„Dinner Berlin“ 2: Wie die Gründer deutscher Unicorns Europa als Wirtschaftsstandort sehen
Zum zweiten Mal luden OMR und Axel Springer zur Diskussionsrunde in den Berliner Journalistenclub. Im Fokus: deutsche Unicorns
- Sind die Voraussetzungen zum Gründen in Europa wirklich schlecht?
- Klare Forderungen an die Politik
- Alle Themen der zweiten Ausgabe vom Dinner Berlin im Überblick:
Nach der Premiere Anfang des Jahres hieß es jetzt „Dinner Berlin – die Zweite“. Wieder luden der Axel Springer Vorstandsvorsitzende Mathias Döpfner und OMR-Gründer Philipp Westermeyer in den Journalistenclub in Berlin, um mit einigen der smartesten und spannendsten Köpfe des Landes zu diskutieren. Im Fokus standen dieses Mal Unicorns aus Deutschland, deren GründerInnen und ihre Sicht auf aktuelle gesellschaftliche Herausforderungen. Mit dabei waren RatePAY-Mitgründerin Miriam Wohlfarth, AUTO1-Group-Mitgründer Hakan Koç, N26-Mitgründer Valentin Stalf und GetYourGuide-Mitgründer Johannes Reck.
Nachdem im Frühjahr 2019 zum Auftakt der Podcast-Diskussionsrunde Dinner Berlin von OMR und Axel Springer mit der CDU-Bundesvorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer und Grünen-Politiker Cem Özdemir noch die Politik vertreten war, stehen dieses Mal vier UnternehmerInnen im Mittelpunkt, deren Firmen in Summe mit mehreren Milliarden Euro bewertet werden. Beim gemeinsamen Abendessen sprechen die GründerInnen offen über die Angst vor dem Scheitern, kritisieren Europa und Deutschland als Wirtschaftsstandorte und diskutieren, wie Innovation in Zeiten des Klimawandels vorangetrieben werden müsste.
Wenn es um die Bewertung der Wirtschaftsstandorte Deutschland und Europa geht, sind sich die vier GründerInnen weitestgehend einig: Geringe Risikobereitschaft, kaum Investoren aus dem Inland und zusätzlich politische Hürden, wenn es beispielsweise um Mitarbeiter-Beteiligungsprogramme geht. An einigen Stellen habe sich die Situation in den vergangenen Jahren aber ein wenig gebessert.
Sind die Voraussetzungen zum Gründen in Europa wirklich schlecht?
So beobachtet das zumindest Miriam Wohlfarth. Seit rund 20 Jahren ist sie im Online-Payment-Bereich unterwegs; das von ihr mitgegründete Unternehmen RatePAY bietet Lösungen für Zahlungsmethoden wie Lastschrift, Rechnung und Vorkasse online an. „Im Seed sind die Bedingungen inzwischen sehr gut. Und da ist auch die Risiko-Lust schon größer”, sagt sie. Trotzdem sei Wachstum über diese Frühphase hinaus immer noch schwierig – weil es kaum deutsche Großinvestoren gebe, die hierzulande investieren. „Das finde ich schade. Es geht in Deutschland immer noch sehr schnell darum, Geld zu verdienen. So kannst Du nicht so konzentriert am Produkt arbeiten”, so Wohlfarth.
Einen ähnlichen Standpunkt vertritt Valentin Stalf. Er ist Mitgründer der Bank-App N26. Bei der jüngsten Finanzierungsrunde über 170 Millionen US-Dollar wurde das Unternehmen, Teilnehmer der ersten Runde des Axel Springer Plug and Play Accelerators 2013, mit 3,5 Milliarden US-Dollar bewertet. „Der Seed-Markt hat sich in Berlin und Europa in den vergangenen Jahren gut entwickelt”, so Stalf. Das Geld sei da, es fehle inzwischen eher an Ideen. Und die Tatsache, dass die USA und China deutlich mehr von der Digitalisierung profitieren als Europa, liege vor allem auch am fehlenden Binnenmarkt.
Klare Forderungen an die Politik
Johannes Reck, Mitgründer der Erlebnis-App GetYourGuide, die aktuell mit über einer Milliarde US-Dollar bewertet wird, identifiziert einen weiteren Standortnachteil in Europa. Er sagt: „Mitarbeiterbeteiligungen sind ein riesiger Hebel. Sie waren auch ein entscheidender Faktor beim Aufstieg des Silicon Valleys.” In Deutschland sei es wesentlich komplizierter als in den USA, Mitarbeitern Anteile zu überschreiben – und durch Steuermechaniken auch viel teurer.
Hakan Koç ist Mitgründer der AUTO1 Group. Der eigenen Angaben zufolge größte Gebrauchtwagenhändler Europas ist unter anderem vom Japans Mega-Investor Softbank finanziert und rund drei Milliarden Euro wert. Koç wird bei der Kritik an Voraussetzungen für Unternehmen in Deutschland sehr konkret – mit ausformulierten Forderungen an die Politik: „Sie müssen zwei Sachen liefern: Mitarbeiterbeteiligungen und eine Regulatorik fürs Kapital. Das werden wir ausformulieren, so dass es keine Ausreden mehr gibt.”
Wie die Dinner-Runde zu Klimaprotesten sowie aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen steht und was es mit Mathias Döpfners These auf sich hat, nach der Europa für die jüngeren Generationen schon bald extrem an Attraktivität gewinnen könnte, hört Ihr ab jetzt im Podcast. Unter dinnerberlin.com findet Ihr außerdem ein paar Video-Highlights. Und auf den Facebook-, Twitter– und Instagram-Profilen von OMR und Axel Springer folgen die Tage natürlich noch weitere Höhepunkte.
Alle Themen der zweiten Ausgabe vom Dinner Berlin im Überblick:
- Vorwort von Philipp Westermeyer (ab 00:19)
- Begrüßung und Vorstellung der Gäste des zweiten Dinner Berlin durch Mathias Döpfner und Philipp Westermeyer (ab 02:11)
- Miriam Wohlfarth erklärt, weshalb sie die Frage nach der Frauenquote in der Gründerszene nicht mag und blickt zurück auf die Gründungszeit von RatePAY sowie den Weg zum „Unicörnchen” (ab 05:30)
- Hakan Koç über existenzielle Zweifel am Anfang von AUTO1, seine nicht vorhandenen Vorerfahrungen in der Autoindustrie und die höhere Komplexität des Geschäftsmodells von Home24 (ab 11:20)
- 3,5 Milliarden US-Dollar ist N26 seit der letzten Finanzierungsrunde wert. Gründer Valentin Stalf blickt auf die Zeit im Axel Springer Accelerator zurück, gesteht, sich vorher nie andere Bankings-Apps angeguckt zu haben und beschreibt schlaflose Nächte in der Anfangszeit (ab 18:40)
- Johannes Reck erinnert sich, wie europäische Investoren GetYourGuide fünf Jahre lang links liegen ließen, einen Bootstrap-Marathon und eine Finanzierungsrunde, die erst durch die Bankenkrise ermöglicht wurde (ab 25:05)
- Deutlich mehr Geld im Markt, ein viel besserer Ruf – was hat sich in den vergangenen Jahren in der Gründerszene geändert? (ab 28:50)
- Philipp Westermeyer fragt in die Runde, ob alle Unternehmen für weiteres Wachstum noch einmal Geld aufnehmen würden (ab 31:40)
- Johannes Reck zu teilweise vielleicht zu hoch bewerteten Unternehmen: „Du raist niemals so viel Geld, wenn Du nicht einen Kern hast, der bereits sehr profitabel ist.” (ab 35:00)
- Wie steht es heute um die Risikobereitschaft europäischer Investoren, der Politik und der Gesellschaft? (ab 36:50)
- Laut Valentin Stalf hat sich der Seed-Markt in Berlin in den vergangenen Jahren gut entwickelt – trotzdem profitiere Europa nicht so stark von der Digitalisierung wie die USA und China (ab 40:10)
- Mathias Döpfner glaubt an ein Mentalitätsproblem in der deutschen Gründerszene – häufig werde zu früh ein Exit anvisiert (ab 46:10)
- Mitarbeiter-Beteiligungen als relevanter Hebel für wirtschaftlichen Erfolg (ab 48:40)
- Wie viele Millionäre sind durch Beteiligungsprogramme der von den Gästen gegründeten Unternehmen bisher entstanden? (ab 47:30)
- Hakan Koç hat klare Forderungen an die Politik – und direkt ausformulierte Gesetzesvorschläge dabei. Was unterscheidet die Situation hier von der im Silicon Valley? (ab 49:45)
- Wie steht es aktuell um das soziale Engagement in der deutschen Gründerszene? (ab 52:40)
- Wie eng ist der Austausch zwischen den Unicorn-Gründern und Politikern? (ab 56:00)
- Was sagen die Unicorns zu möglichen radikalen Änderungen der Gesellschaft? (ab 1:02:40)
- Mathias Döpfner stellt eine sehr optimistische These auf, nach der Europa für die jüngere Generationen extrem an Attraktivität gewinnen könnte (ab 1:04:05)
- Das große Sterben der Institutionen (ab 1:06:55)
- Welche Auswirkungen haben Szenarien auf die Digitalwirtschaft, nach denen sich die Welt durch den Klimawandel zeitnah komplett verändert? (ab 1:10:00)
- Hakan Koç erklärt, wie die Gründerszene von der ab 2011 geltenden vollen Arbeitnehmerfreizügigkeit in Deutschland profitiert hat (ab 1:11:30)
- Kann die junge, sich politisierende Generation für eine antikapitalistische, wirtschaftsfeindliche Stimmung in der Gesellschaft sorgen? (ab 1:12:50)
- Hakan Koç glaubt an die Blockchain – und sieht den ersten echten Anwendungsfall im Messen der persönlichen CO2-Bilanz (ab 1:14:10)
- Johannes Reck fragt sich, ob Deutschland nicht zu früh aus der Atom-Energie ausgestiegen ist und wünscht sich deutlich mehr Investitionen in Fortbewegungstechnologien (ab 1:15:40)
- Mathias Döpfner mit einem Schlusswort und einer Prognose für die Zukunft der Marktwirtschaft (ab 1:19:40)
Viel Spaß beim Anhören – und vielen Dank für jede positive Bewertung!