Große Unsicherheit: Wie sich Corona auf die Influencer-Marketing-Branche auswirkt

Torben Lux2.4.2020

Kommt jetzt die Konsolidierung? OMR hat mit Agenturen und Experten über Risiken und Chancen gesprochen

Influencer Marketing Branche Corona OMR
Influencer Marketing Branche Corona OMR
Inhalt
  1. Pausierte, verschobene und komplett abgesagte Deals
  2. Kann Influencer Marketing von der Krise profitieren?
  3. Chancen dank erzwungener Digitalisierung
  4. Die richtige Zeit, um Strukturen zu überdenken
  5. Authentizität und Anpassungsfähigkeit gewinnen
  6. Die Mehrheit findet Sponsored Posts in Ordnung
  7. Langfristige Kooperationen statt schneller Performance-Deals
  8. Plattformen profitieren vom Live-Content-Trend
  9. Angreifbar sein und Freude zulassen
  10. Empathie als wichtigste Eigenschaft von Influencern
  11. Die wachstumsstärksten deutschsprachigen Influencer auf Instagram

Eine Milliarde Euro – dieses Marktvolumen hätte die Influencer-Marketing-Branche laut einer Studie von Goldmedia im Jahr 2020 in der DACH-Region knacken können. Die immer noch mit Vorurteilen behaftete Disziplin hat in den vergangenen Jahren also massiv auch an wirtschaftlicher Bedeutung zugelegt – und muss jetzt wie die gesamte Werbebranche während der Corona-Krise mit hohen Einbußen für das laufende Jahr rechnen. OMR hat mit zahlreichen Agenturen und Experten gesprochen und zusammengetragen, was jetzt auf die Branche zukommt.

Auch für die Influencer-Marketing-Branche gilt dieser Tage vor allem eine Tatsache: Darüber, wie es weitergeht und wie die Situation in einigen Wochen aussehen wird, lässt sich nur spekulieren. Alles hängt vom weiteren Verlauf der Corona-Krise und der Dauer der Maßnahmen, die die Wirtschaft so stark belasten, ab. Klar ist aber auch: Schon jetzt entstehen massive Verluste.

Für den gesamten Werbemarkt rechnet der Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft (ZAW) derzeit mit einem Rückgang von mindestens 40 Prozent im Monat April. Prognosen darüber hinaus seien noch nicht möglich. Schon im März hätte man bei einigen Werbeträgern und Branchen bereits Rückgänge bis zu 80 Prozent beobachten können.

Wie stark diese Einschnitte speziell für die vergleichsweise junge Influencer-Marketing-Branche sein werden, lässt sich anhand der jüngsten Entwicklungen nur erahnen. Schätzungen der US-amerikanischen Influencer-Marketing-Agentur Izea zufolge könnten die Kosten für gesponserte Beiträge und damit auch die Umsätze der Influencer und Creator um 15 bis 25 Prozent sinken.

Pausierte, verschobene und komplett abgesagte Deals

Ein noch düsteres Bild zeichnet die New Yorker Influencer-Marketing-Plattform Fohr. In einem Webinar stellte der Gründer und CEO James Nord kürzlich die Ergebnisse einer Umfrage in seinem Netzwerk vor. Demnach würden Influencer aus dem Fohr-Portfolio aktuell rund 75 Prozent weniger Sponsored Posts als sonst veröffentlichen. Der Grund seien im Schnitt 58 Prozent pausierte Deals und durchschnittlich 18 Prozent komplett abgesagte Deals. Außerdem würde fast die Hälfte der Influencer zur Zeit niedrigere Preise für Sponsored Posts aufrufen – im Durchschnitt minus 30 Prozent.

Was das für die Agentur-Landschaft bedeutet könnte, deutet Ronald Focken, Geschäftsführer der Agenturgruppe Serviceplan, im Gespräch mit Horizont-Chefredakteur Volker Schütz an. Schon in den vergangenen Jahren habe es eine Konsolidierung im Agentur-Bereich gegeben – die durch die Corona-Krise jetzt noch einmal extrem beschleunigt werden dürfte. Gerade in diesem Geschäft, bei dem rund 60 Prozent der Kosten Personalkosten sind, werde es eine erhebliche Welle von Einsparungen geben.

Kann Influencer Marketing von der Krise profitieren?

Auch Ann-Katrin Schmitz beschäftigt sich intensiv mit den Herausforderungen, aber auch Chancen der aktuellen Situation. Sie hat unter anderem bereits 2014 gemeinsam mit Farina Opoku den Beauty-, Fashion- und Lifestyle-Blog „NovaLanaLove“ gegründet und ist mit über 100.000 Abonnenten auf Instagram selber Influencerin. In einem achtminütigem Video mit dem Titel „Influencer Marketing in der Corona Krise – Wie schlimm sind Influencer wirklich finanziell betroffen?“ hat sie kürzlich ausführlich ihre Eindrücke geschildert.

„Man kann eigentlich sagen, dass sich der Influencer-Marketing-Markt in einer Art Schockstarre befindet. Unternehmen pausieren gerade den Großteil ihrer Kampagnen und Werbeaktivitäten oder verschieben sie direkt um ein paar Wochen“, sagt Schmitz in dem Clip. Viele Marken würden mit Influencer Marketing nicht nur ihr Online-Geschäft, sondern auch den Point of Sale stärken wollen. Und den gebe es aktuell in vielen Fällen eben gar nicht mehr.

Auch, dass Veranstaltungen wie das Coachella Festival und die About You Awards, aber auch Produkt-Launch-Events, beispielsweise zur Markteinführung von Parfüms, abgesagt wurden, führe dazu, dass Umsätze, die Influencer sonst durch Anwesenheit, Storytelling oder andere Aufträge generiert hätten, sinken oder gar ganz ausfallen. „Es kann natürlich nicht alles ans Ende des Jahres verschoben werden. Selbst wenn alle Events dann nachgeholt werden würden, wäre die Werbebelastung für Influencer-Accounts viel zu hoch. Es bleiben also ganz klar Umsätze aus“, stellt Ann-Katrin Schmitz fest.

Chancen dank erzwungener Digitalisierung

Der moralische Aspekt spiele für sie ebenfalls eine Rolle. „Man muss sich schon die Frage stellen: Sollte ich mit guter Laune für Produkte werben, während Teile der Gesellschaft gerade in Kurzarbeit gehen, ihre Jobs verlieren oder sogar insolvent gehen? Ist es dann moralisch verwerflich, weiter zum Konsum anzuregen? Es gibt, glaube ich, kein Richtig oder Falsch, aber es ist auf jeden Fall fraglich“, so Schmitz.

Trotz der anstehenden Herausforderungen erkennt die Social-Media-Expertin auch Potenziale für Influencer. „Am Ende ist es auch eine riesige Chance, enger mit der Community zusammenzuwachsen – weil der kommerzielle Part in den Hintergrund rückt. Mehr Zeit für echtes Storytelling“, sagt Schmitz im Instagram-Video. Auch die erzwungene Digitalisierung des Mittelstandes könnte sich positiv auf Influencer Marketing auswirken, wenn ein Teil der neuen Budgets in den Kanal fließen würde.

Die richtige Zeit, um Strukturen zu überdenken

Chancen sieht auch Robert Levenhagen, Gründer des Software-Unternehmens InfluencerDB – in erster Linie aber, was den Aufbau von Reichweite angeht. „Die Nachfrage nach Content steigt aktuell massiv an, aber das Angebot ist noch nicht da. Jetzt ist die beste Chance, für Marken und Creator auf Instagram und Tiktok Reichweite aufzubauen“, sagt er gegenüber OMR. Dieses Potenzial sei bei Tiktok am größten. „Tiktok war eh im Aufwind und profitiert jetzt enorm. Auch Creator haben jetzt mehr Zeit zum Experimentieren. Da könnte ein ganz neues Set an Influencern entstehen, die sich genau jetzt austoben.“

Robert Levenhagen InfluencerDB Influencer Marketing Corona OMR

Robert Levenhagen, InfluencerDB

Auch Levenhagen erkennt den Ernst der Lage und wegfallender Budgets an. „Wir werden eine Konzentration auf weniger, dafür erfolgreichere Influencer erleben, die das wirklich aus Leidenschaft machen. Diejenigen, die nur wegen des Geldes mit Müh und Not auf 30.000 Follower gekommen sind, sind die ersten, die wegfallen“, sagt er. „Wir können, glaube ich, gerade die Beschleunigung einer Entwicklung beobachten, die sowieso schon da war“, so Levenhagen weiter. „Nutzer und Konsumenten werden im Durchschnitt immer skeptischer gegenüber Werbebotschaften. Das konnten wir auch schon in den vergangenen zwei bis drei Jahren in der Performance von Kampagnen erkennen.“

Für viele Unternehmen sei jetzt eine gute Gelegenheit, die in den letzten Jahren so schnell gewachsenen Influencer-Marketing-Strukturen aufzuräumen. „Da dürfte es an vielen Stellen viele festgewachsene, suboptimale Prozesse geben“, sagt Levenhagen. „Die Unternehmen, die echte Beziehungen zu Influencern haben und eng mit ihnen kollaborieren, dürften jetzt profitieren. Es macht natürlich einen Unterschied, ob eine Marke unpersönlich Kampagnen pausiert oder ob sie im offenen Gespräch nach Alternativen sucht und echtes Interesse zeigt.“

Authentizität und Anpassungsfähigkeit gewinnen

Anna Meyfarth ist Brand and Marketing Communication Manager bei Collabary, einer 2016 unter dem Dach von Zalando gegründeten Influencer-Marketing-Plattform mit Kunden aus den Bereichen Fashion, Beauty und Lifestyle. Auch sie spürt eine gewisse Unsicherheit. „Das zeigt zum einen die Aktivität in unserem Insights-Tool, die aktuell stark nach oben geht. Außerdem haben wir Fragen von Kunden zu laufenden Kampagnen bekommen“, sagt Meyfarth im Gespräch mit OMR. „Und klar: Teilweise haben sich Kampagnen auch verschoben oder wurden pausiert. Oder wir haben Anpassungen an der Tonalität und Bildsprache vorgenommen.“

Anna Meyfarth Collabary Influencer Marketing Corona OMR

Anna Meyfarth, Collabary

Sie erkennt zur Zeit verschiedene Arten, wie Marken und Influencer mit der Situation umgehen. „Die eine Gruppe wartet eher ab, stellt viele Fragen, schaut sich Best Cases an und will lernen. Die andere übernimmt eine Art Vorreiterrolle, erkennt die Gunst der Stunde und investiert“, so Anna Meyfarth. Trotz aller Schwierigkeiten sieht sie die Situation eher als Chance für Influencer Marketing. „Jetzt sind Kreativität und Pragmatismus gefragt. Influencer können jetzt von gestoppten Drehs und allgemeinen Produktionsschwierigkeiten profitieren. Schließlich macht das ein Großteil eh schon immer selber.“ Eine weitere Chance könnte sein, sich mit Authentizität und der richtigen Tonalität nahbarer zu zeigen, als das sonst der Fall ist. „In der Regel wissen das Communitys zu schätzen. Da kommt es stark auf Fingerspitzengefühl an“, sagt Meyfarth.

Die Mehrheit findet Sponsored Posts in Ordnung

Um Gefühle und Eindrücke mit Daten zu bestätigen, hat die Influencer-Marketing-Agentur Intermate 20.000 Profile analysiert und die Veränderungen von Kalenderwoche 11 (9. bis 15. März) auf Kalenderwoche 12 untersucht. Demnach sei die Anzahl der Postings insgesamt um 25 Prozent auf 22.150, die Anzahl der Werbepostings sogar um fast 30 Prozent auf 2.727 gesunken – was auch entsprechende Umsatzeinbußen zur Folge hatte. Trotz weniger Beiträge seien während dieses Zeitraums die Reichweite und Impressionen um drei Prozent gestiegen. „Es wird insgesamt mehr Content auf den sozialen Plattformen konsumiert, weil viele Menschen offenbar die fehlenden sozialen Kontakte kompensieren wollen“, sagt Gründer Philip Papendieck. Der Akzeptanz von Werbepostings und Partnerschaften scheint die aktuelle Krise der Umfrage zufolge nicht zu schaden. Elf Influencer mit in Summe 5,8 Millionen Followern, darunter unter anderem Yvonne Pferrer, Isabeau und Barbara Sofie, haben Papendieck zufolge ihre Communitys gefragt. 76 Prozent hätten angegeben, weiterhin Interesse an Postings zu Kooperationen zu haben.

Philip Papendieck Intermate Influencer Marketing Corona OMR

Philip Papendieck, Intermate

Philip Papendieck und sein Team beobachten während der Krise eine weitere Entwicklung. „Viele Influencer zeigen ein neues Gesicht und lassen einen Blick hinter die Kulissen zu“, so der Intermate-Gründer. „Das passiert interessanterweise häufig auf Tiktok. Da probieren sich jetzt viele aus – und wirken so ein Stück weit nahbarer für ihre Community.“ Für Papendieck ist Tiktok die Plattform, die enorm profitiert. „Tiktok definiert Entertainment gerade neu.“

 

Langfristige Kooperationen statt schneller Performance-Deals

Stephan Schilling Divimove Influencer Marketing Corona OMR

Stephan Schilling, Divimove

Auch Stephan Schilling von Divimove stellt eine große Unsicherheit im Markt fest. Das Influencer-Netzwerk des Medienunternehmens, das zur RTL Group gehört, umfasst über 1.500 Creator in Europa. Anfang des Jahres hat Divimove außerdem die Influencer-Marketing-Agentur Tube One Networks übernommen. „Diese Unsicherheit herrscht auf beiden Seiten“, sagt Schilling. „Werbetreibende müssen jetzt umdenken, Influencer haben wie viele andere Freiberufler zum Teil Existenzängste.“ Man dürfe auch nicht vergessen, dass nicht nur die Influencer selber betroffen sind, dazwischen gebe es fast immer noch eine Agentur, ein Management und ein eigenes Team. Unabhängig vom Vertical seien vor allem folgende Influencer gut vorbereitet für die Krise: „Wer breit auf mehreren Plattformen aufgestellt ist, nicht ausschließlich von Werbedeals abhängig agiert und bereits eine Markenwelt mit eigenen Produkten aufbauen konnte, ist klar im Vorteil“, so Stephan Schilling.

Eine allgemein gültige Strategie für Influencer gebe es jetzt nicht. „Es gibt natürlich Themen, die man jetzt nicht bringen sollte. Es ist mehr Fingerspitzengefühl für die Inhalte und vor allem ihre Tonalität gefragt, als sonst“, stellt Schilling fest. Es gebe aber auch Chancen – und insgesamt sei die Krise ein Weckruf für die Branche. „Jetzt zeigt sich, dass langfristige Kooperationen deutlich mehr wert sind, als ausschließlich kurzfristige One-Hit-Wonder. Wer agil ist, Formate sowie Produktionen schnell umdenken kann und neue Plattformen erschließt, wird ebenfalls profitieren.“

Plattformen profitieren vom Live-Content-Trend

Christoph Kastenholz Pulse Advertising Influencer Marketing Corona OMR

Christoph Kastenholz, Pulse Advertising

Christoph Kastenholz, Gründer und CEO der Influencer-Marketing-Agentur Pulse Advertising, betont im Gespräch mit OMR den großen Wert von Communitys – vor allem digital. „Die sind heute wichtiger denn je, das lesen wir aus dem aktuellen Medienkonsum der Menschen. Es geht eben um Physical Distancing, aber nicht um Social Distancing“, so Kastenholz. Interaktive Themen wie gemeinsames Essen, Kochen, Spielen von Videospielen oder Videocalls würden aktuell eine zentrale Rolle einnehmen. „Auf den Content bezogen bedeutet das, dass wir dem Live-Content-Trend aus China mehr und mehr folgen, neben Out-of-the-Moment-Formaten wie Instagram Stories. Hier profitieren vor allem Instagram und TikTok“, sagt Christoph Kastenholz.

Den Live-Content-Trend erkennen dieser Tage auch immer mehr Einzelhändler, die so versuchen, das wegfallende Offline-Geschäft online aufzufangen. Auch für Brands sieht Kastenholz eine Chance: „Auch wenn viele Marken aktuell Budgets hinterfragen, sehen immer mehr auch die Möglichkeit, sich jetzt Top-of-Mind zu positionieren. Es geht also auch um die Vorbereitung darauf, wie man aus dieser Situation wieder herauskommt und auch positiv denkt.“ Darauf werde Pulse Advertising derzeit mehr und mehr angesprochen – auch von Brands, mit denen die Agentur noch nicht in Kontakt stand.

Angreifbar sein und Freude zulassen

Fulya Celik Lucky Shareman Influencer Marketing Corona OMR

Fulya Celik, Lucky Shareman

Influencer Marketing sei auf keinen Fall der am schwersten von der Krise betroffene Marketing-Kanal, sagt Fulya Celik. Sie ist Head of Marketing bei der Influencer-Marketing-Agentur Lucky Shareman. „Out-of-Home sinkt und für die Produktion von TV-Spots gibt es quasi keine Drehgenehmigungen. Bei uns haben sich inzwischen auch Agenturen erkundigt, die sonst Kinowerbung produzieren.“ Auch sie stellt fest, dass sich die Inhalte in den vergangenen Tagen stark verändert haben. „Viele Influencer setzen jetzt stark auf sehr persönlichen Content. Das kommt vor allem bei gefestigten Communitys sehr gut an“, so Celik. „Das heißt aber nicht, dass Creator keine positiven Inhalte mehr machen können. Freude und Humor, kreative Formate – auch solche Inhalte als Ablenkung von der außergewöhnlichen Situation sind gefragt.“ Am Ende sei offenbar genau diese Mischung aus ernsthaften und unterhaltenden Formaten eine gut funktionierende Lösung.

Luana Theodoro da Silva Lookfamed Influencer Marketing Corona OMR

Luana Theodoro da Silva, Lookfamed

Die Influencer-Marketing-Agentur Lookfamed aus Göttingen betreut über 20 Blogger exklusiv. Hier ist man sich ziemlich sicher, dass die Krise langfristig spürbare Effekte auf die Branche haben wird. „Die Wirtschaft und die Gesellschaft ändern sich. Influencer werden stärker darüber nachdenken, für was sie eigentlich stehen wollen. Und Marken wissen jede persönliche Beziehung zu Creatorn immer mehr zu schätzen“ sagt Luana Theodoro da Silva, COO von Lookfamed und mit rund 540.000 Followern auf Instagram selber Influencerin.

Sebastian Roeske Lookfamed Influencer Marketing Corona OMR

Sebastian Röske, Lookfamed

Auch Co-Gründer Sebastian Röske ist der Meinung, dass einige der jetzt eintretenden Effekte eh früher oder später eingetreten wären: „Das ist ein notwendiger Wandel. Der Markt hätte sich sowieso verändert. Und die Krise hat es jetzt nur vorgezogen.“ Da Silva ergänzt: „Wer als Influencer schon vorher auf bestimmte Werte gesetzt hat, profitiert jetzt. Man sollte sich zeigen, wie man ist. Also angreifbar und weniger perfekt, als das es häufig suggeriert wird. Menschlichkeit wird wieder wichtiger.“

 

Empathie als wichtigste Eigenschaft von Influencern

Wie wichtig es jetzt für Influencer sein kann, sich ehrlich und authentisch zu zeigen, betont Sven Wedig von Vollpension Medien im Podcast „Influence“ von Alina Ludwig. „Große Themen sind jetzt Haltung, Empathie und wirklich relevante Botschaften. Influencer nehmen eine sehr relevante Rolle ein, weil sie großen Einfluss ausüben und theoretisch viel Schaden anrichten können“, so Wedig im Pocast, bei dem noch 13 weitere Experten der Influencer-Marketing-Branche zu Wort kamen.

Auch die Welt hat sich in einem längeren Stück mit der aktuellen Situation von Influencern beschäftigt. Die Autorin Silvia Ihring widmet sich der Branche unter der Überschrift „Zwischen Empathie und Werbung – Was Influencer in der Corona-Krise posten“ allerdings offenbar nicht ganz ohne Vorurteile. „Sie sind immer unterwegs und besuchen exklusive Events. Sie fliegen um die Welt und tragen dabei Designerkleider. Sie filmen und fotografieren sich am Strand, in der Rooftop Bar oder während der Modenschau“, lautet der Einstieg in den Text. Und weiter: „Influencer verdienen Geld, indem sie ihren Followern Zugang zu einer anderen, oft schöneren Welt gewähren.“

Die wachstumsstärksten deutschsprachigen Influencer auf Instagram

Rang

Influencer

Account-Name

Wachstumsrate

absolutes Wachstum

1

Anastasia Настя

nasty.bory

126 %

30.191

2

Charlotte „Lotte“ Rezbach

musikvonlotte

78 %

38.088

3

Markus Söder

markus.soeder

76 %

34.306

4

Amira Pocher

amirapocher

75 %

292.114

5

Addnfahrer

addnfahrer

54 %

49.139

6

Johannes Oerding

johannesoerding

52 %

76.251

7

Oliver Pocher

oliverpocher

51 %

610.689

8

Michael Schulte

michaelschulte

48 %

36.454

9

Sebastian Kurz

sebastiankurz

44 %

68.058

10

Doreen Pichler

dodipi

39 %

19.133

 

Zeitraum: 15. bis 31. März 2020, Quelle: InfluencerDB

Diese verkürzte und dramatisierte Definition von Influencern und der gesamten Branche wird anschließend noch weiter zugespitzt: „Die Chanel-Show auf Capri ist abgesagt, die Lufthansa bringt niemanden mehr zur Pressereise nach Südafrika, und die Kooperation mit dem asiatischen Smartphone-Hersteller muss erst mal pausieren.“ Als beispielhafte Protagonisten dieser Welt dienen in der Folge unter anderem Caro Daur (2,3 Millionen Abonnenten auf Instagram), Pamela Reif (4,8 Millionen Abonnenten auf Instagram) und Xenia Adonts (1,4 Millionen Abonnenten auf Instagram) – allesamt Superstars der Szene. Natürlich: Auch sie werden mit Einbußen während der Corona-Krise zu kämpfen haben. Allerdings dürfte der Kampf hier weniger dramatisch ausfallen, als beim durchschnittlichen Influencer ohne eigene Brand, mehreren wirtschaftlichen Standbeinen und Millionen-Reichweite. Das stellt auch Xenia Adonts fest. Sie sei sehr privilegiert und es gebe andere, die um ihre Existenz bangen müssten.

Silvia Ihring stellt dennoch die ganz richtige Frage, die dieser Tage ausnahmslos jeden in der Marketing-Branche beschäftigen dürfte: „Wie findet man die Balance zwischen Empathie, Realismus, Inspiration und Werbung?“. Dass das nicht jeder schafft, hat dann auch Comedian Oliver Pocher festgestellt und in mehreren Videos in Richtung einiger Influencer ausgeteilt – hier und da vielleicht zurecht.

CoronaInfluencer MarketingInstagramTikTok
Torben Lux
Autor*In
Torben Lux

Torben ist seit Juni 2014 Redakteur bei OMR. Er schreibt Artikel und Newsletter, plant das Bühnenprogramm des OMR Festivals, arbeitet an der "State of the German Internet"-Keynote, betreut den OMR Podcast und vieles mehr.

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