichtung von Ligatus passen insgesamt sehr gut zu uns.
Welche Funktionen wird denn beispielsweise Klaus Ludemann einnehmen? Zu einzelnen Personalien möchten wir zu diesem Zeitpunkt noch nichts sagen, weil wir uns auch hier teilweise noch in der Planungsphase befinden. Klar ist, dass Klaus Ludemann und das Management-Team eine Funktion haben werden. Wir wollen schließlich die Vorteile beider Unternehmen kombinieren – und Ligatus hat immerhin Europas führendes Native-Netzwerk aufgebaut.
In Zeiten der Plattform-Ökonomie und GAFA haben es Adtech-Unternehmen nicht gerade leicht, gegen Facebook und Google zu bestehen. Wie will Outbrain das langfristig schaffen? Ist der Ligatus-Deal dafür notwendig? Natürlich sind Facebook und Google Konkurrenten von uns allen, wenn es um Werbebudgets geht. Wenn ich morgens aufwache, schaue ich mir natürlich an, was die machen. Wenn man allerdings das Open Web betrachtet, also außerhalb der beiden genannten Plattformen, glauben wir, dass wir Marketern einen größeren Mehrwert liefern können, als Facebook und Google es können. Sonst würden wir in unserer Nische auch nicht wachsen. Und sowohl Outbrain, als auch Ligatus wachsen zweistellig und sind profitabel.
Könnte auch eine neue Konkurrenz durch von Publishern selber entwickelte technische Lösungen entstehen, die so auf Outbrain, Taboola & Co. verzichten? Die audienzz AG, die Vermarktungstochter der NZZ ist so ein Beispiel. Ich bezweifle, dass es Beispiele gibt, bei denen Publisher eine technisch so tiefgehende Lösung gebaut haben, die mit unserer konkurrieren kann. Die enormen Datenmengen, eine globale Reichweite aufbauen – das geht alles mit riesigen Investitionen einher.
Wie steht es um einen IPO? Auch diese Gerüchte, neben einer Fusion mit Taboola, gibt es seit Jahren immer wieder. Wir wollen mit Outbrain ein großes, globales und schließlich öffentliches Unternehmen bauen. Das ist ein Schritt, um bei Umsatzerlösen zu wachsen. Und ja, dieses Ziel visieren wir an. Die Gerüchte mit Taboola gibt es in der Tat seit Jahren immer wieder. Fakt ist: Es gibt aktuell enorme Möglichkeiten, Unternehmen zu übernehmen und so zu wachsen. Da liegt unser Fokus.
Was sind ganz konkret die nächsten Schritte ab heute? Führt Ihr bereits Gespräche mit Publishern oder Advertisern, die sowohl Ligatus, als auch Outbrain nutzen? Wir warten zuerst auf die Zustimmung der Kartellbehörden und rechnen damit bis spätestens Ende März. Bis dahin konkurrieren wir ganz normal auch mit Ligatus. Sobald die Bestätigung da ist, beginnt die Integration des Unternehmens. Daher haben wir auch noch keine Gespräche in die Richtung mit Publishern oder Advertisern geführt.
Danke für das Gespräch.